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deutscher Philosoph Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Eugen Fink (* 11. Dezember 1905 in Konstanz; † 25. Juli 1975 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Philosoph.
Fink wurde 1905 als Sohn eines Beamten geboren. Seine ersten Schuljahre verbrachte er bei einem Onkel, der katholischer Pfarrer war; anschließend besuchte er ein Gymnasium in Konstanz, wo er durch sein außergewöhnliches Gedächtnis auffiel. Nach seinem Abitur 1925 studierte er Philosophie, Geschichte, Germanistik und Volkswirtschaft, zunächst in Münster und Berlin, dann in Freiburg bei Edmund Husserl.
1929 wurde Fink bei Husserl und Martin Heidegger mit der Dissertation Vergegenwärtigung und Bild. Beiträge zur Phänomenologie der Unwirklichkeit promoviert. Ein Jahr später wurde Husserl emeritiert. Da seine Lehre, die Phänomenologie, sich weiterhin großer Beliebtheit erfreute, und viele Studenten deshalb auch aus dem Ausland nach Freiburg kamen, wurde Eugen Fink von Husserl beauftragt, vor allem für diese Studenten private Seminare abzuhalten. Als Husserl nach 1933 unter den Nationalsozialisten unerwünscht war, verzichtete Fink auf eine weitere Universitätskarriere und blieb als Privatassistent bei Husserl. Nach dessen Tod 1938 half Fink, Husserls Nachlass nach Löwen in Sicherheit zu bringen. Im Exil in Löwen widmete er sich ganz diesem Nachlass, bis 1940 alle Deutschen in Belgien als vermeintliche Spione verhaftet wurden. Fink wurde in einem französischen Lager interniert und blieb dort, bis die deutsche Wehrmacht Frankreich besetzte. Nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen wurde Fink zur Wehrmacht eingezogen, wo er als einfacher Soldat bei der Flugabwehr bis Mai 1945 diente.
Nach dem Krieg habilitierte sich Eugen Fink an der Freiburger Universität mit der schon aus dem Jahr 1932 stammenden Schrift Die Idee einer transcendentalen Methodenlehre. Ab 1948 war er ordentlicher Professor für Philosophie und Erziehungswissenschaft. Eng mit seinem Namen verbunden blieb das Heraklit-Seminar, das er zusammen mit Martin Heidegger im Wintersemester 1966/67 abhielt. Zu einem der Nachfolger Heideggers auf dessen Lehrstuhl zu werden lehnte Fink 1964 ab.
Nach zunehmenden gesundheitlichen Problemen ließ Fink sich 1971 emeritieren. Er starb am 25. Juli 1975 an einem Schlaganfall.
Sein Bruder war der Theologe und Historiker Karl August Fink.
Finks zentrales Anliegen war es, das ursprüngliche Phänomen der Welt zur Sprache zu bringen. Gewöhnlich wird das, was Welt bedeutet, vom Sein der innerweltlich begegnenden Dinge her verstanden:
Die Welt erscheint dann als eine Art riesiger Behälter, als Ding, in dem alle anderen Dinge enthalten sind, und wird so gerade in ihrer Eigentümlichkeit verfehlt. Im Gegensatz dazu zeigt Fink, dass die Welt nicht selbst etwas dinghaft Seiendes ist, sondern der Horizont, der für jedes Erscheinen eines Seienden die Bedingung bildet. Diesen ontologischen Unterschied zwischen Welt und innerweltlich Seiendem bezeichnet Fink als "kosmologische Differenz". In weiterführenden Erörterungen nähert sich Fink dem Weltphänomen in einer metaphorischen Sprache: Zum Phänomen der Welt gehört wesentlich das "Spiel" und der "Streit" zwischen lichtendem "Himmel" und bergend-verbergender "Erde". Diese in philosophischer Nähe zu Heidegger entfalteten Überlegungen will Fink jedoch nicht als reine Poesie verstanden wissen, sondern als Versuch, sich originär an das Phänomen der Welt zu halten, das durch eine an den Dingen geschulte Begriffssprache verfehlt würde. Der Sinngehalt der Rede vom "Streit" zwischen "Himmel" und "Erde" ist aber hinsichtlich der Welt als notwendiger Bedingung für das Erscheinen des Seienden explizierbar: Welt ist einerseits das Offene, dessen jedes Erscheinen bedarf ("Himmel"); andererseits ist Welt auch das Bergende, in dem jedwedes Seiende sich hält und aufhält, um zu erscheinen ("Erde").
Fink entwickelte eine Sozialphänomenologie, koexistentiale Anthropologie und eine systematische Erziehungsphilosophie. Nach dem Zusammenbruch allgemeinverbindlicher Leit- und Weltbilder in der Moderne und Spätmoderne, oder, wie Fink mit Nietzsche sagt, mit der Heraufkunft des Nihilismus, stellt sich die Frage, welche produktive Rolle die Wissenschaften und damit auch die Erziehungswissenschaft überhaupt in einer beschleunigten, technisierten und ökonomisierten Gesellschaft spielen können; d. h. ob sie gesellschaftlich relevante Leitbildorientierung hervorzubringen vermögen.[1] Fink beschreibt diese krisenhafte Situation des modernen Menschen als Notlage. Die Notlage ist die "pädagogische Grundsituation unserer Zeit". Fink beginnt mit einer anthropologischen Analyse von Handlungsfeldern bzw. Praxen. Er beschreibt in der sozialphänomenologischen Analyse fünf „Grundphänomene des menschlichen Daseins“ als kulturelle Praxen: ästhetische (Spiel), politische (Herrschaft, Macht, Technik), tätig-kulturelle (Arbeit), geschlechtliche (Liebe), zeitliche (Tod) Praxen[2] werden durch eine sechste, pädagogische (Erziehung) ergänzt.[3] Diese Praxen gelten als soziale (koexistentielle) und leibliche Praxen in Zeit und Raum menschlich-politischer Gesellschaft und als Ausdruck existentieller Sorge um das Dasein nach dem „Ende der großen Erzählungen“ (Lyotard). In der Erziehung werden Sorge und Fürsorge, Lernen, Staunen und Fragen sowie Beraten zu koexistentiellen, lebensweltlichen Handlungsfeldern, die produktiv auf die Bruchhaftigkeit, Endlichkeit und Zufälligkeit menschlicher Existenz reagieren und den Bezug zur Welt, dem Anderen und Fremden offenhalten und eröffnen.[4] Weil es keine autoritative, letztgültige oder universale Sinndeutung von Welt und Gesellschaft mehr gibt, ist es Aufgabe insbesondere der Pädagogik, Sinndeutungen in leiblich und weltlich gebundener Freiheit entwerfend und gemeinschaftlich zu produzieren. Das geschieht ohne Aussicht darauf, eine endgültige Versöhnung der modernen Bruchhaftigkeit und Unübersichtlichkeit zu erlangen.[5]
Die in der humanistischen Tradition erhoffte Totalität von Mensch und Welt, Mensch und Natur und die geisteswissenschaftliche Vorstellung einer durch die Autorität der Kultur verbürgten Kontinuität der Generationenfolge sind zerbrochen. „Der Mensch als Fragment“ – so Finks anthropologische Grundthese – existiert nicht als fertiges Seiendes oder als Gegenstand.[6] Er kann sich selbst im Selbst- und Weltverhältnis nur fragmentarisch erfahren. Bildung kann nicht (mehr) Allgemeinbildung im Modus von Ganzheit und Versöhnung sein. Sie ist fragmentarische Bildung und produktiver Umgang mit der existentiellen Notlage, sich nur noch fragmentarisch erfahren zu können. Sie wird so zu einem praktisch-existentiellen Sinn-Experiment unter Bedingungen der Vorläufigkeit und Unsicherheit.[7] Sie ist damit existentielle und koexistentielle Praxis als Produktion und Entwurf von Sinn. Sie wird reflexiv: Zum einen dadurch, dass in der (phänomenologischen) Variation unterschiedliche Erfahrungsweisen in Politik, Kunst, Liebe, Zeit und Arbeit Differenzen markiert und verglichen werden können. Zum anderen darin, dass in einer skeptischen Einklammerung (Reduktion) eine Befreiung vom faktisch Geltenden sowie eine Sicht auf das Mögliche erreicht werden kann.
Fink war ab Mitte der 1950er Jahre in der GEW aktiv und leitete den Oberaudorfer Kreis zur Hochschulreform von 1959 bis 1964. Wichtige Themen waren dabei die Lehrerbildung und die Entwicklung der Pädagogischen Hochschulen.[8] Er legte im Juni 1960 als ‚Chefideologe‘ den Bremer Plan[9] der Lehrergewerkschaften in der ADGL vor, der die Schulreformen der folgenden Jahre einleitete, vor allem die Entkonfessionalisierung der Volksschule und die Verlängerung der Schulpflicht. Gefordert wurde auch die Einheitsschule bis zur 10. Klasse.[10]
Gesamtausgabe
Die Eugen-Fink-Gesamtausgabe ist textkritisch angelegt und umfasst sämtliche von Fink selbst publizierte Arbeiten sowie die zum größten Teil noch unveröffentlichten Schriften seines umfangreichen Nachlasses. Jeder Band bringt außer dem textkritischen Apparat ein Nachwort, in dem die publizierten Texte entwicklungsgeschichtlich situiert werden.
Sie wird herausgegeben von Stephan Grätzel, Cathrin Nielsen und Hans Rainer Sepp unter Mitwirkung von Annette Hilt und Franz-Anton Schwarz. Die Ausgabe ist auf 20 Bände angelegt und erscheint ab 2006 im Verlag Karl Alber, Freiburg i. Br. / München
Abt. I: Phänomenologie und Philosophie
Abt. II: Ontologie – Kosmologie – Anthropologie
Abt. III: Philosophische Ideengeschichte
Abt. IV: Sozialphilosophie und Pädagogik
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