Bezirkshauptstadt in der Steiermark Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dieser Artikel befasst sich mit der Stadtgemeinde Judenburg. Für den gleichnamigen Gerichtsbezirk siehe Gerichtsbezirk Judenburg, für die Burgruine im Elsass siehe Burg Gutenburg (Elsass).
Judenburg ist eine Stadtgemeinde im Bezirk Murtal in der Steiermark mit 9691 Einwohnern (Stand 1.Jänner 2024).
Judenburg hat eine Fläche von 63,69km² und liegt auf einer Seehöhe von 737m[1] am südlichen Rand des Aichfeldes, eines weiträumigen Beckens der Alpen gegenüber von Fohnsdorf.
Durch die Stadt fließt der längste Fluss der Steiermark, die Mur. In der Nähe mündet der Granitzenbach in die Mur. Südlich der Stadt liegen die Seetaler Alpen mit ihrem höchsten Berg, dem Zirbitzkogel, westlich liegt der Falkenberg.
Gemeindegliederung
Das Gemeindegebiet umfasst folgende zehn Ortschaften (in Klammern Einwohnerzahl Stand 1.Jänner 2024[2]):
Judenburg wurde in der Nähe der Burg Eppenstein gegründet.[7]
Die erste urkundliche Erwähnung dieser Burg als mercatum Judinburch stammt aus dem Jahr 1074 – jüdischeHändler spielten zu dieser Zeit eine wichtige Rolle im transalpinen Handel und gründeten Handelsposten in der Region (→Geschichte der Juden in Österreich oder Geschichte der Juden in der Steiermark). Seit dem Ende des 13.Jahrhunderts ist urkundlich erwähnt, dass Juden in erster Linie als Geldverleiher in Judenburg tätig waren. Ihr Wohnort war die Judengasse im Gehag (im Bereich der heutigen Heiligengeistgasse), in der sich auch die Synagoge und das Judenbad befanden. Der Judenfriedhof lag außerhalb der Stadt in der Nähe des Schlosses Weyer.
Die Ersterwähnung ist auch das älteste Stapelrecht Österreichs, die Eppensteiner sind zu dieser Zeit schon mit weitreichenden Zollrechten ausgestattet. Wichtig war Judenburg insbesondere für den Handel obersteirischen Eisens (Erzberg). Die besondere Bedeutung dieser Niederlassung liegt sicherlich auch im Speik-Handel (Valeriana celtica, „Alpenbaldrian“ oder Maria Magdalenen-Blume). Speik ist ein im Orient begehrtes Parfüm, das über Venedig gehandelt wurde – ein Handelsweg, der im frühen Hochmittelalter den Christen nicht offenstand.[8]
Im frühen 12.Jahrhundert ging Judenburg in den Besitz der Traungauer und dann der Babenberger über. 1224 erhielt Judenburg die Stadtrechte. In der Nähe von Judenburg kam es 1292 zu den letzten Kämpfen des Landsberger Bundes gegen Herzog AlbrechtI., die mit einem Sieg des Herzogs endeten. Die Stadt Judenburg wuchs im 13. und 14.Jahrhundert zu einem überregional bedeutenden Handelszentrum heran, das Handel unter anderem mit Venedig trieb. So galt der Judenburger Gulden als die erste, lange auch als die wichtigste Goldmünze Österreichs. 1460 verlieh FriedrichIII. der Stadt Judenburg das Monopol für den weltweiten Handel mit dem Speik. Die Stadt behielt das Monopol über 100Jahre.[8]
Nach mehreren Pogromen im 14. und 15.Jahrhundert[9]
wurden 1496 auf Anweisung von MaximilianI. alle steirischen Juden des Landes verwiesen.
Die politische Gemeinde Judenburg wurde 1849/50 errichtet.[10]
Von 1910 bis 1914 verkehrte in der Stadt die Gleislose Bahn Judenburg, einer der ersten Oberleitungsbus-Betriebe Österreichs. Bis zum Ersten Weltkrieg war Judenburg eine Garnison der k.u.k. Armee. 1914 befand sich hier das Mährische Feldjäger Bataillon Nr.17.
Während der Herrschaft des Nationalsozialismus gab es Bestrebungen, den Namen der Stadt, der wegen des Worts „Jude“ bzw. „Juden“ als untragbar angesehen wurde, in „Zirbenstadt“ oder „Adolfburg“ zu ändern. Die Diskussion darüber wurde allerdings auf die Zeit nach dem Krieg verschoben, so dass eine Änderung nicht zustande kam.[11]
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden 1683 Kosaken-Offiziere, die auf deutscher Seite gekämpft hatten, auf der Murbrücke in Judenburg von den Briten an den sowjetischen Geheimdienst NKWD überstellt. Zuvor war ihnen noch zugesichert worden, dass ihnen als Emigranten keine Auslieferung drohe.[12][13]
Ein Denkmal neben der Murbrücke, der „Kosakenstein“, erinnert an alle, die in der Lienzer Kosakentragödie in den Tod geschickt wurden. Für jüdische Displaced Persons wurde in Judenburg ein DP-Lager eingerichtet. Außenlager existierten in den Ortsteilen Dietersdorf, Liechtenstein, Kobenz und Murdorf.[14]
Heute ist Judenburg eine Industrie- und Handelsstadt und verfügt im schulischen Bereich unter anderem über ein Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium sowie über eine Handelsakademie und eine Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik. Judenburg ist Sitz der Bezirkshauptmannschaft des am 1. Jänner 2012 neu gegründeten Bezirks Murtal und war bereits davor Sitz des im Bezirk Murtal aufgegangenen Bezirks Judenburg.
Stadtturm: Wahrzeichen von Judenburg ist der knapp 76Meter hohe Stadtturm, der einen Rundblick über das Aichfeld bietet. Mit dem Bau wurde im 15.Jahrhundert begonnen. Ursprünglich wurde er als Glockenturm für die benachbarte Stadtpfarrkirche St.Nikolaus gebaut, die keinen eigenen Kirchturm besitzt. Er diente aber auch als Wachturm in Bezug auf Brände, die bis ins 19.Jahrhundert hinein sowohl die Stadt als auch den Turm selbst heimsuchten. Sein heutiges Aussehen erhielt der Stadtturm nach dem letzten Großbrand im Jahr 1840. Heute befindet sich im Turm in 50m Höhe eines der modernsten Planetarien Europas.[15]
Museum Murtal: Dieses Museum im ehemaligen Franziskanerkloster präsentiert die bedeutenden archäologischen Funde aus der hallstattzeitlichen Siedlung am nahen Falkenberg und den dazugehörigen reichen Grabhügeln.
Puchmuseum: Dieses Museum ist in drei Themenbereiche gegliedert: Johann Puch und die Puch-Werke, Vierräder von Puch und Zweiräder von Puch.[16]
Stadtmuseum Judenburg, vielseitige Sammlungen, „Masse mit Klasse“.
Auf den Judenburger Sternenturm findet seit 2007 alljährlich ein internationaler Stiegenlauf statt. Die 256Stufen bewältigte der Österreicher Wolfgang Miesbacher im Jahre 2011 mit 37,67Sekunden bisher am schnellsten.
Sport
Sportstadion Judenburg-Murdorf: Das Sportstadion Judenburg-Murdorf (seit 1970) ist mit einer Leichtathletikanlage für Wettkämpfe internationalen Formats ausgestattet. Der örtliche Fußballklub FC Judenburg trägt hier seine Heimspiele im Rahmen der Fußballmeisterschaft des steirischen Fußballverbandes aus. Ein Kunstrasenspielfeld (errichtet 2008) mit einer Flutlichtanlage steht ebenfalls zur Verfügung. Judenburg ist auch einer von fünf Standorten eines Leistungsausbildungszentrums des steirischen Fußballverbandes. Weiters ist im Stadion Judenburg auch ein Skatepark eingerichtet.
Sporthalle Lindfeld: Die Sporthalle Lindfeld (seit 1974) beherbergt die Sektionen Badminton, Judo und Tischtennis des ATUS Judenburg. In den Wintermonaten werden dort auch Hallenfußballturniere ausgetragen, ebenso Meisterschaftsspiele der österreichischen Futsal-Bundesliga. Die Schulturnhalle der Volksschule Judenburg-Stadt bietet neben den schulischen Aktivitäten auch die Möglichkeit für Mitglieder Judenburger Vereine, ihren sportlichen Interessen nachzugehen.
Erlebnisbad Judenburg: Das Judenburger Erlebnisbad (seit 1990) bietet Familien Spaß- und Kinderbecken, Kleinkinderbereich, Mutter-Kind-Bereich, Spielbach, Strömungs-Schwimmkanal und eine 70Meter lange Wasserrutsche, aber auch ein Sportbecken (25m × 15m), Erlebnisbecken und ein Nichtschwimmerbecken. Liegewiesen, ein Naturrasen-Fußballplatz, ein Beachvolleyballplatz, ein Restaurant und ein Saunabereich (mit finnischen Kabinen, Dampfkabine, Biosauna mit Helarium, Infrarot-Wärmekabine, einer Kneippstraße, Massage und Solarium) runden das Angebot ab. Ebenso stehen ein Hallenbad mit einem 20-Meter-Sportbecken und ein Kleinkinderbereich mit Rutsche zur Verfügung.
Tennishalle: Die Tennishalle in Judenburg-Strettweg bietet drei Teppich-Granulat-Plätze an.
Kletterhalle Judenburg: Die Kletterhalle Judenburg, der Tennishalle angeschlossen, ist mit 820m² Kletterfläche und einer Wandhöhe von bis zu 17Metern eine der modernsten Indoor-Kletteranlagen in Österreich und Sportkletter-Stützpunkt des Landes Steiermark mit einer Schulungs- und Genusskletterwand, einer Vorstiegswand und dem Boulderbereich.[17]
Wanderwege: Durch Judenburg verläuft mit dem Eisenwurzenweg ein 580 Kilometer langer Weitwanderweg, auf dem vom nördlichsten Punkt Österreichs zum südlichsten Punkt gewandert werden kann.
Seit einigen Jahren hat Judenburg, so wie die meisten ehemaligen Industriezentren der Mur-Mürz-Furche, mit der kontinuierlichen Abwanderung von Betrieben und Einwohnern zu kämpfen. Die Errichtung des Einkaufszentrums „Arena am Waldfeld“ in der Nachbargemeinde Fohnsdorf hat diese Tendenz noch verschärft und zu einer starken Ausdünnung des Handels geführt.
Wirtschaftssektoren
Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Anzahl der Betriebe und der Beschäftigten in den Wirtschaftssektoren:[18][19][20]
Weitere Informationen Wirtschaftssektor, Anzahl Betriebe ...
Rotes Kreuz: Die Durchführung des Rettungsdienstes wird vom Österreichischen Roten Kreuz gewährleistet. Im Bezirk Judenburg sichern 300ehrenamtliche und 15berufliche Mitarbeiter in einer Bezirksstelle und in drei Ortsstellen die Rettungs- und Sanitätsdienstliche Versorgung. Die Rot-Kreuz-Bezirksstelle Judenburg betreibt gemeinsam mit der Rot-Kreuz-Bezirksstelle Knittelfeld ein Notarzteinsatzfahrzeug, welches in der Ortsstelle Zeltweg stationiert ist und den Bezirk Murtal notärztlich versorgt. Weiters sind im gesamten Bezirk Rettungstransportwagen, Behelfskrankentransportwagen, Notfall-Krankentransportwagen, sowie Krankentransportwagen ständig einsatzfähig, um den Rettungs- und Krankentransportdienst abzudecken. Um die Versorgung der Bevölkerung schnellstmöglich sicherzustellen, werden zusätzlich zur Bezirksstelle in Judenburg und dem Notarzt-Stützpunkt in Zeltweg auch Ortsstellen in Fohnsdorf und Obdach unterhalten. Die Ortsstelle Hohentauern wurde im Jahr 2022 geschlossen, aufgrund des Personalmangels, das Einzugsgebiet Hohentauern, St. Johann am Tauern und das Pölstal wird jetzt von der Bezirkstelle Judenburg und der Ortsstelle Fohnsdorf abgedeckt.[24] Die Rot Kreuz Bezirkstelle in Judenburg wird im Jahr 2022 umgebaut und wird voraussichtlich bis Ende 2023 fertiggestellt werden.[25]
Die Volksschule Judenburg Lindfeld, die Mittelschule Dr.Karl-Renner sowie die Polytechnische Schule Judenburg werden unter einer Leitung im Pflichtschulcluster Judenburg Lindfeld gemeinsam geführt.
Blasonierung: „Im roten Schild silbern ein bärtiger, mit Judenhut bedeckter Mannskopf.[29]“
Wappenbegründung: Das Stadtwappen wurde mit Wirkung vom 1.Juni 1959 durch Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung vom 9.Februar 1959 verliehen. Wegen der Gemeindezusammenlegung verloren alle Wappen mit 1. Jänner 2015 ihre offizielle Gültigkeit. Die Wiederverleihung des Stadtwappens für Judenburg erfolgte mit Wirkung vom 15. November 2015.[30]
Die Stadtflagge hat zwei Streifen in den Farben Weiß-Rot mit dem Wappen.[31]
Oberweg erhielt mit 1. September 2009 ein Wappen: „Zwischen roten Flanken und je drei pfahlweise gestellten goldenen Flügellanzenspitzen in Blau eine goldene bewurzelte und zweifach beblätterte Speikpflanze.“[32]
Städtepartnerschaften
Judenburg ist seit 1999 das österreichische Mitglied der Douzelage. In dieser Städtepartnerschaft ist jeweils eine Stadt aus einem Land der Europäischen Union vertreten. Die Städte pflegen einen kulturellen, schulischen und sportlichen Austausch.
Harald Bosio (1906–1980), Skilangläufer, Skispringer, nordischer Kombinierer, Gewinner der ersten Medaille für Österreich bei nordischen Skiweltmeisterschaften (Bronze, Innsbruck 1933)
Harald Laurich (1920–1995), Lehrer, Volksschuldirektor und Politiker (SPÖ); Vizebürgermeister von St. Stefan ob Leoben, Bürgermeister von Schladming und Landtagsabgeordneter in der Steiermark
Alois Stadlober (* 1962), Jurist, nordischer Sportkoordinator des Landes Steiermark in Ramsau am Dachstein, Weltmeister (4 × 10 km Staffel) und Vizeweltmeister (10km klassisch) im Langlauf 1999
Walter Pfrimer (1881–1968), Jurist, bekannt durch den Pfrimer-Putsch 1931
Domenico Sciassia (ca. 1600–1679), Baumeister, Neubauplaner der Stadtpfarrkirche St.Nikolaus in Judenburg ab ca.1673
Karl Wegrath (1932–2018), Bronzemedaille bei der 3.Tischtennis-EM 1962 in Berlin (GER) im Herrendoppel und vielfacher steirischer und österreichischer Meister im Tischtennis
Konrad (genannt: Kurt) Wittgenstein (1878–1918), Gründer des Judenburger Gußstahlwerks (1906), heute Stahl Judenburg GmbH
Judenburg gehört zu den 24Gemeinden in Österreich (Stand 2019), die mit der höchsten Auszeichnung des e5-Gemeinden Energieprojekts ausgezeichnet wurden. Das e5-Gemeinde-Projekt soll die Umsetzung einer modernen Energie- und Klimapolitik auf Gemeindeebene fördern.[36]
Am 12. September 2019 wurde im städtischen Europapark (ehemals Sparkassenpark) eine mit Photovoltaik-Modulen und E-Bike-Ladestation ausgestattete öffentliche Toilettenanlage, welche vom örtlichen Bauhof zuvor aus einer 9m² großen „Cubox“ angefertigt worden war, eröffnet. Die Gesamtkosten für Umbau und Montage beliefen sich auf ca.100.000 Euro. Einigen Medien zufolge stellt sie damit die teuerste aus Steuergeldern finanzierte Toilette der Welt dar.[38][39]
Kundmachung der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. Oktober 2013 über die Vereinigung der Stadtgemeinde Judenburg und der Gemeinden Oberweg und Reifling, alle politischer Bezirk Murtal. Steiermärkisches Landesgesetzblatt vom 15. November 2013, Nr.117, 32.Stück, ZDB-ID705127-x, S.630.
Michael Schiestl: „Zirbitz-“, „Adolf-“ oder „Jubelburg“. Dokumente des „gesunden Volksempfindens“. In: „Berichte des Museumsvereines Judenburg.“33 (2000), S.23–32.
Karl-Peter Schwarz: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 1. Juni 2015, S.6: „Eine schändliche Operation. Stalin wollte Rache – und Churchill wollte das Einvernehmen mit ihm nicht gefährden: Wie die britische Armee in den Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Zehntausende Kosaken, Kaukasier, Slowenen und Kroaten aus Österreich an die Sowjetunion und an Titos kommunistische Partisanen auslieferte“.
Laut Edgar Seibel präsentiert das Stadtwappen „einen alten Juden von klischeehaftem Aussehen“ […] [Er] „trägt einen sogenannten Judenhut […] ein Unterscheidungsmerkmal, mit dem im Mittelalter Menschen als Juden gekennzeichnet wurden. Ab dem 13.Jahrhundert wurde er den Juden als stigmatisierendes Merkmal aufgezwungen“ (zitiert nach: Judenburg und Česká Třebová: Judentum und Antisemitismus in heutigen Stadtwappen, in: Jüdische Rundschau Nr.6 (70), Berlin, Juni 2020, S.42).