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Mundart des Krefelder Ortsteiles Hüls Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Hölsch Plott (Hülser Platt) ist die Mundart des Krefelder Ortsteiles Hüls. Die Stadt Krefeld liegt sprachhistorisch im niederfränkischen Mundartraum, der im Norden etwa bei Kleve und Emmerich beginnt und sich mit der südlich von Düsseldorf verlaufenden Benrather Linie (maken/machen-Linie) vom Mittelfränkischen (Ripuarischen) des Großraumes Bonn-Köln-Aachen abgrenzt. Innerhalb des Niederfränkischen verläuft durch Krefeld die sogenannte Uerdinger Linie (auch ik/ich-Linie genannt), die das Südniederfränkische vom Nordniederfränkischen trennt.[1] Das in Hüls gesprochene Hölsch Plott wird wegen einiger typischer Merkmale (z. B. ek bön enen Hölsche) zum nördlich dieser Linie liegenden Nordniederfränkischen gerechnet, während Krefeld mit seinem Krieewelsch und auch die anderen Krefelder Ortsteile mit ihren lokalen Mundarten zum Südniederfränkischen zählen.
Der Name Hüls ist eine Ableitung vom niederfränkischen Wort „Hulis“ für den im Mittelalter im Hülser Bruch häufig vorkommenden Hülsdornstrauch, auch als Stechpalme oder Ilex bekannt. Urkundlich erwähnt wurde Hüls erstmals im Jahre 1112. Das Rittergeschlecht der Herren von Hüls regierte die Herrlichkeit Hüls von der Burg Hüls aus bis ins 16. Jahrhundert, wo im Jahre 1565 die letzte Hülser Herrin, Katharina und ihr Gemahl, der Ritter Godert Haes von Conradsheim zu Sollbrüggen, ohne Leibeserben verstarben.[2] Hüls war bis 1970 eine eigenständige Gemeinde im Kreis Kempen-Krefeld, ab 1970 Stadtteil der westlich gelegenen Stadt Kempen. 1975 erfolgte die Eingemeindung nach Krefeld.[3]
Der Eigenbezeichnung der Mundarten als Platt wie in „Hölsch Plott“, „Krieewelsch Platt“ oder „Kemp'sch Platt“ geht wohl auf „platt“ in der Bedeutung 'direkt, geradeheraus' zurück. Es gibt den rheinischen Spruch, jemanden etwas „platt für dä Kopp“ zu sagen („unverblümt und direkt“). Platt ist seit jeher die Sprache des Volkes schlechthin.[4]
Niederrheinisch, die in Deutschland gesprochene Variante des auch in den Niederlanden vorkommenden Niederfränkischen basiert auf den Sprachen der frühen Franken. Diese expandierten vom Niederrhein ausgehend ab dem 3. Jahrhundert nach Süden und Westen in die zum Teil von Römern und Galloromanen besiedelten Gebiete. Zu diesem Zeitpunkt siedelten im Raum zwischen Xanten und Krefeld u. a. die germanischen Unterstämme der Sugambrer und Cugerner, die im Großstamm der Salfranken aufgingen.[7] Die Salfranken (bzw. Salier) breiteten sich vom Niederrhein über die Niederlande und Belgien bis ins heutige Frankreich aus. Der zweite fränkische Hauptstamm, die Rheinfranken wanderte dagegen südwärts über Köln ins Rhein-Moselgebiet und machte Köln zu seiner Residenzstadt. Im Jahre 509 wurden beide Frankenvölker unter dem Merowingerkönig Chlodwig I. vereinigt, der als erster Begründer eines Gesamt-Frankenreiches gilt.[8]
Das in Vereinen, insbesondere zu Fasteloovend und auf Mundartabenden des Heimatvereins gepflegte Hölsch Plott (Hölsch mit geschlossenem „ö“, Plott mit offenem „o“) gilt, u. a. wegen einiger Merkmale, zum Beispiel der Verwendung von „ek“ (gelegentlich „ök“) anstelle des hochdeutschen Personalpronomens „ich“ als zum kleverländischen innerhalb des Niederrheinischen gehörig. Im Stadtgebiet Krefeld und in den südlichen Ortsteilen ist stattdessen, wie im südniederfränkischen Mundartraum üblich, ech, esch oder isch geläufig.[9]
Trotz seiner Zuordnung zu den nordniederfränkischen Mundarten, genauer zum Kleverländischen, hat Hülser Platt – mit Ausnahme des ek/ech-Gegensatzes – viele Gemeinsamkeiten mit dem Krefelder Stadtdialekt, auch in der „Sprachmelodie“ – allerdings noch mehr Ähnlichkeiten zu den Mundarten der Nachbarstadt Kempen und deren Ortsteilen St. Hubert und Tönisberg, die ebenfalls als Nordniederfränkisch gelten.
In Hüls benutzt man „ek“ (gelegentlich „ök“) für „ich“ und man sagt zum Beispiel:
In den Nachbarorten Kempen, St. Hubert und Tönisberg spricht man ebenfalls „ek“ :
In Krefeld und den südlichen Stadtteilen sagt man stattdessen „esch“ für „ich“:
Im Niederfränkischen gibt es (wie im Englischen und Niederländischen) nur die Einheitsform „mich/mesch, dich/desch“ für mir und mich bzw. dir und dich:[10]
Typisch für die Hülser Mundart sind des Weiteren:[11]
Im Nordniederfränkischen wird ein auslautendes „n“ zumeist mitgesprochen. In der Hülser Mundart wird dieses „n“ aber verschluckt.[12]
In der Grammatik weist Hölsch Plott bestimmte Merkmale auf:[13]
Ein auslautendes „nd“ wird meist zu „nk“ (Mehrzahl „ng“) ein „nt“ zu „ng“ umgeformt:
Für manche Ausdrücke gibt es mehrere Bezeichnungen, zum Beispiel:
In bestimmten Zusammenhängen werden die Geschlechter vertauscht.
Auch für das Wörtchen uns/unser gibt es eine spezielle Sprechweise:
Typisch für Hölsch Plott (wie für andere Niederrheinische Mundarten) sind die „tu“- und „bin am“-Formen, die im Hochdeutschen verpönt sind. Sie werden verwendet, wenn eine fortdauernde Handlung beschrieben wird oder eine Aufforderung bzw. eine Frage dahinter steht: [14]
Obwohl Hölsch Plott – wegen der ek/ech-Differenzierung – zum Nordniederfränkischen zählt, gibt es dennoch Unterschiede zu den weiter nördlich liegenden Orten am Niederrhein (wie Geldern, Kleve, Moers oder rheinübergreifend Duisburg). Zum einen ähnelt der Hülser Tonfall eher der Krefelder oder Kempener Mundart, zum anderen wird in Hüls anlautendes „g“ nicht wie im Nordniederfränkischen sonst üblich zu „Rachen-ch“, sondern zu „J“ verändert (wie im Krieewelsch und auch im ripuarischen Kölsch üblich); manchmal ist davon auch ein eigentlicher „K“-Laut betroffen, der dann als „J“-Laut gesprochen wird:
Zum Vergleich die Lautung vom nördlichen Niederrhein:
Wie sich von Ort zu Ort die Mundarten geringfügig verändern, zeigt folgendes Beispiel – wobei häufig die Anrede in der etwas altertümlich erscheinenden Form der „dritten Person“ gewählt wird (sogenannte Höflichkeitsform):[15]
Hölsch Plott ist innerhalb des Gebiets der historischen Tonakzentgrenze.
Weitere Einflüsse auf die Hülser Mundart stammen aus der Zeit der französischen Besetzung des Niederrheins zum Ende des 18. Jahrhunderts. Eine Reihe von Vokabeln aus dem Französischen wanderte als Lehnwörter in die örtliche Mundart, so zum Beispiel:
Eng verbunden mit der Hülser Mundart und nicht wegzudenken aus dem Hülser Fasteloovend (Karneval) sind die Figur der „Trina“ und der Karnevalsruf „Breetlook!“ Nach der Überlieferung wollte im Dreißigjährigen Krieg eine feindliche Reiterhorde den Ort überfallen. Da die Hülser Landwehr nur mit wenigen Männern besetzt war, griffen die Hülser Marktweiber (Trinas) zu einer List: Sie warfen haufenweise Porree-Stangen (Suppengrün = Breetlook) den Pferden der feindlichen Reiter vor die Hufe, so dass diese ausrutschten, stürzten und der Feind von den Hülser Burschen mit Knüppeln und Mistgabeln vertrieben werden konnte.
Laut Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges soll der Ausruf „Breetlook!“ unter Soldaten zur Übermittlung der Hülser Herkunft verwendet worden sein, um regionale Neuigkeiten auszutauschen.
Aus der Zeit ab dem 14. Jahrhundert gibt es aus der Herrlichkeit Hüls überlieferte Dokumente in einer Sprache, die heute grenzübergreifend als Rhein-Maasländisch bezeichnet wird.[16] Rheinmaasländisch war eine Schrift- und Kanzleisprache der gehobenen Stände im Rhein-Maas-Dreieck, die sich im niederfränkischen Sprachraum herausgebildet hatte und allmählich Latein als Schriftsprache verdrängte. Diese geschriebene Sprache unterschied sich aber in Stil und Ausdrucksweise durchaus von der gesprochenen Sprache des gemeinen Volkes, dem örtlichen Platt.[17] Hier als Beispiel der Auszug aus einer Erbteilung im Jahre 1363 zwischen den Rittern Matthias von Hüls und seinen Brüdern Geldolf und Johann:[18]
Bis zum Zweiten Weltkrieg war Hülser Platt die von den meisten Hülsern gesprochene Muttersprache. Platt lernten die Kinder beim Spielen auf der Straße und von den Großeltern. Hochdeutsch lernte man erst in der Schule.
Noch die ersten Nachkriegsjahrgänge konnten Platt sprechen und verstehen. Heute wird Platt in der Regel nur noch von älteren Leuten untereinander gesprochen, sowie auf „Fasteloovend“ (Karneval), in Bühnenauftritten und in Mundartzirkeln gepflegt. Auch gibt es in Hüls eine reichhaltige Mundartliteratur und Mundartlieder (insbesondere des im Jahre 1952 verstorbenen Dichters Heinz Fenners), sowie jährlich erscheinende „Heimatblätter“ des Hülser Heimatvereins, in denen Geschichte, Brauchtum und Mundart in Erinnerung gehalten werden.
Manche Schulklassen bieten Platt-Unterricht an und für viele teilnehmende Kinder ist das Erlernen fast wie eine Fremdsprache.
Anstelle von Platt beginnt sich eine andere Umgangssprache durchzusetzen, von den Sprachwissenschaftlern als Regiolekt bezeichnet: gemeint ist das sogenannte Niederrhein-Deutsch, das zum Beispiel Hanns Dieter Hüsch, das „schwarze Schaf vom Niederrhein“ in seinen Auftritten pflegte (auch wenn er einige Verse auf „Grafschafter Platt“ – seinem Moerser Heimatidiom – verfasste).
Auch einige Mundartdichter im Kempen-Krefelder Raum schreiben gelegentlich in dieser neuen Mundart, denn wenn sie alles auf Platt schrieben, würde nur eine begrenzte Anzahl Plattkundiger ihre Bücher lesen. Der Sprachforscher und Buchautor Georg Cornelissen hat in seinem Buch „Der Niederrhein und sein Deutsch“ die Entwicklung aufgezeichnet, die immer mehr Menschen zum Niederrhein-Deutsch geführt hat.[19]
Typisch für Regiolekt sind bestimmter Satzkonstruktionen, die an das zurückgedrängte Platt erinnern, z. B.:
Das Niederrhein-Deutsch zeichnet sich weiter aus durch „Vereinfachungen“ in der Aussprache und „Zusammenfassen“ von Wörtern oder Wortbestandteilen:
An diesen Beispielen ist zu erkennen, dass der Regiolektsprecher sich zwar an der Deutschen Standardsprache orientiert – allerdings in Satzbau und Wortstellung folgt er der Mundart. Der Tonfall (der „Singsang“) des Regiolektes ähnelt unterschwellig der Sprechmelodie der örtlichen Mundart. Die sprachliche Intonation in Hüls ist eine andere als in Düsseldorf oder Kleve, auch wenn der Sprecher sich bemühen würde, Hochdeutsch zu sprechen.
Je mehr die „Niederrhein-Deutsch-Sprecher“ zwanglos unter sich sind, je ausgeprägter wird Regiolekt benutzt. Sollten noch Mundartsprecher in der Gesprächsrunde sein, so wird ein Gemisch aus Regiolekt und Mundart dabei herauskommen. Je mehr die Sprecher sich in einer förmlichen Umgebung oder in einer Gesprächsrunde mit Fremden befinden, je weniger ausgeprägt wird Regiolekt benutzt – Platt wird dann ganz vermieden, selbst wenn man es könnte. Und der am Gespräch beteiligte Hülser (oder Krefelder oder Kempener) wird meinen, dass er selbst „gepflegtes Hochdeutsch“ spricht – doch an seinem Tonfall wird man ihn erkennen. Das fast vergessene örtliche Platt hat darin seine Spuren hinterlassen.
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