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deutschsprachige Grundschule für Kinder politischer Emigranten in Moskau Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Karl-Liebknecht-Schule (russisch Немецкая школа им. К. Либкнехта) war eine deutschsprachige Grundschule für Kinder politischer Emigranten in Moskau. Sie bestand von 1924 bis 1938 und wurde 1932 nach Karl Liebknecht benannt, dem 1919 ermordeten Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands.
Karl-Liebknecht-Schule | |
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Schulform | Grundschule |
Gründung | 1924 |
Schließung | 1938 |
Ort | Moskau |
Stadt mit Subjektstatus | Moskau |
Staat | Russland |
Koordinaten | 55° 44′ 38″ N, 37° 35′ 55″ O |
In den 1920er Jahren zogen viele deutschsprachige Menschen in die Sowjetunion, um dort beim Aufbau des Sozialismus zu helfen. Für deren Kinder wurde in Moskau eine deutsche Schule gegründet, die am 15. März 1924 unter dem Namen „Deutsche Arbeitsschule Erster Stufe Nr. 37“ ihre Arbeit aufnahm. Der Unterricht fand am Nachmittag statt, weil die Schule provisorisch in einer anderen Schule, der „Schule Nr. 63“, einer Einrichtung für geistig zurückgebliebene Kinder, untergebracht war. Im Oktober 1925 erfolgte der Umzug in ein weiteres Provisorium, eine Großwohnung, die teilweise auch noch als Wohnung genutzt wurde.[1]
In den Anfangsjahren prägte die Schule eine eher bürgerlich-westliche Tradition. Unter der ab 1927 amtierenden Schulleiterin Elsa Weber bezog die Schule am 1. September 1928 ein eigenes Schulgebäude. Zugleich veränderte sich unter Webers Leitung die konzeptionelle Ausrichtung hin zu einer kommunistischen Eliteschule, was sich vor allem in der sich verändernden sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft zeigte.[2]
Im September 1932 wurde aus der „Einheitlichen Arbeitsschule Nr. 37“ die „Karl-Liebknecht-Schule“. Für damalige sowjetische Verhältnisse war das eine hohe Auszeichnung, da nur sehr wenige Schulen die Namen verdienter Persönlichkeiten tragen durften.[3] Schulleiter wurde im gleichen Jahr der Reformpädagoge Helmut Schinkel, „der 1929 in die Sowjetunion übersiedelte und dort 1937 verhaftet wurde“.[4] Bereits vor seiner Verhaftung war Schinkel 1934/1935 durch die Ungarin Sophie Krammer abgelöst worden.
Die Schule erhielt weiteren Zuwachs, als nach der nationalistischen Machtergreifung in Deutschland und der damit einhergehenden Verfolgungen viele Kommunisten in die Sowjetunion emigrierten. Deren Kinder wurden ebenfalls in der Karl-Liebknecht-Schule unterrichtet, so auch Wolfgang Leonhard, der zu Beginn des Schuljahres 1935 dort eingeschult wurde. Seine Mutter Susanne Leonhard beschreibt die Situation der Schule zu diesem Zeitpunkt:
„Am 1. September beginnt in der Sowjetunion das neue Schuljahr. Für die deutsche Schule […] wurde 1935 ein neues schönes Gebäude auf der Kropotkinstraße gebaut, das am 31. August 1935 eingeweiht wurde. Jeder Schuljahrgang der Unter- und Mittelstufe hatte mindestens drei Parallelklassen, im ganzen wurde die Schule von 750 Schülern besucht. Es bestand Koedukation.[5]“
Ergänzend hierzu beschreibt der damals vierzehnjährige Wolfgang Leonhard seinen ersten Tag an der Karl-Liebknecht-Schule:
„Ich meldete mich beim Direktor, dem Genossen Shelasko, um die Einschulungsformalitäten zu beenden. Die Einschulung war nicht leicht gewesen, da sich das sowjetische Schulsystem schon in seinem Aufbau erheblich vom Schulsystem anderer Länder unterscheidet. In der Sowjetunion beginnt die Schulpflicht erst mit dem 8. Lebensjahr, es gibt eine Einheitsschule, wobei die ersten 7 Klassen für alle obligatorisch sind, während die 8., 9. und 10. Klasse von jenen besucht werden, die an einer Hochschule oder Universität studieren wollen.[6]“
Der weiterhin auf Deutsch gehaltene Unterricht basierte auf russischen Lehrbüchern, die wortgetreu in die deutsche Sprache übersetzt worden waren. Sie orientierte sich am Lehrplan der sowjetischen Einheitsschule für die ersten sieben Klassen. Die früheren Ansätze progressiver Pädagogik waren nun nicht mehr geduldet, der Schulalltag war streng geregelt, die Anforderungen hoch,[7] und es gab eine sehr deutliche politische Ausrichtung in allen Fächern.[8] Hinzu kam eine paramilitärische Ausbildung, die an die Stelle des Turnunterrichts getreten war, obligatorische Schießübungen vorsah sowie den Gebrauch von Gasmasken.
Susanne und Wolfgang Leonhard berichten übereinstimmend davon, wie sich das politische Klima der Stalinära auf den Schulalltag auswirkte, von der Angst der Schüler und der Lehrer, etwas zu sagen, was politische Fehldeutungen auslösen könnte, und von dem nie thematisierten plötzlichen Verschwinden einzelner Lehrer.[9] Ebenso übereinstimmend bestätigen jedoch auch Wolfgang Leonhard und Markus Wolf, dass sie das aufgrund ihrer vorhergegangenen Sozialisation damals nicht beunruhigt habe. Und Wolf ergänzt:
„Man darf sich die Indoktrination damals in der Tat nicht als etwas für uns Unbequemes, Unangenehmes vorstellen. Das Positive überwog. Ich erinnere mich etwa, wie der Schriftsteller Wsewolod Wischnewski, ein enger Freund unseres Vaters, ein Held der Revolution und des Bürgerkrieges, meinen Bruder Konrad und mich in seiner Marine-Uniform mit auf die Tribüne auf dem Roten Platz nahm. Ein unglaubliches Erlebnis. Daß dabei Stalin zugejubelt wurde, gehörte einfach dazu.[8]“
Die Karl-Liebknecht-Schule wurde Anfang 1938 geschlossen, weil es nun hieß, dass Schulen für nationale Minderheiten nicht mehr mit der offiziellen kommunistischen Parteilinie vereinbar seien. Die älteren Kinder, die die Klassen sieben bis acht besuchten, waren bereits am 1. September 1937 auf russische Schulen aufgeteilt worden.[10]
Das gleiche Schicksal ereilte im Sommer 1939 auch das für sowjetische Verhältnisse komfortabel ausgestattete Kinderheim Nr. 6, in dem viele deutschsprachige Kinder, vorwiegend Kinder österreichischer Emigranten, lebten. Es handelte sich dabei überwiegend um die Kinder der „Schutzbündler“, der Teilnehmer am österreichischen Aufstand vom Februar 1934.[11]
An der Schule waren viele emigrierte Lehrer tätig, darunter einige, die früher die von Fritz Karsen gegründete Karl-Marx-Schule in Berlin-Neukölln besucht hatten. Von März 1937 an wurde einer nach dem anderen verhaftet, schließlich auch der Schulleiter Shelasko und dessen Nachfolgerin Krammer.[7] Nur von wenigen ist ihr weiteres Schicksal bekannt.
Natalia Mussienko und Alexander Vatlin berichten von 67 Lehrern, die an der Karl-Liebknecht-Schule unterrichtet haben[12]. Von denen sollen die Folgenden aus schulreformerischen Kreisen gekommen oder praktizierende Reformpädagogen gewesen sein:
Sieben Lehrkräfte hatten vor ihrer Einreise in die Sowjetunion keine pädagogischen Praxiserfahrungen erworben, kamen aber von reformorientierten Lehranstalten; fünf davon von der Karl-Marx-Schule in Berlin-Neukölln:
Über das Schicksal der Lehrer Lüschen und Gerschinski berichtet Margarete Buber-Neumann, die den beiden auf ihrem Transport nach Karaganda begegnete. Beide waren 1937 – zusammen mit Otto Knobel und Bruno Krömke – angeklagt worden, „eine konterrevolutionäre faschistisch-trotzkistische Gruppe […] gebildet und an ihr teilgenommen zu haben“.[16] Sie wurden darauf zu fünf Jahren Lagerhaft in Kolyma in Nordsibirien verurteilt. Dort hat sie ein ehemaliger Direktor der Karl-Liebknecht-Schule, der ebenfalls in Kolyma einsaß, als Spione denunziert, wohl in der Hoffnung, dadurch für sich selber Hafterleichterungen zu erhalten. Die beiden wurden daraufhin zu neuen Verhören nach Moskau zurückgebracht, wo sie sieben Monate im NKWD-Gefängnis Butyrka verbringen mussten und gefoltert wurden. Danach erfolgte ihre Rückverlegung nach Kolyma, bei der sie zufällig Buber-Neumann begegneten. „Lüschen war siebenundzwanzig Jahre alt. Als ich sein Gesicht bei Tageslicht sah, wußte ich, daß er aufgegeben hatte …“[17]
Über den größten Teil des Lehrpersonals gibt es keine oder nur sporadische Informationen:
In den von Natalia Mussienko und Alexander Vatlin erstellten „Kurzbiographien ausländischer Lehrkräfte und pädagogischer Mitarbeiter/innen der Karl-Liebknecht-Schule“[22] finden sich häufig die Worte „verhaftet“, „erschossen“ oder „aus der Sowjetunion ausgewiesen“. Letzteres bedeutete nicht selten die Auslieferung an Nazi-Deutschland, und Verhaftungen hatten oft die Verbannung in Straflager zur Folge oder waren nur die Vorstufe zur Erschießung. Die spätere Rehabilitierung, die einigen zuteilwurde[23], hatte in den meisten Fällen nur noch symbolische Bedeutung.
Der stalinistische Terror machte auch vor den Schülern der Karl-Liebknecht-Schule nicht halt. Natalia Mussienko und Alexander Vatlin dokumentieren 50 „Opfer stalinistischer Repression unter den Schüler/innen“, weitere 5 Kinder wurden als „Kinder der Volksfeinde“ in NKWD-Kinderheimen untergebracht und eine unbekannte Anzahl wurde Opfer von Deportationen.[24]
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