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musikalisches Werk Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Schöpfung ist ein Oratorium von Joseph Haydn, (Hob. XXI:2). Das Werk entstand ab 1796 bis 1798 als drittes seiner vier Oratorien, nach Il ritorno di Tobia (1775) und der Chorfassung der Sieben letzten Worte (1796) und vor den Jahreszeiten (1801). Es handelt von der Erschaffung der Welt, wie sie im ersten Kapitel der Genesis erzählt wird (Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift). Es folgt den dort genannten Werken Gottes an den Tagen eins bis sechs, führt aber statt des siebten Tags eine Betrachtung der ersten Menschen im Paradies aus (die letzten sechs von 34 Musiknummern).
Haydn wurde bei seinen England-Aufenthalten 1791–92 und 1794–95 zur Komposition eines großen Oratoriums angeregt, als er die Oratorien von Georg Friedrich Händel in großer Besetzung hörte. Wahrscheinlich wollte Haydn durch den Einsatz der Musiksprache der reifen Wiener Klassik ähnlich gewichtige Resultate erreichen.
Die Arbeit am Oratorium dauerte vom Oktober 1796 bis zum April 1798. Haydns eigener Aussage nach war die Komposition für ihn eine inspirierende und grundlegende religiöse Erfahrung. So äußerte er gegenüber seinem Biographen Georg August von Griesinger (1769–1845): „Ich war auch nie so fromm, als während der Zeit, da ich an der Schöpfung arbeitete; täglich fiel ich auf meine Knie nieder und bat Gott, daß er mir Kraft zur glücklichen Ausführung dieses Werkes verleihen möchte.“[1] Er arbeitete an dem Projekt bis zur Erschöpfung und war nach der Uraufführung längere Zeit krank. Die Kosten, einschließlich einer üppigen Gage für den Komponisten, wurden von der Gesellschaft der Associierten Cavaliers getragen, deren künstlerischer Leiter Gottfried van Swieten war.
Die Schöpfung wurde erstmals am 29. und 30. April 1798 unter der Leitung des 66-jährigen Haydn im heute nicht mehr existierenden Stadtpalais Schwarzenberg am Neuen Markt in Wien aufgeführt. Diese Voraufführungen fanden vor einer geschlossenen Gesellschaft statt, doch hatten diese solches Interesse hervorgerufen, dass – wie Pieter Andriessen feststellte – 30 Gendarmen, darunter 18 Berittene, abgeordnet waren, um den Weg zum Schwarzenberg’schen Palais freizuhalten. Die Händler auf dem Neuen Markt sollen sogar ihre Stände abgebaut haben, wofür jeder von ihnen von Schwarzenberg mit 10 Gulden und 20 Kreuzern entschädigt worden sein soll. Zwei Wiederholungen im Palais Schwarzenberg fanden am 7. und 10. Mai 1798 statt. Diese Aufführungen erlaubten es Haydn, Korrekturen in Vorbereitung der öffentlichen Uraufführung anzubringen. Sie fand am 19. März 1799 im alten Burgtheater statt. Diese Aufführung des etwa eindreiviertelstündigen Werkes war ebenfalls sehr erfolgreich. Der schwedische Musiker Johan Fredrik Berwald, der damals 12 Jahre alt war, schrieb 1850 in seinen Memoiren: „Zwischen den Abschnitten der Aufführung brach jedes Mal stürmischer Applaus aus. Während der Abschnitte herrschte Todesstille. Am Ende der Aufführung riefen einige: ,Wir wollen Papa Haydn!‘ Schließlich kam der alte Mann auf die Bühne und wurde laut begrüßt: ,Es lebe Papa Haydn! Es lebe die Musik!‘ Alle kaiserlichen Majestäten (damals war Franz II. römisch-deutscher Kaiser) waren anwesend und riefen zusammen mit der Menge: ,Bravo!‘“[2]
Mit dem Erfolg der Schöpfung waren für Haydn nicht nur höchster Ruhm und Ansehen verbunden, sondern auch beträchtliche finanzielle Einnahmen. Der Erlös vieler Aufführungen diente wohltätigen Zwecken: der Altersversorgung von Musikern und der Versorgung von Witwen und Waisen. Die ersten wohltätigen Aufführungen erfolgten am 12. und 13. Dezember 1799 im Burgtheater durch die Tonkünstler-Sozietät. Neben öffentlichen Aufführungen in großer Besetzung gab es auch private Aufführungen so am 25. Mai 1801 im Kreise der kaiserlichen Familie, wo Haydn dirigierte und die Kaiserin Maria Theresia die Sopranpartie sang.
Die erste Aufführung außerhalb Wiens fand am 8. März 1800 in Buda auf Veranlassung der Großfürstin Alexandra Pawlowna Romanowa zum Geburtstag ihres Gatten, des Palatin von Ungarn Joseph statt, Haydn selbst dirigierte. Noch im selber Jahr folgten Aufführungen in vielen weiteren europäischen Städten: Prag, Covent Garden Theatre London, Graz, Klagenfurt, Dresden, Berlin, Kremsmünster, Braunschweig, Liebwerda, Salzburg unter der Leitung von Haydns Bruder Michael, Innsbruck, Leipzig, Ballenstedt, Bayreuth, Lille, Brünn, Breslau, Worcester. In wenigen Jahren folgten zahlreiche weitere Orte in ganz Europa, darunter Amsterdam, St. Petersburg, Moskau, Warschau, Stockholm und Kopenhagen. Daniel Steibelt dirigierte die erste Aufführung in Paris am 24. Dezember 1800 (3. Nivôse IX). Napoléon Bonaparte befand sich im Publikum, obwohl er auf dem Weg dorthin nur knapp einem Bombenanschlag entgangen war. Die Explosion der Höllenmaschine war im Konzertsaal zu hören.
Am 27. März 1808 dirigierte Salieri eine Aufführung der Schöpfung in italienischer Sprache in der Übersetzung Carpanis im Festsaal der Neuen Aula der Universität. Der bereits sehr geschwächte Haydn wurde als Ehrengast unter anderem von Salieri, Beethoven und Hummel begrüßt. Es war das letzte öffentliche Auftreten Haydns, wenige Tage vor seinem 76. Geburtstag.
Der Text der Schöpfung hat eine lange Vorgeschichte. Die drei Quellen sind das Buch Genesis, das Buch der Psalmen und John Miltons Genesis-Epos Paradise Lost. Das Material wurde von einem ansonsten unbekannten Lidley (oder Linley) zu einem Oratorien-Libretto verarbeitet, der es ursprünglich für Händel gedacht haben soll. Händel jedenfalls setzte es nie in Musik um. Haydns Gastgeber in England, Johann Peter Salomon, gelangte in den Besitz einer Kopie von Lidleys Libretto und gab es an Haydn weiter. Als Haydn nach Wien zurückkehrte, händigte er es seinem Freund und Gönner Baron Gottfried van Swieten aus, der eine deutsche Übersetzung veranlasste sowie eine der Haydnschen Musik angepasste englische Rückübersetzung.
Das Werk wurde 1800 zweisprachig veröffentlicht und wird auch heute noch in beiden Sprachen aufgeführt. Allerdings war van Swieten offensichtlich des Englischen nicht vollständig mächtig, und die englische Version des Librettos hat Anlass zu Kritik und verschiedenen Versuchen der Verbesserung gegeben. Tatsächlich ist die Rückübersetzung so ungenügend, dass das Oratorium manchmal auch in englischsprachigen Ländern auf Deutsch aufgeführt wird.
Haydn autorisierte noch weitere Übersetzungen, und das Werk wurde überall in Europa aufgeführt. Seitdem ist Die Schöpfung weltweit Teil des klassischen Repertoires geworden.
Die Schöpfung wurde komponiert für drei Gesangssolisten (Sopran, Tenor und Bass), vierstimmigen Chor (Sopran, Alt, Tenor und Bass) und ein großes spätklassisches Orchester, bestehend aus: drei Querflöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotten, einem Kontrafagott, zwei Waldhörnern, zwei Trompeten, drei Posaunen, Pauken, und der üblichen Streichergruppe mit erster und zweiter Violine, Viola, Cello, Kontrabass. Ein Tasteninstrument übernimmt die akkordische Ausführung des Basso continuo. Dieses begleitet nicht nur die Rezitative, sondern auch Arien und Chöre.
Es gibt wenig Zweifel, dass Haydn, gemessen am Standard seiner Zeit, ein großes Klangvolumen wünschte. Zwischen den ersten privaten Aufführungen und der Uraufführung fügte Haydn weitere Instrumentalparts in das Werk ein. Bei der Uraufführung kamen 120 Instrumentalisten und 60 Sänger zum Einsatz.
Die drei Solisten repräsentieren Erzengel, die die sechs Tage der Schöpfung erzählen und kommentieren: Gabriel (Sopran), Uriel (Tenor) und Raphael (Bass). Haydns Praxis folgend werden im 3. Teil die Rollen von Adam und Eva üblicherweise von den Solisten gesungen, die auch den Raphael und Gabriel singen. Einige Dirigenten ziehen es jedoch vor, die fünf Rollen mit fünf Solisten zu besetzen. Zwar gibt es in der Schöpfung auch eine Passage für eine Alt-Solistin, doch beschränkt sich diese auf vier Amen im Schlusschor.
Der Chor ist in einer Serie monumentaler Chorpassagen eingesetzt, von denen einige das Ende eines Schöpfungstages feiern. Das Orchester spielt häufig ohne Gesangsbegleitung, vor allem in Tonmalerei-Episoden: der Aufgang der Sonne, der Erschaffung der verschiedenen Tiere und in der Ouvertüre – der Beschreibung des Chaos vor der Schöpfung.
Die Schöpfung besteht aus drei Teilen. Wie in anderen Oratorien, gehen auch hier den größeren Arien und Chorsätzen oft kurze Rezitative voran. Das Rezitativ folgt dabei meist dem Wortlaut der Genesis, während die folgende Musik die biblische Erzählung in Versen aufnimmt.
Solisten:
Für die Bestandteile des Werks gibt es zwei etwas voneinander abweichende Nummerierungen.
Der erste Teil feiert die Erschaffung des Lichts, der Erde, der Himmelskörper, des Wassers, des Wetters und der Pflanzen.
Der zweite Teil feiert die Erschaffung der Fische, Vögel, des Viehs und schließlich des Menschen.
Doch war noch alles nicht vollbracht
Dem Ganzen fehlte das Geschöpf
Das Gottes Werke dankbar seh'n
Des Herren Güte preisen soll.
Die drei letzten Bestandteile des zweiten Teils – mit zwei Chorsätzen zu einem identischen Thema, die einen langsameren, meditativen Satz flankierend – folgt dem Muster zahlloser Vertonungen der lateinischen Messe, in der für gewöhnlich zwei ähnliche oder identische Chöre auf die Worte „Hosanna in excelsis“ einen meditativen Teil zu „Benedictus qui venit in nomine Domini“ einrahmen.
Der dritte Teil spielt im Garten Eden und erzählt die glücklichen ersten Stunden von Adam und Eva.
“The pleasure of experiencing Haydn and van Swieten’s Die Schöpfung lies less in the inevitable trajectory of the plot – we all know the story, and it contains no real sense of conflict – than in the wide-eyed wonder with which the composer visits its familiar contours. A childlike quality pervades the work, as if Haydn were relating the narrative to young listeners who had never heard it before.”
„Die Freude am Erlebnis der Schöpfung von Haydn und van Swieten liegt weniger im unausweichlichen Ablauf der Handlung – wir alle kennen sie, und in ihr ist kein eigentlicher Konfliktstoff enthalten – als darin, wie der Komponist mit staunenden Augen das Vertraute bearbeitet. Eine kindliche Qualität durchdringt das Werk, so als ob Haydn die Geschichte jungen Hörern erzählen würde, die sie vorher noch nie gehört haben.“
„Die ›Schöpfung‹ und die ›Jahreszeiten‹ malen das Universum, wie Haydn es kannte. Die vom pastoralen Stil auferlegte Simplizität war die Voraussetzung dafür, daß Gegenstände von solcher Erhabenheit überhaupt angefaßt werden konnten. Ohne die Fiktion einer Naivität im tiefsten Sinn, als der spontanen und unaffektierten Reaktion des kindlichen Auges auf die Welt, könnten diese Werke gar nicht existieren.“
„Das Wiener Publikum im alten Burgtheater feierte den Komponisten mit ‚Papa Haydn‘-Rufen. Aber Joseph Haydns Oratorium ‚Die Schöpfung‘ hat so gar nichts Gemütlich-Altväterliches an sich, sondern ist ein Stück voll von versammelter, dabei behänder Kraft, kompositorischer Geschmeidigkeit und einem Bekenntnis zum Diesseits, zum Leben hier und jetzt ohne Frömmelei und Weihrauchdunst. Nach den undefinierbaren, ziellos mäandernden düsteren Modulationsnebeln des Chaosbeginns fährt beim Wort ‚Licht‘ durch Orchester, Chor und Zuhörer ein so gleißender Fortissimo-Blitzstrahl, dass sein feuriger Glanz alle drei Teile des Werks erleuchtet. ‚Die Schöpfung‘ gilt zu Recht als aufklärerisches Stück, als neuartiges Oratorium jenseits des Barock eines Händel. Der Textdichter Baron van Swieten und mit ihm Joseph Haydn wollten die Feier der Schöpfung mit der Erschaffung des Menschen als Zielpunkt, ganz ohne Sündenfall, Erbsünde und Schuld.“
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