Kondominium oder Kondominat (von lateinisch con-dominium, also „gemeinsame Herrschaft“, deutsch Gemein- oder Gesamtherrschaft bzw. Samtherrschaft) ist die gemeinschaftlich ausgeübte Herrschaft mehrerer Herrschaftsträger (Kondominanten) über ein Gebiet. Auch das jeweilige Gebiet selbst wird als Kondominium bezeichnet.

Thumb
In Künzelsau herrschten sechs Reichsstände als Ganerben.

Bedeutung

In der europäischen Geschichte gibt es zahlreiche Beispiele für Kondominien. Von der Entstehung her werden Grenz- und Nachfolgekondominien unterschieden: Erstere lassen eine Grenzziehung zwischen zwei Mächten offen, das umstrittene Gebiet wird gemeinsam verwaltet. Letztere entstehen aus nicht aufgelösten Erbengemeinschaften.[1]

Mit der Bildung der modernen Nationalstaaten wurden die Kondominien überwiegend aufgelöst, oft real geteilt.

Gegenwärtige Kondominien

Beispiele für heute bestehende Kondominien sind:

Andorra war seit dem Frieden von Lleida am 8. September 1278 das älteste Kondominium und stand unter Verwaltung des Bischofs von Urgell und des jeweiligen französischen Staatsoberhauptes.[4] Seit der neuen Verfassung von 1993 ist Andorra kein Kondominium mehr, sondern ein souveräner Staat mit zwei Staatsoberhäuptern (Kofürsten), dem Bischof von Urgell und dem Präsidenten von Frankreich.

Für Gibraltar wurde 2001 von der britischen Regierung als Kompromissvorschlag für die Zukunft der Kronkolonie ein Kondominium mit Spanien vorgeschlagen, von der Bevölkerung Gibraltars aber 2002 in einem Referendum abgelehnt.

Der Obersee des Bodensees wird oft als Kondominium bezeichnet, ist aber durch das Fehlen staatsvertraglicher Regelungen kein solches; auch ist mangels Ausbildung einer gewohnheitsrechtlichen Regelung oder Übereinstimmung auf eine gemeinsame Auffassung ein Kondominium nicht anzunehmen.[5] Die österreichische, überwiegend aber auch deutsche[6] Auffassung ist, dass zwischen den Anliegerstaaten keine Grenze vereinbart ist, sondern die hoheitlichen Aufgaben von den Anrainern Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeinsam wahrgenommen werden. Österreich betrachtet dabei den gesamten Obersee (wohl ohne den Überlinger See) mit Ausnahme der Halde, des ufernahen Bereichs bis zu 25 Meter Wassertiefe, als Kondominium, während die Schweiz – wie bei Binnengewässern üblich – seit Jahrhunderten von einer Realteilung, d. h. einer Teilung im mittleren Abstand zu den Ufern, ausgeht.[7] Bezüglich des Konstanzer Trichters und des Untersees bestehen zwischen der Schweiz und Deutschland entsprechende vertragliche Vereinbarungen.[8][9] Der Obersee ist daher eher als „staatsfreies Gebiet“ und als „internationaler Gemeinschaftsraum“ ohne Klärung der Hoheitsgewalt anzusehen, wobei alle in der Praxis auftretenden Fragen durch zahlreiche zwischenstaatliche Verträge auch über die Aufteilung exekutiver Zuständigkeiten ausreichend geregelt sind und diese intensive regionale Zusammenarbeit eine Klärung der Souveränitätsfrage überflüssig macht.[10]

Historische Kondominien (Auswahl)

Die Liste der Beispiele für Kondominien in der Geschichte ist nicht vollständig – allein in Baden-Württemberg blicken 274 der früheren Gemeinden auf eine Geschichte als Kondominium zurück –, sondern führt besonders typische und auch skurrile Fälle auf:

Mitteleuropa

Übriges Europa

Afrika

Pazifik

Gemeinschaftliches Protektorat

Vom Kondominium zu unterscheiden sind gemeinschaftliche Protektorate mehrerer Schutzmächte, etwa im Fall der Republik Krakau von 1815 bis 1846. Während beim Protektoratsverhältnis das betreffende Territorium selbst Völkerrechtssubjekt und Träger (eingeschränkter) Souveränität ist, die nur teilweise von den Schutzmächten ausgeübt wird, hat das unter Kondominat stehende Territorium keinerlei Souveränität und ist auch kein Rechtssubjekt des Völkerrechts.[52]

Koimperium

Eine weitere, zu unterscheidende Konstruktion ist das Koimperium. Dabei ist das Territorium selbst formal souverän, die Gebietshoheit wird aber von mehreren fremden Staaten ausgeübt. Beispiele hierfür sind die Internationale Zone von Tanger in Marokko von 1923 bis 1956 sowie der Status des Deutschen Reichs nach 1945, das – nach herrschender Meinung in der Rechtswissenschaft – zwar nicht unterging und selbst ein souveräner Staat blieb, dessen souveräne Rechte aber von den vier Siegermächten ausgeübt wurden. Diese Rechte wurden nach und nach rückübertragen, endgültig mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990.[52]

Kommunanz

Nicht auf internationaler Ebene bestehen in der Schweiz mehrere sog. Kommunanzen: Gebiete, über die jeweils mehrere Gemeinden gemeinsam Hoheitsrechte ausüben. Hierbei handelt es sich meist um unproduktives Land. Sie entsprechen einer Art gemeinsamer Allmend.

Literatur

  • Albrecht Cordes: Kondominat. In: Lexikon des Mittelalters. Band 5: Hiera-Mittel bis Lukanien. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2002, ISBN 3-423-59057-2, Sp. 1296.
  • Alain Coret: Le Condominium (= Bibliothèque de droit international. 13, ISSN 0520-0237). Pichon & Durand-Auzias, Paris 1960.
  • Alexander Jendorff: Condominium. Typen, Funktionsweisen und Entwicklungspotentiale von Herrschaftsgemeinschaften in Alteuropa anhand hessischer und thüringischer Beispiele (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 72). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2010, ISBN 978-3-942225-06-9 (Zugleich: Gießen, Univ., Habil.-Schr., 2009).
Wiktionary: Kondominat – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

Wikiwand in your browser!

Seamless Wikipedia browsing. On steroids.

Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.

Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.