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Stadt in Nordrhein-Westfalen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Glockenstadt Gescher [ ] (plattdeutsch Gesker) ist eine Kleinstadt im münsterländischen Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen.
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Koordinaten: | 51° 57′ N, 7° 0′ O | |
Bundesland: | Nordrhein-Westfalen | |
Regierungsbezirk: | Münster | |
Kreis: | Borken | |
Höhe: | 59 m ü. NHN | |
Fläche: | 80,84 km2 | |
Einwohner: | 17.467 (31. Dez. 2023)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 216 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 48712 | |
Vorwahlen: | 02542, 02863 | |
Kfz-Kennzeichen: | BOR, AH, BOH | |
Gemeindeschlüssel: | 05 5 54 016 | |
LOCODE: | DE GSR | |
Stadtgliederung: | 6 Ortsteile | |
Adresse der Stadtverwaltung: |
Marktplatz 1 48712 Gescher | |
Website: | www.gescher.de | |
Bürgermeister: | Anne Kortüm (parteilos) | |
Lage der Stadt Gescher im Kreis Borken | ||
Durch Gescher fließt die Berkel. Im Nordosten streift der Fluss Dinkel das Stadtgebiet und bildet für etwa 3 km die Grenze zur Nachbargemeinde Rosendahl. Gescher liegt rund 3 km westlich der Autobahn A 31, die Emden mit dem Ruhrgebiet verbindet. Gescher ist über die Anschlussstelle (33) Gescher-Coesfeld und die kreuzende B 525, die die deutsch-niederländischen Grenze bei Südlohn-Oeding mit der Autobahn A 43 verbindet, an das Fernstraßennetz angeschlossen.
Ortsteil, in dem auch Vertriebene nach 1945 eine neue Heimat gefunden haben (Vorwahl: 02863). Das dort befindliche Hochmoor wurde erst in den 1960er Jahren mittels Tiefpflug trockengelegt.
Auf dem Gebiet der Stadt Gescher, beider Seiten der Berkel gelegen,[2][3] befinden sich die vier Naturschutzgebiete Berkelaue I,[4] Berkelaue II,[5] Kuhlenvenn[6] und nordöstlich von Hochmoor das Flora-Fauna-Habitat Fürstenkuhle.[7] Nichtregierungsorganisationen, Vereine und Aktivistengruppen wie die Biologische Station Zwillbrock[8] und der Naturschutzverein Gescher-Hochmoor[9][10] sowie der NABU betreuen die Schutzgebiete. An der Grenze der Gemarkungen Esten und Eschlohn, westlich von Gescher, liegt als Bodendenkmal die so genannte Versunkene Burg Brockhusen.[11] Östlich von Gescher in der Berkelaue, beim 1816 abgebrannten Haus Hengelborg, in der Nähe einer aufgegebenen Bauernhofstelle (Hofwüstung), finden sich in der Gemarkung Harwick die Überreste eines für das Westmünsterland typischen Wehrspeichers, umgeben von Gräften, datiert auf das 15./16. Jahrhundert, evtl. später.[12]
Stadt Stadtlohn (Kreis Borken) |
Gemeinde Rosendahl (Kreis Coesfeld) | |
Gemeinde Südlohn (Kreis Borken) |
Stadt Coesfeld (Kreis Coesfeld) | |
Stadt Velen (Kreis Borken) |
Gemeinde Reken (Kreis Borken) |
Frühgeschichtlich liegt Gescher an der Stammesgrenze zwischen Brukterern und Chamaven. Die Grenze lag in den Feuchtgebieten im Westen von Gescher (Estern). Entlang dieser Grenzen finden sich auch die Fluchtburgen versunkene Borg, Rauschenburg und Hengelborg. Der Name Gescher leitet sich ab von Gasgare, später dann Gaschari, einem Oberhof des Stiftes Borghorst. Nach dem Bau einer Kirche durch das Stift um das Jahr 1000 und der Einrichtung der dazugehörenden Pfarrei entwickelte sich allmählich eine dörfliche Siedlung. Gescher wurde im Feuchtgebiet der Siepen gegründet, wobei diese Siepen nicht trockengelegt oder umgeleitet, sondern überbaut wurden. Noch heute finden sich entsprechende Namen wie Waterstegge oder Armlandstraße (ein ehemaliger Knüppeldamm über die Siepe). Es zogen sich Siepen von der Katharinenstraße (Waterstegge) und auch von der Inselstraße in Richtung Wenings Feuchtgebiete. Weitere Siepen aus den südlichen und östlichen Gebieten wurden in der Gräfte gesammelt und von dort unter der Armlandstraße weitergeleitet. Diese verläuft heute noch an der linken Seite der Pankratius-Kirche. Diese Siepen existieren noch immer, teils verrohrt oder als weitläufiges Feuchtgebiet.
1570 brannte die Siedlung fast vollständig nieder. Der Wiederaufbau sowie Plünderungen und Einquartierungen während der Niederländischen Befreiungskriege und des Dreißigjährigen Krieges behinderten die Entwicklung der Siedlung.
Infolge der französischen Revolutionskriege wurde im Jahr 1803 das Hochstift Münster, zu dessen Amt Ahaus Gescher gehört hatte, auf dem Reichsdeputationshauptschluss aufgelöst. Das Kirchspiel gelangte unter die Herrschaft des Fürsten zu Salm. Von 1811 bis 1813 war Gescher Teil Frankreichs und ab 1816 als Teil des Kreises Coesfeld preußisch.
Das 1390 erstmals urkundlich erwähnte Haus Hall wurde 1855 durch den Münsteraner Bischof Johann Georg Müller in eine Stiftung umgewandelt, als „Erziehungsanstalt für verwahrloste Knaben katholischer Konfession“. Der Auftrag wurde 1929 erweitert um die Betreuung von Menschen mit Behinderung. Der Kirche gehörte Haus Hall seit 1837.
Aus der in Heimarbeit zu leistenden Verarbeitung von Flachs zu Leinen erwuchs während des 19. Jahrhunderts die technisierte Textilindustrie, die für das Wirtschaftsleben bis Mitte des 20. Jahrhunderts prägend werden sollte. 1904 wurde die Eisenbahnteilstrecke Coesfeld–Gescher–Borken in Betrieb genommen. Das 1906 gegründete Torfwerk im Süden der Bauerschaft Tungerloh-Pröbsting stellte die Keimzelle des heutigen Ortsteils Hochmoor dar.
Gegen den Widerstand des kirchlichen Trägers fielen mindestens 27 Jugendliche aus Haus Hall den T4-Mordaktionen der Nationalsozialisten zum Opfer.[13]
Vermutlich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts lebten Juden in Gescher.[14] Obwohl in das gesellschaftliche Leben vollständig integriert (in den Nachbarschaften, bei der Feuerwehr, beim Militär und in Kriegervereinen) wurden nach fünfeinhalb Jahren zunehmender Ausgrenzung, Schikane und Bedrohung die jüdischen Familien Geschers Opfer von Ausschreitungen und Gewalt: Die Wohnungen und Geschäfte sowie die Betstube in der Armlandstr. 1a wurden bei den Novemberpogromen 1938 verwüstet und teilweise in Brand gesteckt.[15] Alle männlichen Mitglieder der Familien Stein, Marx und Falkenstein kamen für ein bis drei Wochen im örtlichen Gefängnis in so genannte Schutzhaft.[16] Im Dezember 1941 wurden alle jüdischen Bewohner Geschers, 20 Personen jeglichen Alters, darunter die zweijährige Eleonore Stein (* 1. April 1939, ✡ Dezember 1941), ins lettische Riga transportiert, um dort ermordet zu werden.[17][18] Der 1867 eröffnete jüdische Friedhof existiert trotz zweimaliger Verwüstung.[16]
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges war die bischöfliche Stiftung Haus Hall Kriegslazarett. Die Bausubstanz in Gescher blieb von Kriegsschäden weitgehend verschont. Am 30. März 1945 (Karfreitag) übergab Bürgermeister Niemann die Gemeinde Gescher an die herannahenden englischen Alliierten. Es kam vereinzelt zu kurzen Feuergefechten mit abrückenden deutschen Soldaten. Mr. Ball übernahm als Vertreter der britischen Besatzung die Hoheit über die Stadt.
Im Ortsteil Hochmoor fanden nach 1945 viele Vertriebene, besonders aus dem katholischen Schlesien Zuflucht im stark erweiterten Ortsteil Hochmoor, der noch bis 1961 kirchlich von St. Andreas in Velen betreut wurde.[19]
1980 eröffnete das Glockenmuseum als eines der wichtigsten Aushängeschilder der Stadt; es wurde 2010 umfassend renoviert und erweitert.
Seit dem 8. Juli 2013 trägt Gescher den offiziellen Namenszusatz Glockenstadt.
Am 1. Juli 1969 wurden in der ersten Phase der Kommunalen Neugliederung die Gemeinden Büren, Estern, Gescher, Harwick, Tungerloh-Capellen und Tungerloh-Pröbsting unter Auflösung des Amtes Gescher zur Stadt Gescher zusammengeschlossen.[20] Am 1. Januar 1975 kam diese im Zuge des zweiten Neugliederungsprogramms vom Kreis Coesfeld zum Kreis Borken.
Jahr | Einwohner |
---|---|
1834 | 3.784 |
1846 | 3.807 |
1849 | 3.790 |
1855 | 3.876 |
1858 | 3.806 |
1864 | 4.002 |
1871 | 3.912 |
1885 | 3.962 |
Jahr | Einwohner |
---|---|
1890 | 4.048 |
1900 | 4.206 |
1905 | 4.486 |
1914 | 5.219 |
1926 | 5.943 |
1939 | 7.223 |
1950 | 10.177 |
1961 | 10.795 |
Jahr | Einwohner |
---|---|
1981 | 14.397 |
1990 | 15.092 |
1995 | 16.154 |
2000 | 16.851 |
2005 | 17.146 |
2010 | 17.164 |
2011 | 16.869 |
2012 | 16.889 |
Jahr | Einwohner |
---|---|
2013 | 16.887 |
2014 | 16.857 |
2015 | 17.118 |
2018 | 17.205 |
2021 | 17.186 |
2022 | 17.361 |
Laut Zensus 2011 wohnten zum Stichtag 9. Mai insgesamt 16.869 Menschen in Gescher.
Gemäß der Volkszählung 2011 waren 11,6 % der Einwohner evangelisch, 76,7 % römisch-katholisch und 11,7 % waren konfessionslos, gehörten einer anderen Religionsgemeinschaft an oder machten keine Angabe.[21] Die Zahl der Protestanten und Katholiken ist seitdem gesunken. Ende 2018 hatte Gescher 17.205 Einwohner darunter 11.163 (64,9 %) katholische Einwohner.[22]
Die Kommunalwahlen seit 2004 führten zu den folgenden Ergebnissen:
2004 | 2009 | 2014 | 2020[23] | |||||
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Partei | Stimmanteil | Sitze | Stimmanteil | Sitze | Stimmanteil | Sitze | Stimmanteil | Sitze |
CDU | 40,1 % | 13 | 46,5 % | 16 | 41,7 % | 14 | 34,8 % | 13 |
SPD | 27,9 % | 9 | 20,5 % | 7 | 24,2 % | 8 | 19,3 % | 7 |
UWG | 16,2 % | 5 | 13,0 % | 4 | 14,6 % | 5 | 19,7 % | 8 |
GRÜNE | % | 8,12 | 11,4 % | 4 | 13,1 % | 5 | 17,6 % | 7 |
FDP | % | 7,73 | % | 8,63 | % | 6,32 | 8,5 % | 3 |
Die Linke | – | – | % | 1,40 | % | 1,80 | – | – |
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Mit der Auflösung des Amtes Gescher 1969 und dem Zusammenschluss der umliegenden Gemeinden zur Stadt Gescher erlosch das Amt des Amtsbürgermeisters.
Aufgrund der geänderten Gemeindeordnung von 1994 entfiel 1999 die Doppelspitze – Stadtdirektor und ehrenamtlicher Bürgermeister. Seitdem gibt es nur noch den hauptamtlichen Bürgermeister. Er wird direkt gewählt. Dieser ist Vorsitzender des Rates, Leiter der Stadtverwaltung und Repräsentant der Stadt.
Der Stadt ist mit Urkunde der Bezirksregierung Münster vom 20. Januar 1971 das Recht zur Führung eines Wappens und einer Flagge verliehen worden.
Blasonierung: „Das Wappen der Stadt Gescher stellt auf grünem Schild zwei voneinander abgekehrte silberne (weiße) Jagdhörner dar.“
Das Wappen geht auf alte Jagdrechte, verliehen durch den Bischof von Münster, zurück. Auch die seit 1421 in Gescher ansässige einflussreiche Familie von der Beeke führte die Jagdhörner im Wappen.[24]
Beschreibung der Flagge: „Die Flagge ist in drei Bahnen im Verhältnis 1 : 3 : 1 von Grün auf Weiß zu Grün längsgestreift (gemeint ist quergestreift) und zeigt in der weißen Bahn das Stadtwappen im Schild.“[25]
Der seit 1790 angesiedelten Glockengießerei Petit & Gebr. Edelbrock verdankt Gescher den Ruf als „Glockenstadt“. 1980 wurde das westfälische Glockenmuseum eröffnet. Eine der wohl berühmtesten und größten Glocken aus Gescher ist die Weltjugendtagsglocke „Johannes Paul II“ im Geläut der Kölner Basilika von St. Aposteln.
Äppelken poop Äppelken (Äpfelchen, kleine Äpfelchen)
Bei diesem alten Heischebrauch, der jedes Jahr am Tag des Erzengels Michael (29. September) stattfindet, ziehen die Kinder von Haus zu Haus und singen ein altes niederdeutsches Lied, worauf hin sie von den Bewohnern des Hauses Süßigkeiten bekommen. Bei diesem alten Brauch wurden den Kindern ursprünglich die Äpfel geschenkt, die als Fallobst oder ihrer geringen Größe wegen nicht brauchbar waren.
Karneval
Der jährliche Karnevalsumzug in Gescher mit dem Ruf Gescher Helau! findet traditionell zwei Wochen vor Rosenmontag statt. Begründet ist diese alte Tradition im vierzigstündigen Gebet, das im 19. Jahrhundert vielerorts im Münsterland auf den Rosenmontag gelegt wurde, um gegen das Karnevalstreiben vor Beginn der vierzigtägigen Fastenzeit am Aschermittwoch vorzugehen. Die volksfrommen Gescheraner jedoch umgingen durch die Vorverlegung der Fastnacht diese Einschränkung. Auch wenn das vierzigstündige Gebet heute nicht mehr am Rosenmontag stattfindet, hat sich diese Tradition in Gescher über die Jahrzehnte erhalten. Um an die über 200-jährige Karnevals-Gebräuche seit der Franzosenzeit 1810 zu erinnern,[26] stifteten Gescheraner Karnevalisten die Bronzeplastik „Die Wurstaufholer“ des Künstlers Bernd Heinemann aus Netphen-Salchendorf.[27] Die Skulptur zeigt zwei Träger mit Gaffel und Schneese[28] zum Aufhängen der Wurstenden. Gegossen wurde die Bronzeplastik von der Glockengießerei Gescher. Auch in Gescher wurde anfangs der Karneval (lateinisch carne levare ‚Fleisch wegnehmen‘) vor Beginn der Fastenzeit von der Kanzel stark bekämpft, weil seit dem Mittelalter sich in derben Fastnachtsspielen inklusive Verkleidung deutlich säkularer Spott an der Kirche, verstärkt und inspiriert durch die kirchenfeindliche Franzosenherrschaft, manifestierte.[29]
In der Stadt Gescher befinden sich mehrere Museen:
Darüber hinaus haben sich in Gescher eine ganze Reihe sehenswerter denkmalgeschützter Bauwerke erhalten.
Gescher liegt, mit einer eigenen Abfahrt, an der A 31 und an der B 525.
An das Schienennetz ist Gescher heute nicht mehr angeschlossen. Bis 1985 lag der Bahnhof Gescher an der Bahnstrecke Empel-Rees–Münster (Baumbergebahn), welche hier demontiert wurde – die heutige SPNV-Linie RB 63 befährt hingegen lediglich den Abschnitt Coesfeld–Münster. Der Busverkehr wird durch den Regionalverkehr Münsterland organisiert.
Gescher ist an zahlreiche offizielle und ausgeschilderte regionale Radwanderwege angeschlossen, u. a. an die 100-Schlösser-Route, die Flamingoroute, die Berkelroute, die Aaroute und die Agri-Cultura-Route.[30]
Die bischöfliche Stiftung Haus Hall ist Wohnort und Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung und größter Arbeitgeber in Gescher. Des Weiteren befindet sich in Gescher die Zentrale der Huesker Synthetic GmbH, eines Herstellers von Geokunststoffen, Agrar- und Industrietextilien. In Gescher-Hochmoor befindet sich der Unternehmenssitz des Maschinenbauunternehmens Ruthmann. Eine der ältesten Glockengießereien Deutschlands, Petit & Gebr. Edelbrock, ist ebenfalls in Gescher beheimatet.
Bisher einziger Ehrenbürger der Stadt Gescher ist Anton Huesker, ehemaliger Textilfabrikant, der wegen seiner besonderen sozialen Leistungen am 25. Juni 1936 zum Ehrenbürger ernannt wurde. Auch der westfälische Textilverband erwähnt in seinen Schriften die herausragenden Leistungen von Anton Huesker.
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