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sprachlich vereinfachte Version der Standardsprache Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Einfache Sprache ist ein Stil innerhalb der deutschen Standardsprache, bei dem die Verständlichkeit im Vordergrund steht. In diesem Sprachstil wird auf komplizierte Satzstrukturen oder wenig bekannte Fremdwörter verzichtet. Zielgruppe der Einfachen Sprache sind alle Menschen einschließlich derjenigen, die das Thema eines Textes in einer gehobenen Bildungssprache oder gar Fachsprache nicht umfänglich erfassen könnten. Das können fachliche Laien sein oder auch Menschen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen oder Sprachverständnis haben. In Deutschland, nicht aber in Österreich und der Schweiz, ist insbesondere im Zusammenhang mit Bürgerbeteiligung und der öffentlichen Kommunikation von Behörden und öffentlichen Einrichtungen die Bezeichnung „Bürgernahe Sprache“ verbreitet, bei der die Vermeidung von Behördendeutsch im Vordergrund steht.
Die Einfache Sprache erinnert im Wesentlichen an die Ratschläge, die es seit langem für die Textverständlichkeit gibt. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Leichten Sprache, die deutlich von der Standardsprache abweicht und sich an Menschen richtet, die besondere Schwächen beim Lesen und Verstehen eines Textes haben.
Im März 2024 ist die DIN-ISO-Norm „Einfache Sprache – Teil 1: Grundsätze und Leitlinien“ erschienen, die „Grundsätze und Leitlinien zum Erstellen von Dokumenten in Einfacher Sprache“ enthält.[1]
Zu den rund 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland gehören Menschen mit einer schweren Lese- und Rechtschreibstörung, Menschen mit einer geistigen Behinderung und Menschen, die Deutsch als Fremdsprache sprechen. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 13 Millionen Menschen mit schwacher Lesekompetenz in zahlreichen Abstufungen.
Laut Grundbildungsstudie LEO 2010[2] reiche bei einem Viertel der Menschen in Deutschland die Lesekompetenz nicht aus, um einen literarisch anspruchsvollen Text zu verstehen. Dabei gehören diese Menschen nicht einmal zum Personenkreis des funktionalen Analphabetismus. Nach den Ergebnissen der PISA-Studien 2010 für Deutschland haben 18,5 % der 15-Jährigen keine ausreichenden Lesefähigkeiten und nur 7,6 % der Schülerinnen und Schüler können sehr gut lesen. Bei den Erwachsenen kommt die Level One Studie von 2011 zu dem Ergebnis: „Fehlerhaftes Schreiben trotz gebräuchlichen Wortschatzes zeigt sich bei […] fünfundzwanzig Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung, dies betrifft vor allem die Rechtschreibung (Lage auf Alpha-Level 4, 18–64 Jahre). Das entspricht über 13 Millionen Menschen in Deutschland.“[3]
Diese Menschen sind die Zielgruppen für Einfache Sprache. Einige von ihnen sind während der Schulbildung nicht über ein niedriges Leseniveau hinausgekommen. Andere müssen das Lesen nach schwerer Krankheit wieder ganz neu erlernen.
Geringe Lesefähigkeit erschwert oder versperrt den Zutritt zu vielen Lebensbereichen, beispielsweise Erwerbsarbeit, Mediennutzung, öffentliches Leben, soziale Dienstleistungen und demokratische Mitgestaltung des Gemeinwesens. Einfache Sprache soll diesen Personen einen Einstieg in die Schriftsprache erleichtern und ist damit eine wesentliche Grundlage für die Herstellung von Niedrigschwelligkeit und der tatsächlichen Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe dieser Menschen.
Texte in Einfacher Sprache ermöglichen einem größeren Teil der Bevölkerung Zugang zu Informationen oder Literatur. Dabei geht es nicht ausschließlich darum, Texte für bildungsferne Gruppen zu verfassen, sondern ganz allgemein schwierige Texte für möglichst breite Bevölkerungsgruppen zugänglich zu machen. Einfache Sprache in der Kommunikation zwischen öffentlichen Stellen und der Bevölkerung soll demokratische Teilhabe über die gebildeten Schichten hinaus ermöglichen.
Texte in Einfacher Sprache haben kürzere Sätze und einfachere Satzstrukturen als die Standardsprache. Fremdwörter, schwer verständliche Stilfiguren wie Redewendungen oder Metaphern werden ebenso vermieden wie bildhafte Wendungen sowie Anspielungen. Boulevardmedien haben meist das Niveau von Einfacher Sprache. Vergleicht man Einfache Sprache mit dem Erwerb einer Fremdsprache, so ist sie im gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen etwa auf dem Niveau A2-B1.
Da es kein geschlossenes Regelwerk für die Einfache Sprache gibt, können die vorhandenen Leitfäden und Handreichungen zum Thema durchweg nur Empfehlungen aussprechen. Häufig geht dies mit Appellen an die Absender einfacher Texte einher, die Regeln mit einem empathischen Blick für die Leser des Textes sinngemäß anzuwenden.
Nachfolgende Empfehlungen finden sich dabei in vielen Ratgebern wieder:
Folgender Auszug aus einem literarischen Text zeigt beispielhaft die Verwendung von Einfacher Sprache:
„Immer größer wurde der Tumult. Leute hielten Plakate mit der Aufschrift «Keine Gewalt» in die Höhe. Polizisten prügelten mit Schlagstöcken auf sie ein. Einige versuchten, aus der Menge auszubrechen. Die Polizisten waren sofort hinter ihnen her und rissen sie zu Boden. Menschen schrien. Sirenen heulten. Polizeiwagen fuhren vor. Es herrschte ein entsetzliches Durcheinander. Zwei Polizisten packten mich und wollten mich wegschleifen. In dem Moment sah ich sie. Im feinen roten Abendkleid, die Handtasche über dem Arm. Meine Mutter.“
Die Leichte Sprache wurde in den 1970er Jahren in den USA für und mit Menschen mit geistiger Behinderung entwickelt und gilt als wichtiger Bestandteil von Barrierefreiheit und Inklusion. Etwa 20 Jahre später kam das Konzept auch nach Deutschland.[4] Leichte Sprache hat klare Regeln, die für Deutschland vom Netzwerk Leichte Sprache empfohlen werden. Leichte Sprache geht in der Vereinfachung der Sprache noch deutlich weiter als Einfache Sprache. Texte in Leichter Sprache sind schon optisch gut zu erkennen: Die Sätze sind sehr kurz (kürzer als eine Zeile), nach jedem Satz folgt ein Zeilenumbruch. Der Genitiv wird nicht genutzt, zusammengesetzte Wörter werden mit Bindestrichen geschrieben, zur Veranschaulichung des Texts werden Bilder und Illustrationen verwendet.
Einfache Sprache besitzt im Gegensatz zur Leichten Sprache kein festes Regelwerk.
Die Abgrenzung der beiden Sprachen ist nicht immer eindeutig, und die beiden Begriffe werden nicht konsequent verwendet. Ansätze einer Definition finden sich in der Studie Leichte Sprache – Einfache Sprache[5] von Andreas Baumert, der sich zudem für die wissenschaftliche Entwicklung einer sogenannten Standardisierten Einfachen Sprache Deutsch (SESD) einsetzt.
Die erste Zeitung in Einfacher Sprache war im Jahr 2009 die Monatszeitung "Klar & Deutlich" des Spaß am Lesen Verlages[6]. Seit 2016 sendet der Deutschlandfunk einmal pro Woche Nachrichten in Einfacher Sprache (ursprünglich begann die Seite als Studentenprojekt mit Leichter Sprache und bewegt sich heute im Spektrum zwischen Einfacher und Leichter Sprache).[7][8] Seit Juni 2024 produziert die ARD-Tagesschau eine Ausgabe in Einfacher Sprache.[9] Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung gibt das Internetangebot „Politik. Einfach für alle“ heraus, auf der Hefte, Hörbücher und Nachrichten in einem sprachlichen Kontinuum zwischen leichter und einfacher Sprache erhältlich sind.[10][11][12] Die Hansestadt Herford hat 2019 einen Stadtführer in Einfacher Sprache herausgebracht.[13] Auf der Website des deutschen Bundeszentrums für Ernährung gibt es einen Bereich mit Ernährungsinformationen in Einfacher Sprache.[14] Gesundheitsratgeber in Einfacher Sprache finden sich seit September 2019 auf der Website des deutschen Magazins Apotheken Umschau.[15]
Die österreichische Zeitung Kurier bietet auf ihrem Internetangebot ausgewählte Nachrichten und Geschichten in Einfacher Sprache, die von der Inklusiven Lehrredaktion verfasst werden.[16] Seit Mai 2022 bietet der ORF einen Teil der Online-Nachrichten auch in einfacher Sprache an.[17]
Im Zusammenhang mit der Einführung des Neuen Steuerungsmodells und der Forderung nach mehr Bürgernähe in den öffentlichen Verwaltungen Deutschlands in den 2000er Jahren, wurden auch Rufe nach einer Bürgernahen Sprache in der Kommunikation zwischen Behörden und Bürgerschaft laut. Das sogenannte „Amtsdeutsch“ wurde dabei als dem Alltag der Menschen entfremdet und Ausdruck eines veralteten Selbstverständnisses kritisiert. In der Folge begannen eine ganze Reihe von Behörden Ratgeber für eine Bürgernahe Sprache zu publizieren, so beispielsweise das Bundesverwaltungsamt[18], das Bayerische Staatsministerium des Inneren[19] oder die Stadt Bochum[20].
Im Feld der Bürgerbeteiligung gilt die Nutzung von Bürgernaher Sprache ausdrücklich als wesentliche Grundlage für die erfolgreiche und breite Einbeziehung verschiedener Gruppen.[21] So gehöre Bürgernahe Sprache mittlerweile zu den unverzichtbaren Fähigkeiten, die eine öffentliche Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben beherrschen müsse.[22]
Im medizinischen Kontext fördert die Anwendung einer sogenannten Elaborated Plain Language das Verständnis einer medizinischen Aufklärung bei medizinischen Maßnahmen.[23] Dies beinhaltet die Verwendung kurzer und einfacher Satzstrukturen (reduzierte syntaktische Komplexität), die Verbindung von Sätzen untereinander (semantische Elaboration), das Sprechen in neutraler Tonlage und normaler Geschwindigkeit (neutrale Prosodie) und die Vermeidung von Fachbegriffen.[24] Studien zufolge fördert sie bei älteren Menschen das Verständnis – in Schriftform ebenso wie als gesprochene Sprache.[23]
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