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internationale Organisation mit Sitz in Genf Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Welthandelsorganisation (englisch World Trade Organization, WTO; französisch Organisation mondiale du commerce, OMC; spanisch Organización Mundial de Comercio, OMC; im Deutschen üblicherweise mit WTO, seltener mit WHO abgekürzt) ist eine internationale Organisation mit Sitz in Genf, die sich mit der Regelung von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen beschäftigt. Sie wurde am 15. April 1994 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) in der Uruguay-Runde nach siebenjähriger Verhandlungszeit gegründet. Am 1. Januar 1995 nahm sie ihre Arbeit in Genf auf. Die WTO ist neben dem IWF und der Weltbank eine der zentralen internationalen Organisationen, die Handels- und Wirtschaftspolitik mit globaler Reichweite verhandelt.
Welthandelsorganisation WTO | |
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Logo der WTO | |
WTO-Mitglieder | |
Englische Bezeichnung | World Trade Organization (WTO) |
Französische Bezeichnung | Organisation Mondiale du Commerce (OMC) |
Organisationsart | Internationales Völkerrechtssubjekt |
Status | aktiv |
Sitz der Organe | Schweiz, Genf, Centre William Rappard, Rue de Lausanne 154 (Sekretariat) |
Generaldirektorin | Ngozi Okonjo-Iweala |
Mitgliedstaaten | 166 Mitglieder |
Amts- und Arbeitssprachen | |
Gründung | 15. April 1994 |
www.wto.org |
In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 2019 endete die Amtszeit von zwei Schiedsrichtern der zuletzt nur noch drei Personen umfassenden Rechtsmittelinstanz der WTO, des Appellate Body, so dass die Organisation seither als handlungsunfähig gilt.
Seit der Präsidentschaft von Barack Obama verhindern die Vereinigten Staaten von Amerika die Neubesetzung der unbesetzten Posten.[1]
Gegründet wurde die WTO am 15. April 1994 in Marrakesch, Marokko durch das Marrakesch-Abkommen, welches am 1. Januar 1995 in Kraft trat; sie ist die Dachorganisation der Verträge GATT, GATS und TRIPS. Ziel der WTO ist der Abbau von Handelshemmnissen und somit die Liberalisierung des internationalen Handels mit dem weiterführenden Ziel des internationalen Freihandels. Zudem ist sie zuständig für die Streitschlichtung bei Handelskonflikten.[2] Den Kern dieser Anstrengungen bilden die WTO-Verträge, die durch die wichtigsten Handelsnationen ausgearbeitet und unterzeichnet wurden. Die gegenwärtigen Verträge sind das Resultat der so genannten Uruguay-Runde, in welcher der GATT-Vertrag überarbeitet wurde. Wirtschaftspolitisch verfolgt die WTO eine liberale Außenhandelspolitik, die mit Deregulierung und Privatisierung einhergeht.
Die WTO verfolgt im Wesentlichen zwei Kernaufgaben; zum einen die Koordination der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, zum anderen die Streitentscheidung zwischen den Mitgliedern.
Aufgabe der WTO ist es, ihre Mitgliedstaaten bei deren Handelspolitik zu beraten und anschließend die Politik der einzelnen Länder miteinander zu koordinieren. Dies geschieht zumeist in multilateralen Verhandlungen. Weiterhin ist die WTO bestrebt, durch Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und anderen internationalen Institutionen eine aufeinander abgestimmte Handelspolitik mit der jeweils angestrebten Währungs- und Entwicklungspolitik zu verknüpfen.
In dieser Funktion versucht die WTO auch Entwicklungsländer beim Ausbau von Handelskapazitäten zu unterstützen, bspw. durch Initiativen wie Aid for Trade.
Die Streitschlichtung der Welthandelsorganisation obliegt dem Dispute Settlement Body (DSB). Ausführendes Organ ist dabei der Allgemeine Rat der WTO. Der DSB hat selbst keine Befugnis zur Durchsetzung der von ihm getroffenen Entscheidungen; daher ist teilweise strittig, inwieweit es sich nicht eher um Lösungsvorschläge und Richtlinien als um Beschlüsse handelt. Daher ist der DSB zunächst eine Instanz mit moralisch-diplomatischer[3] Funktion. Der DSB kann Staaten, die sich benachteiligt sehen, autorisieren, auf einen Rechtsbruch mit Handelssanktionen zu reagieren. Mit dem Streitbeilegungsverfahren verfügt die WTO als einzige weltweite internationale Organisation über einen effizienten, internen Streitbeilegungsmechanismus. Jährlich werden 20 bis 40 Fälle vor den DSB gebracht; von 1995 bis November 2009 waren es insgesamt 401 Fälle. Ein prominenter Fall war etwa der Stahlstreit zwischen der Europäischen Union und den USA 2002/2003. Die Urteile, die der DSB durchsetzen soll, werden vorher vom sogenannten Appellate Body gefasst, der an sich mit sieben Mitgliedern besetzt war. Die Mindestzahl an Schiedsrichtern wurde mit drei festgelegt.
Nach dem Ausscheiden mehrerer Mitglieder ohne eine Neubesetzung unterschritt der Appellate Body in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 2019 die Mindestanzahl von drei Schiedsrichtern und ist somit nicht mehr beschlussfähig. US-Präsident Donald Trump verhinderte die Neubesetzungen, da aus seiner Sicht Entwicklungsländer auf unfaire Weise von der WTO profitieren, da zu diesen Ländern aus Sicht der WTO auch China gehöre, das eines der reichsten Länder der Welt sei, was er auf Twitter betonte.[4]
„The WTO is BROKEN when the world’s RICHEST countries claim to be developing countries to avoid WTO rules and get special treatment. NO more!!! Today I directed the U.S. Trade Representative to take action so that countries stop CHEATING the system at the expense of the USA!“
Die anhaltende Handlungsunfähigkeit kann das Ende der WTO in ihrer derzeitigen Form bedeuten. Die Vereinigten Staaten stören sich auch am WTO-Budget und der Bezahlung der Handelsrichter, so dass zeitweise eine Blockade des Haushaltes für 2021 befürchtet wurde. Die Europäische Kommission erwägt Vorkehrungen, sollte die WTO auf Dauer handlungsunfähig bleiben.[4]
Die WTO-Abkommen berühren nationales und europäisches Recht, da sich die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichteten, ihre nationalen Gesetze ihren Verpflichtungen aus den Welthandelsverträgen anzupassen. So verpflichtete sich die Europäische Union durch den Beitritt zur WTO, die „Abkommen und dazugehörigen Rechtsinstrumente (Streitbeilegungsverfahren) anzuerkennen.“
Das Welthandelsrecht der WTO ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in der EU grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar. Einzelne Bürger oder Unternehmen können sich vor nationalen Gerichten nicht unmittelbar darauf berufen. Rechtsverletzungen können nur von den Regierungen anderer Staaten über das WTO-Streitschlichtungsverfahren angegriffen werden.
Die WTO-Rechtsnormen könnten auch auf Maßnahmen Einfluss nehmen, die nach nationaler Tradition bisher zur hoheitlichen Verwaltung gezählt wurden. So könnten staatliche Maßnahmen der Daseinsvorsorge nach den Vorschriften des GATS als Handelshemmnis gelten.
Die WTO hat zurzeit 166 Mitglieder,[6] unter anderem seit 1995 die USA, Japan, Brasilien, Indien und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union; seit 2001 China und seit 2012 Russland. Als 166. Mitgliedstaat ist im August 2024 Osttimor beigetreten.[7]
Die WTO-Mitglieder erwirtschaften 98 % des Welthandelsvolumens. Wesentliche Nicht-Mitglieder sind einige Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie mehrere Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens. Zum Stand 4. Februar 2018 gibt es 23 Länder mit Beobachterstatus, die (mit Ausnahme des Heiligen Stuhls, der als ein eigenständiges, nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt die Vatikanstadt international vertritt) innerhalb von fünf Jahren Beitrittsverhandlungen beginnen müssen. Der Beitritt ist in Art. XII des WTO-Übereinkommens geregelt. Beim Beitritt oder nach bestimmten Übergangsfristen müssen die Bedingungen der einzelnen WTO-Abkommen erfüllt sein. Die Beitrittsbeschlüsse werden von der Ministerkonferenz mit Zweidrittelmehrheit gefasst.
Auch die Europäische Union ist Mitglied der WTO zusätzlich zu ihren einzelnen Mitgliedstaaten. Sie vertritt die im Zuge der Gemeinsamen Handelspolitik abgestimmten Interessen aller Mitgliedstaaten.[8] Verhandlungsführer ist der Kommissar für den Außenhandel, es werden jedoch auch oft Vertreter der einzelnen Mitgliedsländer entsandt. Beschlüsse werden bei der WTO üblicherweise im Konsens gefasst; findet eine Mehrheitsentscheidung statt, übt die EU das Stimmrecht für alle ihre Mitglieder aus. Deshalb verfügt die EU über 27 Stimmen: die Stimme der EU als selbständiges WTO-Mitglied entfällt damit.
Etwa zwei Drittel der WTO-Mitglieder sind Entwicklungsländer. Für sie gelten teilweise gesonderte Vorschriften (zum Beispiel GATT Teil IV zu Handel und Entwicklung), und sie erhalten bei manchen Fragen die Unterstützung des WTO-Sekretariats. Es gibt keine Definition für den Status als Entwicklungsland im WTO-Recht. Die Kategorisierung beruht auf einer Erklärung des Staates, die von anderen Staaten angezweifelt werden kann. Bei neuen Mitgliedern wird der künftige Status während der Beitrittsverhandlungen geklärt. 32 Mitglieder der WTO gelten nach Definition der UNO als Am wenigsten entwickelte Länder (englisch Least Developed Countries, kurz LDCs), deren Status nicht aberkannt werden kann.
Die verschiedenen Entwicklungsländer haben häufig sehr unterschiedliche Probleme oder Interessen. Es existieren jedoch verschiedene informelle, sich zum Teil überschneidende Zusammenschlüsse von Entwicklungsländern in der WTO, so zum Beispiel die G90 als Koalition der Afrikanischen Union (AU), der Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP-Staaten) und der Least Developed Countries (LDC, Am wenigsten entwickelte Länder). Die derzeit bedeutendste Allianz ist die vor der WTO-Ministerkonferenz in Cancún in Mexiko (September 2003) gegründete G20 der Entwicklungsländer, unter Führung der wirtschaftlich stärksten Entwicklungsländer Volksrepublik China, Indien, Brasilien und Südafrika.
Viele WTO-Kritiker bezweifeln, dass die eingeräumten Sonderrechte ausreichen, um Nachteile der Entwicklungsländer gegenüber Industrieländern auszugleichen. Beispielsweise bietet die WTO zwar Fortbildungsprogramme für Mitarbeiter von Entwicklungsländern an, doch sind manche Länder nicht einmal in der Lage, genug Delegierte zu bezahlen, um an allen Verhandlungen teilzunehmen.
Es gibt verschiedene politische oder (regionale) wirtschaftliche Bündnisse zwischen einzelnen WTO-Mitgliedern, die zum Teil lang anhaltend, zum Teil auch kurzfristig sind oder aus wechselnden Mitgliedern bestehen. Innerhalb eines Wirtschaftsraumes wie der EU, NAFTA, ASEAN oder Mercosur gelten Sonderregeln für das Meistbegünstigungsprinzip.
Die sogenannte Cairns Group tritt als politisches Bündnis für Liberalisierungen im Agrarsektor ein. Hierzu zählen 17 Länder aus vier Kontinenten, die unterschiedlich weit entwickelt sind.
Die vier großen Wirtschaftsmächte (EU, Japan, Kanada, USA) werden als The Quad oder Quadrilaterals bezeichnet.
Die Welthandelsorganisation besteht aus drei Hauptorganen. Die Ministerkonferenz ist das höchste Organ und tritt mindestens alle zwei Jahre zusammen. (Art. IV: 1 WTO-Übk). Der Allgemeine Rat, geregelt im Art. VI:2 WTO-Übk, ist das ständige Gremium aller Mitglieder. Das Sekretariat der WTO steht unter der Leitung des Generaldirektors (Art. VI WTO-Übk).
Das höchste Organ der WTO ist die Ministerkonferenz der Wirtschafts- und Handelsminister, die mindestens alle zwei Jahre tagt. Jeder Mitgliedstaat hält eine Stimme. Obwohl mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann, wird grundsätzlich per Konsens entschieden. Für viele Abstimmungen, bspw. die Berufung von neuen Mitgliedern des Appellate Body, ist jedoch Einstimmigkeit vorgeschrieben. Gewisse Entscheidungen, wie die Abänderungen oder die Annahme von gewissen Auslegungen können gem. Art. XI:2 des Marrakesch-Abkommens mit einer Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheit je nach Gegenstand beschlossen werden. Die Leitung der Ministerkonferenzen obliegt neben der Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala, einem ausgewählten Diplomaten, für die 12. Ministerkonferenz war dies Timur Suleimenov. Ziel der Konferenzen ist es, weitere Beschlüsse und vor allem Abkommen zur Regelung des internationalen Handels zu treffen.
Bei der Ministerkonferenz der Wirtschafts- und Handelsminister der WTO in Seattle 1999 scheiterten die Verhandlungen, auch kam es zu massiven Protesten und Demonstrationen von Globalisierungskritikern.
Nach der Ministerkonferenz der WTO in Doha/Katar (2001) lief eine neue Welthandelsrunde (die so genannte Doha Development Agenda), die bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossen sein sollte. Zuletzt scheiterte im September 2003 in Cancún/Mexiko die 5. Ministerkonferenz am Widerstand zahlreicher Entwicklungsländer (G20) gegen die Agenda des „Nordens“ (der EU und der USA). Vor Ort stark vertreten waren auch globalisierungskritische Gruppen und nichtstaatliche Organisationen (NGO). Im Februar 2004 wurden die Verhandlungen auf Beamtenebene wieder aufgenommen und führten zu einer ersten Einigung am 31. Juli 2004, ein Agrar-Rahmenabkommen wurde geschlossen, das jedoch noch zu spezifizieren ist, weshalb bisher nicht klar ist, ob es als Erfolg für Entwicklungsländer, Industrieländer oder die WTO angesehen werden kann.
Die Ministerkonferenz vom 13. bis 18. Dezember 2005 in Hongkong/China endete mit einem Kompromissvorschlag: Agrarexportstützungen sollten in entwickelten Ländern (v. a. EU, USA, Kanada) bis 2013 abgebaut werden (für Baumwolle bereits bis Ende 2006). Dieser Abbau wurde aber bereits zuvor von der EU beschlossen und diente so als Nebelkerze. Die industriell am wenigsten entwickelten Staaten sollen für 97 % ihrer Produkte bis 2008 einen weitgehend zoll- und quotenfreien Zugang zum Weltmarkt erhalten. Ausgenommen sind auf Bestreben der USA Textilprodukte. Das folgende Ministertreffen in Genf begann am 29. Juni 2006. Es wurde am 1. Juli ergebnislos abgebrochen. Hauptstreitpunkt zwischen EU und USA einerseits und den in der Gruppe der Entwicklungsländer vertretenen Schwellenländern unter Führung Brasiliens und Indiens anderseits war erneut der Agrarmarkt. Vertreter der USA waren zu keinem Zugeständnis zum Abbau von Agrarsubventionen bereit, was eine Hauptforderung der Entwicklungsländer war.
Die 7. WTO-Ministerkonferenz ging am 2. Dezember 2009 in Genf zu Ende, unterzeichnet wurde lediglich ein Freihandelsabkommen.[9] Die 8. WTO-Ministerkonferenz fand vom 15. bis 17. Dezember 2011 in Genf statt. Neben einer Plenarsitzung fanden drei Arbeitssitzungen zu folgenden Themen statt: „Die Bedeutung des multilateralen Handelssystems und der WTO“, „Handel und Entwicklung“ und die „Doha-Entwicklungsagenda“.[10] Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen in der Doha-Runde war in Genf jedoch nicht zu erwarten.[11] Bei der 9. WTO-Ministerkonferenz 2013 in Bali konnte das erste multilaterale Abkommen seit Gründung der WTO abgeschlossen werden. Die Entwicklungsländer werden damit beschleunigten Zollabfertigungen unterstützt. Auch erhielten sie im Agrar-Bereich die Zusage, dass bei einer Nichtausschöpfung von Zoll-Quoten Anpassungen vorgenommen werden.[12] Die Ergebnisse der 10. WTO-Ministerkonferenz galten eher als symbolisch.[13] Die Mitglieds-Staaten müssen danach ihre Exportsubventionen für Agrarprodukte beenden. Die EU beendete die Agrarexport-Subventionierung bereits zuvor. Exportsubventionen für Baumwolle mussten Anfang 2017 eingestellt werden, in Entwicklungsländern bis 2018,[14] Kanada, Norwegen und die Schweiz mussten ihre Subventionen bis 2020 abbauen.[13] Weiterhin keine Einigung gab es, ob die Doha-Runde fortgesetzt wird, mit der die Entwicklungsländer gefördert werden sollten.[14]
Die laufenden Geschäfte der Ministerkonferenz werden von drei Organen geregelt: dem Allgemeinen Rat (General Council), dem Streitschlichtungsgremium (Dispute Settlement Body, Art. IV:3 WTO-Übk) und dem Gremium für die Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Body, TPRB, Art. IV:4 WTO-Übk).
Der Allgemeine Rat ist der höchste Entscheidungsträger der WTO in Genf. Er trifft sich regelmäßig zwischen den Tagungen der Ministerkonferenz, um die Aufgaben der WTO und zusätzlich eigene, ihm selbst übertragene Zuständigkeiten, wahrzunehmen. Er betreut den Beitritt neuer Mitglieder zur Welthandelsorganisation sowie die Leitung der Speziellen Räte des GATT, GATS und TRIPS. Weiterhin ist der Allgemeine Rat für die Überprüfung der einzelnen Handelspolitiken der Mitgliedstaaten zuständig. Seine Repräsentanten kommen aus allen Mitgliedstaaten und sind im Allgemeinen Botschafter oder Personen in ähnlichen Positionen. Der Unterschied zu der Ministerkonferenz ist nicht die Zusammensetzung, sondern der Rang der Delegierten.
Das Streitschlichtungsgremium: Wie der Allgemeine Rat besteht das Streitschlichtungsgremium (Dispute Settlement Body, DSB) aus Vertretern aller Mitgliedstaaten. Seine Aufgabe ist es, Handelsstreitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten zu klären, wenn in bilateralen Gesprächen keine Einigung erzielt werden konnte. Als Schlichtungsinstanz wird ein WTO Panel eingerichtet. Es umfasst drei Rechts- bzw. Handelsexperten, deren Länder nicht direkt am Streitfall beteiligt sind. Nach neun Monaten muss von diesem Gremium ein Urteil gefällt werden. Gegen das Urteil kann bei einer zweiten Instanz, dem Appellate Body, Berufung eingelegt werden. Auch hier sind Rechts- und Handelsexperten vertreten. Das Gremium prüft verfahrenstechnische Fragen. Das Urteil der Berufungsinstanz kann nur durch ein einstimmiges Votum aller WTO-Mitglieder annulliert werden. Als wichtige Neuerung seit der WTO-Gründung gilt die maximale Durchführungsdauer einer Streitschlichtung von einem Jahr sowie bei Inanspruchnahme der Berufung von 18 Monaten. Das Klageland hat bei Nicht-Einhaltung der vorgegebenen Richtlinien das Recht auf Vergeltungsmaßnahmen, ohne dass diese als Verstöße gegen WTO-Richtlinien gelten. So könnte ein Klageland gegenüber dem Handelspartner Exporte beschränken oder vorübergehend Zölle auf bestimmte Waren erheben.
Das Gremium für die Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Body: Der Allgemeine Rat trifft sich auch als Gremium für die Überprüfung der Handelspolitik). Dieses Organ ist ebenfalls offen für alle WTO-Mitglieder. Seine Aufgabe ist es, die Handelspolitiken der Mitglieder nach einem festgelegten Verfahren regelmäßig zu überprüfen. Hierzu kann jeweils ein anderer Vorsitzender benannt und andere Verfahrensregeln festgelegt werden. Die Häufigkeit der Überprüfungen der einzelnen Staaten hängt von ihrem Anteil am Welthandel ab.
Unter Leitung des Allgemeinen Rates sind weitere Räte tätig (Art. IV:5 WTO-Übk). Insbesondere sind dies der Rat für den Handel mit Waren (GATT-Rat), der Rat für Handel mit Dienstleistungen (GATS-Rat) und der Rat für handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Rat für TRIPS). Sie überwachen die Einhaltung und Wirkungsweise der WTO-Abkommen. Den Räten sind thematisch arbeitende Ausschüsse untergeordnet.
Das Sekretariat der Welthandelsorganisation unterstand vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2020 der Leitung des Generaldirektors Roberto Azevêdo. Seitdem führt das Sekretariat die Nigerianerin Okonjo-Iweala.[15] Das Sekretariat hat nur Beratungsfunktionen. Ziel ist die technische, professionelle und rechtliche Unterstützung der Mitgliedstaaten, des Allgemeinen Rates und der Ministerkonferenz. Eine maßgebliche Aufgabe des Sekretariates besteht in der Analyse und Dokumentation der Entwicklung des Welthandels und in der Beratung von Regierungen, die WTO Mitglieder werden wollen. Weiterhin ist das Sekretariat für die Vorbereitung und die Durchführung von Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten und die rechtliche Unterstützung bei Streitschlichtungsprozessen verantwortlich. Das Sekretariat der WTO mit seinem ständigen Sitz in Genf hat derzeit 630 reguläre Mitarbeiter, darunter den Generaldirektor als Vorsitzenden. Das Sekretariat führt die Beschlüsse der Ministerkonferenz und des Allgemeinen Rats durch und erstattet regelmäßig der Ministerkonferenz und dem Rat über die laufenden Geschäfte der WTO Bericht. Es hat keine Entscheidungsbefugnis, dies ist den Mitgliedern der WTO vorbehalten.
Die Welthandelsorganisation veröffentlicht jedes Jahr zahlreiche Publikationen. Viele Publikationen sind Einzelpublikation, die Organisation gibt aber auch mehrere periodisch erscheinende Publikationen heraus. Dazu gehören unter anderem der WTO Analytical Index. Dieser Index gibt einen Überblick über die Rechtsprechung und Entscheidungen der WTO-Organe zum Recht der WTO geordnet nach Abkommen. Die Publikationen World Trade Statistical Review, World Tariff Profiles World Trade Report und Trade Profiles bieten Daten und Analysen über die Entwicklung der Handelssituation in den einzelnen Mitgliedern und der Welt. Der Annual Report gibt einen Überblick über die Maßnahmen, das Budget und die Mitarbeiter der Welthandelsorganisation in jedem Jahr. Aus einer Initiative der Welthandelsorganisation entstand das World Trade Review.
Grundsätzlich basiert die WTO auf drei Hauptsäulen und mehreren Nebenabkommen. Die Hauptsäulen sind die Abkommen General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), General Agreement on Trade in Services (GATS) und Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS). Mitglieder der drei Hauptabkommen sind seit Gründung der WTO zur Teilnahme an fast allen Nebenabkommen verpflichtet. Hierbei wird auch vom „Alles-oder-Nichts-Prinzip“[3] gesprochen. Ziel der obligatorischen Teilnahme ist das Erreichen einer möglichst großen Einheitlichkeit zwischen den Partnerländern. Den institutionellen Rahmen der Welthandelsorganisation bildet das Streitschlichtungsorgan des Dispute Settlement-Body (DSB). Dieser gibt dem globalen System der WTO rechtsverbindlichen Charakter, der die Durchführung der verschiedenen Handelsabkommen mit 160 Mitgliedstaaten erst ermöglicht.
Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (englisch General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) stellt die umfangreichste Komponente des WTO-Systems dar. Die Reglementierungen des GATT belaufen sich im Wesentlichen auf vier Grundideen: Es gilt erstens das zentrale Verbot staatlicher Handelsbeschränkungen (Art. XI GATT), zweitens die Festschreibung sowie die kontinuierliche Senkung von Zollsätzen (Art. II GATT), drittens die Meistbegünstigung (Art. I GATT) und als viertes die Inländerbehandlung (Art. III GATT). Ergänzend zu den vier Grundideen gibt es Nebenabkommen, die Spezialfälle und Ausnahmen regeln.
Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (englisch General Agreement on Trade in Services, GATS) trat am 1. Januar 1995 in Kraft. Angesichts des stetig wachsenden Dienstleistungssektors in den Industrienationen war das GATS zu diesem Zeitpunkt bereits längst überfällig. Erstmals wurden hierbei umfassende internationale Voraussetzungen geschaffen, die grenzüberschreitende Dienstleistungen ermöglichen. Insbesondere umfasst das GATS Dienstleistungen im Bankensektor, von Versicherungsgesellschaften und Beratungsinstituten. Die besondere Schwierigkeit der Gestaltung des GATS ist im Unterschied zwischen Warenhandel und Dienstleistungshandel zu suchen. So ist die Dienstleistungserbringung im Wesentlichen an folgende vier Faktoren geknüpft: Für das Erbringen einer Dienstleistung ist an erster Stelle das Zusammenkommen von Personen unverzichtbar. Durch die Entwicklungen der Telekommunikation ist dieser Vorgang zwar heute wesentlich leichter zu bewältigen jedoch längst noch nicht unabdingbar. Des Weiteren müssen berufliche Qualifikationen anerkannt und zugelassen werden. Ein weiteres großes Problem stellen die unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme dar. Innerhalb der EU hat hier bereits ein großer Fortschritt stattgefunden, global jedoch kaum eine Weiterentwicklung. Letztlich bedingen Dienstleistungen die personelle und langfristige Präsenz an einem Ort und verlangen somit grenzüberschreitende Investitionen. Letztendlich bietet das Dienstleistungsabkommen nur einen Rahmen, der die WTO-Mitglieder auffordert, individuelle und zugleich universelle Regelungen im Dienstleistungshandel zu schaffen, um Hemmnisse im Dienstleistungshandel zu verringern.
Das Abkommen über den Schutz geistigen Eigentums (englisch Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS) wurde ebenfalls 1995 Bestandteil des WTO-Systems. Insbesondere Plagiate und dem Ursprungsprodukt „ähnliche“ Produkte hemmten lange Zeit den Transfer erforderlichen Know-hows. Dies verdeutlicht, dass der wirtschaftliche Erfolg der Länder nicht nur von monetärem, sondern auch von geistigem Kapital abhängig ist. Das TRIPS stellt ein umfassendes Regelwerk über den internationalen Schutz von Patenten, Urheberrechten, Geschmacksmustern und ähnlichem dar. Das Abkommen ist verbindlich und gibt besonders den Ländern, die bisher keine bzw. nur sehr unvollständige Regelungen über den Schutz des geistigen Eigentums hatten, eine solide Grundlage. Besondere Effizienz erfahren die Bestimmungen über den Schutz des geistigen Eigentums durch die Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit bestimmter Mindeststandards.
Am 7. Dezember 2013 einigten sich die Mitgliedsländer auf ein neues Handelsabkommen.[16] Mitte 2014 erklärte Indien, das Abkommen nicht zu unterzeichnen.[17] Nach weiteren Verhandlungen und einer Übergangsklausel für Indien nach einem Kompromiss mit den USA stimmte nun das letzte Land damit auch dem Bali-Paket zu. Vor Inkrafttreten muss noch das Abkommen von zwei Drittel der 160 Mitglieder ratifiziert werden.[18]
Nach einigen Jahren ohne den Abschluss eines Abkommens wurde im Rahmen der 12. Ministerkonferenz in Genf ein schon seit 2001 vorverhandeltes Abkommen zur Bekämpfung von Fischereisubventionen beschlossen. Es gilt als großer Erfolg der WTO.[19]
Alle WTO-Mitglieder verpflichteten sich zur Einhaltung einiger Grundregeln bei der Ausgestaltung ihrer Außenhandelsbeziehungen. Vorrang haben aus wirtschaftlicher Sicht der Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen. Jedoch spielen auch sozio-ökonomische Ziele eine Rolle. Diskriminierung jeder Art soll abgebaut und der allgemeine Lebensstandard gehoben werden. Hierzu werden insbesondere die drei Prinzipien der Nichtdiskriminierung, des Abbaus von Zöllen und Handelsbarrieren und der Reziprozität als Verhandlungsgrundlage vorausgesetzt.
Das in Abkommen der WTO geregelte Prinzip der Nichtdiskriminierung lässt sich in zwei Grundsätze unterteilen. Zum einen gibt es das Prinzip der Meistbegünstigung (Most favoured Nation Principle, Artikel 1 GATT). Alle Vorteile und Begünstigungen, die ein Mitgliedstaat einem anderen gegenüber einräumt, sollen unverzüglich auch allen anderen WTO-Nationen eingeräumt werden. Einzige Ausnahme gilt beim Zusammenschluss von WTO-Ländern zu einer Freihandelszone oder einer Zollunion, wie es beim Zusammenschluss der europäischen Länder zur EU der Fall war. Dies wird mit der Annahme begründet, dass Freihandelszonen und Zollunionen ein bedeutender Schritt zum globalen freien Handel seien. Zum anderen gilt das Prinzip der Inländergleichbehandlung (National Treatment Obligation, Artikel 3 GATT). Ausländische Produkte dürfen gegenüber inländischen Produkten nicht benachteiligt werden. Auch hier gilt eine Ausnahmeregelung für Produkte aus Entwicklungsländern, um den Aufbau der Wirtschaft in Entwicklungsländern zu fördern und zu schützen und nicht durch billigere Einfuhrprodukte zu hemmen. Für Dienstleistungen gilt das Prinzip der Inländerbehandlung nur, sofern die Staaten den Markt für einen Dienstleistungssektor öffneten.
Die Richtlinie zum Zollabbau und zum Abbau verschiedener Handelsbarrieren (prohibition on trade restrictions other than tariffs) dient der generalisierten und vereinfachten Zoll-Bewertung. Grundsätzlich dürfen zum Schutz einheimischer Produkte Zölle erhoben werden, jedoch keine Kontingente. Auch dürfen bereits bestehende Zölle bzw. bereits gesenkte Zölle nicht erhöht werden. Das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen besagt, dass heimische Produzenten durch Zölle, aber nicht durch Importquoten oder völligen Ausschluss von Importen geschützt werden dürfen (Artikel 11 GATT). Ziel dieser Maßnahmen ist es, Handelshemmnisse zu verringern.
Die Reziprozitätsklausel stellt die Ergänzung zum Prinzip der Meistbegünstigung dar. Inhalt dieser Ausgleichregelung ist das Einräumen gleichwertiger Zugeständnisse unter den Nationen. Gewährt Land einem anderen neue Handelsbegünstigungen, so ist verpflichtet, allen anderen WTO-Handelspartnern gleichwertige Begünstigungen einzuräumen. Mit Gründung der WTO und ihrer Vorgängerorganisation geriet das Prinzip der Reziprozität immer mehr in den Hintergrund.
Derzeit werden die Prinzipien der WTO zumeist unter dem einzigen Stichwort des Multilateralismus zusammengefasst. Gleichberechtigtes, kooperatives, auf gegenseitiges Interesse gerichtetes Verhandeln und Verhalten aller Nationen in der WTO wird bewusst gefördert, während plurilaterale Verträge (also etwa Freihandelsabkommen, die nur für einen Teil der WTO-Mitglieder gelten sollen) eigentlich unerwünscht und nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig sind. Ziel ist es, den gesamten Welthandel schrittweise von Zöllen und anderen Handelshemmnissen zu befreien, so dass alle Länder statt nur einige davon profitieren. Dieses Ziel geriet seit der Doha-Runde ins Stocken. Seitdem sind plurilaterale Abkommen (wie etwa CETA und TPP) wieder auf dem Vormarsch.
Weiterhin spielt zunehmende Transparenz und somit auch zunehmendes Verständnis aus der Öffentlichkeit eine bedeutende Rolle. Die Regulationen und Beschlüsse der WTO bedürfen der Veröffentlichung sowie der strikten Umsetzung.
Kritische Positionen zur WTO und ihrer Politik werden meist von Nichtregierungsorganisationen wie Attac, kirchlich ausgerichteten Gruppen wie Brot für die Welt sowie Gewerkschaften vertreten. Das OWINFS-Netzwerk „our world is not for sale“ ist ein Zusammenschluss von Organisationen und Verbänden der weltweiten sozialen Bewegungen. Das OWINFS-Netzwerk setzt den wirtschaftsliberalen Ansichten der WTO ein multilaterales Handelssystem, das nachhaltig, sozial gerecht, demokratisch und verantwortlich sein soll, als Leitbild entgegen.[20]
Umweltorganisationen wie Greenpeace beklagten die mangelnde Rücksicht der WTO auf den Umweltschutz. Die häufige Einstufung von Umweltschutzmaßnahmen als Handelshemmnisse reduziere staatliche Möglichkeiten, aktiven Naturschutz zu betreiben. Beispiele für als Handelshemmnisse eingestufte Umweltschutzmaßnahmen seien die Reinhaltung der Luft, der Tierschutz und die Beschränkung der Gentechnik.[21] Dagegen ist wiederum einzuwenden, dass Staaten möglicherweise Umweltschutzbestrebungen lediglich als Vorwand für versteckten Protektionismus benutzen könnten.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Einfluss, den transnationale Konzerne und Verbände wie die Internationale Handelskammer (ICC) auf die Entscheidungsfindungsprozesse der WTO besäßen. Nationale – oft demokratisch bekundete – Gesetzgebung in Bereichen wie Sozialpolitik, Arbeitsschutz oder Umweltschutz könnte durch Beschränkungen der Einflussmöglichkeiten von Regierungen auf die Wirtschaftspolitik nur noch begrenzt durchgesetzt werden.[22]
Die Organisation Brot für die Welt beklagt die Rolle der WTO bei der fortschreitenden Globalisierung der Wirtschaften von südlichen Ländern durch die Forderungen nach der Privatisierung des Wassermarktes und nach dem Abbau von Schutzzöllen und Quoten. Länder, die über wenig Wasser verfügen, seien gezwungen, statt Grundnahrungsmitteln, die wenig Wasser benötigen, wasserintensive Produkte wie Getreide oder Zucker anzubauen. Die oft teurere Produktion von Exportprodukten für den Weltmarkt gefährde jedoch die Existenz heimischer Kleinbauern. Zudem müssten wasserarme Länder dann viele Grundnahrungsmittel von Industrieländern importieren, die häufig im Erzeugerland subventioniert werden. Die Ernährungssicherheit vieler Länder hänge damit in zunehmendem Maß von der Produktion in Industrieländern, vom Weltmarkt und mächtigen Handelskonzernen ab.[23]
Jean Feyder hält liberalisierten Handel für nicht sinnvoll, da die Marktteilnehmer ungleiche Wettbewerbsbedingungen bzw. -vorteile hätten. Beispielsweise am Agrarsektor konkurrieren ungeschulte Kleinbauern mit Parzellen von weniger als einem Hektar und ohne Zugang zu Spritz- oder Düngemitteln mit agroindustriell erzeugenden Großunternehmen. Der zugleich mit dem Abbau von Schutzzöllen geforderte Rückzug des Staates aus Düngeberatung, Saatgutvergabe und Ernteankauf wird nicht schnell genug „vom Markt“ ersetzt, was Kleinbauern benachteilige. Werden dann hochsubventionierte Agrarprodukte mit Preisen unter dem Produktionspreis importiert, können Kleinbauern ihre Produkte nicht verkaufen. Ihnen fehlt Geld für Modernisierungen oder gar zum Überleben[24][25].
Auch wird behauptet, ohne hohe Zölle auf Importe hätten die Entwicklungsländer keine Möglichkeit, eine stabile eigene Industrie aufzubauen. Damit sperre das WTO-System „heute alle wichtigen Wege und Handhaben, mit deren Hilfe Länder in früherer Zeit eine nachholende Entwicklung erfolgreich in die Wege geleitet haben, zum Beispiel die USA in der Aufholjagd gegenüber Großbritannien“.[22] In diesem Zusammenhang behaupten WTO-Kritiker, Industrieländer träfen Entscheidungen „hinter verschlossenen Türen“. Diese als Green Rooming bezeichnete unprotokollierte Verhandlungspraxis schließe Entwicklungsländer aus Entscheidungsprozessen aus.
Dem gegenüber steht erlaubter Protektionismus durch Subventionen: Da Zölle als Mittel des staatlichen Protektionismus nur eingeschränkt eingesetzt werden dürfen, etablierten sich andere Formen der Exportförderung über Subventionen. Die WTO unterscheidet verschiedene Arten von Subventionen, von denen nur eine Art (gelbe Box) beschränkt und langfristig abzubauen ist, während die anderen Formen (grüne Box, blaue Box) erlaubt bleiben. Die meisten Subventionen der „Subventionssupermächte“ USA und EU sind den nicht eingeschränkten Subventionskategorien zugeordnet.
Auch die Intransparenz sowie die fehlende Kontrolle sind Kritikpunkte gegenüber der WTO. Es gibt Erwägungen zur Einrichtung eines quasiparlamentarischen Organs,[26] bisher fehle es der WTO jedoch an Kontrollmechanismen. Sie sei weder zum Dialog mit der UNO noch mit den Medien verpflichtet. Sitzungsprotokolle würden unzureichend der Öffentlichkeit zugänglich. Die Kritik der Nichtregierungsorganisationen rühre oft auch daher, dass ihnen – im Gegensatz zur UN-Generalversammlung – Möglichkeiten fehlen, ihre Interessen zu artikulieren.[27] Im Streitschlichtungsverfahren sind hierbei Stellungnahmen von NGOs gemäß Art. 13 Dispute Settlement Understanding (DSU) möglich. Wie Unternehmen können Nichtregierungsorganisationen Amicus-Curiae-Schriftsätze einreichen, welche durchaus häufig Berücksichtigung finden. An dieser Möglichkeit üben wiederum einige Mitgliedsstaaten heftige Kritik.
Vor dem Hintergrund der Ziele für nachhaltige Entwicklung fordert das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE), dass die internationale Handelsordnung die nachhaltige Entwicklung verlässlich fördern sollte.[28]
Unterziel 17.10 lautet: „Ein universales, regelgestütztes, offenes, nichtdiskriminierendes und gerechtes multilaterales Handelssystem unter dem Dach der Welthandelsorganisation fördern, insbesondere durch den Abschluss der Verhandlungen im Rahmen ihrer Entwicklungsagenda von Doha“.
Unterziel 17.11 ruft die Staatenwelt auf, die „Exporte der Entwicklungsländer deutlich zu erhöhen, insbesondere mit Blick darauf, den Anteil der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries – LDCs) an den weltweiten Exporten bis 2020 zu verdoppeln“.
Unterziel 17.12 lautet: „Die rasche Umsetzung des zoll- und kontingentfreien Marktzugangs auf dauerhafter Grundlage für die am wenigsten entwickelten Länder im Einklang mit den Beschlüssen der Welthandelsorganisation zu erreichen, unter anderem indem sichergestellt wird, dass die für Importe aus den am wenigsten entwickelten Ländern geltenden präferenziellen Ursprungsregeln transparent und einfach sind und zur Erleichterung des Marktzugangs beitragen“.[28]
Der Rat der Europäischen Union stellte im Mai 2015 formell fest, dass der durch die WTO geregelte internationale Handel ein wesentliches Instrument für die Umsetzung der Post-2015-Agenda ist. Er bekennt sich zur „entscheidenden Rolle der Kleinbauern“.[29]
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