Schindler war der Sohn von Joseph Schindler, „Direktion-Adjunkt der Kaiserlich-Königlich-Hauptschule zu Mährisch-Neustadt“, aus dessen Ehe mit Susanna geb. Krestin.[2]
Er besuchte das Gymnasium in Olmütz und studierte ab Herbst 1813 Jura und Philosophie an der Universität Wien. 1817 übernahm er eine Anstellung in der Kanzlei des Rechtsanwalts Johann Baptist Bach, der 1819 Beethovens Rechtsbeistand wurde. Ab 1822 war Schindler erster Violinist und Orchesterdirektor am Josephstädter Theater, von 1825 bis 1827 in gleicher Funktion am Kärntnertor-Theater. Von Herbst 1827 bis Frühjahr 1829 lebte er mit seiner Schwester in Pest, war dann ab 1832 als Musikdirektor in Münster und von 1835 bis 1840 sowohl als Musikdirektor des Aachener Sinfonieorchesters als auch als Stiftskapellmeister am Aachener Dom tätig. 1841/42 hielt er sich in Paris auf, 1843 in Berlin, und lebte ab 1848 in Frankfurt am Main und in Bockenheim.
Schindlers Nachruhm gründet sich vor allem auf seine Bekanntschaft mit Ludwig van Beethoven. Er lernte ihn im Herbst 1822 kennen und übernahm für ihn Sekretärsdienste. Er wurde zugleich der erste Biograph des Komponisten. Seine Beethoven-Biografie wurde 1840 veröffentlicht und 1860 erweitert. Sie gilt als sehr unzuverlässig, da Schindler sich gern selbst in den Mittelpunkt stellt. Seine Behauptung, er sei Beethovens Freund gewesen, lässt sich zudem kaum mit den Tatsachen in Übereinstimmung bringen. Um sie zu untermauern, schreckte er nicht davor zurück, nachträgliche Eintragungen in Beethovens Konversationsheften vorzunehmen und andere Dokumente zu fälschen.
Darüber hinaus verfasste Schindler mehrere Kompositionen, darunter Lieder, Klavierwerke, ein Streichquartett und zwei Messen für Chor und Orchester. Großen Erfolg hatte namentlich seine Messe Nr. 1 in d-Moll, die im Dezember 1837 in Aachen zur Uraufführung gelangte. Der Aachener Korrespondent der Berlinischen Nachrichten meldete:
„Aachen. Eine neue große Messe von dem Concertmeister Schindler, bei deren Aufführung sämmtliche Musiker und Musikfreunde mitwirkten, hat hier große Sensation gemacht, namentlich das Credo, das allgemein bewundert wurde.“[3]
Eine weitere Aufführung folgte am 4. November 1839 in der Wiener Karlskirche. Schindler widmete die Messe Papst Gregor XVI., der die Widmung noch vor der Wiener Aufführung annahm. In einem Bericht aus Düsseldorf heißt es im November 1839:
„(Düsseldorf.) Der Papst hat die Dedication einer Messe unsers Musikdirectors Schindler angenommen, und der Director der päpstlichen Capelle soll den Meister ersucht haben, noch eine zweyte von ihm componirte Messe nach Rom zu senden.“[4]
In der damaligen Presse erregte dies große Beachtung, weil „noch niemals das Werk eines deutschen Componisten in der Peterskirche in Rom ausgeführt wurde.“[5] Ob Giuseppe Baini, der Kapellmeister der päpstlichen Kapelle, Schindlers Messe tatsächlich im Petersdom aufführte, ist nicht bekannt.[6]
Biographie von Ludwig van Beethoven. Mit dem Portrait Beethovens und 2 Facsimiles, Münster: Aschendorff 1840 (Volltextin der Google-Buchsuche)
Beethoven in Paris, nebst anderen den unsterblichen Tondichter betreffenden Mittheilungen und einem Facsimile von Beethoven's Handschrift. Ein Nachtrag zur Biographie Beethoven's, Münster: Aschendorff 1842
Biographie von Ludwig van Beethoven. Zweite, mit zwei Nachträgen vermehrte Ausgabe, Münster: Aschendorff 1845 (Digitalisat)
Biographie von Ludwig van Beethoven, 3., neu bearbeitete und vermehrte Aufl., 2 Bände, Münster: Aschendorff 1860 (Digitalisat);(Volltextin der Google-Buchsuche)
Marta Becker (Hrsg.), Anton Schindler, der Freund Beethovens. Sein Tagebuch aus den Jahren 1841–43, Frankfurt/M. 1939
Im Druck erschienen folgende Werke:
Lieder und Gesänge für Gesang und Klavier, gewidmet Laura Iven geb. von St. Aubin, Bonn: F. J. Mompour, Oktober 1838 (= 1. Liederheft)
Liebeswahnsinn („Die Nacht ist graus“) – Warum? („Ich kenn’ ein Aug’, das Alles spricht“) – An die heilige Jungfrau („O heil’ge Jungfrau keusch und rein“) – Wohl und Weh („Im Schatten der Bäume“) – Die Liebe („Welche Freude schlägt und hallet“) – Verlornes („Schade ist’s um jede Blüthe“)
Wanderlieder in neun Situationen von Adolf Schwarz, gewidmet Therese von Sartorius geb. Freiin von Eynatten, Bonn: F. J. Mompour, Dezember 1838 (= 2. Liederheft)
Abschied („Der Morgen graut“) – Wohin? („Wohin, wohin die Schritte lenken“) – Sonnenaufgang („Die Sonne will sich erheben“) – Im Walde („Im Walde unter der Eiche“) – Abschied („Die Sonne legt sich nun zur Ruh“) – Der Sturm („Der Sturm heult durch den Wald“) – Einladung („Komm müder Wandrer“) – Beim Wiedersehn des Rheins („Ihr rebenumwundenen Hügel“) – Dort an dem Wasserfalle
Lieder und Gesänge für Gesang und Klavier, gewidmet Angelica Lueder, Bonn: F. J. Mompour, Mai 1839 (= 3. Liederheft)
Oft in stiller Mitternacht – Sänger’s Glück („In die Saiten greif’ ich kühn“) – Ihr Auge („Einen schlimmen Weg ging gestern ich“) – Der Lockende („Willst kommen zur Laube“) – Liebe und Treue. Ariette („Mein Herz ist schwer“) – Bescheidener Wunsch („Hätt’ ich, was ich oft verlangte“)
Daneben besitzt das Beethoven-Haus in Bonn die Handschriften einiger Werke:
Streichquartett d-Moll, 1822 (BH 261)
Sonate d-Moll/F-Dur für Klavier, 1833 (BH 263)
Messe Nr. 1 d-Moll für vierstimmigen gemischten Chor und Orchester, 1824/26 (Kyrie, Gloria und Credo) und 1836/37 (Sanctus, Benedictus, Agnus dei und Donna nobis pacem sowie neues Gloria) (BH 264 a und BH 264 b)
Messe Nr. 2 Es-Dur für vierstimmigen gemischten Chor und Orchester, 1836/37 (BH 265)
Ludwig Nohl, Inventarium des Beethoven’schen Nachlasses, soweit sich derselbe in dem Nachlasse… Anton Schindler vorgefunden hat und zur Zeit in den Händen der Frau Marie Egloff… befindet: (jetziger Besitzer dieser Sammlung Herr Nowotny…) aufgenommen im Juni 1864 in Mannheim durch Ludwig Nohl, Karlsbad 1864
Hans Michel Schletterer, Briefe des Beethoven-Biographen Anton Schindler an Herrn Jaques Rosenhain. In: Der Chorgesang, Jg. 5 (1890), S. 526–527, 551–552 und 574–576
Anonym, Anton Schindler. Ein bisher unbekannter Brief über Beethovens letzte Lebenstage. In: Rheinische Musikzeitung, Jg. 1 (1900), Nr. 6, S. 62–63 (Schindlers Brief vom 12. September 1827, damals in der Sammlung von Erich Prieger)
Eduard Hüffer, Anton Felix Schindler, Münster 1909
Reinhold Zimmermann, Eine „Aesthetik der Tonkunst“ von Anton Schindler. In: Allgemeine Musikzeitung, Jg. 57 (1930), S. 313–316 (Über ein Vorlesungsbuch Schindlers von 1846)
Reinhold Zimmermann, Ein neuer Beethovenfund in Anton Schindlers Nachlass. In: Die Musik, Jg. 23.1, März 1931, S.401–414 (Digitalisat) (Ein unbekanntes Konversationsheft Beethovens)
Reinhold Sietz, Anton Schindler und Ferdinand Hiller in ihren persönlichen Beziehungen, mit zwei ungedruckten Briefen Schindlers. In: Studien zur Musikgeschichte des Rheinlandes. Festschrift Ludwig Schiedermair zum 80. Geburtstag, Köln 1956, S. 133–139
Bertram Schofield, Letter of Anton Schindler. In: The British Museum Quarterly, Vol. 21 (1957), Nr. 2, S. 30–31 (Brief Schindlers an Charles Neate über Beethovens Nachlass, geschrieben am 6. August 1845 in Aachen)
Donald W. MacArdle, Anton Felix Schindler, Friend of Beethoven. In: The Music Review, Vol. 24 (1963), S. 51–74
Erwin Doernberg, Anton Schindler. In: The Musical Quarterly, Vol. 51 (1965), S. 373–386
Joseph Schmidt-Görg, Anton Schindlers musikalischer Nachlass im Beethoven-Archiv zu Bonn, in: Sborník praci Filozofické Fakulty Brnenské Univerzity, Band 9, Festschrift für Jan Racek, Brno 1965, S. 263–272 (Digitalisat)
Eva Badura-Skoda, Zum Charakterbild Anton Schindlers. In: Österreichische Musikzeitschrift, Jg. 32 (1977), S. 241–246
Peter Stadlen, Schindler's Beethoven Forgeries. In: The Musical Times, Vol. 118 (1977), S. 549–552
Peter Stadlen, Zu Schindlers Fälschungen in Beethovens Konversationsheften. In: Österreichische Musikzeitschrift, Jg.32 (1977), S.246–252
Dagmar Beck und Grita Herre, Einige Zweifel an der Überlieferung der Konversationshefte. In: Bericht über den Internationalen Beethoven-Kongreß 20. bis 23. März 1977 in Berlin, Leipzig 1978, S.257–274
Peter Stadlen, Schindler und die Konversationshefte. In: Österreichische Musikzeitschrift, Jg. 34 (1979), S. 2–18
Dagmar Beck und Grita Herre, Anton Schindlers fingierte Eintragungen in den Konversationsheften. In: Zu Beethoven. Aufsätze und Annotationen, hrsg. von Harry Goldschmidt, Berlin 1979, S. 11–89
Martin Staehelin, Aus der Welt der frühen Beethoven-„Forschung“. Aloys Fuchs in Briefen an Anton Schindler. In: Musik, Edition, Interpretation. Gedenkschrift Günther Henle, München 1980, S. 427–446
William S. Newman, Yet Another Major Beethoven Forgery by Schindler?. In: The Journal of Musicology, Vol. 3 (1984), S. 397–422
Dagmar Beck und Grita Herre, Anton Schindlers „Nutzanwendung“ der Cramer-Etüden. Zu den sogenannten Beethovenschen Spielanweisungen. In: Zu Beethoven, Band 3, hrsg. von Harry Goldschmidt, Berlin 1988, S. 177–208
Dietrich Kämper, „Konservator der Beethovenschen Traditionen“? Aus den Jugendbriefen Franz Wüllners an Anton Schindler. In: Die Sprache der Musik. Festschrift Klaus Wolfgang Niemöller zum 60. Geburtstag, hrsg. von Jobst Peter Fricke, Regensburg 1989, S. 303–320
Barry Cooper, Schindler and the „Pastoral“ Symphony. In: The Beethoven Newsletter, Vol. 8 (1993), S. 2–6
Hubert Unverricht, Anton Felix Schindlers Geburtsjahr: 1795 oder 1798? In: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft, Nr. 28 (1995), S.16–18
Renate Federhofer-Königs, Anton Schindler aus der Sicht seiner Zuschriften an Robert Schumann. In: Neues musikwissenschaftliches Jahrbuch, Jg. 7 (1998), S. 99–159
Helga Lühning, Das Schindler- und das Beethoven-Bild. In: Bonner Beethoven-Studien, Band 2 (2001), S. 183–199
William Kinderman, Anton Schindler as Beethoven's Biographer: New Evidence from the Sketchbooks. In: Kunstwerk und Biographie. Gedenkschrift Harry Goldschmidt, hrsg. von Hanns-Werner Heister, Berlin 2002, S. 313–323
Klaus Martin Kopitz, Rainer Cadenbach (Hrsg.) u.a.: Beethoven aus der Sicht seiner Zeitgenossen in Tagebüchern, Briefen, Gedichten und Erinnerungen. Band 2: Lachner – Zmeskall. Hrsg. von der Beethoven-Forschungsstelle an der Universität der Künste Berlin. Henle, München 2009, ISBN 978-3-87328-120-2, Nr. 640–656 (Briefe Schindlers über Beethoven)
Theodore Albrecht, Anton Schindler as Destroyer and Forger of Beethoven’s Conversation Books: A Case for Decriminalization, in: Music's Intellectual History: First Conference of the Répertoire International de Littérature Musicale, hrsg. von Zdravko Blazekovic und Barbara Dobbs Mackenzie, New York 2009, S. 169–181 https://rilm.org/historiography/talbrecht.pdf (Über Beethovens Konversationshefte und die Anschuldigungen gegen Schindler, er habe den überwiegenden Teil vernichtet. Der Autor meint, Schindlers Äußerung, es habe insgesamt "viel über hundert" Konversationshefte gegeben, sei von Alexander Wheelock Thayer als "vierhundert" missverstanden worden)
Daniel Brenner, Anton Schindler und sein Einfluss auf die Beethoven-Biographik (= Reihe IV, Schriften zur Beethoven-Forschung, Band 24), Bonn 2013
Überliefert ist ein Brief von Giuseppe Baini an Anton Schindler, Rom, 30. Januar 1840 (Berlin, Staatsbibliothek), der eine Aufführung im Petersdom zumindest in Aussicht stellt.