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Kulturgeschichte Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Jugendkultur in der DDR war vielfältig. Es gab staatlich geförderte Kulturangebote durch die Freie Deutsche Jugend und verschiedene Subkulturen, die sich der Kontrolle des Staates zu entziehen versuchten.
Die Führung der DDR bemühte sich seit Beginn besonders um die Jugend, nach dem NS-Motto Wer die Jugend hat, hat die Zukunft. 1946 wurde die Freie Deutsche Jugend geschafften. Die Führungspersönlichkeiten waren aber geprägt durch die bündischen Jugendbewegung und die politischen Jugendorganisationen der 1920er und frühen 1930er Jahre.[1]
Ein großes Problem waren stets die Einflüsse westlicher Kultur und Lebensweise durch die offene Grenze in Berlin und Medien. Besonders westliche Radiosender wie RIAS Berlin, die gezielt für die DDR-Bevölkerung ausgerichtet waren, bemühten sich, ihre Höher von den Vorzügen der westlichen Gesellschaft zu überzeugen. Auch alliierte Sender wie AFN und BFB transportierten mit ihren Musikprogrammen westliches Lebensgefühl.
Den DDR-Verantwortlichen gelang es trotz aller Bemühungen nie, die Mehrheit der Jugend in der DDR wirklich für sich zu gewinnen, der Anteil der überzeugten Jugendlichen und der karrierebewusst anpassungsbereiten blieb in allen Zeiten verhältnismäßig niedrig.[2] Viele Jugendliche protestierten offen oder versteckt gegen den Staat, zahlreiche flohen in den Westen.
1952 forcierten SED und FDJ ihre Propaganda gegen die evangelische Junge Gemeinde, die sie als Störfaktor bei der Erziehung der Jugend im sozialistischen Sinne empfand, da sie sich nicht kontrollieren ließen. 1953 wurden zahlreiche junge Christen deswegen aus der Oberschule oder Universität ausgeschlossen oder sogar inhaftiert. Nach dem Wechsel zum Neuen Kurs nach Stalins Tod 1953 wurde dies zwar meist wieder rückgängig gemacht, die Zielrichtung blieb aber bestehen. So wurde 1955 die Jugendweihe eingeführt, um die Jugendlichen von der kirchlichen Konfirmation oder Firmung abzuhalten.
Nach den Erfahrungen des 17. Juni 1953 bemühte sich die SED und FDJ verstärkt um eine stärkere Einbeziehung von jungen Menschen in den Aufbau des Sozialismus. Es wurden Jugendobjekte und Jugendbrigaden geschaffen, in denen sie verantwortliche Aufgaben in im heimischen Betrieben oder auch bei Auslandseinsätzen, wie der Erdgaspipeline Druschba-Trasse übernahmen.
Die grundsätzlichen Probleme blieben aber auch nach dem Mauerbau 1961. „Es ist zu berücksichtigen, dass die sozialistische Erziehung der Jugend unter den Bedingungen der Existenz des westdeutschen staatsmonopolistischen Herrschaftssystems und der feindlichen Kräfte in Westberlin und Westdeutschland sowie einzelner negativ und feindlich eingestellter Personen im Gebiet der DDR erfolgt.“[3] Entsprechende „geeignete Erziehungsmaßnahmen“ zur Heranführung an sozialistische Ideale waren jedoch nur bedingt erfolgreich. „Die Entwicklung der jungen Menschen vollzieht sich […] nicht ohne Konflikte und Schwierigkeiten.“ Wer diese Schwierigkeiten verursachte, war für die SED-Führung eindeutig: der Bonner Staatsapparat, die westlichen Geheimdienste, Agentenzentralen und Zentren der politischen und ideologischen Diversion, Film- und Starclubs, kirchliche Institutionen, Rundfunk, Presse und Fernsehen.[3]
Vor dem Aufkommen von „Beatmusik“ in der DDR wurde versucht, eine moderne, aber nicht zu westlich klingende Tanzmusik zu etablieren. In den frühen 1960er Jahren entstanden in der DDR eine Reihe von Instrumentalmusik-Schallplatten mit tanzbarer, aber im Vergleich zur westlichen weniger „wilder“ Musik.
Eine große Rolle spielten hierbei die Rundfunk-Tanzorchester und „Amateurtanzkapellen“. Im Jahre 1959 wurde mit dem Lipsi ein eigener Tanz kreiert, der den westlichen Tänzen (z. B. Rock ’n’ Roll und Twist) Paroli bieten sollte, aber nur mäßig erfolgreich war, ähnlich beim Orion-Modetanz Anfang der 1960er Jahre.
Im Zusammenhang mit den Deutschlandtreffen der Jugend profilierte sich der damalige FDJ-Vorsitzende Erich Honecker. Am 21. September 1963 verabschiedete das SED-Politbüro ein sogenanntes Jugendkommuniqué. Danach sollte das Verhältnis zur Jugend frei sein von „Gängelei, Zeigefingerheben und Administrieren“.[4] 1964 wurde das DDR-Jugendradio DT64 gegründet. Außerdem fand ein so genanntes „Deutschlandtreffen der Musik“ statt, wo DDR-Beatgruppen auftraten, so die Sputniks, die Butlers und das Diana Show Quartett. 1965 kamen erste Produktionen mit dem Michael Fritzen Quartett und der Theo Schumann Combo hinzu.
Bekannt wurde Walter Ulbrichts Aussage auf dem XI. Plenum des ZK der SED 1965: Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen. In der Folge wurde für einige Jahre die westliche Beatmusik verboten. Im Rundfunk liefen – wenn überhaupt – nur orchestral eingespielte Titel.
Nachdem Erich Honecker 1971 Ulbricht abgelöst hatte, entspannte sich die geistige, kulturelle und politische Lage in der DDR zeitweise wieder. Die neue politische Ausrichtung versprach eine gewisse Liberalisierung. Es gab zunehmende Freiräume in der Musikszene und -Ausbildung für an westlicher Popmusik orientierte Gruppen wie die Puhdys, Karat und Pankow. Die Aufführungsmöglichkeiten und das Musikprogramm etwa in Studentenclubs waren nach wie vor stark reglementiert. Bedeutend wurde die Singebewegung.
Erwartungen an Jugendliche und deren Erziehung und Ausbildung wurden 1974 im Jugendgesetz der DDR niedergelegt. Im Rahmen der Einführung des Fachs Wehrerziehung in den DDR-Schulen Ende der 1970er Jahre wurden die Jugendlichen in die Vorbereitungen zum „Schutz des Sozialismus“ einbezogen.
Die Tageszeitung Junge Welt war speziell für Jugendliche gestaltet und sollte die SED-Politik in etwas lockerer Form der jüngeren Generation näher bringen. Sie enthielt aber auch viele Kulturbeiträge und Ratgeberartikel. Auch die Zeitschrift Neues Leben und weitere Publikationen erreichten eine größere Popularität.
1964 wurde der Radiosender DT 64 gegründet, der speziell für die Interessen von Jugendlichen ausgerichtet war. Dieser spielte vor allem populäre Unterhaltungsmusik, darunter auch viel von westlichen Bands, die in anderen Radiosendern kaum zu hören waren. Er erreichte eine hohe Popularität, weil er auch einige Freiheiten hatte.
Es wurden einige Musiksendungen wie rund oder bong geschaffen, die sich vor allem an ein jüngeres Publikum richtete. Diese waren aber stärker reglementiert als der Radiosender DT 64.
Es gab fast keine eigene Jugendliteratur in der DDR, die die Lebenssituation von Jugendlichen beschrieb und eine weitere Verbreitung fand. Es gab Literaturzirkel (wie der Arbeitskreis Literatur und Lyrik Jena) und Lyrikanthologien, die aber immer politisch reglementiert waren und daher kaum dem Bedürfnis von Jugendlichen, anders zu sein und eigene Lebensformen zu entwickeln, entsprachen.
Der 1972 erschienene Roman von Ulrich Plenzdorf Die neuen Leiden des jungen W. behandelte die Probleme von Jugendlichen und erreichte große Verbreitung. Er dokumentierte auch DDR-Jugendsprache und eine gewisse Außenseiter- bzw. Gegenkultur. Auch der 1975 erschienene Jugendroman von Joachim Walther „Ich bin nun mal kein Yogi“ trug zum Lebensgefühl der Anderen Jugendlichen bei. Die Dokumentation der Journalistin Sybille Muthesius Flucht in die Wolken von 1986 über ihre Tochter, die mit der Gesellschaft nicht zurechtkam und sich tötete, erhielt auch eine breite Resonanz in der DDR.
Es gab einige Unterhaltungsreihen von Buchverlagen wie Spannend erzählt oder Kundschafterromane, die auch von Jugendlichen viel gelesen wurden.
Für die DDR-Jugendkultur prägend waren einige Filme wie Die Legende von Paul und Paula, Heißer Sommer, Ich bin nun mal kein Yogi und Und nächstes Jahr am Balaton, die auch viel Musik enthielten.
Die Langzeitdokumentation Die Kinder von Golzow beschrieb die Entwicklung mehrerer junger Menschen über viele Jahre.
Ein in Mode, Musik und Habitus an westlicher Jugendkultur ausgerichtetes Verhalten von Jugendlichen war dauernden Repressionen unterworfen.[5]
In den 1970er bis Mitte der 1980er Jahre war die Blueser- oder Kundenszene eine signifikante Bewegung in der DDR. Ihre Vorstellungen eines „Anderssein“ wurden über das gemeinsame Musikverständnis und ihr spezifisches Äußeres öffentlich gemacht, das den Willen zur Freiheit demonstrierte. Ein „Blueser“ war eine Synthese aus Blues– bzw. Rockfan und Blumenkind. Die unangepassten Jugendlichen waren der Staatsmacht ein Dorn im Auge. Wegen ihrer Haltung mussten gerade in dieser Zeit viele Repressionen erleiden, wie die Erteilung eines vorläufigen Personalausweises (PM-12) – der einem Reiseverbot gleichkam, ständige „Befragungen“ mit langem Festsetzen seitens der Polizeiorgane oder sogar mit Exmatrikulationen, Nichtzulassung zum Abitur, Strafversetzung aus Betrieben etc.
Der Blues in der DDR wurde zu einem Synonym und späterer Namensgeber dieser Bewegung. Anteil daran hatten nicht zuletzt die Blues-Messen in verschiedenen Kirchen Ost-Berlins, mit bis zu 7000 Teilnehmern (24. Juni 1983).
Die Blueser- oder Kundenszene war die langlebigste und zugleich lebendigste Jugendkultur der DDR und stellte als Bewegung eine Gegenkultur zum vorgezeichneten DDR-Alltag dar.
Für Punkbands in der DDR und deren Publikum boten Kirchen z. B. bei den späten Blues-Messen oft die einzigen Auftrittsmöglichkeiten – neben privat organisierten Konzerten. Plattenveröffentlichungen waren wie bei der LP „DDR von unten“ (1983) nur über den Westen möglich. In den öffentlichen Medien waren sie erst zum Ende der DDR gelegentlich präsent, etwa in der Sendung Parocktikum auf DT64, die von Lutz Schramm moderiert wurde.[6] 1988 erschien als Novum der Dokumentarfilm „flüstern & SCHREIEN“, vom Regisseur Dieter Schumann für die DEFA. Hier wurden Bands wie Feeling B und Sandow porträtiert, die ursprünglich aus dem Umfeld des Punk kamen.
Um etwa 1985 drang die Grufti-Bewegung über Berlin und Westdeutschland auch in Teile der Deutschen Demokratischen Republik vor.[7] Das Alter der Szenemitglieder bewegte sich zwischen 14 und 23 Jahren.[8][7] Dieter Baacke räumte in seinem Buch Jugend und Jugendkulturen – Darstellung und Deutung (1999) der Szene in der DDR eine Blütezeit ein, die sich auf die Jahre 1988/1989 datieren lässt.[7]
Ab Mitte der 1980er Jahre machten sich parallel Die anderen Bands auf den Weg, um eine Musik- und Jugendkultur zwischen Punk-, New-Wave-, Indierock- oder Metal unabhängig von staatlicher Lenkung zu etablieren.
Bis zum Mauerbau 1961 konnten sich Rechtsextremisten der Strafverfolgung in der DDR durch Übersiedlung in die Bundesrepublik weitestgehend entziehen. Bereits in den 1960er Jahren waren in der DDR rechtsextreme Jugendgruppen aufgefallen, die Hakenkreuz-Schmierereien verübt, Propagandamaterial und sogar Waffen gesammelt hatten.[9] Anfang der 1980er Jahre entstanden auch Skinheadgruppen, die ähnlich wie im Westen in rechtsextreme, unpolitische und SHARP-Skinheads differenziert waren, so zunächst in Ost-Berlin, Rostock und Leipzig, oft im Umfeld von Fußballfangruppen.[10] Mitte der 1980er Jahre gab es in allen ostdeutschen Großstädten Skinhead-Gruppen. Der Kriminalpolizei der DDR waren zu dieser Zeit 1500 rechtsextreme Jugendliche bekannt.[11]
Am 17. Oktober 1987 führte ein Überfall von Skinheads auf Besucher eines Punk-Konzerts in der Ost-Berliner Zionskirche zu internationalem Aufsehen. Die bereitstehende Polizei „beobachtete“ dabei das Geschehen.
Viele Jugendliche besuchten regelmäßig Fußballspiele. Bekannt und berüchtigt waren besonders Fußballfans des 1. FC Union Berlin, aber auch von Chemie Leipzig und anderen Mannschaften für Ausschreitungen während oder nach Fußballspielen, es gab auch häufig gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Anhängern verschiedener Mannschaften. Für die Polizei waren diese Gruppen nur schwer zu kontrollieren.
Besonders die evangelische Junge Gemeinden hatten einen stärkeren Einfluss auf Jugendliche in der DDR. Sie waren eigentlich Angebote von Kirchengemeinden und sollten junge Christen in ihrer Entwicklung unterstützen. Sie boten aber einen offenen Raum, in dem über alle Fragen und Probleme geredet werden konnte, und standen auch nichtkirchlichen Jugendlichen offen. Die Jungen Gemeinden waren die einzigen organisierten Zusammenkünfte von jungen Menschen in der DDR, die nicht staatlich reglementiert werden konnten, und daher auch einen gewissen politischen Freiraum hatten.
Aus der evangelischen Jugendarbeit entwickelten sich auch weitere Angebote wie Offene Kirche und Kirche von unten, die sich gezielt an Jugendliche wandte, die der Kirche fernstanden. In einigen Kirchen konnten auch unabhängige Punkbands auftreten, eine große Popularität hatten die Bluesmessen in Ost-Berlin. Unter dem Schutz einiger evangelischen Kirchen entstanden in den 1980er Jahren Umwelt-, Friedens-, Frauen- und Dritte Welt-Gruppen, die vor allem von jungen Menschen organisiert wurden und einen wichtigen Einfluss auf die politischen Veränderungen 1989 hatten.
In der Geschichte der DDR kam es zu zahlreichen Aktionen von Jugendlichen gegen die Politik oder die Strukturen in der DDR.[12] In den ersten Jahren richteten diese sich vor allem gegen die Einschränkungen von Freiheitsrechten durch die SED. Nach dem Mauerbau 1961 waren einige junge Erwachsene sehr aktiv als Fluchthelfer tätig, sie wurden nach ihrer Festnahme zu langen Haftstrafen verurteilt. In den 1980er Jahren fand der Protest vor allem in den Subkulturen und in informellen Gruppen der Friedens- und Umweltbewegung am Rand der evangelischen Kirchen statt.
Zu den bekanntesten Protesten und Auseinandersetzungen gehörten
Forschungspolitisch gab es anfangs keine Parallele zur bundesrepublikanischen Shell-Jugendstudie, die im Westen seit 1953 regelmäßig erstellt wurde. Erst nach der Gründung des Deutschen Jugendinstituts 1963 in München wurde in der DDR die langjährige Tradition der Jugendforschung an der Universität Leipzig 1965 mit der Gründung des Zentralinstituts für Jugendforschung wiederaufgenommen. Die Ergebnisse wurden teilweise unter Verschluss gehalten.
Nach 1990 erforschte das Archiv der Jugendkulturen und andere Einrichtungen auch der Erforschung der Jugendkultur in der DDR zu. Das Webprojekt jugendopposition.de stellt zahlreiche Ereignisse der Geschichte von Jugendlichen in der DDR dar.
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