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Störung des Redeflusses, welche durch häufige Unterbrechungen des Sprechablaufs, durch Wiederholungen von Lauten, Silben und Wörtern gekennzeichnet ist Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Stottern (auch Balbuties, von lateinisch balbutire ‚stottern‘) ist eine Störung des Redeflusses,[1] welche durch häufige Unterbrechungen des Sprechablaufs, durch Wiederholungen von Lauten, Silben und Wörtern gekennzeichnet ist. Charakteristisch für Stottern ist das situationsabhängige Auftreten der Symptomatik, wobei Symptomfreiheit nicht selten im Wechsel mit starkem Stottern stehen kann. Nervosität gilt nicht als Auslöser, kann jedoch in manchen Fällen Folge des Stotterns sein. Dieser Artikel befasst sich mit dem sogenannten idiopathischen Stottern (englisch persistent developmental stuttering),[2] das vom Stottern mit bekannter psychischer oder physischer Ursache abzugrenzen ist. Nach neuen Erkenntnissen von Sprachwissenschaftlern der Purdue University/USA basiert die Störung nicht oder nicht nur auf einer motorischen Fehlfunktion, sondern beruht auch auf einer anderen Verarbeitungsstruktur des Gehirns bei Stotterern. Stottern gilt als therapierbar (Linderung der Symptome), jedoch nicht als heilbar (Beseitigung der Ursache).[3]
Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
F98.5 | Stottern |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Von außen beobachtbare Symptome können als äußere, von außen nicht beobachtbare Symptome als innere Symptome bezeichnet werden.[4]
Die äußeren Symptome des Stotterns werden in primäre und sekundäre Symptome unterteilt.[4][5] Primäre Symptome stellen den eigentlichen Kern des Stotterns dar, während sekundäre Symptome eine – zum Teil bewusste – Reaktion auf die primären Symptome sind.
Zu den primären Symptomen zählen:
Zu den sekundären Symptomen gehören:
Ein Vermeidungsverhalten versucht durch Vermeidung von Lauten, Wörtern, Sprechsituationen und ähnlichen Reaktionen, dem Stottern im Voraus auszuweichen. Häufig werden als schwierig empfundene Wörter durch Synonyme ersetzt oder ganze Sätze umstrukturiert. Im Gegensatz dazu soll ein Fluchtverhalten auftretende primäre Symptome überwinden. Erhöhte Anspannung der Sprechmuskulatur oder einer anderen Muskulatur, auch Grimassieren oder ruckartige Bewegungen können Anzeichen eines Fluchtverhaltens sein.
Innere Symptome sind solche, die für den Zuhörer nicht direkt beobachtbar sind. Es handelt sich um negative Gefühle, Gedanken und Einstellungen, die als Reaktion auf das Stottern entstehen.
Der Einfluss von Stottern auf die betroffene Person kann sehr erheblich sein. Gerne wird es mit einer Analogie zu einem Eisberg beschrieben, mit den unmittelbar hörbaren und sichtbaren Symptomen des Stotterns über der Wasserlinie und einer umfassenderen Menge an Symptomen versteckt unter der Oberfläche.[7] Übliche Folgen des Stotterns sind Ängste bestimmte Vokale oder Konsonanten auszusprechen, Ängste in sozialen Situationen zu stottern, Selbstisolation, Angst, Stress, Frustration, Schamgefühle, niedriges Selbstwertgefühl, mögliches Opfer von Mobbing zu sein (besonders bei Kindern), ein Gefühl von „Kontrollverlust“ oder das Nutzen von Wortersetzungen und der Umstellung des Satzbaus, um das Stottern zu verbergen.[8] Mit der Zeit kann ein wiederaufkehrendes Erleben von schlechten Sprecherfahrungen zu einem negativen Selbstverständnis und Selbstbild führen. Zudem projizieren Stotternde möglicherweise ihre eigenen Einstellungen auf Außenstehende, indem sie denken, andere halten sie für nervös oder dumm. Diese Gefühle und Einstellungen sind häufig der Hauptfokus in Behandlungen.[9][10]
Viele Menschen, die stottern, berichten von hohen emotionalen Kosten wie nicht erhaltene Arbeitsplätze oder Beförderungen sowie auch zerbrochene oder nicht verwirklichte Beziehungen.[11][10]
Die Diagnose Stottern wird gestellt, wenn typische Symptome in einem erheblichen Ausmaß vorhanden sind. Gemäß ICD-10[12] soll Stottern diagnostiziert werden, wenn Symptome wie Wiederholungen und Dehnungen von Sprachelementen und häufige Pausen anhaltend oder wiederholt auftreten, zu einer deutlichen Unterbrechung des Sprachflusses führen und die Störung mindestens drei Monate andauert.
Bei der Diagnose sollte darauf geachtet werden, dass repräsentative Daten bezüglich der Sprechflüssigkeit erhoben werden, da manche Klienten in der diagnostischen Situation flüssiger sprechen als in Alltagssituationen. Daher sollten der Klient oder dessen Angehörige über die Sprechflüssigkeit im Alltag befragt werden. Auch Tonaufnahmen aus Alltagssituationen können hilfreich sein.
Differentialdiagnose:
Das Stottern muss von folgenden Störungen unterschieden werden:
Die Lebenszeitprävalenz des Stotterns beträgt etwa fünf Prozent, die Punktprävalenz bei älteren Kindern und Erwachsenen etwa ein Prozent.[4][13] Bei Kindern beträgt das Verhältnis von Jungen und Mädchen etwa 2:1. Das entsprechende Verhältnis bei Erwachsenen beträgt 4:1 bis 5:1. Personen mit neurologischen Erkrankungen, zum Beispiel Epilepsie, sind häufiger betroffen.
Stottern beginnt immer vor dem zwölften Lebensjahr, bei der Hälfte der Betroffenen zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr, bei 90 Prozent vor dem sechsten Lebensjahr. Ein Großteil der stotternden Kinder verliert die Störung bis zur Pubertät. Bei Mädchen beginnt das Stottern früher, sie verlieren es aber auch mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder. Nach der Pubertät ist eine vollständige Remission unwahrscheinlich bis unmöglich. Eine Besserung mit oder ohne Therapie kann jedoch in jedem Alter vorkommen.
Die Ursache (medizinisch: Ätiologie) des Stotterns ist nicht geklärt. Es gibt eine Vielzahl von Theorien, welche die Ursachen oder die Entstehung des Stotterns zu erklären versuchen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es für keine dieser Theorien ausreichende Belege.
Die bestehenden Theorien lassen sich einteilen in psychodynamische, genetische, neuropsychologische, Breakdown- und Lerntheorien.
Erste Verdienste bei der Entwicklung einer Therapie erwarb sich der französische Arzt Marc Colombat de L’Isère (1797–1851).
Eine vollständige Heilung – als absolute Symptomfreiheit in allen Situationen – ist beim Stottern insbesondere im Erwachsenenalter schwer oder gar nicht erreichbar. Da das Stottern für die Betroffenen oft eine schwere Einschränkung darstellt, sind die vielen Ansätze, welche meist innerhalb weniger Tage eine Heilung versprechen, unseriös. Es ist vor einer Therapie daher ratsam, unabhängigen Rat von Fachleuten einzuholen, die keine kommerziellen Interessen verfolgen.
Dieser verhaltenstherapeutische Ansatz basiert auf der Annahme, dass Stottern grundsätzlich nicht heilbar ist, da die neuronale Grundstruktur des Sprechens eines Erwachsenen mit ihren motorischen, psychogenen und teilweise neurotischen Einflüssen soweit ausgeprägt ist, dass grundlegende Änderungen unmöglich sind. Der Ansatz zielt daher primär darauf ab, die stotternde Sprechweise anzunehmen, mit ihr leben und sie explizit modifizieren zu lernen. Die Vorgehensweise ist verhaltenstherapeutisch angelegt und umfasst Aspekte wie
Dieser Ansatz wurde in den 1930er Jahren an der University of Iowa entwickelt. Hauptvertreter ist der US-Amerikaner Charles Van Riper (1905 bis 1994), der als einer der Begründer der speech-language pathology in den USA gelten kann (akademischer Beruf mit Studium an der Philosophischen Fakultät, daher mit Logopäden nicht zu vergleichen, eher mit klinischen Sprechwissenschaftlern). Ein Großteil seiner Schriften befasst sich mit dem Thema Stottern.
Demgegenüber steht ein Ansatz, der sich im Hinblick auf Anleihen aus Gesangs-, Atem- und Stimmtechnik auf das Erlernen einer »neuen« Sprechweise richtet. Ausgehend von der Beobachtung, dass die Mehrheit der Stotternden beim Singen oder beim Sprechen im Chor keine Probleme hat, werden klangvolleres Sprechen, Tongebung, Atemtechnik und rhetorische Aspekte eingeübt. Die Begründer und Weiterentwickler dieses Ansatzes sind etwa Karl Hartlieb, Oscar Hausdörfer, Ronald Muirden, Erwin Richter, Rudolf Denhardt, P. A. Kreuels und Leonard del Ferro. Eventuell kann auch eine elektronische Sprachflusshilfe eingesetzt werden.
Mit dieser überwiegend mentalen (gedanklichen) Methode, die ihren Ursprung im Leistungssportbereich hat, sollen das Sprechen angstfrei in geordneten Bahnen neu und natürlich gelernt und die alten Stotterstrukturen überlernt werden. Durch regelmäßiges Lesen und Umsetzen der autosuggestiven und wohltuenden Leitsätze soll das Unbewusste in die gewünschte Richtung eines individuellen und flüssigen Sprechens gebracht werden. Begründer der Ropana-Methode ist Roland Pauli. Eine andere Methode ist die Hausdörfer-Technik, bei der ein Mensch anstreben müsse, zum Phlegmatiker zu werden.[14]
Für die Stottertherapie bestehen spezielle mobile Apps und PC-Programme. Der Zweck der Anwendungen dieser Art ist es, den Sprachkreis – ich sage -> ich höre zu -> ich baue die Phrase -> ich sage etc. unter Verwendung verschiedener Methoden der Stotterkorrektur wiederherzustellen.[15]
Der Benutzer interagiert mit der Anwendung durch modifizierte akustische Rückkopplung: Spricht in das Mikrofon des Headsets und hört seine eigene Stimme, die durch eine bestimmte Methode verarbeitet wird.[16]
Unter den Methoden der Korrektur des Stotterns in Anwendungen werden am häufigsten verwendet:
Die Vergleichseigenschaften verschiedener Mobiler Apps zur Behandlung von Stottern sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:
LOGOPÄDIE. ERGOTHERAPIE. | Stuttering Speech Therapy -
DAF-Logotherapy |
Zaikanie.NET | BREATHMAKER | DAF
Professional |
MPiStutter | axSoft
Speech corrector |
Stamurai -
Stuttering / Stammering Treatment App |
Speech Jammer | Kekemelik Egzersizleri | |
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Betriebssystem | iOS | Android | Windows | Windows | Android
iOS |
iOS | Android
Windows |
Android | iOS | Android |
DAF | + | + | + | + | + | + | + | + | + | |
FAF | + | + | + | + | + | |||||
Metronom | + | + | ||||||||
Vibro-Metronom | + | |||||||||
Text reimen | + | + | + | + | + | |||||
Sprache Geschwindigkeit | + | + | + | |||||||
Gesichtsbehandlung anzeigen Ausdrücke von der Kamera | + | + | ||||||||
Timer | + | + | ||||||||
Hintergrund
Modus |
+ | + | + | + | + | + | + |
Viele weitere Therapien und therapeutische Ansätze fokussieren Teilaspekte wie Atemtechnik, Stimmgebrauch und Klangerzeugung oder arbeiten mit Hilfsmitteln wie Hypnose. Allerdings ist die Fachwelt uneins über die Wirksamkeit dieser Ansätze, obwohl in der medialen Öffentlichkeit immer wieder „geheilte“ Klienten vorgeführt werden.
In der Zeit vom 1. bis 22. Oktober jeden Jahres findet eine internationale Onlinekonferenz Stotternder statt, an deren Ende der 1998 erstmals ausgerufene Welttag des Stotterns (22. Oktober) steht. Seit 2009 ist das Stuttering Awareness Ribbon, ein zur Schleife gelegtes meergrünes Band, das Symbol dieser Veranstaltung. Ziel der Initiativen ist es, die Aufmerksamkeit Nicht-Betroffener auf die Probleme der Stotternden zu lenken; die Farbe Meergrün steht für die Beruhigung, die der Stotternde erfährt, wenn er verständnisvollen Umgang findet.[29]
Der 2010 erschienene Spielfilm The King’s Speech thematisiert das Stottern von König Georg VI. und einen möglichen Therapieansatz.
2018 erschien der Dokumentarfilm Mein Stottern,[30] der das Thema aus der Innenperspektive darstellt, indem er verschiedene Betroffene und ihre Strategien mit dem Stottern in den Blick rückt.
Mike Krüger besang in seinem Lied M-M-M-Mädel sich selbst und den Umstand, dass er beim Ansprechen von Frauen ins Stottern gerät, Ben’s Brother thematisierte das Stottern 2008 in ihrem Song Stuttering, ebenso Ganz Schön Feist in ihrem Logopädentango. Weitere Interpreten, die das Stottern in ihren Songs thematisierten, sind der 1999 verstorbene Scatman John und John Lee Hooker (Stuttering Blues).
Es gab und gibt deutschlandweit mehrere von Lokalradios regelmäßig ausgestrahlte Sendungen, die sich mit dem Thema Stottern beschäftigen und von Stotternden moderiert werden. Die erste dieser Sendungen war der Stotterfunk auf dem Sender Freies Radio für Stuttgart. Er richtet sich an stotternde Hörer und ist als Organ innerhalb der Selbsthilfe gedacht.[31] Die Sendung Schöner Stottern auf LORA München richtete sich bewusst an eine breitere Hörerschaft und war acht Jahre lang on air. Die letzte Sendung wurde 2015 gesendet.[32] Eine weitere Sendung nannte sich Holper Stolper und wurde bis 2017 von Radio free FM übertragen.[33]
Zahlreiche Prominente stotterten, darunter Rowan Atkinson, Georg VI. (Vereinigtes Königreich), Winston Churchill, Marilyn Monroe, Bruce Willis und Joe Biden.[34][35]
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