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Ökothriller von Dirk Roßmann (2020) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der neunte Arm des Oktopus ist ein Ökothriller des deutschen Drogeriekettenbesitzers und Milliardärs Dirk Roßmann. Das Buch erschien im November 2020 bei Bastei Lübbe, bei dem Roßmann Großaktionär ist.[1] Das Buch entstand in Zusammenarbeit mit 13 Personen.[2] Der Titel bezieht sich auf das Buch Rendezvous mit einem Oktopus (2015) von Sy Montgomery.
Der Roman erzählt von den Anfängen der im Jahr 2022 gegründeten G3-Allianz der Supermächte: China, Russland und USA. Diese verspricht, Lösungen für die Gefährdung des Weltklimas durchzusetzen und eine friedliche Zukunft der Welt zu sichern. Im Jahr 2025 bahnt sich eine internationale Krise an, als die G3-Allianz eine militärische Intervention gegen Brasilien beschließt. Parallel dazu ergreifen Gegner der neuen internationalen Koalition konspirative Maßnahmen, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu verhindern.
Die Hauptgeschichte spielt in der Zeit zwischen 2018 und 2025. Zusätzlich wird in einigen Zwischenkapiteln ein Rückblick über jene Ereignisse sowie ein Ausblick über spätere Entwicklungen im Rahmen einer Tagung führender Fachleute, die im Jahr 2100 in Paris zusammenkommen, gegeben.
Ein Prolog behandelt die geringe Bedeutung des Menschen im zeitlichen Verhältnis zum Planeten Erde und seine zerstörerische Wirkung im Anthropozän, angelehnt an den Vortrag Erde und Weltraum von Alvo von Alvensleben (1970).[3] Die Handlung setzt im Jahr 2018 ein mit der raschen Ausbreitung der tödlichen Milzbrand-Infektion im Volk der Nenzen und bei dessen Rentieren auf der Jamal-Halbinsel in Nordwest-Sibirien. Die Seuche wurde vermutlich durch den Rückgang von Permafrostböden ausgelöst.[Pos 1]
Wenige Monate später erhält Wladimir Putin eine Ausgabe des Buches der Naturforscherin Sy Montgomery Rendezvous mit einem Oktopus (englisches Original The Soul of an Octopus, 2015) aus der Hand seines Freundes Gerhard Schröder, der ihn auf seiner Datscha Nowo-Ogarjowo besucht.[Pos 2] Im April 2019 trifft sich Putin inoffiziell während eines Gipfeltreffens in Peking mit dem Staatspräsidenten Xi Jinping und der US-Senatorin Kamala Harris.[Pos 3] Harris übermittelt einen von den beiden Staatschefs unterbreiteten Vorschlag an den US-Präsidenten, dass die drei Supermächte ihre Differenzen beiseitelegen und eine gemeinsame Politik verfolgen sollen.
Im November 2022 findet eine Konferenz zwischen den drei Weltmächten in Miami, Florida, statt. Das Ergebnis ihrer Übereinkunft und ihr gemeinsamer politischer Wille wird in einem Kommuniqué dargestellt: Maßnahmen zum Klimaschutz, gegen den Anstieg der Weltbevölkerung und die Beilegung internationaler Konflikte sollen durchgesetzt werden können.[Pos 4] Im Januar 2025, während der Amtseinführung von Präsidentin Harris, wird auf Grund einer internationalen Machbarkeitsstudie ein Klimarettungspaket angekündigt, dessen Ziele innerhalb von fünf Jahren erreicht werden sollen.[Pos 5] Die Supermächte, die sich inzwischen die Allianz der G3 nennen,[Pos 6] ziehen sich aus der NATO und den Vereinten Nationen zurück und drohen Ländern, die mit deren Maßnahmen nicht einverstanden sind, mit Sanktionen.[Pos 7]
In den Jahren 2023 bis 2025 ereignen sich schwere Naturkatastrophen sowie wirtschaftliche und politische Krisen in Entwicklungsländern.[Pos 8] Ein russischer und ein chinesischer Regierungsbeamter, die beide Gegner der neuen Politik der G3-Allianz sind, treffen sich heimlich in Saudi-Arabien und bedienen sich der Dienste eines nigerianischen Waffenhändlers.[Pos 9]
Im April 2025 kommt es zu einer internationalen Krise zwischen Brasilien und den G3-Staaten. Der Milliardär Bill Gates wird von der Allianz autorisiert, als „Emissär“ nach Argentinien zu reisen, um „einen guten Rat“ an Pablo Telés, ein Mitglied der Regierung Brasiliens, zu übermitteln. Die Allianz verlangt das Ende der Brandrodung des Regenwaldes sowie eine Umstellung der brasilianischen Wirtschaft; im Gegenzug bietet sie finanzielle Kompensationen an. Während des heimlichen Treffens sagt Gates: „…die G3-Allianz ist entschlossen, ihre geballte – auch militärische – Macht zu nutzen, um bestimmte Projekte einzuleiten, bestimmte falsche Entwicklungen zu beenden. Sofort zu beenden! Nicht verhandelbar.“[Pos 10] Der brasilianische Verteidigungsminister Telés argumentiert hingegen, dass Brasilien eine unabhängige Republik ist und eine Einmischung durch die G3-Staaten nicht tolerieren will.[Pos 11] Als er den Standpunkt seines Präsidenten nochmals betont, rät Gates, Batista „loszuwerden“.[Pos 12]
Während die G3-Allianz ihre militärische Macht vor der Küste Brasiliens und in der Luft demonstriert, treffen sich in São Paulo die beiden Konspiratoren, der russische Marschall Bykow und der chinesische Wissenschaftler Dr. Zhiming, um eine Lieferung von höchstmodernen Waffen für Brasilien zu organisieren, die sich gegen die G3-Allianz verteidigen will.[Pos 13] Bei einem Treffen der Gegner der G3-Allianz lauscht zufällig der brasilianische Catering-Koch, da Silva, und wird dabei aus der Ferne vom Waffenhändler Olufunmilayo beobachtet. Nach kurzem Nachdenken entscheidet sich da Silva, seine Kontakte zu nutzen, um diese brisanten Informationen an den Präsidenten Batista während eines Spiels des FC São Paulo weiterzugeben.[Pos 14] Etwa zeitgleich erhält eine Mitarbeiterin des brasilianischen Geheimdienstes, Sofia Della Bettemcour, Besuch von Bykow und Zhiming. Sie vermutet hinter deren Aussage eine gezielte Fehlinformation.[Pos 15] Der Präsident von Brasilien und sein Verteidigungsminister Telés sind auf Grund von anderen zugespielten Falschinformationen überzeugt, dass die G3-Allianz nur blufft und sehen Brasilien dank des Ankaufs von neuen Waffen in der Lage, sich gegen einen Angriff zu verteidigen.[Pos 16]
Bettemcour nutzt ihre Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten, deckt die Beziehung zwischen Bykow und Zhiming und dem nigerianischen Waffenhändler Olufunmilayo auf und kommt zu dem Schluss, dass diese Männer die Absicht verfolgten, Brasilien in den Krieg zu treiben.[Pos 17] Sowohl da Silva wie Bettemcour gelingt es unabhängig voneinander,[Pos 18] dem Verteidigungsminister Telés die Erkenntnis zu übermitteln, dass die G3-Allianz bereit sei, Brasilien anzugreifen, und die Waffenlieferanten ein böses Spiel trieben.[Pos 19]
Am folgenden Tag wird der brasilianische Präsident von drei Ministern aufgefordert, mit der G3-Allianz zu verhandeln und deren Forderungen nachzugeben. Als er diesen Schritt verweigert, berufen sie sich auf die brasilianische Verfassung und entheben ihn seines Amtes.[Pos 20] Verteidigungsminister Telés übernimmt die Regierung Brasiliens. Zwei Tage später ziehen sich die alliierten Streitkräfte wieder zurück. Kurz darauf schreibt der Chefredakteur der New York Times einen Leitartikel mit der Überschrift „Kriegsgefahr gebannt – Wendepunkt für die Welt“.[Pos 21]
Neben der Hauptgeschichte streut der Autor in zehn Zwischenkapiteln, die etwa ein Zehntel des Buches ausmachen, Details über die gesellschaftlichen, politischen und technischen Entwicklungen ein, die das Leben auf der Erde im Laufe der 75 Jahre nach den Ereignissen des Jahres 2025 verändert haben.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz durchdringt viele Bereiche des täglichen und gesellschaftlichen Lebens. Im häuslichen Alltag werden sprechende Roboter eingesetzt, die auf gesundheitliche Überwachung und das Erledigen organisatorischer Dienste (etwa Kofferpacken, Terminkalenderpflege) sowie Küchendienste wie Kochen und Kompostieren programmiert sind.[Pos 22] Die Ernährung basiert auf pflanzlichen Produkten und künstlichem Fleisch;[Pos 23] im Gesundheitswesen verwendet man computergesteuerte Behandlungsstühle, die auf die Stimmung des Patienten reagieren[Pos 24] und „Nanomeds“, die in der Blutbahn zirkulieren;[Pos 25] Häuserwände sind mit Pflanzen begrünt und mit Solarpanelen bedeckt;[Pos 26] in der Landwirtschaft übernehmen Roboter-Insekten die Bestäubung von Blüten.[Pos 27] Mit der Magnetschwebebahn kann man in kürzester Zeit über große Distanzen reisen[Pos 28] und ein Teil des alltäglichen Handels, wie der Kauf von Einrichtungsgütern, ist obsolet geworden.[Pos 29]
Im Mai 2100 findet in Paris ein jährlich wiederkehrendes Treffen von sieben auf ihren jeweiligen Fachgebieten führenden Experten statt, die ihre Berichte und Ideen miteinander teilen und diskutieren. Sie werden sehr gut bezahlt, um der Weltregierung als eine Art Thinktank zu dienen.[Pos 30] Auf der Tagesordnung steht eine Diskussion über ein historisches Thema, „über die Jahre der Entscheidungen, damals um 2025, und warum es so kommen musste, wie es kam. Und ob es damals anders gelaufen wäre, wenn nicht Menschen regiert hätten, sondern Algorithmen.“[Pos 31]
In seinem Beitrag zur Tagung erzählt der 105-jährige Agraringenieur Maximilian Gundlach von seiner Teilnahme an einem Pilotprogramm zur Wiederaufforstung in der Nähe von Irkutsk am Baikalsee in den 2020er Jahren. Autonome Pflanz- und Aufforstungsroboter wurden konstruiert, um den Boden schnell und optimal zu versorgen. Um das Projekt innerhalb von drei Dekaden global zu verbreiten, wurden auf geheim gehaltene Weise Samen aus dem norwegischen Svalbard Global Seed Vault entnommen und mit genmanipulierten Pflanzen gekreuzt, und dadurch eine neue Welt von hybriden Pflanzen geschaffen.[Pos 32] In seinem mündlichen Vortrag äußert sich Gundlach kritisch zu dieser Entscheidung und zu seiner Rolle als Wissenschaftler im Jahr 2100. Dabei erklärt er: „… dass wir Teil einer politischen Inszenierung sind – die Führer können auf uns verweisen und ihr Handeln gleichsam wissenschaftlich sanktionieren. Wir treten vor die Kameras und sprechen als die Weisen vom Berg…. Das ist zu einem Gutteil Show, und es ist in Ordnung. Ich will euch sagen, was in meinem Bericht stehen wird: genau das. Dass wir wissen, dass wir mit unseren Ideen aus der Komfortzone eine Inszenierung darstellen.“[Pos 33] Die jüngeren Teilnehmer der Tagung sind überrascht zu erfahren, dass die Begrünung des ganzen Planeten durch Genmanipulation erreicht wurde. Am folgenden Tag stellt man fest, dass Gundlach, ohne sich zu verabschieden, abgereist ist.
Als letzter Beitrag auf der Tagung hält Seitz ein Referat über die bisherigen Erfolge der künstlichen Intelligenz. Er stellt den Prototyp eines Bionic-Arms in der Form eines Oktopusarms vor, der sich an einem echten Tier selbständig andocken und in sein biologisches System vollständig integrieren sollte. Das Experiment misslingt,[Pos 34] aber Seitz gibt sein Projekt nicht auf.[Pos 35]
Das Buch wurde vor allem in den Filialen von Roßmanns Drogeriekette Rossmann intensiv beworben und zahlreich verkauft. Der Titel erreichte Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste für Belletristik in der 3. Ausgabe von 2021, wo er wochenlang blieb, und erhielt außerdem Platz 5 auf der Liste der Jahresbestseller 2020.[4] Das Buch verkaufte sich mehr als 400.000 Mal (Stand: Anfang 2022). Roßmanns zweiter Thriller, Der Zorn des Oktopus, den er zusammen mit dem Journalisten Ralf Hoppe schrieb, startete 2021 mit einer Auflage von 200.000 Exemplaren.[5]
In der Süddeutschen Zeitung schrieb Rudolf Neumaier am 16. November 2020: „Der Thrill des Thrillers besteht darin, dass Bösewichte danach trachten, den Weltrettungsfrieden zu hintertreiben.“[2] Im März 2021 schrieben Anton Rainer und Volker Weidermann im Spiegel: „Dirk Roßmann, man muss es so klar sagen, hat ein ultragrünes Diktatorenmärchen geschrieben. Im Grunde ist es das passende Buch für eine Zeit, in der sich viele Menschen nach einer starken Figur sehnen, die Pandemien, Kriegen, Umweltzerstörung mit Klarheit und Härte begegnet. Für seine Weltrettung braucht Roßmann drei starke Führer an der Spitze dreier starker Länder und sonst nichts.“[6] Der NDR-Literaturpodcast Eat Read Sleep wählte das Buch zum „schlechtesten Buch des Jahres“ 2021.
In der Ausgabe vom 13. Dezember 2020 von Druckfrisch sagte Literaturkritiker Denis Scheck, das Buch habe ihn zu seiner „Verblüffung durchaus amüsiert. […] Die literarischen Mittel dieser Dagobert-Duck-Prosa sind überschaubar. Aber sie liest sich überraschend anregend und verrät, wie jede Science-Fiction, mehr über die Zeit und das Bewusstsein ihres Autors, als über die Zukunft.“[7] Scheck erwähnte das Buch nochmals am 28. Februar 2021 mit der Bemerkung, es enthalte „mehr originelle Ideen als eine Monatsproduktion der Edition Suhrkamp […]. Jedenfalls schreibt Geld durchaus annehmbare Thriller.“[8]
Der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt bezeichnete das Buch in einem Beitrag im Magazin Cicero nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 als „übles Propaganda-Werk“, da Putin darin als Bezwinger einer globalen Klimakatastrophe verherrlicht werde und den Friedensnobelpreis erhalte.[9] Altkanzler Gerhard Schröder, der im Roman das Buch Rendezvous mit einem Oktopus an seinen Freund Putin übergibt, ließ dem russischen Präsidenten ein Exemplar zukommen. Roßmann, mit dem er ebenfalls befreundet ist, hatte ins Buch die Widmung „Ihr kleiner Rasputin“ geschrieben.[10] Schröder sagte zu Roßmanns 75. Geburtstag, sein Respekt vor Roßmann als Unternehmer sei größer als sein Respekt vor Roßmann als spätem Schriftsteller.[11]
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