Holitscher stammte aus einer großbürgerlichen, jüdischen Kaufmannsfamilie und erhielt bei einem Hauslehrer Unterricht in Deutsch sowie Religionsunterricht bei einem Rabbiner. Seine Eltern waren der Budapester Großkaufmann Eduard Holitscher (ca. 1839–1899) und dessen Nichte (Tochter seiner Schwester) Hermine Altstädter (1849–1912). Durch seine Mutter, die ihn für einen „Nichtsnutz“ hielt, erfuhr er von Beginn an Ablehnung. Er selbst sah sich immer als Österreicher oder Deutschen, aber nicht als ungarischen Juden. Nach seiner Reifeprüfung wurde er auf Wunsch seiner Eltern in Budapest, Fiume und Wien Bankangestellter. Diesen Beruf gab er nach sechs Jahren wieder auf.
Beeinflusst durch seine persönliche und literarische Bekanntschaft mit Pariser Anarchisten und seiner Lektüre Knut Hamsuns wurde Holitscher ab 1895 freier Schriftsteller in Paris. Hier fühlte er sich sehr einsam. Im Herbst 1895 übernahm der Münchner Verleger Albert Langen seinen ersten Roman Weiße Liebe. 1896 zog Holitscher deshalb nach München und wurde Redakteur für Langens Zeitschrift Simplicissimus. Thomas Mann soll Holitscher observiert haben, um ihn dann zur Vorlage seiner erbarmungslos gezeichneten Figur Detlev Spinell in der Novelle Tristan (1902) zu machen.[1] 1907 übersiedelte Holitscher nach Berlin und wurde Lektor bei Cassirer.
Reisen und Exil
Als Reiseschriftsteller ging er zuerst 1911 in die USA und nach Kanada, im Auftrag Samuel Fischers (mit Fischer hatte er seit 1907 einen Dauerkontrakt, den dieser nach der Bücherverbrennung kündigte). Aus dieser Reise entstand sein berühmtestes Werk Amerika Heute und Morgen. Mit diesem Buch gelang ihm 1912 der schriftstellerische Durchbruch. Franz Kafka soll daraus manche Einzelheiten für seinen Roman Amerika entlehnt haben.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war Holitscher gerade in London und wurde nach Berlin abgeschoben. Er war während des Krieges Mitarbeiter der Zeitschrift Die Aktion sowie des Berliner Tageblattes und war im pazifistischen Bund Neues Vaterland aktiv. Während der 1920er Jahre unternahm er viele Reisen, etwa nach Sowjetrussland, Palästina, Paris, London, Indien, China und Japan, 1927 durch Südwesteuropa und 1929 erneut in die USA.
1933 kamen Holitschers Bücher, darunter auch sein Bericht „Drei Monate in Sowjet-Russland“ (1921), auf die Liste der „auszumerzenden Literatur“ und wurden verbrannt. Er floh nach Paris und später nach Genf. Ab 1939 lebte er verarmt und verlassen in einem Quartier der Heilsarmee in Genf, wo er am 14. Oktober 1941 im Alter von 72 Jahren starb. Die Grabrede auf ihn hielt Robert Musil.
Leidende Menschen, Novelle, 1893
Weiße Liebe, Roman, Albert Langen, München 1896
An die Schönheit. Ein Trauerspiel, Albert Langen, München 1897
Von der Wollust und dem Tode, Albert Langen, München 1902
Charles Baudelaire, Bard & Marquardt, Berlin 1904
Das sentimentale Abenteuer, S. Fischer, Berlin 1905
Der Golem. Ghettolegende in drei Aufzügen, 1908
Leben mit Menschen, Bard & Marquardt, Berlin 1910
Worauf wartest du?, Roman, S. Fischer, Berlin 1910
Amerika heute und morgen, Reiseerlebnisse, S. Fischer, Berlin 1912
Geschichten aus zwei Welten, S. Fischer, Berlin 1914
In England – Ostpreußen – Südösterreich. Gesehenes und Gehörtes, S. Fischer, Berlin 1915
Das amerikanische Gesicht, S. Fischer, Berlin 1916
Bruder Wurm („Dichtungen und Bekenntnisse aus unserer Zeit“), S. Fischer, Berlin 1918
O. Wilde: Ballade des Zuchthauses zu Reading, Übersetzung, Axel Juncker, Berlin 1918
Schlafwandler, Erzählung, S. Fischer, Berlin 1919
Adela Bourkes Begegnung, Roman, S. Fischer, Berlin 1920
Ideale an Wochentagen, Erich Reiß, Berlin 1920
Drei Monate in Sowjet-Russland, S. Fischer, Berlin 1921
Gesang an Palästina, Hans Heinrich Tillgner, Berlin 1922
Stromab die Hungerwolga, 1922
Reise durch das jüdische Palästina, S. Fischer 1922
Ekstatische Geschichten, („Das Prisma“, Band 11), Hans Heinrich Tillgner, Berlin 1923
Frans Masereel („Graphiker unserer Zeit“, Band 1), mit Stefan Zweig, Axel Juncker, Berlin 1923
Amerika. Leben, Arbeit und Dichtung, Verlag der Neuen Gesellschaft, Berlin 1923
Lebensgeschichte eines Rebellen. Meine Erinnerungen (Autobiographie, erster Band), S. Fischer, Berlin 1924
Das Theater im revolutionären Russland, Volksbühnen-Verlag, Berlin 1924
Der Narrenbaedeker. Aufzeichnungen aus Paris und London, S. Fischer, Berlin 1925
Ravachol und die Pariser Anarchisten („Außenseiter der Gesellschaft“, Band 8), Verlag Die Schmiede, Berlin 1925
Das unruhige Asien. Reise durch Indien – China – Japan, S. Fischer, Berlin 1926
Mein Leben in dieser Zeit (1907–1925) (Autobiographie, zweiter Band), Gustav Kiepenheuer, Potsdam 1928
Reisen, Gustav Kiepenheuer, Potsdam 1928
Es geschah in Moskau, Roman, S. Fischer, Berlin 1929
Wiedersehn mit Amerika, S. Fischer, Berlin 1930
Es geschieht in Berlin, Roman, S. Fischer, Berlin 1931
Ein Mensch ganz frei, Roman, S. Fischer, Berlin 1931
Holitscher, Arthur. In: Kurt Böttcher et al.: Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1967; Band 1, S. 616–618.
Stephan Braese: Deutsche Blicke auf „Sowjet-Russland“. Die Moskau-Berichte Arthur Holitschers und Walter Benjamins. In: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte, Jg. 24 (1995), S. 117–147.
Marianne Bruchmann: Arthur Holitscher. Dissertation. Graz 1972.
Manfred Chobot: Arthur Holitscher (1869–1941). In: Literatur und Kritik, Jg. 5 (2004), S. 99–111.
Ein vergessener Autor in: Manfred Chobot: Blinder Passagier nach Petersburg. Essays und Interviews. edition lex liszt 12, Oberwart 2009. ISBN 978-3-901757-90-7.
Walter Fähnders: „Es geschah in Moskau“ von Arthur Holitscher. In: Walter Fähnders, Wolfgang Klein, Nils Plath (Hrsg.): Europa. Stadt. Reisende. Blicke auf Reisetexte 1918–1945. Aisthesis, Bielefeld 2006, S. 85–106.
Karlheinz Fingerhut: Erlebtes und Erlesenes – Arthur Holitschers und Franz Kafkas Amerika-Darstellungen. In: Diskussion Deutsch, Jg. 20 (1989), S. 337–355.
Anton Fleck: Amerika, Heute und Morgen. Reiseerlebnisse. In: Weltwirtschaftliches Archiv 1 (1913), S. 228–230. (online)
Alfons Goldschmidt: Holitscher und Dreiser. In: Die Weltbühne, Jg. 25 (1929), S. 282–284.
Ruth Greuner: Gegenspieler. Profile linksbürgerlicher Publizisten aus Kaiserreich und Weimarer Republik. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1968.
Stefan Grossmann: Arthur Holitscher. Der Leninist. In: Das Tagebuch (8. Januar 1921), S. 334–336.
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Christoph Grubitz: Die Wirklichkeit der großen Stadt 1924. Holitschers und Masereels „Narrenbaedeker“: Ein Denkbild. In: Gerhard R. Kaiser, Erika Tunner: Paris? Paris! Bilder der französischen Metropole in der nicht-fiktionalen deutschsprachigen Prosa zwischen Hermann Bahr und Joseph Roth. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 2002, S. 199–217.
Jost Hermand: Produktive Lektüre: Oskar Maria Grafs handschriftliche Randbemerkungen zu Arthur Holitschers „Drei Monate in Sowjet-Rußland“. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur, Jg. 4 (1995), S. 420–430.
Klaus Herrmann: Bekenntnisse zu Arthur Holitscher. In: Die Neue Bücherschau. Eine kritische Schriftenfolge. Dichtung, Kritik, Grafik, Jg. 5 (1927), S. 205–212.
Viktoria Hertling: Quer durch: Von Dwinger bis Kisch. Berichte und Reportagen über die Sowjetunion aus der Epoche der Weimarer Republik. Verlag Anton Hain Meisenheim, Königstein 1982.
Andreas Herzog: „Writing Culture“ – Poetik und Politik. Arthur Holitschers „Das unruhige Asien“. In: KulturPoetik, Jg. 1 (2006), S. 20–37.
Gert Mattenklott: Zeit in Holz geschnitten. Arthur Holitscher und Franz Masereel. In: Neue Rundschau 2/3 (1986), S. 125–142.
Hans-Peter Rusing: Quellenforschung als Interpretation: Holitschers und Soukups Reiseberichte über Amerika und Kafkas Roman „Der Verschollene“. In: Modern Austrian Literature 2 (1987), S. 1–38.