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quantenmechanischer Effekt Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Casimir-Effekt ist ein quantentheoretisch deutbarer Effekt der Mikrophysik, der bewirkt, dass auf zwei parallele, leitfähige Platten im Vakuum eine Kraft wirkt, die beide zusammendrückt.[1][2] Der Effekt wurde 1948 durch Hendrik Casimir vorhergesagt und auch nach ihm benannt.[3][4] 1956 erfolgte die experimentelle Bestätigung durch Boris Derjaguin, I. I. Abrikosowa und Jewgeni M. Lifschitz[5] in der Sowjetunion und 1958 durch Marcus Sparnaay von den Philips-Forschungslaboratorien in Eindhoven.[6][7]
Wissenschaftler untersuchen die Möglichkeiten, den Casimir-Effekt im Bereich der Nanotechnologie für Mikrosysteme nutzbar zu machen.[8][9][10]
Joseph Cugnon berichtet in seinem Artikel,[11] wie Casimir zu seiner vereinfachten Berechnung gekommen ist. Die Berechnung von Van-der-Waals-Kräften zwischen Körpern ist sehr aufwändig. Als Casimir nun z. B. für die Van-der-Waals-Kraft zwischen einem Atom und einer leitenden Platte eine unerwartet einfache Formel gefunden hatte, zweifelte er, ob diese stimmen könnte. Er folgte dann einem Ratschlag von Niels Bohr: „Warum berechnen Sie den Effekt nicht, indem Sie die Differenz der Nullpunktenergien des elektromagnetischen Feldes ermitteln?“ Er berechnete daraufhin die Kräfte zwischen zwei Atomen und zwischen einem Atom und einer leitenden Platte. Schließlich wurde ihm klar, dass die Berechnung für zwei leitende Platten noch einfacher ist, und dieses Ergebnis publizierte er schließlich.[12]
Das Ergebnis von Casimir kann über zwei grundlegend verschiedene theoretische Ansätze hergeleitet werden, einen quantenfeldtheoretischen Ansatz, der die Annahme von Vakuumfluktuationen (gleichbedeutend mit einer Nullpunktsenergie des elektromagnetischen Feldes) beinhaltet, und einen Ansatz der klassischen Elektrodynamik. Es besteht nach Cugnon eine „Dualität der physikalischen Interpretation“.[13]
Die Casimir-Kraft zwischen leitenden Platten kann berechnet werden, wenn angenommen wird, dass das Vakuum ein Raum voller virtueller Teilchen ist, die als Vakuumfluktuation bezeichnet werden. Solchen Teilchen kann eine De-Broglie-Wellenlänge zugeordnet werden. Außerhalb der Platten sind alle möglichen Wellenlängen zulässig; es existiert ein Kontinuum an virtuellen Teilchen, die jeden beliebigen Impuls
annehmen können (also ein kontinuierliches Spektrum aufweisen) mit
Die Anregungen des diskreten Impulsspektrums lassen sich als stehende Wellen zwischen beiden Platten auffassen. Dabei muss der Abstand der beiden Platten einem Vielfachen der halben Wellenlänge der virtuellen Teilchen entsprechen. Alle anderen Zustände virtueller Teilchen sind dort „verboten“, da sie nicht den Randbedingungen des Wellenfeldes genügen. Von außen stoßen mehr („erlaubte“) virtuelle Teilchen an als im Zwischenraum der Platten, und es entsteht eine Druckdifferenz. Die Teilchen sind virtuell, die Druckdifferenz jedoch real. Dieser Casimir-„Druck“ wirkt als Kraft auf die Platten der jeweiligen Fläche und drückt sie zusammen. Er wird angegeben als „Unterdruck“ (Minuszeichen) zwischen den Platten und beträgt für perfekt leitende Platten im Vakuum:
mit den Größen
Nach dieser Formel ergibt der Abstand von 190 nm einen Unterdruck von 1 Pa, bei 11 nm erreicht man 100 kPa (1 bar).
Die sehr genaue Übereinstimmung der Messungen mit diesem Ergebnis ist kein Beweis für die Existenz von Vakuumfluktuationen,[14][15] obwohl das einige Physiker behaupten.[16]
Die Casimir-Kraft kann auch gedeutet werden als Summe von Anziehungskräften zwischen Atomen über einen Spalt hinweg (die Wirkung dieser Kräfte ist nicht an das Bestehen eines Vakuums gebunden).
Wechselwirkungen zwischen Atomen/Molekülen (Van-der-Waals-Kräfte) hatte schon Fritz London betrachtet. Casimir und Polder[17] berechneten mit Hilfe retardierter van-der-Waals Potentiale die Kraft, die eine perfekt leitende Platte auf ein einzelnes Atom ausübt, und kamen unter der Verwendung gewisser Näherungen zu einer einfachen Formel. Das wenig später von Casimir veröffentlichte Ergebnis, das über die Annahme von Vakuumfluktuationen zwischen zwei Metallplatten gewonnen wurde, stimmte sehr gut damit überein.
1956 berechnete J. M. Lifschitz[18] in aller Allgemeinheit die Kraft zwischen zwei sich gegenüberstehenden dielektrischen Materieblöcken mit planparallelen Oberflächen.
Die Spezialisierung auf zwei perfekt leitende parallele Metallplatten erbrachte genau das Ergebnis von Casimir.[19]
Also kann der Casimir-Effekt erklärt werden ohne einen Bezug auf Vakuumfluktuationen.[20]
Brevik, Ellingsen und Milton[21] berechneten mit Hilfe der temperaturabhängigen Greenschen Funktion den Casimir-Effekt für beliebige absolute Temperaturen . Sie fanden für die Anziehungskraft zwischen den Platten pro Fläche (den „Casimir-Druck“) einen analytischen Ausdruck, aus dem sie die Grenzwerte für sehr hohe und sehr niedrige Temperaturen ableiteten[22]:
Hierbei ist ,
Für große steigt die Anziehungskraft mit der Temperatur linear an, für erhält man das Ergebnis von Casimir.
Für reale Metalle müssen Materialeigenschaften (u. a. endlich große Leitfähigkeit) einbezogen werden und thermodynamische Betrachtungen erfolgen.
Quantitative Messungen nahmen Steve Lamoreaux (Seattle, 1997) sowie Umar Mohideen und Anushree Roy (Riverside, 1998) vor.[23]
2009 zeigten Alexej Weber von der Universität Heidelberg und Holger Gies von der Universität Jena, dass der Casimir-Effekt bei gegeneinander gekippten Platten andere Eigenschaften zeigt; so wächst er z. B. mit steigender Temperatur der Oberfläche schneller als im Fall paralleler Platten.[24][25]
Es gibt spezielle Fälle, in denen der Casimir-Effekt Abstoßungskräfte zwischen (nicht geladenen) Objekten hervorrufen kann. Dies war bereits 1956 von Jewgeni M. Lifschitz vorhergesagt worden. Die Abstoßungskräfte sollten am leichtesten in Flüssigkeiten auftreten.[26] Nachdem geeignete Metamaterialien vorlagen, wurde der Effekt erneut von Eyal Buks und Michael L. Roukes im Jahr 2002 vorhergesagt.[27] Im Jahre 2007 haben Physiker um Ulf Leonhardt von der Universität St Andrews theoretisch vorhergesagt, dass es unter Zuhilfenahme von Metamaterial mit negativem Brechungsindex möglich wäre, den Casimir-Effekt umzukehren, also eine Abstoßung der Platten zu erreichen. Dies wird reverser oder repulsiver Casimir-Effekt oder auch Quanten-Levitation genannt.[28][29]
Eine experimentelle Demonstration der von Lifschitz vorhergesagten Abstoßung aufgrund der Umkehrung des Casimir-Effektes wurde von Munday et al. 2009 durchgeführt, die den Effekt ebenfalls als Quantenlevitation bezeichneten.[30]
Andere Wissenschaftler haben die Verwendung von laseraktiven Medien zur Erzielung eines ähnlichen Levitationseffekts vorgeschlagen,[31] obwohl dies umstritten ist, da diese Materialien grundlegende Anforderungen an Kausalität und thermodynamisches Gleichgewicht (Kramers-Kronig-Beziehungen) zu verletzen scheinen. Casimir- und Casimir-Polder-Abstoßung kann aber tatsächlich bei ausreichend anisotropen elektrischen Körpern auftreten. Für einen Überblick über die mit der Abstoßung verbundenen Probleme siehe Milton et al.[32] Mehr zum steuerbaren (englisch tunable) abstoßenden Casimir-Effekt siehe Qing-Dong Jiang et al. (2019).[33][34]
Aus der Quantenfeldtheorie leitete der Physiker Gerald T. Moore 1970 her, dass virtuelle Teilchen, die sich in einem Vakuum befinden, real werden können, wenn sie von einem Spiegel reflektiert werden, der sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Dieser Effekt wurde später auch dynamischer Casimir-Effekt genannt. Der Experimentalphysiker Per Delsing und Kollegen von der Universität Göteborg konnten diesen Effekt 2011 nachweisen.[35][36][37]
Neben der Casimir-Kraft zwischen parallelen Platten gibt es auch ein Casimir-Drehmoment. Dieses wurde 2018 durch die Verdrehung von Flüssigkristallen nachgewiesen. Die wirkenden Drehmomente lagen in der Größenordnung von einigen milliardstel Newtonmetern.[38]
Im Mai 1996 beschrieb der niederländische Physiker Sipko L. Boersma eine maritime Analogie zum Casimir-Effekt im American Journal of Physics.[39] Nach Boersmas Hypothese herrscht zwischen zwei Booten, die bei starkem Seegang parallel zueinander ankern, eine anziehende Kraft. Er begründet dies damit, dass außerhalb der Boote Wellen beliebiger Länge entstehen können, zwischen den Booten die Wellenlänge jedoch begrenzt sei. Nach seinen Ausführungen führt dies – in Analogie zum Casimir-Effekt – zu einem Druck, der bewirke, dass sich die beiden Schiffe annähern. Grundlage für diese Hypothese war für Boersma das Buch L'Album du Marin des Franzosen P. C. Caussée von 1836, in dem diese Kraft beschrieben wird.[40][41][42] In der Folge wurde Boersmas Hypothese von der Wissenschaftsgemeinde aufgenommen und vielfach zitiert.[43][44][41] 2006 analysierte der Physiker Fabrizio Pinto Boersmas Hypothese. Dabei stellte er unter anderem fest, dass Caussée zwar eine attraktive Kraft zwischen zwei Booten beschrieb, dies allerdings bei völliger Flaute. Zudem fand er in seinen Recherchen in der Fachliteratur keinen einzigen Hinweis auf eine anziehende Kraft zwischen zwei schwimmenden Körpern, unabhängig ob mit oder ohne Wellengang. Er kommt daher zu der Schlussfolgerung: „Wir haben hier die Physikergemeinde bei der Begründung eines Mythos ertappt.“[41][45]
Der Casimir-Effekt wurde auch im Breakthrough Propulsion Physics Project der NASA erforscht.[46] Seit 2008 betreibt die DARPA ein Forschungsprogramm, das Casimir Effect Enhancement program.[47]
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