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Bereitstellungskrankheit ist ein 1963 durch Thure von Uexküll aufgestelltes psychosomatisches Krankheitskonzept bei chronisch anhaltenden funktionellen Syndromen. Es stellt eine Fortentwicklung früherer Konzepte der Organneurose (Otto Fenichel 1945) und der vegetativen Neurose (Franz Alexander 1950) dar.[1]
Die Bezeichnung Bereitstellungskrankheit ergab sich aufgrund der als erforderlich angesehenen methodisch-systematischen Abgrenzung und Gegenüberstellung psychischer Störungen, die nicht zu den klassischen Konversionsvorgängen gerechnet werden können. Das Konversionsmodell versagt bei der Erklärung von Bereitstellungskrankheiten. Bei diesen Störungen erscheint die pathogenetische Bedeutung ursprünglich physiologischer, jedoch allzu dauerhafter Reaktionen im Wege der Bereitstellung maßgeblich. Dies war für die Namensgebung der Bereitstellungskrankheiten ausschlaggebend, auch wenn diese gelegentlich doch kombiniert mit Konversionsvorgängen auftraten. Als entsprechende Bezeichnung für die nur aufgrund von Konversionsmechanismen dauerhaft ausgelösten Störungen wurde die Bezeichnung Ausdruckskrankheiten gewählt.
Die damit auch angestrebte Differenzierung der Methodik umfasst neben der Analyse der für die Ausdruckskrankheiten wesentlichen Motivation und der bereits erwähnten Bereitstellung als pathophysiologischer Grundlage zusätzlich auch die Berücksichtigung von Stimmungen als Bedingung chronisch anhaltender Störungen.
Dem Konzept der Trennung zwischen Ausdrucks- und Bereitstellungskrankheiten liegt die von der Triebtheorie geprägte Vorstellung Freuds zugrunde, dass zwischen einer Ojektlibido und einer Ich-Libido zu unterscheiden sei. Freud hat sich die Libido als psychische Energie vorgestellt, die das Individuum zu den Objekten aussendet. Er sprach von Narzissmus, wenn diese Libido von den Objekten abgezogen und auf das Individuum selbst zurückgezogen wurde. Zwischen den Objekten und dem Ich bestehe eine sozusagen positive energetische Wechselwirkung. Diese sich förderlich entfaltende Wirkung stellte Freud am Bild des Protoplasmatierchens dar.[2]
Für die Beurteilung langfristiger seelischer Kräfte maßgeblich ist also die Ausprägung wirksamer Motive, die sich in Handlungen in Bezug auf die Triebobjekte umsetzen oder nicht umsetzen lassen. Lassen sich diese nicht umsetzen, so entfalten die bereitgestellten, aber nicht konsumierten oder sublimierten Energien eine ggf. pathogene Wirkung.[4]
Ein weiteres theoretisches Konstrukt zum Verständnis chronisch anhaltender Ausdrucks- und Bereitstellungskrankheiten ist die Vorstellung von Angst als einer entscheidenden emotionalen und affektiven Qualität. Sie trägt im Normalfall zur Entwicklung von Motiven bei. Wenn Angst auf ein äußeres Objekt gerichtet ist, kann sie durch sinnvolle Handlungen verringert werden. Dies geschieht vermittels geeigneter Motive. So wird Angst in Furcht umgewandelt. Gelingt dieser Abbau von Angst jedoch mangels geeigneter motivgesteuerter Einstellungen nicht, so wird weitere Angst ausgelöst und es werden somit weitere seelische Energien mobilisiert (Angstanfall). Auch dies erfolgt ohne die Möglichkeit einer Verminderung von Spannungen. Es entsteht die sog. „frei flottierende Angst“. Sie bewirkt zudem auch ein Aufgeben der Objektbesetzung, so wie es bereits zuvor im Kap. Objektlibido und Ichlibido dargestellt wurde. Der Konflikt besteht hier also nicht mehr wie bei den Ausdruckskrankheiten zwischen Ich und sozialer Umwelt bzw. Über-Ich, sondern zwischen Ich und Es als dem Träger von automatisch und vegetativ ablaufenden biologischen Funktionen und Bereitschaften. Angst hat man daher vor allem vor Gefahren, die in einem selbst liegen. Diesen Störungstypus hat Freud in seiner Beschreibung der Angstneurose dem Typus der Konversionshysterie entgegengestellt.[5] Daher kann Freud als Protagonist der Unterscheidung zwischen den Konzepten der Ausdrucks- und Bereitstellungserkrankungen gelten, auch wenn er sich stets sehr zurückhaltend gegenüber der Behandlung somatischer Störungen gezeigt hat und selbst nie Organkranke behandelt hat.[2] Damit ist jedoch die Vorbedingung zu entscheidenden gesundheitlichen Risiken durch chronisch anhaltende innere Fehlsteuerungen gegeben. Ein chronisch erhöhter Blutdruck z. B. infolge von essentieller Hypertonie kann über die damit hervorgerufene Arterienverkalkung nach Jahren zu Schlaganfall oder Herzinfarkt führen.[1]
Bereitstellungen jeder Art sind wie andere physiologische Reaktionen auch als prinzipiell antagonistisch vorzustellen. Als Beispiel solcher gegensätzlicher Bereitschaftsreaktionen seien hier die ergotrope und trophotrope Einstellungen genannt. Dies soll heißen, dass sich eine allzu prolongierte Dauer bestimmter ursprünglich physiologischer Einstellungen letztlich schädlich auswirken muss. Eine vermehrte Dauer der Sympathikotonie muss sich somit z. B. als Schlaflosigkeit bemerkbar machen.[1]
Die Symptome der Bereitstellungskrankheiten können nicht mit Hilfe des Konversionsmodells erklärt werden. Die bei den Konversionsstörungen bzw. bei den Ausdruckskrankheiten meist leicht nachvollziehbare eigene Motivation des Kranken ist bei den Bereitstellungskrankheiten eher in den Hintergrund gedrängt. Es handelt sich vordergründig um eine vegetative Symptomatik. Häufig wird Symptomwandel beobachtet, der als Affektäquivalent gedeutet werden kann.[1]
Beispiele für Bereitstellungskrankheiten sind nach der Beschreibung von F. Alexander (1891–1964) das Asthma bronchiale, die Essentielle Hypertonie, das Magengeschwür, das Zwölffingerdarmgeschwür, die Colitis ulcerosa, das Atopische Ekzem und die Hyperthyreose („holy seven“).[6]
Hinsichtlich des Krankheitswertes von Bereitstellungen ist zu unterscheiden zwischen vorübergehenden situationsbedingten Einstellungen bei Extrembelastungen wie bei Examen, Lampenfieber etc. und dauerhaften Einstellungen wie sie die Ausdrucks- und Bereitstellungskrankheiten darstellen. Die Gefährdung aufgrund einer Ausdruckskrankheit ist allgemein geringer als bei einer Bereitstellungskrankheit. Mit zunehmender Tiefe der Verdrängung wie sie bei Bereitstellungskrankheiten anzunehmen ist, schwindet die subjektive Einsicht in das pathologische Geschehen und die Gefahr körperlicher Komplikationen wächst.[1][7] Das Konzept der Bereitstellungskrankheiten ist heute als ein wichtiger Faktor unter anderen bei den früheren klassischen Psychosomatosen („holy seven“) angesehen.[6]
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