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bewaffnete Konflikte in Mexiko Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Drogenkrieg in Mexiko ist ein bewaffneter Konflikt zwischen Staat und mexikanischer Bevölkerung auf der einen Seite und Drogenkartellen, die sich vor allem untereinander bekriegen, auf der anderen Seite. In einigen Landesteilen Mexikos haben die Kartelle das Gewaltmonopol des Staates faktisch außer Kraft gesetzt; Experten stuften den Konflikt als innerstaatlichen Krieg ein. Mit dem Regierungsantritt von Andrés Manuel López Obrador Ende des Jahres 2018 sollten Anti-Korruptionsmaßnahmen sowie Deeskalation helfen, den Krieg einzudämmen. Dies ist weitgehend gescheitert.
Drogenkrieg in Mexiko | |||||||||||||
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Territorien der kriminellen Organisationen in Mexiko im September 2020, Quelle: Secretaría de Hacienda y Crédito Público | |||||||||||||
Datum | seit Dezember 2006 | ||||||||||||
Ort | Mexiko, sowie in der Grenzregion der Anrainerstaaten USA (dort in Texas, Arizona, New Mexico und Kalifornien[1][2]), El Salvador,[3] Nicaragua, Belize[4] und Guatemala | ||||||||||||
Ausgang | offen | ||||||||||||
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Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung stufte den Konflikt zwischen dem mexikanischen Staat und den Drogenkartellen seit dem Jahre 2010 als innerstaatlichen Krieg ein.[13] In einigen Landesteilen Mexikos haben die Kartelle das Gewaltmonopol des Staates faktisch außer Kraft gesetzt.[14][15] Im Jahr 2011 kämpften 50.000 Angehörige der mexikanischen Streitkräfte und 35.000 der mexikanischen Bundespolizei gegen schätzungsweise 300.000 Angehörige der – untereinander verfeindeten – mexikanischen Drogenkartelle und ihre paramilitärischen Einheiten. Auf Seiten des Staates konnten immer wieder Erfolge verbucht werden, insbesondere durch Verhaftungen von Anführern. Jedoch setzten Nachfolger bzw. Abspaltungen der Drogenkartelle Gewalt und Geschäfte fort.[15]
Eine Ursache des Krieges ist die gewinnträchtige Nachfrage nach illegalen Drogen, insbesondere in den Vereinigten Staaten.[15] Die Kartelle kämpfen um die besten Drogenrouten, Gebiete und Märkte.[16][17] Die Armut in Lateinamerika bewegt viele Mexikaner und spanischsprachige Ausländer dazu, sich in den Dienst der vermögenden kriminellen Organisationen zu stellen. Jugendliche werden, angesichts ihrer relativen Perspektivlosigkeit, vom offen zur Schau getragenen Reichtum der Narcos angezogen (siehe auch Narco-Staat). Jene nutzen moderne Waffen sowie Verschlüsselungs- und Überwachungssysteme.[18] Bei den Tötungen von Rivalen machen sich die Drogenkartelle die neuen Medien bzw. das Internet zunutze, um öffentlichkeitswirksam Macht durch Gewalt zu demonstrieren. Insgesamt gibt es in diesem Krieg (Stand 2020) über 200 kriminelle, bewaffnete Gruppen, deren Geschäftsfelder sich nicht ausschließlich auf den Drogenhandel beschränken, sondern die ähnlich wie die Mafiosi ihre Geschäftsfelder und Einkommensquellen diversifizieren.[19]
Der Krieg hat von 2006, als das Militär systematisch im Inland eingesetzt wurde, bis zu den Jahren 2017–2018 zwischen 200.000[20] und 250.000[21] Menschen das Leben gekostet.[22] Bis in das Jahr 2020 kamen in diesem Krieg geschätzt 300.000 Menschen um.[23][24] Bis 2024 waren es knapp 450.000 Menschen, die in dem Krieg starben.[25] Mehr als 27.000 der Verstorbenen erreichten höchstens das 19. Lebensjahr (Stand 2019).[26] Die meisten Tötungsdelikte in Mexiko werden jedoch nie aufgeklärt.[17] Wurden Mitte des Jahres 2020 über 73.000 Menschen in Mexiko vermisst[27], stieg die Zahl der Vermisstenfälle während des Folgejahres auf über 90.000 an.[28] Stand 2022 werden mehr als 100.000 Personen vermisst.[16] Ein großes Problem auf staatlicher Seite ist die Korruption, auch bei Justiz und Verwaltung. Vergehen auf staatlicher Seite, bis hin zu Hinrichtungen seitens der Polizei, bleiben oft straflos.[29] Historisch wird die tiefe Verwicklung von Kriminalität und mexikanischem Staat auch mit der 71-jährigen Herrschaft (1929 bis 2000) der Partei PRI in Verbindung gebracht, deren Funktionäre sich arrangierten und an den Gewinnen beteiligt wurden.[15] Laut einem Mexikoexperten der International Crisis Group gibt es „oftmals keine Trennlinie zwischen Staat und Organisierter Kriminalität mehr“.[30] Wiederholt bilden sich Bürgerwehren, die staatliche Sicherheitskräfte ersetzen wollen. Auch kommt Lynchjustiz gehäuft vor, insbesondere in ländlichen Gegenden und in den Randgebieten der Städte.[15] Die Aufklärungsquote von Verbrechen der Kartelle ist äußerst gering, viele werden gar nicht erst bei der Polizei angezeigt.
Die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) regierte Mexiko von 1930 bis zur Jahrtausendwende bzw. dem Wahlsieg des Konservativen Vicente Fox. In den sieben Jahrzehnten in Regierungsverantwortung hatten PRI-Politiker auf lokaler und regionaler Ebene Abkommen mit dem organisierten Verbrechen, den mächtigen kolumbianischen Drogenkartellen (Cali, Medellin), geschlossen. Diese hatten in der Folge in vielen mexikanischen Gebieten die Polizei und Justiz unterwandert.[30]
In den 80er Jahren gewannen die mexikanischen Schmuggler unter Führung von Miguel Ángel Félix Gallardo immer größere Bedeutung im Drogengeschäft und lösten damit in immer größeren Bereichen die kolumbianischen Kartelle ab.[30] War das Geschäft zu Zeiten von Félix weitgehend monopolisiert, zerfiel es nach seiner Verhaftung 1989 in einzelne Kartelle (Tijuana, Sinaloa, Sonora, Juárez, Golf). Gewalttätige Konflikte zwischen den einzelnen Drogenkartellen gab es daher bereits in den 1990er und in den frühen 2000er Jahren. So wurden während der sechsjährigen Amtszeit von Vicente Fox (2000 bis 2006) etwa 9000 Personen in Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel getötet. Die mexikanische Regierung verhielt sich trotzdem lange passiv. Dies änderte sich erst mit der Wahl von Felipe Calderón als Präsident, der die Bekämpfung der organisierten Drogenkriminalität in Mexiko zu einem seiner wichtigsten Ziele für seine Amtszeit 2006 bis 2012 erklärte. Am 11. Dezember 2006 sandte er 6500 Militärangehörige in den Bundesstaat Michoacán. Diese lieferten sich regelrechte Straßenschlachten mit den Kriminellen, ohne dass daraus ein erklärter Sieger hervorging. Diese Handlung wird allgemein als Beginn des Drogenkrieges zwischen dem mexikanischen Staat und den Drogenkartellen betrachtet.
Zur mexikanischen Polizei werden die Polizeikräfte der Gemeinden, Städte und Bundesstaaten sowie die zentrale Bundespolizei gezählt. Die meisten Polizisten (über 425.000) arbeiten für die Gemeinden; die Munizipalpolizei ist häufig schlecht entlohnt und wenig ausgebildet. Die Bundespolizei besteht aus ungefähr 34.500 Polizisten. Weil jeder Gliedstaat und jede Gemeinde ein eigenes Corps hat, gibt es über 2000 Einheiten. Die von Präsident Calderón angestrebte Vereinheitlichung der Polizei stieß indessen im Parlament auf Widerstand der kommunalen Behörden und der Gouverneure der Bundesstaaten.[31]
Das Corps der Munizipalpolizei gilt als besonders anfällig für Korruption.[32] Es werden immer wieder Fälle bekannt, in denen kommunale Polizisten selbst kriminell verwickelt waren, indem sie bspw. Personen entführten und den Drogenkartellen übergaben.[33] Als Maßnahme wurden im Bundesstaat Guerrero daher von 2014 bis 2018 die Waffen örtlicher Polizeien in mehr als einem Dutzend Orten, darunter die der Stadtpolizei von Acapulco, eingezogen und teilweise durch das Militär entmachtet.[33]
Aber auch die Bundespolizei gilt als korrumpierbar. So wurde im August 2010 die Entlassung von ungefähr 4700 Bundespolizisten angekündigt, weil sie sich nicht als vertrauenswürdig erwiesen hätten.[34] Nach Schätzungen aus dem Jahr 2010 sollen 5 bis 15 Prozent der Sicherheitskräfte mit den Kartellen zusammenarbeiten.[35]
Die mexikanischen Streitkräfte, die sich in die Bereiche Heer und Marine trennen, unterstehen dem mexikanischen Verteidigungsministerium. Im Jahr 2011 waren von den ungefähr 200.000 Militärangehörigen über 50.000 Soldaten gegen Drogenkartelle im Einsatz. Laut einer im Jahr 2023 oder 2024 getätigten Aussage eines Mexikoexperten der International Crisis Group gibt es „oftmals keine Trennlinie zwischen Staat und Organisierter Kriminalität mehr“.[30]
Ab 2013 bildeten sich vermehrt autonom organisierte Selbstverteidigungsgruppen (span. grupos de autodefensas), die insbesondere in den Bundesstaaten Guerrero und Michoacan das Drogenkartell Los Caballeros Templarios bekämpften.[36] Diese bewaffneten Milizen sorgten bzw. sorgen selbst für die öffentliche Sicherheit und behaupten, sich lediglich gegen Erpressung, Entführung und Gewaltdelikte durch kriminelle Organisationen zur Wehr zu setzen. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Bürgermilizen stark an. In fast der Hälfte der 32 Bundesstaaten gab es laut Berichten aus dem Jahr 2013 Selbstverteidigungsgruppen.[37]
Die Landschaft der organisierten Kriminalität in Mexiko ist unübersichtlich und unterliegt im Drogenkrieg einem steten Wandel. Zwar gibt es mit den in den 1990er-Jahren entstandenen Drogenkartellen bekannte und einflussreiche Organisationen, die sich auch bis in die Gegenwart behaupten konnten. Dazu zählen das Sinaloa-Kartell, das Golf-Kartell und das Juárez-Kartell. Doch ist mit dem Tijuana-Kartell auch das Gegenteil passiert. Im Verlauf des Krieges bildeten sich viele Gangs, die wiederum Kooperationen mit anderen kriminellen Gruppen oder den großen Kartellen eingingen, aus denen sich wiederum neue Organisationen, wie beispielsweise das CJNG, bildeten. Andere Gangs, die sich im Verlauf des Krieges bildeten, wurden wiederum aufgelöst bzw. eliminiert, wie das Beltrán-Leyva-Kartell oder die Los Caballeros Templarios. Mitunter kam es vor, dass Gruppen zusammenarbeiteten, ehe sie sich zerstritten und bekämpften (bspw. La Resistencia mit der CJNG).[38]
Laut der International Crisis Group gibt es (Stand 2020) über 200 bewaffnete Gruppen in Mexiko (Bürgermilizen ausgenommen).[19] Nach Angaben eines mexikanischen Sicherheitsexperten sind die mexikanischen Kartelle „die reichsten und bestausgerüsteten Verbrecherorganisationen der Welt“.[39]
Eines der größten Geschäftsfelder sind gestohlene oder illegal abgebaute Rohstoffe.[40] Der unterwanderte Handel mit Eisenerz, Erdöl, Erdgas sowie Treibstoff macht einen Großteil des Bruttoinlandsprodukts von Mexiko aus.[41][19] Auch der Handel mit Lebensmitteln wie Avocados gehört zu Einkommensquellen der Drogenkartelle.[42][19] So würden die Kartelle laut der International Crisis Group im mexikanischen Bundesstaat Guerrero besonders von Goldminen profitieren, in Michoacán von Eisenerz, während in Michoacán und Jalisco teilweise der Handel mit Avocados kontrolliert werde. Im Bundesstaat Guanajuato floriere der Schmuggel mit Benzin.[19]
Eine weitere Einkommensquelle der Kartelle ist die Entführung von zentralamerikanischen Migranten, die auf dem Weg in die USA sind, um von bereits in den Vereinigten Staaten lebenden Verwandten Lösegeld zu erpressen. Diese Migranten reisen oft auf Güterzügen, wo sie einfach überfallen werden können. Es wird davon ausgegangen, dass viele dieser Menschen zu den nicht identifizierbaren Todesopfern des Drogenkrieges gehören, die in Massengräbern an vielen verschiedenen Orten Mexikos gefunden werden. Etliche dieser Migranten werden auch zur Mitarbeit in Drogenkartellen gezwungen, Frauen zur Prostitution in Grenzstädten wie Tijuana oder Ciudad Juárez.
Die Schutzgelderpressung („Narcocuota“) ist ebenfalls üblich. Es wird davon ausgegangen, dass die Gruppierung Los Zetas im Jahre 2007 damit begann. Die anderen Gruppierungen eiferten den Zetas nach. An vielen Orten in Mexiko zahlt heute jedes Einzel- oder Großhandelsgeschäft Schutzgeld – unabhängig davon, ob es mit dem Drogenhandel zu tun hat oder nicht. Die mexikanischen Drogenkartelle nutzen außerdem lateinamerikanische Gangs wie die Mara Salvatrucha oder die Mara 18. Diese Gangs arbeiten mittlerweile verstärkt für die mexikanischen Kartelle und sind zuständig für Vertrieb der Drogen und Kontrolle (Schmiergeld) bestimmter Stadtgebiete, ebenso für die Ausbeutung von Migranten, die von Zentralamerika über Mexiko in die USA reisen. Dies trifft vorrangig auf Südostmexiko und mittelamerikanische Staaten wie El Salvador, Guatemala und Honduras zu, wo diese Gangs seit Jahrzehnten das organisierte Verbrechen beherrschen und weit verbreitet sind.
Synthetische Drogen wie Fentanyl, die sich schneller in Laboren herstellen lassen und wirksamer sind als Heroin, führten im Jahr 2018 zu einem Preisabfall von Opium, aus dem Heroin erzeugt wird. In Guerrero, wo der Großteil des Opiums angebaut wurde, der Mexiko zu einem der größten Opium-Produzenten weltweit aufsteigen ließ, begannen die Kartelle daraufhin die Holzindustrie zu unterwandern. Innerhalb weniger Jahre, bis 2021, war laut einem Kriminalitätsexperten der Columbia-Universität nicht nur der Holzmarkt in Guerrero unterwandert, sondern auch der Großteil des mexikanischen Holzmarktes unter Kontrolle der Kartelle.[43]
Drogenkartelle rekrutieren auch Minderjährige als Späher, Straßendealer und Sicarios. Nach Aussage eines wegen Mordes verurteilten Jugendlichen erhielt dieser für jeden durchgeführten Auftragsmord 500 bis 750 Dollar, zusätzlich zu einem Wochenlohn von 250 US-Dollar.[44]
Das operative Vorgehen der Drogenkartelle ist je nach Gruppierung unterschiedlich. Alle teilen jedoch die Strategie, mit äußerster Gewalt gegen ihre Gegner vorzugehen. Wichtiger Bestandteil sind sogenannte „Casas de Seguridad“ („Sichere Häuser“), in denen Entführte, Drogen und Waffen bewacht werden. Diese Häuser sind oft luxuriöse Wohnhäuser in guten Wohngegenden. Dort werden Folter und Exekutionen durchgeführt. Oft werden die Opfer in solchen Häusern vergraben. Solche Häuser befinden sich auch auf dem Land, wo Schmuggelrouten gut zu kontrollieren sind, und liegen meist an geographisch-strategisch wichtigen Punkten. Oft unterhalten die Drogenkartelle Verbindungen zu korrupten Politikern (wie bspw. Genaro García Luna) und Sicherheitskräften.[17] Bei Wahlkämpfen bestechen die Kartelle oft Politiker von mehr als einer Partei.[30]
Nach Morden an Verwandten und Beziehungspartnern von verfeindeten Kartellmitgliedern hinterlassen die Täter oft Botschaften (Narcomensajes), durch die sie mit weiteren Taten drohen oder die verfeindeten Kartellmitglieder verspotten.[45]
Außerdem stellen die Gangs und Kartelle ihr Foto- und Videomaterial von Tötungen ins Internet.[45] So veröffentlichten Kartelle neben Exekutionen auch Aufnahmen, in denen Mitglieder anderer Drogenkartelle lebendig verbrannt oder auf andere Art und Weise zu Tode gefoltert werden.[46][47][48][49] Auch wurde über Kannibalismus bei Tötungen berichtet.[50]
Jahr | Anzahl |
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2006 (nach 11. Dezember) | 62 |
2007 | 2.826 – 12.484 |
2008 | 6.837 – 14.595 |
2009 | 9.724[52] – 17.882 |
2010 | 15.273[53] – 22.943 |
2011 | 12.903 – 25.353 |
2012 | 18.061 – 24.115 |
2013 | 10.094 – 20.337 |
2014 | 7.993 – 17.366 |
2015 | 8.423 – 17.889 |
2016 | 10.967 – 22.567 |
2017 | 12.500 – 25.339[54] |
2018 | 29.000[55] – 36.000[56][57][58] |
2019 | 34.600[27][59] – 35.000[27][60] |
2020 | 34.515[59] |
2021 | 33.410[61] |
2022 | 31.936[17] |
Die Regierung Mexikos veröffentlichte im Januar 2011 aufgrund einer neuen Berechnung die Zahl der Todesopfer des Drogenkrieges in den Jahren 2006 bis 2010 (siehe Tabelle).[62] Danach sind im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg bis Ende 2011 insgesamt 47.515 Todesopfer zu beklagen. Fast die Hälfte aller Todesopfer wurden in den Bundesstaaten Chihuahua, Sinaloa und Guerrero gezählt; die fünf am stärksten betroffenen Städte waren Ciudad Juárez, Culiacán, Tijuana, Chihuahua und Acapulco.[63] Für 2011 gibt die Regierung die Zahl von 12.903 Toten an.[64] Die Statistik widerspricht den Angaben von Journalisten, wonach die Zahl der Toten etwa doppelt so hoch sei.[65] Viele der Opfer wurden enthauptet. Alleine im Jahr 2011 fand man 453 enthauptete Leichen.[66] Nachdem Acapulco gemäß der Mordrate in den Jahren von 2011 bis 2016 die gefährlichste Stadt Mexikos und damit in manchen jener Jahre auch der Welt war[67], übernahm Tijuana diese Position im Jahr 2018.[68] Schätzungen aus dem Jahr 2013 und 2014 gingen davon aus, dass allein im Bundesstaat Chihuahua 10.000 bis 20.000 und in Mexiko bis zu 50.000 Kinder und Jugendliche verwaisten, viele davon in der Stadt Ciudad Juárez.[69][70]
Über 73.000 Menschen (Juni 2020) werden vermisst.[27] Allein 2019 gab es über 9.000 neue Fälle.[71] Im Jahr 2021 stieg die Zahl der Vermisstenfälle auf über 90.000 an.[28] Weil die Strafverfolgung faktisch oftmals erfolglos bleibt und daher generelles Misstrauen gegenüber der mexikanischen Polizei in der Bevölkerung besteht, begannen sich Hinterbliebene untereinander zu organisieren, um selbst nach vermissten Angehörigen zu suchen.[72]
Experten gehen dabei davon aus, dass auf erfolgreiche Unternehmungen der Staatsgewalt keine äquivalenten Gegenmaßnahmen der Drogenkartelle mehr folgen. Stattdessen gehen diese verstärkt dazu über, sich untereinander zu bekämpfen, um sich die verbliebenen Ressourcen und Strukturen (beispielsweise die weniger werdenden Schmuggelrouten) zu sichern. Insgesamt wurden bis März 2010 rund 121.000 Personen festgenommen.
Nach Angaben eines Mexikoexperten der International Crisis Group sind die Opfer der Gewalt „zumeist arm […] Sie stellen einen stetig wachsenden, aber immer noch kleinen Anteil der Gesellschaft dar und haben keine wirksame Lobby.“[73]
Die Zahl an getöteten Militärangehörigen, Polizisten, Staatsanwälten und weiteren in der Justiz tätigen Personen wurde bis März 2010 mit 1000 angegeben.[74]
Von Dezember 2006 bis Juni 2011 starben 32 Bürgermeister durch Mordanschläge. 130 Politiker starben vor den mexikanischen Wahlen im Jahr 2018.[75]
Nach Stand vom Juli 2012 waren bis dahin 2.888 Soldaten, Marineangehörige, Polizisten und Geheimagenten getötet worden. 45 Prozent der Opfer waren Gemeindepolizisten.[66]
Häufig kommen auch Zivilpersonen ums Leben. So wurden zahlreiche Journalisten von Angehörigen der Drogenkartelle mit dem Tode bedroht, entführt oder ermordet. Dies führt faktisch zu einer massiven Einschränkung der Pressefreiheit.[76] Laut Angaben der mexikanischen Journalistenschutzorganisation „Artículo 19“ wurden 131 Medienschaffende seit dem Jahr 2000 umgebracht.[12] Reporter ohne Grenzen zufolge gehört Mexiko zu den gefährlichsten Staaten für Journalisten.[77][12] Bekanntestes Beispiel ist die im September 2011 enthauptete Journalistin María Elisabeth Macías Castro. Die vielfach verstümmelte Leiche wurde von den Tätern an einer belebten Hauptstraße in der Grenzstadt Nuevo Laredo abgelegt.[78][79]
Laut einer Untersuchung im Jahr 2011 des Internal Displacement Monitoring Centre waren schon 230.000 Menschen vor der Gewalt im Drogenkrieg geflüchtet. Die Ziele sind die USA oder weniger gefährliche Regionen Mexikos.[14]
Stand September 2020 konnten etwa 37.000 Tote nicht identifiziert werden, da beispielsweise das CJNG-Drogenkartell seine hingerichteten Opfer zerstückelt und die Leichenteile in Massengräbern vermischt, um die Identifikation zu erschweren, falls die Massengräber entdeckt werden.[80] Wenn sich die Kartelle die Mühe machen, ihre Opfer zu vergraben, kann das an dem Umstand liegen, dass die mexikanischen Staatsanwaltschaften bei Vermisstenfällen keinen Ermittlungsaufwand betreiben.[16]
Laut Beobachtungen einer Datenanalystin, die zu den Morden recherchiert, sind die Mordmotive unterschiedlich. Unter den Todesopfern (von denen die meisten männlich sind[16]) seien Mitglieder von Kartellen ebenso zu finden wie auch Menschen, die nur wegen einer Verwandtschaft oder anderweitigen Beziehung zu Kartellmitgliedern ermordet werden.[45] So ließ das Kartell Los Viagras das verfeindete CJNG-Kartell im Jahr 2020 wissen, dass es künftig auch die Kinder und Frauen der CJNG-Mitglieder ermorden wird.[45] Neben Mitgliedern verfeindeter Kartelle sind es auch Personen, die offene Schulden nicht beglichen haben. Auch kommen gänzlich unbeteiligte Menschen zu Tode, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Die Drogenkartelle haben auch schon Mütter ermordet, die nach ihren Kindern suchten, wenn das ihre Geschäfte störte.[16]
Diese Chronologie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Die mexikanische Regierung unter Präsident Felipe Calderón setzte ihr Schwergewicht auf die Verhaftung von Anführern der Drogenkartelle.[157] Diese sogenannte Kingpin Strategy wurde von der DEA 1992 für die Bekämpfung von Drogenkartellen entwickelt. Im März 2009 veröffentlichte der mexikanische Generalstaatsanwalt (Procurador General de la Republica) eine Liste der 37 meistgesuchten Drogenbosse in Mexiko. 16 von ihnen wurden zwischen 2009 und 2012 von mexikanischen Sicherheitskräften (Marine, Armee, Bundespolizei) festgenommen und sechs weitere getötet.
Nicht prioritär war die Verhinderung der Produktion, des Handels oder des Schmuggels von illegalen Drogen – im Gegensatz zum War on Drugs in den 1970er Jahren (Operation Condor), bis in die späten 1990er Jahre. Die Verlagerung der Bekämpfungsstrategie hing auch damit zusammen, dass die mexikanischen Drogenkartelle nach Schätzungen mehr als 60 % ihrer Einnahmen mit anderen kriminellen Aktivitäten als dem Drogenhandel (z. B. Erpressung) erzielen.
Ab 2010 setzte Präsident Calderón nicht mehr einzig auf Sicherheitsmaßnahmen. Der mexikanische Staat sollte nun zusätzlich in Bildung, Gesundheit und Sozialarbeit investieren. Damit sollte die Zivilgesellschaft gestärkt werden und Jugendliche bessere Perspektiven erhalten. Der „Eingriffsplan Juárez“ (benannt nach der Stadt Ciudad Juárez) sollte umgerechnet insgesamt 200 Millionen Euro kosten und galt als Pilotprojekt.
Die Frankfurter Rundschau schrieb dazu:
„Experten halten diesen Paradigmenwechsel zwar für überfällig, doch für Fachleute wie Edgardo Buscaglia geht Calderóns neue Politik noch immer nicht weit genug. ‚Nur wenn du an ihre Vermögenswerte und Besitztümer gehst, hast du eine Chance den Krieg zu gewinnen‘, sagt der Experte für organisierte Kriminalität und Hochschullehrer an der Universität ITAM in Mexiko-Stadt. Aber an dem Punkt tue die Regierung nichts, weil Politik und Justiz bis in hohe Instanzen von der organisierten Kriminalität unterwandert seien.“[158]
Der mexikanische Geheimdienstminister unter Calderón, Genaro García Luna, der für die Bekämpfung der Kartelle zuständig war, wurde aufgrund des Verdachts einer jahrelangen Zusammenarbeit mit mexikanischen Kartellen im Jahr 2019 in Texas festgenommen und 2024 deswegen verurteilt.[159]
Während des Prozesses gegen den Drogenboss Joaquín Guzmán wurde Präsident Enrique Peña Nieto von einem Zeugen der Anklage beschuldigt, kurz vor seiner Wahl im Jahr 2012 von Guzmán 250 Millionen US-Dollar Schutzgeld gefordert zu haben. Guzmán habe Nieto daraufhin auf 100 Millionen US-Dollar heruntergehandelt und den Betrag bezahlt. Der Zeuge, Alex Cifuentes, bezeichnet sich selbst als ehemalige rechte Hand Guzmáns. Nieto ließ die Anschuldigungen dementieren.[160]
Mit dem Regierungsantritt von Andrés Manuel López Obrador Ende des Jahres 2018 sollten Anti-Korruptionsmaßnahmen sowie Deeskalation helfen, den Krieg einzudämmen. Dies ist de facto gescheitert.[16]
Während López Obradors sechsjähriger Präsidentschaft starben im mexikanischen Drogenkrieg über 180.000 Menschen. Weitere 50.000 Menschen sind verschwunden. Beobachter kritisierten, dass López Obrador die Kartelle nur halbherzig bekämpft habe, weil sie zu mächtig seien. Obrador habe sich laut dem Sicherheitsexperten David Saucedo entschieden, das Problem nur zu verwalten und es seiner Nachfolgerin Claudia Sheinbaum zu überlassen.[161][162]
Von 2012 bis 2018 war Salvador Cienfuegos mexikanischer Verteidigungsminister. Ab dem Jahr 2015 liefen in den USA Ermittlungen der DEA gegen ihn, wegen des Verdachts der Geldwäsche und Beihilfe beim Drogenschmuggel.[163] Im Jahr 2020 wurde der ehemalige Minister bei einer Einreise in die USA festgenommen.[164] Die mexikanische Regierung von Obrador, insbesondere jedoch die mexikanischen Streitkräfte, die unter López Obrador mächtiger geworden waren, kritisierten, dass die mexikanische Regierung nicht im Voraus über die Festnahme informiert wurde, obwohl ein mit den USA abgeschlossenes Abkommen dies angeblich vorschreibt.[165][30] Noch im selben Jahr wurde die Anklage gegen Cienfuegos fallengelassen und Cienfuegos durfte nach Mexiko ausreisen.[166] Medien berichteten, dass die Anklage auf Druck der mexikanischen Bundesregierung fallengelassen worden sei, die mit der Ausweisung von DEA-Agenten aus dem Land gedroht hatte.[165] Die mexikanische Regierung von Obrador sicherte jedoch zu, dass die mexikanische Staatsanwaltschaft im Gegenzug für die Zustimmung der US-Regierung, die Anklage fallen zu lassen, eigene Ermittlungen gegen Cienfuegos einleiten würde.[166] Cienfuegos wurde im Januar 2021 in Mexiko von allen Anklagen freigesprochen. Staatspräsident Obrador sagte, dass die Anschuldigungen gegen ihn politisch motiviert gewesen waren und veröffentlichte als angeblichen Beweis Abhörprotokolle von US-Agenten.[167][30] Das US-Justizministerium drohte daraufhin zum einen mit der Wiederaufnahme der Strafverfolgung gegen Cienfuegos, falls Mexiko diese nicht selbst wiederaufnimmt[168], zum anderen stellte das Justizministerium infrage, ob die USA zukünftig noch bestimmte Informationen mit Mexiko teilen können, da die Veröffentlichung des Dokuments angeblich gegen einen bilateralen Vertrag über gegenseitige Rechtshilfe zwischen den Ländern verstoßen habe.[169]
Im April 2009 stellte US-Präsident Barack Obama anlässlich seines ersten Staatsbesuchs in Mexiko fest, dass der US-Bedarf an Drogen den Drogenkartellen helfe, im Geschäft zu bleiben. Der Krieg werde ausgetragen mit Schusswaffen, die nicht in Mexiko, sondern in den USA erworben worden seien.[170] Die US-Behörden gehen davon aus, dass der Hauptanteil der in die USA geschmuggelten Drogen via Mexiko in die USA geschmuggelt werden. Ein Teil davon wird in Mexiko selbst angebaut (Marihuana) oder hergestellt (Methamphetamin). Vor allem aber ist Mexiko ein Transitland für Kokain aus Kolumbien und anderen südamerikanischen Ländern: Schätzungsweise 90 % des gesamten in den USA verkauften Kokains wird durch Mexiko transferiert und in die USA geschmuggelt. Der in den USA erzielte Erlös aus dem Drogenschmuggel soll für die mexikanischen und kolumbianischen Drogenkartelle jährlich zwischen 18 und 39 Milliarden US-Dollar betragen.[171]
Mit einem Teil der Einkünfte werden Waffen durch Strohmänner der Drogenkartelle in den USA rechtmäßig erworben und danach illegal nach Mexiko geschmuggelt. So sollen nach einer Untersuchung des U.S. Government Accountability Office 87 % aller in den letzten fünf Jahren in Mexiko beschlagnahmten Waffen in den USA gekauft worden sein.[172] Das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF), eine dem Justizministerium der Vereinigten Staaten unterstellte Bundespolizeibehörde, versucht diesen Waffenschmuggel zu unterbinden, teilweise mit verdeckten Operationen wie etwa der gescheiterten Operation Fast and Furious der Jahre 2009 und 2010.
Nach einem Bericht des mexikanischen Verteidigungsministeriums wurden zwischen 2009 und 2019 mehr als zwei Millionen Schusswaffen, größtenteils aus den USA, nach Mexiko geschmuggelt.[173]
Der Schwerpunkt der militärischen Operationen liegt in den nördlichen Bundesstaaten (Baja California, Sonora, Chihuahua, Coahuila und Tamaulipas) an der Grenze zu den USA. Weil der Drogenkrieg zunehmend in die USA überzuschwappen droht, unterstützen die USA in den nächsten drei Jahren – gestützt auf das 2008 vom US-Kongress genehmigte sog. Merida-Abkommen – die mexikanische Regierung mit 1,6 Milliarden Dollar.[174] Zusätzlich beabsichtigen sie Hilfe in Form von militärischer Ausrüstung, Ausbildung und Unterstützung durch ihre Geheimdienste.[175] Um dem Nachbarland Mexiko im Kampf gegen die mächtigen Drogenbosse zu helfen, will die amerikanische Regierung unter Barack Obama 80 Millionen Dollar zum Kauf von Black-Hawk-Hubschraubern beisteuern. Mit diesen Militärhubschraubern soll der mexikanischen Polizei die Möglichkeit gegeben werden, verstärkt gegen die rivalisierenden Drogenbosse vorzugehen. Mit dieser Maßnahme, die von US-Präsident Obama bereits angekündigt worden war, wollen die USA auch ihre eigenen Bürger schützen, da viele der Drogen über die Grenze geschmuggelt werden und auf diese Weise unter die US-amerikanische Bevölkerung geraten.
Die mexikanischen Drogenkartelle beherrschen seit den 1990er Jahren den Kokainschmuggel in Mittelamerika, insbesondere aber im Nachbarstaat Guatemala. Mit dem Drogenkrieg in Mexiko hat sich der Konkurrenzkampf zwischen den Drogenkartellen auf mittelamerikanische Nachbarstaaten ausgeweitet, wo sie weniger vom Staat gestört werden als in Mexiko. Seit 2007 kämpfen Los Zetas um die Drogenkorridore in Guatemala, die ehemals vom Sinaloa-Kartell und dem Golfkartell beherrscht wurden. Los Zetas haben sich (Stand 2012) offenbar fest in Guatemala etabliert. Polizei und Justiz stehen dieser Entwicklung aus verschiedenen Gründen (mangelnde Ressourcen, Korruption, Ineffizienz des Rechtssystems, Armut im Land) machtlos gegenüber.[176]
Ex-General Otto Pérez Molina, 2012 bis 2015 Präsident der Republik Guatemala, vertritt die Meinung, dass Konsum und Produktion von Drogen innerhalb bestimmter Grenzen legalisiert werden sollten.[177]
Siehe auch: Liste von Filmen über Drogenkartelle
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