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Verschwörungstheorie Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das RAF-Phantom – Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen ist ein 1992 bei Droemer Knaur erschienenes Buch über die dritte Generation der Roten Armee Fraktion (RAF). Die Verfasser Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker bestreiten die Existenz der RAF ab Mitte der 1980er Jahre und behaupten, die Terroranschläge ab 1985, zu denen sich die RAF bekannt hat und die ihr von der zeithistorischen Forschung zugerechnet werden, seien Aktionen westlicher Geheimdienste unter falscher Flagge. Nachdem die Hypothese anfangs Popularität genoss, gilt sie inzwischen allgemein als widerlegte Spekulation und Verschwörungstheorie.
Die Entstehung des Buches ist vor dem Hintergrund der völligen Spurenlosigkeit zu sehen, mit der die RAF in ihrer dritten Generation lange Zeit agierte. So bezweifelten in den 1980er Jahren einige Wissenschaftler und Journalisten die fortdauernde Existenz der RAF; die Süddeutsche Zeitung schrieb einmal von einer „Geisterarmee“.[1]
Der Mord der RAF an Alfred Herrhausen am 30. November 1989 war der Ausgangspunkt des Buches. Wisnewski, Landgraeber und Sieker erstellten 1992 einen Beitrag für das WDR-Fernsehmagazin Monitor, in dem der Kronzeuge der Bundesanwaltschaft, Siegfried Nonne, seine Aussage widerrief, mit der er mehrere mutmaßliche RAF-Mitglieder im Fall Herrhausen belastet hatte. Die Journalisten setzten ihre Recherchen in diesem Mordfall fort; sie sammelten Zeugenaussagen und amtliche Ermittlungsergebnisse und stießen darin ihrer Meinung nach auf starke Unstimmigkeiten. Sie unternahmen daraufhin weitere Recherchen über frühere Morde der RAF und sahen dabei ähnliche Unstimmigkeiten wie im Fall Herrhausen. Weil sie offenbar Zugang zu geheimen Behördenunterlagen gehabt hatten, wurden sie in der Folge das Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und Hausdurchsuchungen.[2]
Die Thesen der Autoren lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Journalist Ivo Bozic erklärte 2002, das Buch sei „sofort zum Bestseller“ geworden und werde „bis heute oft zitiert“. Die Autoren hätten „viel Beifall“ erhalten, „gerade auch unter Linken“;[3] das Buch sei „von manchen als ‚Standardwerk‘ über die RAF verklärt“ worden.[4] Gemäß Michael Schmidt-Salomon erreichte das Buch in Teilen der linken Szene „Kultstatus“, was er damit erklärt, dass sich die RAF immer stärker von dieser Szene abgekoppelt habe und die Aktionen ihrer dritten Generation auf Unverständnis gestoßen seien.[5]
Die aktuellen sowie ehemalige Mitglieder der RAF wandten sich öffentlich gegen die Thesen. Die aktive Kommandoebene schrieb in einer Erklärung vom 29. November 1996, die Phantomthese stamme von „mit Falschinformationen gefütterten“ Journalisten.[6] Als der Journalist und RAF-Experte Gerd Rosenkranz die inzwischen inhaftierte RAF-Führungsfigur Birgit Hogefeld in einem Spiegel-Interview 1997 darauf ansprach, ob das Buch in RAF-nahen Kreisen ernsthaft diskutiert worden sei, meinte sie:
Der Regensburger Politikwissenschaftler und Experte zur dritten RAF-Generation, Alexander Straßner, ordnet die Aussagen des Buchs als Verschwörungstheorie ein, „deren Absurdität mittlerweile unbestritten ist“, nämlich seit dem GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen, bei dem Birgit Hogefeld als RAF-Mitglied verhaftet wurde.[8] Der Extremismusforscher Eckhard Jesse nennt die Thesen des Buches „bizarre Verschwörungstheorien“, die in „Jargon“ verfasst seien,[9] der Medienwissenschaftler Andreas Dörner sieht eine „doch recht abenteuerlich anmutende Verschwörungstheorie“.[10] Der als Fernsehjournalist zum Terrorismus arbeitende Rainer Fromm bezeichnet das Buch als „Machwerk“, das auf den „Mumpitz der LaRouche-Gruppe“ eingehe.[11] Gerd Rosenkranz monierte in seiner taz-Rezension 1993 eine Reihe faktischer Fehler: Tatsachen würden verdreht und einseitig präsentiert, damit sie zur These der Verfasser passen. Er kam zu einem äußerst negativen Gesamturteil.[12] Der Mitherausgeber der Zeitung Jungle World, Ivo Bozic, hielt die Phantom-These 2001 für „[a]n den Haaren herbeigezogen“; sie entbehre „jeder Grundlage“.[13] Die Autoren hätten „ihre hanebüchenen Thesen“ „niemals beweisen“ können; die Phantom-Idee „wurde dutzendfach widerlegt. Die Überzeugung der Autoren jedoch konnte nicht erschüttert werden.“[3] Das Buch, das Bozic als „Verschwörungsklassiker“ bezeichnet, sei „völlig abstrus und für die historische Bewertung des »bewaffneten Kampfes« verheerend“.[4] Die Zeithistorikerin Petra Terhoeven resümierte 2017, für die Annahme, es handle sich bei der dritten RAF-Generation um ein „Phantom“, gebe es keinen Anlass, auch wenn das Verhalten der Sicherheitsbehörden den Verschwörungstheoretikern in die Hände gespielt habe.[14]
Auf der Grundlage des Buchs entstand im Jahr 2000 der preisgekrönte Politthriller Das Phantom.
Das Buch erschien zuerst 1992 und 1997 in einer überarbeiteten zweiten Auflage. 2008 erschien eine wesentlich erweiterte, vollständig aktualisierte und überarbeitete Neuauflage.
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