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Das ÖPP-Beschleunigungsgesetz ist ein deutsches Artikelgesetz. Es sollte die Umsetzung Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP bzw. PPP) beschleunigen und gesetzliche Rahmenbedingungen verbessern. Weil Wirtschaftsberater in der Gesetzentwurfsphase große Chancen der Einflussnahme hatten, ist es auch Ziel von Lobbykritikern.
Basisdaten | |
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Titel: | Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen der Öffentlich Privaten Partnerschaften |
Kurztitel: | ÖPP-Beschleunigungsgesetz |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Rechtsmaterie: | Haushaltsrecht, Steuerrecht, Kartellrecht, Vergaberecht |
Erlassen am: | 1. September 2005 (BGBl. I S. 2676) |
Inkrafttreten am: | 8. September 2005 |
GESTA: | E086 |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Das Artikelgesetz führte den wettbewerblichen Dialog (§ 6a VgV) zwischen Wettbewerbern und öffentlichem Auftraggeber ein. Es ordnete die im Vergabe- und Kartellrecht verwendete Begrifflichkeit des „Dienstleistungsauftrag“ (§ 99 Abs. 6 GWB) neu ein. Die Mautgebührenvergabe bei sog. F-Modellen (FStrPrivFinG) wurde neu gefasst. Daneben wurde die Bundeshaushaltsordnung (§ 63 BHO) dahingehend geändert, dass auch Immobiliarvermögen des Bundes, das zwingend zur Aufgabenerfüllung benötigt wird, veräußert werden kann, soweit die Aufgabenerfüllung weiterhin sichergestellt ist. Flankierend dazu wurden die auf Seiten der Privatwirtschaft notwendigen Änderungen hierfür im Grunderwerbsteuergesetz, im Grundsteuergesetz und im Investmentgesetz eingestellt.
Die SPD-Bundestagsfraktion beauftragte im Dezember 2002 ihren Abgeordneten Michael Bürsch mit der Bildung einer ÖPP-Arbeitsgruppe (später Arbeitsgruppe „ÖPP-Beschleunigungsgesetz“), die am 4. Oktober 2004 mit der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zur erleichterten Privatisierung öffentlicher Aufgaben beauftragt wurde. In diesem Planungsauftrages heißt es, dass mit einem Gutachten von PricewaterhouseCoopers und Freshfields Bruckhaus Deringer für das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen schon detaillierte Vorschläge vorlägen, „die mit Nachdruck durch den Gesetzgeber und die Bundesregierung aufgegriffen werden müssten.“[3] (Bestrebungen ÖPP in Deutschland voranzubringen gibt es indes schon länger. So wurde bereits im April 2001 von Bundeskanzler Gerhard Schröder eine ÖPP-Arbeitsgruppe auf interministerieller Ebene eingesetzt).[1]
Bürsch sagte den Autoren (Adamek und Otto) des Buchs „Der gekaufte Staat“, dass ein Gesetzesentwurf zwar üblicherweise aus dem Finanzministerium komme, allerdings wären die Beamten dort „von der ganzen Materie PPP nicht besonders angetan“, weshalb er in seine Arbeitsgruppe zum großen Teil auch Berater aus der Wirtschaft eingeladen habe. In einem Artikel über den pragmatischen Umgang mit Lobbyismus schreibt Bürsch, dass „wegen der lukrativen Geschäfte, die privaten Investoren in öffentlich-privaten Partnerschaften winken, das ÖPP-Beschleunigungsgesetz für Lobbyverbände von großem Interesse sein würde.“ In der Arbeitsgruppe wirkten dann auch internationale Anwaltskanzleien und Wirtschaftsberater sowie Lobbyverbände der Banken- und der Baubranche mit. Vertreter aus Politik und Ministerien waren zahlenmäßig unterlegen. Für die Buchautoren Adamek und Otto ist es bei der zahlenmäßigen Verteilung der Arbeitsgruppenmitglieder somit nicht verwunderlich, dass ein derart privatisierungsfreundliches Gesetz herauskommt.[1] NGOs, die einer Privatisierung öffentlicher Aufgaben kritisch entgegenstehen, waren gar nicht vertreten.[3]
Michael Bürsch ist der Auffassung, dass für die Arbeitsgruppe alle relevanten Interessengruppen eingeladen worden seien. Den Lobbyismusvorwürfen entgegnet Bürsch: „Ein paar realitätsresistente Kritiker“ würden bis heute hartnäckig behaupten, „das Parlament hätte sich das ÖPP-Beschleunigungsgesetz direkt von Anwaltskanzleien und Lobbyvertretern aufschreiben lassen und anschließend abgenickt. Man steht immer gut da mit solcher Kritik, löst sie doch beim breiten Publikum den Reflex aus, dem politischen System moralische Verkommenheit und dem einzelnen Abgeordneten Korrumpierbarkeit zu unterstellen.“ Er verteidigt die Einbeziehung der Wirtschaftsvertreter in der Gesetzentwurfsphase: Politik ohne Lobbyismus würde dazu führen, dass das „Raumschiff Bundestag“ Gesetze erließe, „die erst nach ihrer Verabschiedung auf den harten Erdboden der gesellschaftlichen Wirklichkeit“ träfen.[4]
Einer der mitwirkenden Lobbyisten hat verhältnismäßig offen über seine eigenen Tätigkeiten bei der Gesetzesvorbereitung gesprochen, siehe dazu den Artikel zu Dr. Kornelius Kleinlein. Er bestätigt, dass sich den Beteiligten in der Gesetzentwurfsphase natürlich sehr viel mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme geboten hätten.[1]
Das Gesetz, das in der Arbeitsgruppe entwickelt wurde, ist später auch verabschiedet worden.[3]
40 Vertreter aus Politik und Ministerien[1][3], darunter
und 60 Berater verschiedener Wirtschaftsorganisationen[1][3]:
Bereits reichlich ein Jahr vor Verabschiedung des Gesetzes[1] wurde beim Bundesverkehrsministerium die PPP-Task Force gegründet, die Ende Februar 2009 in die ÖPP Deutschland AG übergangen ist. Die PPP-Task Force hatte sich zum Ziel gesetzt, ÖPP in Deutschland voranzubringen. Auch hier bringen Adamek und Otto Kritik an: Im Zentrum ihrer Lobbyismusvorwürfe steht hier Susanne Vollrath, eine externe Mitarbeiterin im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Eingesetzt in der PPP-Task Force sollte sie unter anderem Vergabestandards für Kommunen, Länder und den Bund mitentwickeln – bezahlt vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Die Kritiker sind der Meinung, dass es für das Gesetz sicherlich von Vorteil war, dass Frau Vollrath an entsprechender Stelle saß. Heiko Stiepelmann, der Geschäftsführer des Arbeitgebers der Mitarbeiterin, bestätigt, dass man so viel eher bei der Entwicklung von ÖPP-Maßnahmen beteiligt sei. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hätte einen Arbeitsvertrag mit dem Ministerium, Frau Vollrath arbeite im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.[1]
Die Bundesregierung antwortete den Kritikern, dass die Darstellung einseitig sei und dass die Motive für den Informations- und Erfahrungsaustausch nicht zutreffend dargestellt würden. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sei bei spezifisch technischen Fragestellungen und im Bereich der Weiterentwicklung von Finanzierungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Public Private Partnership auf eine intensive Kommunikation mit Vertretern der Wirtschaft angewiesen. Ebenso erforderten die Aufgaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf allen Ebenen einen Kontakt zu Unternehmen und Verbänden. Aus diesem Grund praktiziere das Ministerium seit mehr als 30 Jahren einen Personaltausch mit Wirtschaftsunternehmen und Verbänden.[7]
Das Gesetz wurde am 30. Juni 2005 vom Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Stimmenthaltung der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP verabschiedet.[3] Bei den Grünen gab es allerdings auch sechs Abgeordnete, die dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz aufgrund eines „mangelhaften Gesetzgebungsverfahrens“ und „inhaltlicher Mängel“ nur mit schweren Bedenken zustimmen konnten.[8] Der Bundesrat stimmte dem Gesetz in seiner Sitzung vom 8. Juli 2005 zu.[3]
Die allgemeinen Diskussionen um Für und Wider finden sich auch im Artikel zu ÖPP.
Gleich nach der Verabschiedung des Gesetzes begannen die Forderungen nach weiteren Maßnahmen zur Förderung von ÖPP. So forderte beispielsweise der damalige Präsident des Bundesverbandes der Industrie Jürgen Thumann noch im September 2005 eine nationale Strategie für eine Vorfahrt für die Privatisierung oder Teilprivatisierung zu schaffen.[1] Die Forderungen fanden Gehör: Das Bundesverkehrsministerium meldete, dass die schwarz-rote Bundesregierung mit dem Erarbeiten eines „PPP-Vereinfachungsgesetz“ (ÖPP-Beschleunigungsgesetz II) begonnen hätte.[9]
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