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bankenunabhängige Finanzdienstleistung, die der Finanzierung von betrieblichem Umlaufvermögen dient Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Finetrading ist in der Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaft der Anglizismus für eine Finanzierung im Streckengeschäft des Warenhandels, die ohne die Einschaltung von Kreditinstituten erfolgt.
Der Neologismus setzt sich zusammen aus „Finanzen“ (englisch finance) und „Handel“ (englisch trade).[1] Finetrading ist ein bankenunabhängiges Kreditsubstitut des Warenkredits für den Wareneinkauf bei Unternehmen. Hierbei tritt der „Finetrader“ als ein Zwischenhändler auf, der die bestellte Ware beim Lieferanten an Stelle des Händlers bezahlt.[2] Beteiligte sind der Lieferant, ein Zwischenhändler und der Handel.
Finetrading ist eine Dienstleistung, die Unternehmen, die Waren oder Rohstoffe für ihre Produktion benötigen, ein professionelles Outsourcing des Einkaufs ermöglicht. Dabei agiert der Dienstleister (Finetrader) einerseits als Zwischenhändler, weil er die Ware auf Wunsch des Warenkäufers erwirbt und andererseits als Finanzierer, weil er dieses Handelsgeschäft vorfinanziert, bis ihn der Warenkäufer bezahlt. Finanziert werden vornehmlich Vermögensgegenstände, die nur kurzfristig bilanziell aktiviert werden (Umlaufvermögen), also Waren, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe oder Halbfabrikate und Fertigerzeugnisse.
Finetrading kann sowohl bei der Einkaufs- als auch bei der Lagerfinanzierung eingesetzt werden:[3]
Beide Arten erfassen eine unterschiedliche Stufe der Lieferketten des Handels.
Im Rahmen der Verhandlung um die Warenbestellung schaltet sich der Finetrader als neuer Debitor des Lieferanten ein und bezahlt die Rechnung des Lieferanten direkt nach Warenlieferung an den Käufer. Gleichzeitig räumt der Finetrader dem Warenabnehmer ein verlängertes Zahlungsziel von 120 Tagen ein. Der Lieferant kann den unmittelbaren Liquiditätszufluss sofort unternehmerisch verwerten, während der Finetrading-Nutzer Zeit bis zur endgültigen Bezahlung gewinnt. Der Lieferant beliefert den als Finetrader fungierenden Zwischenhändler, der die Ware bezahlt und dann an den Handel mit einem Lieferantenkredit weiterveräußert.[4] Diese Finanzierung findet ohne Beteiligung von Kreditinstituten statt und ist im Mittelstand gebräuchlich.
Nachdem sich Käufer und Zwischenhändler über den Einsatz von Finetrading im Einkaufsprozess geeinigt haben, wird ein Rahmenvertrag zwischen beiden Parteien geschlossen. Weiterhin prüft der Finetrader die Bonitätsunterlagen des Abnehmers und schließt eine Warenkreditversicherung zumeist auf eigene Kosten ab. Im Anschluss daran kann der eigentliche sechsstufige Finetrading-Prozess (vgl. Skizze) beginnen, der je Anbieter variieren kann, aber üblicherweise wie nachstehend abläuft:
Die Einkaufsfinanzierung kann üblicherweise ab einem jährlichen Volumen von mindestens 100.000 € genutzt werden; größere Einkaufslinien liegen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Somit richtet sich das Instrument sowohl an den kleinen, als auch an den gehobenen Mittelstand. Üblich ist, dass die Einkaufslinien unterjährig revolvierend eingesetzt werden können, d. h. nach Rückzahlung ist die Finanzierungslinie wieder einsetzbar. Die Einsatzzwecke sind dabei breit gestreut, setzen aber insbesondere dort an, wo Unternehmen Flexibilitätsdefizite im Wirtschaftszyklus haben:
Für die Nutzung von Finetrading erhebt der Finetrader individuelle Gebühren, sog. Stundungsgebühren, die insbesondere von der Bonität und der Dauer der Nutzung abhängig sind. Sie setzen sich zumeist aus dem verhandelten Skonto und taggenauen Stundungsgebühren zusammen. Der Finetrader sorgt in dieser Zeit des Handels für die Sicherheit der Transaktion durch den Abschluss einer Warenkreditversicherung. Vermeintlich ähnlich zum Reverse-Factoring ergeben sich dennoch gravierende Unterschiede, die im Abschnitt Abgrenzung zu Factoring aufgezeigt werden.
Für die Nutzung von Finetrading werden individuelle Gebühren erhoben, die je nach Anbieter variieren können. Diese bemessen sich vor allem anhand der Art der Ware, des jährlichen Einkaufsvolumens, der Bestellhäufigkeit, der Bonität des Unternehmens und der tatsächlichen Nutzungsdauer. Typischerweise erheben Finetrading-Anbieter keine Zinsen, wie Banken, sondern Gebühren, die somit Nebenkosten darstellen und buchhalterisch in die GuV fließen. Als einmalige Gebühr wird eine im Finanzierungssektor übliche Einrichtungsgebühr erhoben. Damit ist sichergestellt, dass der Käufer ganzjährig über eine Einkaufslinie verfügt. Als laufende Gebühren werden Stundungsgebühren erhoben, die davon abhängen, wie lange der Käufer benötigt, um den Finetrader zurückzuzahlen. Typischerweise sind die Gebühren in Monats- und Tageszyklen unterteilt, die steigen, je länger Finetrading genutzt wird.
Finetrading ist eine neuartige Methode im Vergleich zu den etablierten Alternativen wie Factoring, Leasing, Mezzanine oder Asset-Backed Security. Da Finetrading den Einkauf finanziert, der erst eine dem Factoring entsprechende Rechnungsstellung ermöglicht, ist dies die einzig zulässige Abgrenzung.
Im Gegensatz zu Factoring setzt Finetrading im Wirtschaftszyklus einen Schritt vorher an. Es wird nicht die, erst später entstehende, Forderung an ein Institut verkauft, sondern das Finetrading-Unternehmen übernimmt die Finanzierung von Warenbestellungen, mit denen die Produktion und letztendlich Umsätze gewährleistet werden.
Unterschiede | Finetrading | Factoring | |
---|---|---|---|
Strukturell | Wesen | Vorfinanzierung von Umlaufvermögen | Ankauf von Forderungen |
Mindestvolumen | ab 50.000 EUR | theoretisch keine Untergrenze | |
Forderungslaufzeit | max. 120 Tage | max. 90 Tage | |
Vorlaufzeit | 2 – 4 Wochen | 4 Monate | |
Nutzungsquote | flexibel, unternehmerische Entscheidung je Bestellung (1 – 100 %) | vorab definierte Debitoren müssen ausnahmslos angedient werden (100 %) | |
Betriebswirtschaftlich | Bilanzeffekt | Kennzahlenoptimierung beim Kunden, Bilanzverkürzung beim Lieferanten | Bilanzverkürzung und damit EK-Quoten-Verbesserung |
⌀ Finanzierungsquote | 100 % | 80 – 90 % | |
Ausfallschutz | 100 % | 100 % | |
⌀ Kostensatz | 10 % | 4 – 20 % |
Finetrading wird oft mit Reverse-Factoring verwechselt. Jedoch unterscheiden sich die beiden alternativen Finanzierungsformen sowohl strukturell als auch betriebswirtschaftlich und juristisch, wie untenstehende Tabelle aufzeigt.
Unterschiede | Finetrading | Reverse-Factoring | |
---|---|---|---|
Strukturell | Nutzer | Abnehmer ist Nutzer | Lieferant ist Nutzer |
Implementierung | Schnelle Implementierung, da keine Bonitätsprüfung der Lieferanten notwendig | Lange Implementierung, da Bonitätsprüfung jedes Lieferanten zwingend notwendig | |
Flexibilität | Gegeben, da Limit für beliebige Lieferanten genutzt werden kann; freie Wahl ob Einkauf über Finetrading abgewickelt wird | Nicht gegeben, da Gesamtlimit vorher je Lieferant aufgeteilt werden muss und Zwang zur Abwicklung über Factor innerhalb des Limits | |
Betriebswirtschaftlich | Finanzierungs- zeitraum | Max. bis zu 120 Tage, taggenaue Rückzahlung | Max. bis zu 180 Tage, starre Rückzahlung |
Volumina | Bereits geringe Einkaufsvolumina möglich (ab 100.000 €), richtet sich an KMU | Höhere Einkaufsvolumina (ab 10 Mio. €), richtet sich eher an große Unternehmen | |
Kosten | I. d. R. Kapitalkosten bei 10 % | I. d. R. günstig, da ca. 1-3 % über Euribor | |
Juristisch | Vertrag | 1 Vertrag:
Rahmenvertrag zwischen Finetrader und Abnehmer | 2 Verträge:
Factoringvertrag mit Lieferant und Factoringvertrag mit Abnehmer inkl. Gegenzeichnung des Lieferanten |
Eigentum | Finetrader erwirbt Eigentum an Waren | Factor erwirbt Eigentum an Forderung | |
BaFin | Handelsgeschäft, somit nicht BaFin-pflichtig (§ 1 KWG) | Bankgeschäft, somit BaFin-pflichtig (§§ 2,13 GwG, § 261 StGB) |
Finetrading wird oft als Synonym für „Reverse-Factoring“ bezeichnet. Beim klassischen Factoring geht die Initiative vom Verkäufer aus, beim Reverse-Factoring dagegen vom Käufer.[5] Zudem erwirbt beim Reverse-Factoring der Factor die Forderungen durch Zession, während der Finetrader das Eigentum an den Waren erlangt. Beim Factoring werden zwei Verträge geschlossen, während Finetrading lediglich einen Vertrag erfordert.[6]
Vor dem Hintergrund von Basel II und Basel III wird es für Unternehmen zunehmend schwieriger, Kredite zu erhalten (Kreditklemme). Daher gewinnen alternative, also bankenunabhängige, Finanzierungswerkzeuge an Bedeutung im Mittelstand. Finetrading ist eine Disintermediation und zugleich ein Kreditsubstitut, weil die in die Warenfinanzierung klassisch eingeschalteten Kreditinstitute mit ihrem Bankkredit nicht benötigt werden. Dieses Finanzierungskonzept funktioniert jedoch nur, wenn auch der Abnehmer der Ware bereit ist, im Dreiecksverhältnis mit Lieferant und Finetrader mitzuwirken.[7] Das Finetrading findet entweder durch Finanzierung des Umlaufvermögens oder Vorfinanzierung des Einkaufs statt.[8]
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