Preuß wurde nach der Novemberrevolution am 15. November 1918 zum Staatssekretär im Reichsamt des Innern berufen und mit dem Entwurf einer Reichsverfassung beauftragt. Für dieses Amt und diese Aufgabe hatte der Rat der Volksbeauftragten außer Preuß auch Max Weber erwogen,[9] was später – offensichtlich wegen Webers ablehnender Haltung gegenüber der Revolution – unterblieb.[10] Preuß war von der ParlamentarismustheorieRobert Redslobs beeinflusst. In dem von ihm am 3. Februar 1919 vorgelegten Verfassungsentwurf hatte Preuß allerdings noch um die Jahreswende 1918/1919 „von einem die Grundrechte umfassenden Teil der Verfassung absehen wollen“.[11] Auf den besonderen Wunsch Friedrich Eberts fügte er dann einen kurzen Grundrechtsteil in den Entwurf ein. In der Weimarer Nationalversammlung nahm Friedrich Naumann Eberts Anregung auf und verfasste selbst einen „schwungvollen“[11] Grundrechtsteil. Inzwischen hatte zudem der Verein Recht und Wirtschaft[12] in bewusster Anlehnung an die Paulskirchenverfassung einen umfassenden Grundrechtsteil ausgearbeitet, der in einigen Formulierungen Eingang in die Weimarer Verfassung fand.
Kritik kam vor allem von konservativer Seite, für die der Entwurf zu sehr der Paulskirchenverfassung ähnelte; man hätte auf dieser Seite des politischen Spektrums eine Anlehnung an die preußische Verfassung von 1848/50 bevorzugt. Dabei fürchteten die Kritiker außer der naturrechtlichen Orientierung an über dem positiven Recht stehenden Grundrechten insbesondere eine Zentralisierung infolge einer von Preuß vorgeschlagenen Erneuerung der bisher von Preußen dominierten föderalen Struktur[13] und der Abschaffung der Reservatrechte. Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung ermöglichte Hitler 1933 die Außerkraftsetzung von Grund- und Menschenrechten. Die Weimarer Republik etablierte eine parlamentarische Demokratie, jedoch verlieh die Verfassung dem Reichspräsidenten, als Ersatz des Kaisers, der mit beinahe diktatorischen Vollmachten ausgestattet war, eine bedeutende Machtfülle.[14] Die Absicht, ein überparteiliches Gegengewicht zum Parlament zu schaffen, verfolgte insbesondere der DDP-Abgeordnete Hugo Preuß, der als „Vater der Weimarer Reichsverfassung“ bekannt ist, um der zunehmenden politischen Zersplitterung und der Stärkung republikfeindlicher Parteien entgegenzuwirken, was von den Sozialdemokraten vergeblich kritisiert wurde.[14]
Im Kabinett Scheidemann war Preuß von Februar bis Juni 1919 erster Reichsinnenminister der Weimarer Republik. Die Regierung Scheidemann war zutiefst gespalten in der Frage, ob man den Versailler Vertrag (unterzeichnet am 28. Juni 1919) akzeptieren solle, und trat am 20. Juni 1919 zurück. Somit demissionierte auch Innenminister Hugo Preuß, der zu den Kritikern des Versailler Vertrags gehörte. Sein Ausscheiden aus dem Regierungsgeschäft „führte zu der absurden Situation, dass Preuß’ Unterschrift nicht unter der Verfassung zu finden ist, die doch zu großen Teilen aus seinen Ideen entstanden war, denn sie wurde erst nach seinem Rücktritt verabschiedet“[15] – am 31. Juli 1919.
Preuß starb kurz vor seinem 65. Geburtstag.
Preuß war Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Die NS-Propaganda nahm sein Judentum zum Anlass, die Weimarer Republik und ihre Verfassung als „undeutsch“ zu diskreditieren.
Gesammelte Schriften. Im Auftrag der Hugo-Preuß-Gesellschaft e.V. 5 Bde., hrsg. von Detlef Lehnert u.a., Tübingen 2007–2015, Bd. 1: Politik und Gesellschaft im Kaiserreich, 2007; Bd. 2: Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie im Kaiserreich, 2009; Bd. 3: Verfassungsentwürfe, Verfassungskommentare, Verfassungtheorie, 2015; Bd. 4: Politik und Verfassung in der Weimarer Republik, 2008; Bd. 5: Kommunalwissenschaft und Kommunalpolitik, 2012.
Die Massregelung jüdischer Lehrerinnen an den Berliner Gemeindeschulen. Rede gehalten in der Sitzung der Stadtverordneten am 1. Dezember 1898 (Stenographischer Bericht nebst einer orientirenden Vorbemerkung), 1898. Digitalisierung: Berlin: Zentral- und Landesbibliothek Berlin, 2021. URN urn:nbn:de:kobv:109-1-15435996
Das städtische Amtsrecht in Preußen, 1902.
Die Entwicklung des deutschen Städtewesens. Bd. 1: Entwicklungsgeschichte der deutschen Städteverfassung, 1906.
Stadt und Staat, 1909.
Zur preußischen Verwaltungsreform, 1910.
Das deutsche Volk und die Politik, 1915.
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Staat, Recht und Freiheit. Aus vierzig Jahren deutscher Politik und Geschichte, Tübingen 1926 (Gesammelte Aufsätze von Hugo Preuß, hrsg. von Theodor Heuss).
Verfassungspolitische Entwicklungen in Deutschland und Westeuropa, hrsg. von Hedwig Hintze, Berlin 1927.
Reich und Länder. Bruchstücke eines Kommentars zur Verfassung des Deutschen Reiches, hrsg. von Gerhard Anschütz, Berlin 1928.
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Der Verein Recht und Wirtschaft wurde 1911 von Adelbert Düringer mit anderen Gleichgesinnten gegründet: „Vorrangiger Vereinszweck war die Zusammenführung der verschiedenen Meinungen zur Weiterentwicklung des Rechts sowie die Anpassung von Rechtsentwicklung und Rechtsanwendung an die Bedürfnisse der fortschreitenden Industrialisierung und Modernisierung. Zu den Vereinsmitgliedern gehörten neben Staatsrechtslehrern wie Heinrich Triepel, Erich Kaufmann und Hugo Preuß auch die Industriellen Carl Duisberg und Wilhelm von Siemens sowie die späteren Minister der Weimarer Zeit Gustav Radbruch, Hans Luther, Eugen Schiffer und Rudolf Heinze. Düringer lenkte die Geschicke des Vereins bis zu dessen Auflösung 1923 als erster Vorsitzender.“ (zit. aus der Kurzbiografie Düringers auf der Website des landeskundlichen Informationssystems des Landes Baden-Württemberg, LEO-BW).
Preuß hatte vorgeschlagen, „Deutschland intern territorial neu aufzuteilen. Dies hätte die Auflösung der historisch gewachsenen Länder zur Folge gehabt, unter ihnen auch die des größten: Preußen. Dieser Vorschlag ließ sich jedoch bei den konservativen Vertretern in der Nationalversammlung nicht durchsetzen, eilte aber seiner Zeit voraus, da er nach 1945 bei der Gründung der deutschen Bundesländer umgesetzt wurde.“ Quelle: Die Weimarer Verfassung und ihr „Vater“, Hugo Preuß, auf der Website der National Library of Israel – http://web.nli.org.il/sites/NLI/English/collections/personalsites/Israel-Germany/Israel-Deutschland/Weimarer-Republik/Pages/Weimarer-Verfassung.aspx – aufgerufen am 9. Dezember 2018.
Ernst Piper(Mehr zum Autor):Weimarer Republik.Konstituierung der Demokratie 1918/1919.In:Website https://www.bpb.de.Bundeszentrale für politische Bildung,7.Mai 2021,abgerufen am 1.Dezember 2023.