Loading AI tools
Vermehrung von Pferden mit dem Ziel der Verbesserung von Gesundheit und Rassemerkmalen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Unter Pferdezucht versteht man die geplante und durchdachte Vermehrung von Pferden mit dem Ziel, Gesundheit, Leistungsvermögen und -bereitschaft und bestimmte Rassemerkmale zu erhalten oder zu verbessern. Waldemar Seunig formuliert schon 1943 als Zuchtziel: „Das vom Züchter zu erstrebende Ideal ist, ein Pferd zu schaffen von so vollkommener Gesundheit und Harmonie zwischen äußerem und innerem Leben, daß alle Kräfte frei bleiben für Wollen und Wirken im Dienste des Menschen.“[1]
Da als Zuchtpferde nur Tiere eingesetzt werden sollten, die dem Zuchtziel der jeweiligen Rasse möglichst gut entsprechen, muss zunächst eine Auswahl erfolgen. Zu den Auswahlkriterien gehören Abstammung, Exterieur und Interieur, Eigenleistung, Nachkommenleistung, Gesundheit.
Die Pferdezucht hat eine weit zurückreichende Geschichte und beginnt nach derzeitigem Wissensstand zwischen 5000 v. Chr. und 3000 v. Chr. etwa zeitgleich in verschiedenen Gebieten Europas, Asiens und Nordafrikas. Völker, die Pferde nutzten, waren beweglicher. Die Domestizierung führte zu einer gewissen Vermischung der verschiedenen Pferderassen, da sich der Mensch bemühte, die jeweils besten Zuchttiere zu verwenden. Es ist schwierig, einen genauen Domestikationszeitpunkt festzulegen, da es nur wenige Punkte gibt, in denen sich ein domestiziertes Pferd von einem Wildpferd unterscheidet. Meist ist man auf Funde von Gebrauchsgegenständen wie Trensen und Sätteln angewiesen. Haupteinsatzzwecke waren anfangs möglicherweise der Transport von Lasten und die Fleischgewinnung; bald kamen auch das Reiten und die Feldarbeit hinzu. Heute gibt es hunderte verschiedener Pferderassen, die mit dem Menschen nahezu alle Lebensräume erobert haben. Seit Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts nimmt die Rassenvielfalt ab, da eine Reihe von Einsatzgebieten durch die fortschreitende Industrialisierung entfielen.
Untersuchungen der mitochondrialen DNA von heutigen Hauspferden und von Fossilien ausgestorbener Rassen beruhen, deuten darauf hin, dass die Domestikation des Pferdes nicht an einem Ort, sondern unabhängig voneinander an mehreren Orten stattgefunden hat. Wesentliches Indiz hierfür ist die Breite der genetischen Variationen, die in beiden Testgruppen gleich groß ist. Bei nur einem Domestikationsort wäre bei den Hauspferden eine geringere genetische Variationsbreite zu erwarten gewesen. Zudem wurde bei diesen Tests festgestellt, dass einige der fossilen Funde näher mit heutigen Rassen verwandt waren als einige heutige Rassen untereinander.
Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 kamen rund ein Drittel aller deutschen Pferde durch den Einsatz bei der deutschen Armee um. In der Folge beschlossen die deutschen Fürsten die Pferdezucht voran zu bringen, um für den nächsten Krieg gerüstet zu sein. Dazu wurden in den deutschen Teilstaaten die staatlichen Landgestüte aufgebaut. Diese sollten den Bauern qualitätsvolle, gekörte Deckhengste zur Verfügung stellen. Die Landgestüte richteten zu diesem Zweck flächendeckend zahlreiche Deckstationen ein, damit die Wege für die Stutenbesitzer nicht zu weit wurden. Auf den Deckstationen konnten die Stuten zu vergleichsweise günstigen Decktaxen von den Deckhengsten, Landbeschäler genannt, gedeckt werden. Obwohl sich das ursprünglich angestrebte Monopol nicht vollständig durchsetzen, wurde doch rund die Hälfte der Stuten von Landbeschälern gedeckt und es bildeten sich die deutschen Pferderassen heraus, die den verschiedenen Zuchtziele entsprachen und für die unterschiedlichen Einsatzgebiete im Krieg geeignet waren. Bei der Weltausstellung 1900 in Paris wurden die einheitlich gezogenen deutschen Rassen erstmals international präsentiert.[2]
Die große Divergenz heutiger Rassen, wie Ponys, Kaltblüter und Vollblüter könnte sich daraus erklären, dass sich die verschiedenen Pferderassen nicht nur im Domestikationszeitraum entwickelt haben, sondern auf das genetische Material bereits vorher existierender Typen zurückgreifen konnten.
Zu Beginn der Pferdezucht kann man kaum von einer systematischen Zucht mit Zuchtbuch in heutiger Form sprechen. Pferde waren jedoch die wertvollsten Tiere in der Landwirtschaft und Hengsthaltung ist noch aufwendiger. Daher wurden schon früh zur Zucht ungeeignete Hengste zu Wallachen gelegt und schieden aus der Zucht aus. So entstanden in den verschiedenen Regionen die jeweiligen Landrassen, die gut an die örtlichen Begebenheiten angepasst waren. Gerne wurden auch durch Handel oder Raubzüge aus entfernteren Gegenden stammende Tiere eingekreuzt.
Heute werden Pferde meist nur dann zur Zucht zugelassen, wenn sie in das Herdbuch der jeweiligen Pferderasse aufgenommen sind. Dazu werden sie bei Zuchtschauen vorgeführt. Hengste müssen gekört werden.
Warmblutrassen haben meist ein offenes Stutbuch, das bedeutet, dass selbst Pferde, deren Eltern nicht eingetragen sind, in das Stutbuch aufgenommen werden dürfen, wenn sie den Anforderungen des Zuchtziels der jeweiligen Rasse genügen. Mit Hilfe der Zuchtwertschätzung kann die Leistung der Rasse verbessert werden.
Beim Reinzuchtverfahren werden nur Tiere der gleichen Rasse miteinander angepaart. Man spricht in diesem Fall auch von einem geschlossenen Zuchtbuch. Rassen, die nach diesem Verfahren gezüchtet werden, haben meist eine konsolidierte Population. Das heißt, die meisten Tiere sind sich bezüglich Aussehen und Charaktereigenschaften recht ähnlich und es gibt verhältnismäßig wenige extreme Ausnahmen. Bei der Reinzucht gilt es für die Züchter, ein besonderes Augenmerk auf die Erhaltung der genetischen Vielfalt zu legen, da eine zu enge Blutführung auch zu nicht unerheblichen Gesundheitsproblemen führen kann. Die bekanntesten Rassen mit geschlossenen Zuchtbüchern sind das Arabische Vollblutpferd (Rassekürzel »ox«), das Englische Vollblutpferd (Rassekürzel »xx«) und das Islandpferd. Auch einige Warmblutrassen wie die Holsteiner oder die Trakehner haben nahezu geschlossene Zuchtbücher.
Die Veredlung einer Rasse durch Einzucht einiger weniger Individuen mit gewünschten Eigenschaften ist Standard in der Pferdezucht. So wurden in vielen Rassen Araber, Vollblüter oder Trakehner zur Veredlung eingesetzt. Im Gegensatz zur Einkreuzung wird der Veredler gezielt anhand gewünschter Eigenschaften ausgesucht.
Bei der Kreuzung wird, wie zum Beispiel beim Aegidienberger, versucht, die Eigenschaften zweier Rassen zusammenzuführen. Die beiden Ursprungsrassen werden im Zuchtverlauf immer wieder zur Blutauffrischung und Verfestigung der Zuchtrichtung eingekreuzt. Es können selbstverständlich auch mehr als zwei Rassen die Ausgangspunkte der Kreuzung bilden, die Ausgangsrassen sollten dann aber bereits eine hohe Ähnlichkeit aufweisen, um ein zu starkes Aufspalten der neuen Zuchtlinie zu vermeiden. Beispiel für ein großflächiges Einkreuzungs-„Programm“ war in der Renaissance und im Barock die Kreuzung einheimischer mittel- und nordeuropäischer Rassen mit spanischen Pferden (wobei hierbei meist einzelne, heute noch namentlich bekannte Hengste aus Spanien eingesetzt wurden, so dass man auch von Veredelung sprechen könnte), die zur Entwicklung von Lipizzanern, Kladrubern, Frederiksborgern, Friesen, Neapolitanern und vermutlich auch dem Connemara-Pony geführt haben.
Die Zucht ist in Zuchtverbänden organisiert. Es gibt Staatsgestüte, der Großteil der Zuchttiere befindet sich jedoch in der Hand von privaten Züchtern. Grundlagen für die Pferdezucht in Deutschland sind das Tierzuchtgesetz sowie die Verordnung über Leistungsprüfung und Zuchtwertfeststellung bei Pferden.
Wie andere Tiere auch werden Pferde mittlerweile nicht mehr nur auf natürlichem Wege (Natursprung, Begattung), also durch das Zusammenführen von Hengst und Stute, vermehrt. Auch hier haben künstliche Besamung und Embryotransfer Einzug gehalten. Zur künstlichen Besamung ist zunächst Sperma erforderlich, das durch Absamung gewonnen wird. Das Sperma wird verdünnt, portioniert und entweder sofort verwendet (Frischsperma) oder tiefgekühlt. Diese Entwicklung wird teilweise kritisch betrachtet. Zu den Vorteilen der künstlichen Besamung zählen sicherlich die geringere Belastung der Tiere, da Transportwege entfallen und die Risiken von Verletzungen und Krankheitsübertragung minimiert werden, sowie die Kostenvorteile für den Züchter. Nachteilig sind zum einen die schlechteren Trächtigkeitserfolge bei Stuten, zum anderen besteht langfristig die Gefahr einer genetischen Verarmung, da gewisse offensiv vermarktete „Modehengste“ ihre Erbanlagen nun überdurchschnittlich oft weitergeben können.
Bei Pferden ist der Generationenabstand verhältnismäßig lang. Stuten haben selten mehr als sechs Nachkommen, dadurch können sie ihre Merkmale nicht im selben Maße weitervererben wie Hengste, die eine ganze Zuchtlinie begründen können. Bestes Beispiel hierfür ist die Zucht des Englischen Vollblüters, bei der 95 % der Rassetiere auf einen Hengst, Darley Arabian, zurückgehen.
Die Abstammung eines Pferdes wird meist mit drei Hengsten aus dem Stammbaum charakterisiert, siehe nachfolgende Grafik:
I | II | III | IV |
---|---|---|---|
Musterpferd (1) | Vater (2) | Großvater väterlicherseits (4) | Urgroßvater (8) |
Urgroßmutter (9) | |||
Großmutter väterlicherseits (5) | Urgroßvater (10) | ||
Urgroßmutter (11) | |||
Mutterstute (3) | Muttervater (Großvater mütterlicherseits, 6) | Urgroßvater (12) | |
Urgroßmutter (13) | |||
Großmutter mütterlicherseits (7) | Mutter-Mutter-Vater (Urgroßvater, 14) | ||
Urgroßmutter (15) |
Als verkürzte Form der Darstellung ist häufig die Schreibweise (Name des Vaters) x (Name des Muttervaters) x (Name des Mutter-Mutter-Vaters) zu finden. Bei ausführlichen Angaben oder soweit die Mutter herausgehoben werden soll, ist auch die Angabe (Name des Pferdes), von (Name des Vaters) aus der (Name der Mutter) von (Name des Muttervaters) zu finden.
Der Anfangsbuchstabe des Zuchtnamens eines Pferdes bestimmt sich je nach Zuchtverband oftmals nach dem Anfangsbuchstaben des Namens des Vaters (häufigste Variante, insbesondere in Warmblutzuchten), nach dem Anfangsbuchstaben des Namens der Mutter (Englisches Vollblut) oder aber nach dem Geburtsjahr.
Hierbei kann sich der Zuchtname durchaus vom sonst üblichen Namen des Pferdes unterscheiden. So ging zum Beispiel der Holsteiner Hengst Caspar (Zuchtname, Anfangsbuchstabe C von seinem Vater Cassini I) im Turniersport unter dem Namen Eurocommerce Berlin.[3] Ein einmal vergebener Zuchtname kann nicht mehr geändert werden.[4]
Um die Bedeutung der Mutterstuten darzustellen, wurden insbesondere in der Holsteiner Zucht alle Stutenstämme durchnummeriert und werden entsprechend benannt.[5] In der Trakehner Zucht beginnt der Name des Pferdes mit dem Anfangsbuchstaben der Mutter, und die Stutenstämme werden in Familien unterteilt, die jeweils den Namen der Linienbegründerin tragen und durch einen Familienschlüssel systematisiert werden, z. B. Familie der Blitzlicht 018B1.[6]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.