Art der Gattung Galdieria Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Galdieria sulphuraria ist eine Art (Spezies) extremophilereinzelligerRotalgen. Sie ist die Typusart der GattungGaldieria[2] in der KlasseCyanidiophyceae und zeichnet sich aus durch eine große Zahl an Stoffwechselwegen, darunter Photosynthese, aber auch heterotrophes Wachstum auf über 50 verschiedenen extrazellulären Kohlenstoffquellen.
G. sulphuraria gehört zu den acidophilsten (säureverträglichsten) bekannten photosynthetischen Organismen; mit den für Eukaryoten extremsten Wachstumsbedingungen (pH-Werte zwischen 0 und 4 und Temperaturen bis zu 56°C). Die Analyse des Genoms von G. sulphuraria (bzw. der von dieser Art 2023 abgetrennten Spezies G. javensis) deutet darauf hin, dass diese thermoazidophilen Anpassungen auf einen vielfachen horizontalen Gentransfer von Archaeen und Bakterien zurückzuführen sind, eine weitere Seltenheit unter den Eukaryoten.[3][4]
Schnelle Fakten Systematik, Wissenschaftlicher Name ...
Die Zellen von G. sulphuraria sind annähernd kugelförmig und erscheinen gelb- bis dunkelgrün, wenn sie heterotroph in Flüssigkultur wachsen, und sind auch in ihrer natürlichen Umgebung oft gelb bis grün. Die Spezies ist sporenbildend.[5][6]
Die ersten veröffentlichten Beschreibungen von hitze- und säureliebenden (thermoacidophilen) einzelligenAlgen (Mikroalgen) stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die früheste Beschreibung eines Organismus, der der heutigen Spezies G. sulphuraria entspricht, wurde 1899 von einem italienischen Wissenschaftler, Agostino Galdieri,[7] veröffentlicht, der ihr den Namen Pleurococcus sulphurarius gab.[8][9]
Die Taxonomie der thermoacidophilen Algen wurde 1981 vom italienischen Botaniker Aldo Merola überarbeitet, wobei er die Gattung Galdieria einführte und den bisher Pleurococcus sulphurarius genannten Organismus als Typusart dieser Gattung festlegte und ihm seine moderne Bezeichnung G. sulphuraria gab.[10][11][2]
Spezies: Galdieria sulphuraria(Galdieri) Merolaetal., 1981/1982 [Pleurococcus sulphurariaGaldieri, 1899, Cyanidium sulphuraria(Galdieri) F.D. Ott, 1994] (Akronym: Gsulp[16]) – zu dieser Spezies gehören die Organismen mit den früheren Bezeichnungen Cyanidium caldarium(Allen), Cyanidium caldariumM-8 und Cyanidium caldarium FormaB.[6]
Stamm: SAG 17.91 (kurz: 17.91) – Referenzstamm[17][4]
Aufgrund der großen Anpassungsfähigkeit von G. sulphuraria an verschiedene Umweltbedingungen ist es (ohne Gensequenzierung) schwierig bis unmöglich, einzelne Stämme der Gattung dieser Spezies oder etwa der Spezies G. maxima, zuzuordnen.[41] Im Februar 2023 veröffentlichten Park etal. eine Neuordnung der Cyanidiophyceae, in der sie einige Stämme, die bisher der Art G. sulphuraria zugerechnet wurden, nun in eigene, neue Arten der Gattung stellten,[1] ein weiterer Stamm wurde vom National Institute for Environmental Studies (Japan) provisorisch ausgegliedert:[42]
Stamm: SAG 108.79 E11 (kurz: 108.79 E11) – früher Cyanidium caldarium – Fundort: Namenlose sauer-heiße Quelle (pH 3–4) am West Thumb (Yellowstone Lake), USA[43] (2017)[20][44] ⇒ Galdieria yellowstonensisH.S.Yoon, S.I.Park, & T.McDermott, 2023 inkl. Galdieria sp. SPark-2023a
Tischendorf etal. beobachteten 2007 im Stamm 107.79 unter autotrophen Bedingungen (mit Licht) einen dominanten Chloroplasten, der den größten Teil des Zellvolumens einnimmt, während unter heterotrophen Bedingungen (ohne Licht) in den Zellen sehr kleine, gelbe bis farblose plastidenartigeOrganellen („Proplastiden“) zu sehen waren. Im heterotrophen Stadium hatten die Zellen nicht nur den Photosyntheseapparat ihrer Chloroplasten verloren, sondern zeigen überhaupt ein extrem reduziertes Enzymreportoire in ihren Plastiden-Organellen.[18]
G. sulphuraria zeichnet sich durch seine extreme Stoffwechsel-Flexibilität aus: Die Spezies ist zur Photosynthese fähig, kann aber auch heterotroph auf einer Vielzahl von Kohlenstoffquellen wachsen, einschließlich verschiedener Kohlenhydrate.
Es wurden über 50 verschiedene solche das Wachstum fördernde Kohlenstoffquellen berichtet.[48][49][50]
Sorgfältige Messungen seines Wachstumsverhaltens unter Laborbedingungen deuten darauf hin, dass es sich nicht um echte mixotrophe handelt, die beide Energiequellen gleichzeitig nutzen können. Stattdessen stellen sich diese Organismen auf die Umweltbedingungen ein, die sie gerade vorfinden.
Nachdem sie längere Zeit extrazellulären Kohlenstoffquellen ausgesetzt sind, regeln sie die Photosynthese herunter und bevorzugen heterotrophe Wachstumsbedingungen.[51][39]
Die Analyse des Photosystem-I-Komplexes, einer Schlüsselkomponente der Photosynthese, von G. sulphuraria deutet darauf hin, dass dieser zwischen den homologen Komplexen in Cyanobakterien und Pflanzen liegt.[50]
Anders als die meisten Rotalgen, die Semi-Amylopektin (englischfloridean starch)[52] als Speicherglucan verwenden, nutzt G. sulphuraria eine höchst ungewöhnliche Form von Glykogen: Dieses gehört zu den am stärksten verzweigten Glykogenen, weist sehr kurze Verzweigungslängen auf und bildet Partikel mit ungewöhnlich geringem Molekulargewicht. Man nimmt an, dass es sich bei diesen Eigenschaften um Anpassungen des Stoffwechsels an extreme Umweltbedingungen handelt, der genaue Mechanismus ist allerdings noch unklar (Stand 2016).[53]
G. sulphuraria ist – ungewöhnlich für einen Eukaryoten – thermoacidophil, d.h. diese Mikroben können sowohl bei hohen Temperaturen als auch bei niedrigen pH-Werten wachsen: Dieser Organismus gedeiht gut in einem pH-Bereich von 0-4 und bei Temperaturen bis zu 56°C.[51] Letzteres liegt nahe an den ca. 60°C, die als wahrscheinliches Temperaturmaximum für eukaryontisches Leben gelten.[54][55]
Außerdem ist die Spezies sehr tolerant gegenüber hohen Salzkonzentrationen (halophil) und toxischen Metallen. Man findet sie in natürlich sauren heißen Quellen, in solfatarischen Umgebungen und in verschmutzten Umgebungen.[5]
Sie kommt auch in endolithischen Ökosystemen (d.h. im Inneren von Gesteinen) vor, wo das Licht (in günstigsten Fall) knapp ist und ihre heterotrophen Stoffwechselkapazitäten besonders wichtig sind.[56][57][58]
Labortests deuten darauf hin, dass sie in der Lage ist, ihre Umgebung aktiv zu versauern.[51]
Ähnliches gilt für den 2023 durch Park etal. von dieser Spezies abgetrennten Stamm 074W (jetzt C. javensis),[1] der bereits 2013 von Schönknecht etal. untersucht wurde.[3]
In derartigen Lebensräumen, insbesondere mit hohen Konzentrationen von Arsen, Aluminium, Kadmium, Quecksilber und anderen toxischen Metallen kann G. sulphuraria bzw. G. javensis häufig bis zu 90% der Gesamtbiomasse und fast die gesamte eukaryotische Biomasse ausmachen.[3][6]
G. sulphuraria hat zwei Chromosomen[5] (nach anderen Angaben sind es über 40[4]) mit 9,8-13,7Mbp (Megabasenpaaren), die zu den kleinsten unter den phototrophen Eukaryoten gehören, und einen G+C-Gehalt von circa 37% (je nach Stamm etwas unterschiedlich).[4][3][5]
Phylogenetische und genomische Analysen des Stamms 074W[46] durch Gerald Schönknecht etal. (2013) ergaben im Genom stark kondensierte Protein-kodierende Regionen.
Man fand 75 einzelne Hinweise auf einen umfangreichen horizontalen Gentransfer (HGT) aus thermoacidophilen Archaeen und Bakterien.
Es wird vermutet, dass mindestens 5% des Proteoms auf derartigen HGT zurückzuführen sind. Die Anpassungsfähigkeit von G. sulphuraria an eine Vielzahl extremer Lebensräume erklärt sich aus dem Erwerb und der anschließenden Anpassung einer Vielzahl von Genen, zu denen Gene für hitzetolerante ATPasen von Archaeen, halophile Natrium-Protonen-Antiporter (engl. sodium-proton antiporters[60]) von Bakterien,[A. 6] sowie thermoacidophile Proteine, um ggf. mit Arsen- und Quecksilberkonzentrationen zurechtzukommen.[3][5]
Neben diesen extremophilen Anpassungen helfen von Pilzen stammende Stoffwechsel-Transportproteine, eine Vielzahl ungewöhnlicher Kohlenstoffquellen nutzen zu können.
Ein so umfangreicher HGT ist für Eukaryoten höchst ungewöhnlich; und es gibt überhaupt nur relativ wenige gut belegte Beispiele für HGT von Prokaryoten (Bakterien und Archaeen) auf Eukaryoten (Stand 2013). Insbesondere die vielen Transportproteine des Stoffwechsels unterscheiden G. sulphuraria genetisch sogar von eng verwandten Arten.[5][61]
Man nimmt an, dass sich die Abstammungslinien von G. sulphuraria (Familie Galdieriaceae) und der nahe verwandten Art Cyanidioschyzon merolae (Familie Cyanidiaceae) vor etwa 1 Milliarde Jahren aufgespalten haben, was dem Abstand zwischen Taufliegen (mit Gattung Drosophila) und Mensch entspricht.[3][4]
Das Genom der Mitochondrien (Mitogenom) von G. sulphuraria ist ebenfalls außergewöhnlich klein und weist einen sehr hohen GC-Gehalt auf, während das Genom seiner Plastiden[A. 7] (Plastom) eine normale Größe hat, aber eine ungewöhnliche Anzahl von Haarnadelstrukturen (Stem-Loop-Strukturen) enthält.
Man nimmt an, dass beide Eigenschaften Anpassungen an die polyextremophile Umgebung des Organismus sind.[62]
Im Vergleich zu Cyanidioschyzon merolae, einer anderen (zellwandlosen[18]) einzelligen thermoacidophilen und obligat photoautotrophen Rotalge aus der Familie Cyanidiaceae, enthält das Genom von G. sulphuraria eine große Anzahl von Genen, die mit dem Kohlenhydratstoffwechsel und dem membranübergreifenden Transport in Verbindung stehen.[63]
Maria M. Salvatore etal. veröffentlichten Anfang 2023 eine Studie, in der sie die gegenseitige Beeinflussung von G. sulphuraria und dem PinselschimmelPenicillium citrinum untersuchten.
Prinzipiell können Verunreinigungen von Mikroalgenkulturen sowohl deren Produktivität (Quantität), als auch die Qualität der Biomasse und ihrer Bioprodukte verringern. Nachdem P. citrinum erstmals aus heterotrophen Kulturen von G. sulphuraria (Stamm 074G) isoliert und identifiziert werden konnte, hatte dieses Team die biologische und metabolische Bedeutung dieser Algen-Pilz-Assoziation untersucht.[64]
Interessanterweise wachsen beide Organismen im selben Medium in gegenseitiger Anwesenheit besser als einzeln (Symbiose).
Zelldichte und -größe von G. sulphuraria nehmen bei gemeinschaftlicher Kultivierung im Vergleich zu reinen Algenkulturen zu. In Co-Kulturen nimmt auch die Menge von P. citrinum trotz sehr strenger Wachstumsbedingungen im Vergleich zu reinen Pilzkulturen zu. Die Lichtmikroskopie zeigte einen physischen Kontakt zwischen den Zellen von P. citrinum und G. sulphuraria, bei der jedoch die Morphologie und Zellwand intakt blieb.[64]
Aufgrund der Fähigkeit, extreme Umgebungen zu tolerieren und unter einer Vielzahl von Bedingungen zu wachsen, wurde G. sulphuraria für ab etwa 2015 den Einsatz in Bioremediationsprojekten (Projekten zur biologischen Sanierung) zunehmend in Betracht gezogen.[28]
Beispielsweise wurde untersucht, inwieweit sie Edelmetalle[65][45] und Seltene Erden[66][29][5] zurückgewinnen sowie Phosphor und Stickstoff[67] aus verschiedenen Abfallarten und -quellen entfernen kann.[5]
Darüber hinaus kann G. sulphuraria für die Produktion von Phycocyanin (PC) eingesetzt werden. Ein auf Glukose kultivierter Stamm G. sulphuraria 074G kann die 20 bis über 280-fache Menge an PC erzeugen wie das derzeit für die kommerzielle PC-Produktion verwendete Cyanobakterium Arthrospira platensis („Spirulina platensis“). Ein weiterer Vorteil von G. sulphuraria ist, dass es PC aphotisch (ohne Licht) produziert werden kann, während Spirulina für die PC-Produktion Licht benötigt; ein Umstand, der eine potenzielle kommerzielle Produktion erleichtern kann.[5]
Pisciarelli ist ein hydrothermales System, das sich am östlichen Rand des Solfatara-Kraters im zentralen Teil der Campi Flegrei befindet. Es handelt sich um ein flüssigkeitsdominiertes System mit Quellwassertemperaturen von bis zu 92 °C.[9]
Algenkulturen werden durch im Tagesrhythmus wechselnde Licht- und Dunkelzeiten synchronisiert, welche die Situation in der Natur nachzuahmen. Bei einer photoautotrophen Kultur können die Zellen im Dunkeln nicht wachsen, sind aber in der Lage, sich zu teilen. Daher beginnen sie alle genau im gleichen Lebensstadium und zur gleichen Zeit zu wachsen, was zu einer synchronen Population führt.[39]
neben mehreren Na⁺:H⁺-Antiportern eukaryotischen Ursprungs kodiert G. sulphuraria für zwei einwertige Kation:Proton-Antiporter, die offenbar bakteriellen Ursprungs sind (Schönknecht etal., 2013)
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