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mährischer Schriftsteller Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Charles Sealsfield, eigentlich Carl Anton Postl (* 3. März 1793 in Poppitz bei Znaim; † 26. Mai 1864 in Solothurn), war ein österreichisch-amerikanischer Schriftsteller.
Postl entstammte einer südmährischen Weinbauernfamilie. Der Erstgeborene trat nach dem Besuch des Jesuitengymnasiums in Znaim in den Kreuzherrenorden ein, wo er bis zum Sekretariatsadjunkt aufstieg, studierte in Prag Theologie u. a. bei Bernard Bolzano, und empfing 1814 die Priesterweihe.
1823 flüchtete Postl aus ungeklärten Gründen – er wurde sogar per Steckbrief gesucht – über Wien und Stuttgart in die USA, wo er sich eine neue Identität aufbaute, zuerst als Charles Sidons, dann als Charles Sealsfield[1]. Er lebte zunächst als protestantischer Geistlicher in Kittanning im US-Bundesstaat Pennsylvania und danach in New Orleans. 1826/27 war er wieder in Europa, v. a. in London, ließ seine ersten Veröffentlichungen erscheinen und bot vergeblich dem österreichischen Kanzler Metternich seine Dienste als Geheimagent an.
Während eines weiteren USA-Aufenthalts war er u. a. in New York als Mitarbeiter bei der Zeitung Courrier des Etats-Unis tätig und hatte Kontakt mit Joseph Bonaparte. Ende 1830 kehrte er nach Europa zurück, ließ sich in der Schweiz nieder und erlangte mit mehreren zunächst anonym veröffentlichten Romanen auch internationale Erfolge. Eine kurze USA-Reise 1837 diente der rechtlichen Absicherung seiner US-amerikanischen Identität; ein USA-Aufenthalt von 1853 bis 1858 brachte ihm die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
1858 kaufte er sich auf Anregung eines Schweizer Freundes, des Baselbieter Politikers Stephan Gutzwiller, ein Haus in Solothurn, das er bis zu seinem Tod bewohnte (heute Bergstrasse 49).
In den Solothurner Jahren lernte Sealsfield neben Männern der Solothurner Bildungselite wie Jakob Amiet, Alfred Hartmann und Franz Krutter auch Karl Maria Kertbeny kennen, der sich als Privatsekretär bewarb. Sealsfield schlug das Angebot aus.
1864 erlag er einem Krebsleiden; für sein Grabmal auf dem Friedhof Feldbrunnen-St. Niklaus bestimmte er selbst die Inschrift „Charles Sealsfield, Bürger von Nord Amerika“. Seit 1843 hatte er nichts mehr veröffentlicht und war weitgehend vergessen; die Eröffnung seines Testaments und die Enthüllung seiner früheren Identität erregten aber großes Aufsehen und führten zu intensiven biographischen Forschungen.
Neben kurzen Prosaerzählungen in diversen englischen und amerikanischen Zeitschriften, die ihm zum Teil bis heute nicht eindeutig zuzuschreiben sind, veröffentlichte er vor allem zwei Reiseberichte. 1827 erschien unter dem Pseudonym Charles Sidons Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, nach ihrem politischen, religiösen und gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet. Mit einer Reise durch den westlichen Theil von Pennsylvanien, Ohio, Kentucky, Indiana, Illinois, Missouri, Tennessee, das Gebiet Arkansas, Mississippi und Louisiana; eine zweibändige, revidierte englische Version kam 1828 unter dem Titel The United States of North America as They Are in Their Political, Religious, and Social Relations und The Americans As They Are: Described in a Tour through the Valleys of the Mississippi heraus.
Dieser Text zeigt bereits jene Merkmale, die für Sealsfields späteres Romanwerk charakteristisch sind. Aus der Perspektive eines Bürgers der Vereinigten Staaten wird Aufklärung über das amerikanische politische System betrieben, wird dem veralteten Europa eine neue, dynamische und zukunftsträchtige Welt vor Augen geführt. Die politische Ideologie des Verfassers orientiert sich stark am Programm des amerikanischen Präsidenten Andrew Jackson und an den Vorstellungen der sklavenhaltenden Plantagenbesitzer in den Südstaaten.
Ein zweiter Reisebericht erschien 1828 anonym in London: Austria as it is, or sketches of continental courts, by an eye-witness, eine kritische Abrechnung mit dem Regime Metternich. Die österreichische Geheimpolizei versuchte vergeblich dem Verfasser auf die Spur zu kommen. Erst Jahre später gestand Postl seine Autorschaft ein.
1829 erschien schließlich Sealsfields erster Roman, Tokeah; or the White Rose in Philadelphia. Eine kaum veränderte britische Version kam im selben Jahr unter dem Titel The Indian Chief; or, Tokeah and the White Rose. A Tale of the Indians and Whites in London heraus. In diesem Roman, dem einzigen, den er in englischer Sprache schrieb, steht Sealsfield deutlich unter dem Einfluss James Fenimore Coopers, dessen Last of the Mohicans 1826 erschienen war.
Mit der Übersetzung und Umarbeitung seines Tokeah begann 1833 seine schriftstellerische Karriere im deutschen Sprachraum. Der Roman erschien anonym unter dem Titel Der Legitime und die Republikaner. Eine Geschichte aus dem letzten amerikanisch-englischen Krieg. Die abenteuerliche Handlung rund um die Schlacht von New Orleans, in deren Verlauf auch der siegreiche amerikanische General und spätere Präsident Andrew Jackson auftritt, orientiert sich am Modell des historischen Romans, das Walter Scott entwickelt hatte. Gegenüber der in der amerikanischen Version noch dominierenden romantischen Indianergeschichte tritt in der deutschen Version der politische Aspekt ins Zentrum: Gezeigt wird das Funktionieren der amerikanischen Republik auch unter den widrigen Bedingungen eines existenzbedrohenden Kriegs. Die Träger dieser amerikanischen Republik sind Hinterwäldler, Bauern und Plantagenbesitzer; der städtischen Sphäre weicht Sealsfield, wie auch in seinem späteren Werk, weitgehend aus.
Die in den nächsten Jahren veröffentlichten Romane zeichnen sich durch eine etwas komplizierte – und von Sealsfield für spätere Auflagen revidierte – Titelgebung aus. 1834 veröffentlichte er unter dem Titel Transatlantische Reiseskizzen und Christophorus Bärenhäuter zwei Erzähltexte, deren ersten, George Howard’s Esq. Brautfahrt, er 1843–46 in seinen Sämtlichen Werken als ersten Band der Romanpentalogie Lebensbilder aus der westlichen Hemisphäre verwendete. 1835 wandte er sich vorübergehend einem anderen Thema zu und veröffentlichte einen historischen Roman über den mexikanischen Unabhängigkeitskrieg, Der Virey und die Aristokraten.
Im selben Jahr begann er die Lebensbilder aus beiden Hemisphären mit dem unvollendeten zweiteiligen Roman Die große Tour, den er 1844 als Morton oder die große Tour selbständig herausbrachte. Da die weiteren Bände der Lebensbilder aus beiden Hemisphären sich auf die USA beschränkten, mithin nur eine der beiden Hemisphäre thematisierten, versammelte er sie später, wie erwähnt, unter dem Titel Lebensbilder aus der westlichen Hemisphäre. Es handelt sich hier um die Bände Ralph Doughby’s Esq. Brautfahrt oder Der transatlantischen Reiseskizzen dritter Theil (1835), Pflanzerleben oder Der transatlantischen Reiseskizzen vierter Theil (1836), Die Farbigen oder Der transatlantischen Reiseskizzen fünfter Theil (1836) und Nathan, der Squatter-Regulator, oder Der erste Amerikaner in Texas. Der transatlantischen Reiseskizzen sechster Theil (1837).
Die genannten drei Romane sind durch den Auftritt bzw. die Erwähnung einiger weniger gemeinsamer Figuren lose verknüpft. Der Virey verbindet eine abenteuerliche Privatgeschichte, die auch vor melodramatischen Effekten nicht zurückschreckt, eine beeindruckende Schilderung der kriegerischen Ereignisse im Zusammenhang mit der mexikanischen Unabhängigkeitserklärung sowie eine komplexe Intrigenhandlung um den in Mexiko regierenden spanischen Vizekönig und einen fiktionalen mexikanischen Aristokraten. Im Zentrum steht der Anspruch des Erzählers, die Leser über die geheimen Hintergründe der mexikanischen Ereignisse zu informieren und eine klare politische Botschaft zu formulieren, wonach die religiösen, mentalen und sozialen Verhältnisse in Mexiko keine Republik wie in den USA, sondern lediglich eine wohltätige Adelsdiktatur zuließen – ein Urteil, das Sealsfield in Austria as it is auch über den Staat der Habsburger gefällt hatte.
Den Anspruch, dem Leser einen Blick hinter die Kulissen der Weltpolitik zu gewähren, erhebt auch der Morton, in dessen Zentrum ein junger Amerikaner steht, der sich nach dem Verlust seines Vermögens dem internationalen Finanzkapital in die Arme wirft und als Abgesandter eines amerikanischen Bankiers nach Europa geht, wo er die französische Julirevolution von 1830 vorbereiten hilft. Der Roman, der auf die Geheimbundthematik zurückgreift, stellt den tugendhaften Vereinigten Staaten ein tugendloses Europa gegenüber, sieht allerdings auch in den Vereinigten Staaten durch den Einfluss der (europäischen) Geldwirtschaft die Fundamente der Republik bereits untergraben. Sealsfield hat das Buch nie vollendet und ist die versprochene Aufklärung über die Ursachen der Julirevolution schuldig geblieben.
In den fünfbändigen Lebensbildern aus der westlichen Hemisphäre lieferte Sealsfield das Porträt seiner idealen Gesellschaftsordnung – der südstaatlichen Plantagengesellschaft, die, auf Sklaverei beruhend, ein patriarchalisches republikanisches System ermöglicht. Ein Ich-Erzähler, der junge, aus dem Osten stammende Plantagenbesitzer George Howard, gibt über weite Passagen anderen Ich-Erzählern das Wort und erstellt ein breites Panorama, das seine eigene Initiation in die agrarische Welt und seine Bewährung angesichts gefährlicher Ereignisse (einer Sklavenrevolte und eines tropischen Sturms) ebenso schildert wie die Frühgeschichte der Plantagengesellschaft – die Besiedlung Louisianas durch französische und amerikanische Einwanderer und die Zivilisierung der Wildnis. Die Forschung hat wiederholt auf die Widersprüche in Sealsfields idealisierendem Bild hingewiesen: auf den deutlichen Rassismus, die frauen- und sinnenfeindliche Basis, den autoritären Charakter dieser Republik der Plantagenbesitzer und die Furcht vor einer Veränderung durch die fortschreitende ökonomische Entwicklung.
1839–40 folgte der umfangreiche, unvollendet gebliebene Roman Neue Land- und Seebilder: Die Deutsch-Amerikanischen Wahlverwandtschaften. Hier wird das Schicksal einer New Yorker Familie gezeichnet, deren Mitglieder zum Teil der traditionellen – und zunehmend unzeitgemäßen – landwirtschaftlichen Lebensweise verpflichtet bleiben, während ein anderer Zweig sich dem Gesellschaftsleben der Großstadt ergibt. Das satirische Porträt der amerikanischen Ostküstengesellschaft verbindet sich mit dem „atlantischen Thema“ durch die Reise eines jungen preußischen Adeligen in die USA, der ein wenig anziehendes New York kennenlernt. Das offenkundig angestrebte Ziel – Hochzeiten zwischen den amerikanischen und den deutschen Protagonisten – wird nicht erreicht, da Sealsfield den Roman abbrach.
1841 wandte sich Sealsfield mit seinem in der Folge berühmtesten Werk, Das Cajütenbuch oder Nationale Charakteristiken, wieder dem amerikanischen Westen zu. Im Zentrum des komplexen Textes – einer zuhörenden Gruppe von reichen Plantagenbesitzern aus Natchez, Mississippi werden mehrere Geschichten erzählt – stehen die texanische Revolution und der südamerikanische Freiheitskrieg. Besonders die erste der Binnenerzählungen, Die Prärie am Jacinto, festigte Sealsfields Ruhm und wurde wiederholt als Einzeltext ediert – zumeist um die auch hier anzutreffende politisch-didaktische Komponente verkürzt.
Als letzter Roman erschien 1842/43 Süden und Norden, eine fantastische Erzählung, die eine Gruppe junger US-Amerikaner in die mexikanische Wildnis und in ein Netz undurchschaubarer Intrigen führt. Paradies- und Höllenvorstellungen, Halluzinationen und Träume strukturieren diese Reise in das Herz der Finsternis, die das Thema mancher späteren kolonialistischen Romane vorwegnimmt.
1843–46 brachte Sealsfield bei Metzler in Stuttgart eine Sammlung seiner Romane, Sämtliche Werke in 18 Bänden, heraus, veröffentlichte aber bis zu seinem Tod keine neuen Texte mehr. Zunächst waren seine Romane anonym erschienen, was bei der zeitgenössischen Kritik zu Spekulationen über die Identität dieses neuen „Großen Unbekannten“ (der erste „Große Unbekannte“ war Walter Scott) führte; aus urheberrechtlichen Gründen bekannte er sich später als Charles Sealsfield zur Verfasserschaft. In den 1830er Jahren erregten Sealsfields Romane beträchtliches Aufsehen; insbesondere von der jungdeutschen Kritik wurden sie gefeiert. Vorübergehend erreichte er in den 1840er Jahren auch in den USA eine gewisse Prominenz. Die meisten seiner Romane wurden – unautorisiert – übersetzt, und in der amerikanischen Presse fanden sich Debatten über den geheimnisvollen europäischen Autor. Prominente Schriftsteller wie Edgar Allan Poe oder Nathaniel Hawthorne äußerten sich kritisch. Seit 1848 aber verschwand Sealsfields Werk aus der literarischen Öffentlichkeit.
Erst nach seinem Tod setzte wieder ein reges Interesse ein, das allerdings in erster Linie seiner Biographie galt. Sein Romanwerk, das den verworrenen politischen Diskurs dieser Zeit getreu widerspiegelt und immer wieder multi-ethnische Aspekte und völkerpsychologische Denkmuster heranzieht, ist erst seit den 1970er Jahren von der Literaturwissenschaft stärker beachtet worden. Sealsfield selbst hielt sich zugute, mit seinen Texten einen neuen Romantypus, den „höheren Volksroman“ geschaffen zu haben und mit seinen Romanen zur Aufklärung und zur „Bildung des Zeitalters“ beizutragen.
Eine reichhaltige Sammlung von Materialien zu Leben und Werk sowie von Ausgaben seiner Werke wird in der Zentralbibliothek Solothurn aufbewahrt. Ein Teil wurde nach Sealsfields Tod von seinem Bekanntenkreis und von den Solothurner Bibliothekaren zusammengetragen, ein anderer Teil, die geschlossene Sammlung Kresse, wurde von dem aus Südmähren stammenden Musiker und Sealsfield-Verehrer Albert Kresse (1886–1961) angelegt[2] und gelangte 1982 an die Zentralbibliothek Solothurn.[3]
Am 21. November 1939 wurde ihm die Karl-Postl-Str. in München gewidmet.[4] Neben dem Grabmal auf dem Friedhof St. Niklaus erinnert in Solothurn eine Gedenktafel an Sealsfields Wohnhaus an der Bergstrasse an den Schriftsteller. Nachdem diese bei Renovationsarbeiten zerbrochen war, wurde sie 2018 ersetzt.[5] 1993 gab die Österreichische Post eine Briefmarke mit seinem Porträt heraus.[6]
Zu Lebzeiten erschienene Werke:
Spätere Ausgaben in Auswahl:
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