Loading AI tools
US-amerikanische Künstlerin Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Betye Irene Saar (geboren 30. Juli 1926 in Los Angeles, Kalifornien) ist eine US-amerikanische Künstlerin, die für ihre Arbeiten mit der Technik der Assemblage bekannt ist. In den USA ist Saar eine Legende in der Welt der zeitgenössischen Kunst.[1] Sie ist eine visuelle Erzählerin und versierte Grafikerin. In den 1970er Jahren zählte sie zu den Vertretern des Black Arts Movement.[2] Sie thematisierte von Anfang an die negativen Darstellungen von Afro-Amerikanern und die in den USA weitverbreitete rassistische Haltung gegenüber schwarzen Menschen.
Betye Irene Brown[3] wurde als Tochter von Jefferson Maze Brown und Beatrice Lillian Parson in Los Angeles geboren und wuchs dort auf. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1931 zog sie mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und ihrer Schwester zunächst zu den Eltern ihres Vaters in den Stadtteil Watts, und später nach Pasadena, Kalifornien um.[4] Schon in ihrer Jugend sammelte Saar gerne ungewöhnliche Gegenstände, die sie teilweise auch reparierte.[5] Ihr Kunststudium begann sie mit dem zweijährigen Programme des Pasadena City College[2] und wechselte anschließend dank eines Stipendiums auf die University of California, Los Angeles (UCLA).[6] Das Erststudium schloss sie 1947 mit einem Bachelor of Arts in Design ab.[5] Anschließend schrieb sie sich für Kurse an der California State University, Long Beach, University of Southern California, California State University, Northridge, und am American Film Institute ein.[7]
Von 1952 bis 1970 war sie mit dem Keramikkünstler Richard Saar verheiratet[8] und hat mit ihm drei Töchter: die Künstlerin Lezley Saar (geboren 1953)[9], die Künstlerin Alison Saar (geboren 1956)[10] und die Publizistin Tracye Saar-Cavanaugh (geboren 1961).[2][11]
Ursprünglich strebte sie eine Laufbahn als Kunstdozentin an, entschied sich aber nach einem Kurs in Druckgrafik um. Für sie bedeutete diese Kunstrichtung die Überleitung von den angewandten Kunstformen in die bildende Kunst.[12]
Im Jahr 1967 fand sie neue Inspiration durch den Besuch einer Ausstellung des Bildhauers Joseph Cornell, der Assemblagen aus gefundenen Gegenständen (Objet trouvé) erstellte.[13] Einen weiteren wichtigen Einfluss auf ihre künstlerische Entwicklung hatten auch Simon Rodias Watts Towers, deren Bau sie während ihrer Kindheit beobachten konnte. Später erzählte sie, wie die Materialien, die Simon Roda verwendete – zerbrochenes Porzellan, Meeresmuscheln, verrostetes Werkzeug und sogar Maiskolben – eingebettet in den aus Beton gebauten Turmspitzen – eine magische Faszination auf sie ausübten.[14]
Sie begann selbst Assemblagen in Kisten und Fensterrahmen mit gefundenen Objekten zu erstellen, die eine Verbindung zu den Kulturen ihrer Vorfahren hatten: Afroamerikaner, Iren und Native Americans.[15]
Saar wurde zeitweise von ihrer Großtante Hattie aufgezogen und betrachtete sie als großes Vorbild.[16] Deshalb widmete sie ihr das 1975 erstellte Werk Record For Hattie.[17] Es besteht aus Mixed Media, zusammengestellt in einer antiken Schmuckschatulle. Hiermit huldigt sie dem Körper einer Frau, ohne diese durch rassistische Merkmale, Erotik oder sexuellen Fetischismus zu überlagern. Trotzdem kann ihr Werk nicht in den Stil des Primitivismus eingereiht werden. Vielmehr vereint sie Motive von Black Power, Spiritualität, Mystizismus und Feminismus, wie etwa in ihrem Black Girl’s Window aus dem Jahr 1969.[18][13]
Seit den 1960er Jahren sammelt Saar Abbildungen von Aunt Jemima, Uncle Tom, Little Black Sambo und weiteren stereotypischen Darstellungen von afroamerikanischen Volksfiguren im Alltag und der Werbung in den sogenannten Jim-Crow-Jahren der USA. In ihren Assemblagen nutzte sie diese Bilder, um politischen und sozialen Protest auszudrücken.[3] The Liberation of Aunt Jemima ist eines der bemerkenswertesten Werke dieser Periode.[19] Über die Motivation für dieses Werk, welches das stereotype Bild der schwarzen Haushaltshilfe – die sogenannte Mammy – untergräbt, sagte sie einmal:[2]
„Es ist, als hätten sie die Sklaverei abgeschafft, aber behielten schwarze Leute in ihren Küchen als „Mammy“-Andenken. Ich hatte eine Tante Jemima und ich wollte ein Gewehr und eine Granate unter ihren Rock packen. Ich wollte ihr mehr Macht geben. Ich wollte sie zu einer Kriegerin machen. Ich wollte, dass Menschen sehen, dass sich schwarze Menschen dadurch nicht versklaven ließen. (It’s like they abolished slavery but they kept black people in the kitchen as Mammy jars. I had this Aunt Jemima, and I wanted to put a rifle and a grenade under her skirts. I wanted to empower her. I wanted to make her a warrior. I wanted people to know that black people wouldn’t be enslaved by that.)“
In den späten 1960er Jahren engagierte sich Saar für die Bürgerrechtsbewegung. 1970 traf sie andere afroamerikanische Künstlerinnen in der Gallery 32, die von der Künstlerin und Kunsthändlerin Suzanne Jackson geleitet wurde. Diese Begegnung führte zu einer gemeinsamen Ausstellung mit dem Titel Sapphire (You’ve Come a Long Way, Baby).[6]
In den 1980er Jahren unterrichtet Saar an der UCLA und dem Otis Art Institute. In dieser Zeit beschäftigte sie sich in ihren Werken mit Zusammenhängen zwischen zwei unterschiedlichen Wissenssystemen: Technik, wie etwa im Computerchip, und Spiritualität, unter anderem mit Gegenständen des Voodoo dargestellt.[20]
In den späten 1990er Jahren äußerte Saar starke öffentliche Kritik an den Werken der 1969 geborenen Künstlerin Kara Walker wegen ihrer Darstellung von Afroamerikanern. Saar und andere Kritiker wie Howardena Pindell glauben, dass Walker dabei Rassismus und rassistische Stereotypen verfestige. In einem Dokumentarfilm von 1999[21] wird berichtet, dass Saar Walkers provozierende Motive für eine Form von Verrat an den afroamerikanischen Sklaven hielt.[22] Der Altersunterschied der Künstlerinnen wird als Erklärung für deren unterschiedliche Sichtweisen hergenommen.[23]
Gemeinsam mit zwei ihrer Töchter stellte sie 2006 Werke in einer Wanderausstellung mit dem Titel Family Legacies (zu Deutsch: Familienvermächtnisse) aus, die in mehreren Orten in den USA gezeigt wurde.[24]
Saar lebt und arbeitet seit vielen Jahren in ihrem Studio in Laurel Canyon, einer Wohngegend in Los Angeles.[25]
Für ihr Lebenswerk und ihren Einfluss auf die Kunst in den USA erhielt Saar, die in Deutschland noch wenig bekannt ist, im Mai 2021 den 26. Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig.[26] Christophe Cherix, ein Jurymitglied, sagte über Betye Saar:
„In der US-amerikanischen Kunst nimmt Betye Saars Werk eine Schlüsselposition ein. Ihre Assemblagen aus den 1960ern und frühen 1970ern verknüpfen Fragen von Ethnie, Politik und übernatürlichen Glaubenssystemen mit ihrer persönlichen Geschichte. Saar, die in einer von Rassentrennung geprägten Gesellschaft aufwuchs, hat über all die Jahre an ihrem Glauben festgehalten, dass Kunst unsere finstersten Momente und tiefsten Ängste überwinden kann.[27]“
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.