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Südamerikanischer Staatenverbund mit gemeinsamem Binnenmarkt Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Mercosur (spanisch IPA [ ]) ist eine internationale Wirtschaftsorganisation in Lateinamerika. Der Name ist die abgekürzte Bezeichnung für den Mercado Común del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens). Die ebenfalls offizielle portugiesische Bezeichnung lautet Mercosul für Mercado Comum do Sul, auf in Paraguay gesprochenem Guaraní ist Ñemby Ñemuha die geläufige Bezeichnung.[2][3][4]
Mercosur | |
---|---|
Mitgliedstaaten des Mercosur
| |
portugiesische Bezeichnung | Mercosul |
Organisationsart | regionale Kooperation, Binnenmarkt |
Sitz der Organe | Montevideo, Uruguay |
Vorsitz | Alberto Fernández[1] (Präsident auf Zeit) Argentinien |
Parlamentarische Versammlung | Parlament des Mercosur (Parlamento del Mercosur) |
Mitgliedstaaten | 6: |
Assoziierte Mitglieder | 6: |
Amts- und Arbeitssprachen |
3: |
Fläche | 12,8 Millionen km² |
Einwohnerzahl | 260 Millionen |
Bevölkerungsdichte | 20,3 Einwohner pro km² |
Gründung | 26. März 1991 (Vertrag von Asunción) |
Währungen |
unterschiedlich |
Hymne | unterschiedlich |
Zeitzone | UTC –5 bis –3 |
www.mercosur.int |
Die Organisation konstituierte sich durch Unterzeichnung des Vertrages von Asunción vom 26. März 1991. Es handelt sich hierbei um einen Binnenmarkt mit mehr als 260 Millionen Menschen (Stand 2006), der derzeit 12,8 Mio. Quadratkilometer umfasst, was ungefähr 72 % der Fläche Südamerikas bzw. 56 % der Fläche Lateinamerikas entspricht. Der Mercosur erwirtschaftet ein Bruttoinlandsprodukt von etwa 2,4 Billionen US-Dollar (Stand 2020),[5] im Außenhandel beträgt der Wert der Exporte etwa 400 Mrd. US-Dollar und der der Importe etwa 330 Mrd. Dollar (Stand: 2020).[6]
Mitglieder des Mercosur sind:
Assoziierte Staaten sind:
Beobachterstaaten sind:
Mit Mexiko wurden am 8. Juli 2004 Gespräche über eine Assoziierung begonnen.
Bolivien hat seit dem Amtsantritt von Evo Morales Anfang 2006 wiederholt Interesse an einer Vollmitgliedschaft bekundet, was 2023 zum Erfolg führte, in einem Moment, in dem der südliche Nachbar Argentinien auszuscheiden drohte. Als geographisch zentrales Land des Kontinents, ist Bolivien weiterhin in anderen politischen und wirtschaftlichen internationalen Organisationen der Region engagiert.
Im Gegensatz dazu hat Uruguay im Jahr 2006 im Fahrwasser des Konflikts mit Argentinien um den Bau von Zellulosefabriken die eigene Mitgliedschaft in Frage gestellt. Das Land sieht sich durch die Statuten des Mercosur in seinem Handlungsspielraum vor allem im Hinblick auf unabhängige Freihandelsabkommen mit anderen Ländern eingeschränkt.
Infolge der Ereignisse um die Absetzung des Staatspräsidenten Fernando Lugo im Juni 2012 wurde Paraguay vorübergehend bis zu den dortigen Neuwahlen im April 2013 suspendiert.[10]
Mitglied des Mercosur können entsprechend dem Protocolo de Ushuaia sobre Compromiso Democrático (Protokoll von Ushuaia über die Demokratie) nur demokratische Staaten werden. Diese Regelung soll verhindern, dass die lateinamerikanischen Länder wieder zurück in die Diktatur geraten.
Die einheitlich blauen Pässe der Mitgliedstaaten tragen auf der Umschlagseite – ähnlich der Beschriftung in Mitgliedstaaten der EU – über oder unter dem Namen des Staates den Schriftzug „Mercosul“ (Brasilien) bzw. „Mercosur“ (alle anderen).
Die Ziele des Mercosur finden sich in der Präambel des Vertrags von Asunción. Der Vertrag nennt als Ziele des wirtschaftlichen und politischen Integrationsprozesses:
Diese Ziele sollten laut Art. 1 des Vertrages von Asunción durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes bis zum 31. Dezember 1994 erreicht werden, welcher folgende Eigenschaften aufweist:
Nachdem die Entwicklung des Mercosur Ende der 1990er Jahre etwas ins Stocken geraten war, wurde im Jahr 2000 von den Mitgliedstaaten eine als „Relanzamiento del Mercosur“ (Neustart des Mercosur) bezeichnete neue Etappe der regionalen Integration eingeläutet. Diese hat zum Ziel, die Zollunion nach innen und nach außen zu stärken.
Die Regierungen der Mitgliedstaaten haben daher die Konvergenz und Koordination der Makroökonomie unterstrichen. So will man eine nachhaltige Fiskal- und monetäre Politik erreichen, um die Stabilität der Preise zu garantieren.
Des Weiteren soll sich der Mercosur nach diesem Neustart mit folgenden Teilbereichen intensiv beschäftigen:
Im Zusammenhang mit der Erweiterung und der Vertiefung des Staatenbundes ergeben sich eine Vielzahl von Problemen, die diese beiden Prozesse behindern.
Die zunehmenden Einschränkungen von Menschenrechten und Pressefreiheit und die Gängelung der Opposition in Venezuela (siehe hierzu auch: Abberufungsreferendum in Venezuela 2016) führten 2016 zu einer tiefen Krise des Mercosur. Die turnusgemäße Präsidentschaft des Mercosur durch Venezuela wurde verhindert, die Staaten des Mercosur (außer Uruguay) erklärten im September 2016, dass ohne eine Verbesserung der politischen Freiheit eine Suspendierung der Mitgliedschaft Venezuelas im Mercosur erfolgen würde. Diese tiefe Spaltung macht den Mercosur weitgehend handlungsunfähig.[11]
Am 2. Dezember 2016 wurde bekannt, dass die Gründungsmitglieder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay beschlossen haben, Venezuela dürfe dem Bündnis vorerst nicht mehr angehören. Venezuela kritisiert den Ausschluss als „Staatsstreich“.[12] Venezuela ist Anfang Dezember 2016 von Mercosur ausgeschlossen worden. Der Versuch der ausgeladenen venezolanischen Außenministerin Delcy Rodriguez, beim Treffen am 14. Dezember 2016 in Buenos Aires teilzunehmen, wurde mit Polizeigewalt verhindert.[13]
Der Vertrag von Asunción aus dem Jahr 1991 kannte nur zwei Organe und definierte ihre Funktionen während der Übergangszeit zum gemeinsamen Markt nur sehr unscharf. Dies hatte den Vorteil, dass man sich an keine starren Strukturen halten musste, was eine kontinuierliche Entwicklung des Integrationsprozesses vereinfachte. Das Protokoll von Ouro Preto aus dem Jahr 1994 komplettierte und konkretisierte die institutionelle Struktur des Mercosur in dem Sinne, dass es
Der Art. 1 des Protokolls von Ouro Preto nennt als Organe des Mercosur:
(Vgl. Abbildung 1)
Die ersten beiden Organe und das Sekretariat existieren seit der Unterzeichnung des Vertrages. Das Sekretariat hatte im Vertrag von Asunción noch nicht den Status eines Organs, sondern war ein der GMC zugeordnetes Verwaltungsnebenorgan.
Weder im Vertrag von Asunción noch im Protokoll von Ouro Preto finden sich die Mercosur-Gipfel. Die Gipfel sind halbjährliche Treffen der Präsidenten der Mercosur-Staaten, die gleichzeitig mit den Sitzungen des CMC stattfinden. Die Gipfel sind aus einer politischen Initiative entstanden und bestehen seither durch Gewohnheit fort. In Art. 6 des Protokolls von Ouro Preto findet sich somit auch der einzige Hinweis auf die Gipfel:
„Der Rat des Gemeinsamen Marktes tritt jedes Mal zusammen, wenn er es für sinnvoll erachtet, verpflichtend ist mindestens eine Sitzung im Semester unter der Beteiligung der Präsidenten der Mitgliedstaaten.“
Die Mercosur-Länder sehen sich als Gegenmacht zu den USA in den Verhandlungen um eine gesamtamerikanische Freihandelszone (FTAA). Zwischen beiden Blöcken zeigen sich dabei erhebliche Interessengegensätze: Während die USA v. a. unter der Clinton-Regierung auf baldige Zollsenkungen drängten, wollten die lateinamerikanischen Staaten darüber erst in einem letzten Schritt verhandeln.
Der Mercosur und die Europäische Union (EU) unterzeichneten am 15. Dezember 1995 ein Assoziationsabkommen als Vorstufe zur Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens. Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen wurden erschwert, da es „1 plus 4“-Verhandlungen waren: Verhandlungspartner der EU war nicht der Mercosur, sondern waren die Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.[17] Die wechselnden argentinischen und brasilianischen Regierungen nahmen oft unvereinbare politische Positionen ein, sodass eine Verständigung im Mercosur immer wieder sehr mühsam wurde.[18]
Im Jahr 2004 befanden sich die Verhandlungen in fortgeschrittenem Stadium und es wurde – allzu optimistisch – mit dem Abschluss der Verhandlungen schon im Herbst 2004 gerechnet. Allerdings blieb ein großer Streitpunkt der Zugang zum europäischen Markt für Agrarprodukte aus den Mercosur-Ländern.
Seit dem Jahr 2004 wurde nur noch auf technischer Ebene verhandelt, eine Vertiefung erst bei einem Erfolg der damals ausgesetzten Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) erwartet.[19]
Das EU-Angebot an den Mercosur im Jahr 2004 sah so aus:
Quoten (in Tonnen) nach Abschluss der | ||
Produkte | Mercosur-Verhandlungen | WTO-Verhandlungen |
---|---|---|
Bioethanol | 500.000 | 500.000 |
Mais | 400.000 | 300.000 |
Weizen | 100.000 | 100.000 |
Rindfleisch hoher Qualität | 50.000 | 50.000 |
Geflügelprodukte | 37.500 | 37.500 |
Schweinefleisch | 6.000 | 6.000 |
Bananen | 30.000 | 0 |
Milchpulver | 6.500 | 6.500 |
Käse | 10.000 | 10.000 |
Reis | 20.000 | 20.000 |
Quelle: Europäische Kommission
Die Mercosur-Mitglieder waren mit diesem Vorschlag keineswegs zufrieden. Denn die EU-Offerte war an Bedingungen geknüpft. So sollten die Mercosur-Mitgliedstaaten innerhalb von zehn Jahren die Zölle für fast alle Industrieprodukte abschaffen. Der Zoll auf Produkte, deren Zoll jetzt schon unter 4 % liegt, sollte sofort abgeschafft werden.
Das Warten auf die Doha-Runde erfüllte jedoch nicht die Erwartungen, nach mehreren erfolglosen Anläufen galt die Doha-Runde 2016 als gescheitert.[20] 2017 bot die EU-Kommission den Mercosur-Staaten laxere Kontrollstandards bei Lebensmittelimporten an – wenn Europa mehr Autos exportieren dürfe.[21]
Ende Juni 2019 wurde eine grundsätzliche Einigung („agreement in principle“) zu dem Handelsteils eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und dem Mercosur erzielt.[22] Genau genommen ist es kein Freihandelsabkommen, sondern ein „Preferential Trade Agreement“ (PTA).[23] Bei Inkrafttreten würde das Abkommen die Grundlage für die größte Freihandelszone der Welt bilden.[24][25] Vertreter deutscher Industrieverbände begrüßten das Abkommen, da sich die Absatzmöglichkeiten der Unternehmen erhöhen.[26]
Der Vertragsentwurf scheiterte Anfang 2020 an der Ablehnung Österreichs. Am 12. Januar 2020 forderte Bundeskanzler Sebastian Kurz von der EU-Kommission eine Neuverhandlung. Österreich sei wie andere EU-Länder „zu Recht nicht zufrieden“ mit der Vereinbarung, erklärte er nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Er sei „gespannt, ob es gelingt, hier noch eine andere Vereinbarung zu treffen“ und teilte mit, „so, wie das Abkommen jetzt ist, wird es nicht kommen.“[27] Zuvor hatten sich österreichische Bauern und gemeinnützige Organisationen gegen das Abkommen ausgesprochen.[28]
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, befürchtete Wettbewerbsverzerrungen zu Ungunsten europäischer Landwirte.[29] Katharina Dröge von der Partei Bündnis 90/Die Grünen befürchtete, das Abkommen könne zu einem weiteren Anstieg der Rodungen des Regenwalds im Amazonasgebiet führen.[30] Eine Gruppe von Wissenschaftlern, unter anderem vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, betonte, dass sich das geplante Abkommen nicht mit den Grundprinzipien des European Green Deal (bis 2050 keine Netto-Treibhausemissionen, Entkoppelung des Wirtschaftswachstums von der Ressourcennutzung, keine Benachteiligung von Gruppen oder Region durch die wirtschaftliche Entwicklung) vereinbaren lasse.[31]
Die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), bestehend aus Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz, planen, das Freihandelsabkommen mit Mercosur nach Abschluss der rechtlichen Prüfung zu unterzeichnen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie ist der Zeitpunkt dafür mit Stand November 2020 noch unklar.[32]
Das Anliegen der EU dürfte auch in der Schweiz zum Streitpunkt werden. Denn beim Thema Fleischimporte prallen die unterschiedlichsten Interessen aufeinander. Noch sind Schweizer Bauern vor dieser Konkurrenz gut geschützt, doch eine Änderung steht zur Debatte. Diese wäre schwierig für die Bauern, hätte aber Vorteile für die Konsumenten.[33] Am 20. Februar 2018 fand der sogenannte „Mercosur-Gipfel“ statt, woran der Schweizerische Bauernverband nicht teilgenommen hat. Auf der Seite der Befürworter steht z. B. der Schweizerische Gewerbeverband, da den KMUs ansonsten Umsatzeinbussen von über 10 % entstehen könnten.[34] Ende August 2019 wurden die Verhandlungen in der Substanz abgeschlossen.[32]
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