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Streitigkeiten um den Grenzverlauf des Staates Mandschukuo Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Japanisch-Sowjetische Grenzkonflikt von 1938/39 war Folge des Versuchs Japans, die Grenzen des Mandschukuostaats zur Sowjetunion weiter in Richtung Norden auszudehnen.
Bis zum Jahr 1900 war die Mandschurei im Einflussbereich Russlands. Im Zuge der japanischen Expansionsbestrebungen in Ostasien forderte Japan 1903 einen Rückzug der russischen Truppen aus der Mandschurei und die Anerkennung der japanischen Interessen in Korea. Der folgende Disput endete 1904 im Russisch-Japanischen Krieg, den Japan für sich entscheiden konnte. Russland musste 1905 die Mandschurei räumen, die wieder an China zurückgegeben wurde. Japan hatte nach dem Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg Korea als Einflussbereich gewonnen und interessierte sich für die Rohstoffvorkommen der Mandschurei. Um diese Rohstoffe aus der Mandschurei nach Korea zu bringen und von dort nach Japan verschiffen zu können, wurde die Südmandschurische Eisenbahn errichtet, die von der japanischen Kwantung-Armee bewacht wurde. Um die Rohstofflieferungen auch langfristig zu sichern, strebte man in Japan nach mehr politischem Einfluss in der Mandschurei. Auf den Mukden-Zwischenfall 1931, der von den japanischen Offizieren selbst initiiert worden war, folgte die Mandschurei-Krise, in der die Kwantung-Armee die Mandschurei besetzte und dort den Marionettenstaat Mandschukuo etablierte. Diese Okkupation wurde von Seiten der USA im Rahmen der Hoover-Stimson-Doktrin verurteilt, auch der Völkerbund protestierte, unternahm jedoch keine weiteren Schritte.
Die Expansionsbestrebungen Japans in China führten 1937 zum Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg. Aus weiteren Ausdehnungsplänen in Richtung Norden über die Grenze zur Sowjetunion und der Mongolei ergaben sich Streitigkeiten um den Grenzverlauf des Mandschukuostaats.
Aus der Sicht der sowjetischen Historiographie wurden mit der Schlacht am Chalchyn gol (auch Chalcha; russische Schreibweise, transkribiert: Chalchin-Gol, auch Chalchin Gol) die Expansionspläne Japans in Richtung Sowjetunion gestoppt. Die bewaffneten Provokationen der Japaner waren nach sowjetischer Geschichtsauffassung nur der Anfang zu einer großangelegten Operation. Dabei sollte der Einfluss der Sowjetunion auf die Mongolische Volksrepublik beseitigt und das Land dem japanischen Einfluss unterworfen werden.
Der Anlass für den Japanisch-Sowjetischen Grenzkonflikt war jedoch nur der ungeklärte Grenzverlauf. Die gegenseitigen Gebietsansprüche, von denen keine Seite abweichen wollte, bezogen sich auf wenige Kilometer. Mehrmalige bewaffnete Zusammenstöße zwischen berittenen mongolischen und mandschurischen Grenzpatrouillen führten allmählich zur Ausweitung des militärischen Konfliktes, wobei zuerst die japanische Seite und dann auch die sowjetische Seite Truppen heranführten.
Die japanische Seite äußerte eher den Wunsch, die Gewaltspirale zu beenden, um keine militärischen Kapazitäten von der Hauptstoßrichtung in China abziehen zu müssen. Auf sowjetischer Seite herrschte die Meinung vor, dass man es den Japanern „ein für allemal zeigen“ müsse, um eventuellen Annexionswünschen eine Abfuhr zu erteilen.
Bei aller Härte der Schlacht am Chalchin Gol errichteten die Japaner nur eine Front von 38 km Breite (in mehreren Linien gestaffelt), die von der Roten Armee auf beiden Seiten umgangen wurde (60 km sowjetische Frontbreite). Eine ernsthafte militärische Invasion hätte sich in ganz anderen Größenordnungen abgespielt. Auch sowjetische Historiker führen an, dass es sich noch nicht um eine Invasion, sondern zunächst nur um japanische Testangriffe gehandelt habe, die vor allem Aufschlüsse über Schnelligkeit und Umfang einer sowjetisch-mongolischen Reaktion im Falle einer Invasion erbringen sollte.
In den Kampfhandlungen ließen sich jedenfalls die strittigen Gebietsansprüche im Grenzgebiet nachhaltig durchsetzen. Aus sowjetischer Sicht hätten die Japaner erkennen müssen, dass eine Invasion der Mongolei auf heftigeren Widerstand als erwartet treffen würde.
Als der japanische Botschafter am 15. Juli 1938 von der Sowjetunion forderte, ihre Truppen von den zwei Anhöhen (высота) Besymjannaja (russisch высота Безымянная, deutsch namenlose Höhe, chin. Shachaofeng) und Saosjornaja (russisch высота Заозёрная, deutsch Anhöhe hinter dem See, chinesisch Changkufeng) am Chassansee (ca. 130 km südwestlich von Wladiwostok, Region Primorje) zurückzuziehen, kam die Sowjetunion den Forderungen nicht nach. So kam es am 29. Juli zu ersten Kampfhandlungen, welche die Rote Armee noch abwehren konnte. Am 31. Juli gelang den Japanern jedoch der Durchbruch und die sowjetischen Truppen zogen sich zurück. Da die Sowjetunion es aber schaffte, ihre Truppen neu zu organisieren und aufzufrischen, startete sie Anfang August einen Gegenangriff, durch den die Japaner zum Rückzug gezwungen wurden. Am 11. August endete der Konflikt, nachdem der japanische Botschafter um Frieden gebeten hatte. Dieser Vorfall wird im Westen auch nach dem chinesischen Namen als Changkufeng-Zwischenfall (japanisch chōkohōjiken) bezeichnet.[1]
Schlacht am Chalchin Gol „Nomonhan-Zwischenfall“ | |||||||||
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Datum | 11. Mai bis 16. September 1939 | ||||||||
Ort | Chalcha (Fluss), Mongolische Volksrepublik 47° 43′ 49″ N, 118° 35′ 24″ O | ||||||||
Ausgang | Sowjetisch-mongolischer Sieg | ||||||||
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Der Fluss Chalchin Gol liegt im Grenzgebiet zwischen der Mongolei und dem damaligen Mandschukuo. Die Grenzstreitigkeiten betrafen den Unterlauf des Flusses, der dort von Nord nach Süd verläuft, 130 m breit ist und relativ schnell fließt. Die Japaner beanspruchten den Fluss als Westgrenze Mandschukuos, während die Sowjetunion für die Mongolei einen 15 km breiten Gebietsstreifen am Ostufer beanspruchte. 25 km östlich liegt das Städtchen Nomonhan, das – vor allem in Japan – ebenfalls als Namensgeber für den Konflikt dient (ノモンハン事件, Nomonhan jiken, deutsch Nomonhan-Zwischenfall).
Als am 11. Mai 1939 eine etwa 70 bis 90 Mann starke Kavallerie-Einheit der Mongolischen Revolutionären Volksarmee in der umstrittenen Gegend am Ostufer des Flusses ihre Pferde grasen ließ, wurde sie von Mandschukuo-Truppen vertrieben. Als einige Tage später eine größere Einheit mongolischer Soldaten in das Gebiet einrückte, schafften es die Truppen aus Mandschukuo nicht mehr, sie zu vertreiben. Deshalb wurde die japanische 6. Armee der Kwantung-Armee zu Hilfe gerufen, die eine Aufklärungstruppe entsandte.
Die Gegend war für ernsthafte militärische Handlungen ungeeignet, da keinerlei Infrastruktur und Transportwege bestanden. Die Japaner hatten für den Truppen- und Ausrüstungstransport lediglich eine kleine Eisenbahnlinie mit geringer Kapazität bis Nomonhan, wo es nur einen sehr kleinen Bahnhof gab. Die restlichen 30 km bis zur Front mussten auf einer unbefestigten Straße zurückgelegt werden.
Von sowjetischer bzw. mongolischer Seite stellten sich die Transportmöglichkeiten noch schlechter dar. Die nächste Eisenbahnstation war ca. 350 km entfernt. Die Rote Armee setzte am Anfang, als der Konflikt langsam eskalierte, ein Eisenbahnbataillon ein, um eine Bahnstrecke an die Front zu bauen. Dadurch hatte die japanische Seite wenig militärische Kräfte am Konfliktherd, die sie kaum mit Nahrungsmitteln und schon gar nicht ausreichend mit Munition versorgen konnte, während die Sowjetunion ein Vielfaches an Truppen und Kampftechnik (besonders Artillerie) sowie Munition bereitstellen konnte. Die Übermacht der Roten Armee war bei der Artillerie dreifach bei zusätzlich überlegener Qualität der Waffen, bei der Truppenstärke zweifach und den sowjetischen Panzern hatten die Japaner nichts qualitativ Ebenbürtiges gegenüberzustellen.
Josef Stalin ließ einen Plan zur Vertreibung der Japaner ausarbeiten. Nach Zusammenziehungen von sowjetischen und mongolischen Truppen standen die Japaner einer Übermacht gegenüber. Bei der ersten ernsthaften Auseinandersetzung starben acht Offiziere und 97 Soldaten, ein Offizier und 33 Soldaten wurden verwundet. Die Kwantung-Armee hielt das Gebiet nun für zu unbedeutend, um weitere Truppen zu opfern. Nachdem Sowjets und Mongolen bei kleineren Gefechten im Juni einige Mandschukuo-Einheiten angegriffen hatten, erhielt der Kommandeur der 23. japanischen Division, Generalleutnant Komatsubara Michitarō die Erlaubnis, die Eindringlinge zu vertreiben.
Auf japanischer Seite kämpften Einheiten der japanischen 6. Armee:
Auf sowjetisch-mongolischer Seite wurden eingesetzt:
Geführt wurden die sowjetisch-mongolischen Truppen von:
Am 1. Juli starteten die Japaner ihre Operationen und schafften es, den Fluss zu überqueren, bis sie am Abend des 2. Juli von den sowjetischen Truppen zum Stehen gebracht wurden. Stalin hatte inzwischen Schukow als Befehlshaber im Fernen Osten eingesetzt, der nach dreitägigen schweren Kämpfen mit seinen Panzern die Japaner über den Fluss zurückdrängte. Während er insgeheim eine Großoffensive vorbereitete, taten dessen Truppen so, als bauten sie lediglich eine Verteidigungslinie auf. Mit schlecht verschlüsselten Funksprüchen wurde immer mehr Material zum Bau von Bunkern angefordert und Lautsprecher verbreiteten den Lärm von Dampframmen. Gleichzeitig führte Schukow im Schutz der Nacht Panzer zur Verstärkung heran und ließ sie sorgfältig tarnen.[2]
Am 23. Juli griffen die Japaner erneut an, konnten die sowjetische Verteidigungslinie aber nicht durchbrechen. Es war ihnen entgangen, dass Schukow seine Truppen auf 58.000 Mann, etwa 500 Panzer und 250 Flugzeuge aufgestockt hatte. Schukow startete am 20. August um 05:45 Uhr nach dreistündiger Artillerievorbereitung den Angriff mit Panzern, Flugzeugen, Infanterie und Kavallerie. Dem hatten die Japaner mit ihren veralteten Fahrzeugen nichts entgegenzusetzen. Ihre Artillerie besaß auch keine panzerbrechenden Granaten.[2] Die veraltete Taktik und Ausrüstung der Japaner hatte eine eklatante Niederlage zur Folge.
Die damalige japanische Verteidigungsdoktrin sah vor, dass die Position mit starkem Abwehrfeuer zu verteidigen und auf eine Entlastung zu warten sei. Dies war gegen schlecht ausgerüstete chinesische Truppen zwar sehr erfolgreich, doch die sowjetischen Panzer durchbrachen die Linien, schlossen zwei Divisionen ein und rieben die anderen Truppen auf.
Ein Ausbruchsversuch scheiterte am 22. August. Da die Truppen sich nicht ergeben wollten, wurde die japanische 6. Armee bis zum 30. August völlig aufgerieben.
Am 16. September unterzeichneten beide Seiten einen Waffenstillstand und einigten sich auf die existierenden Grenzen. Schukow erhielt für den Sieg das erste Mal (von insgesamt vier Malen) die Auszeichnung „Held der Sowjetunion“. So war der Konflikt im Osten beendet und – unter Vermeidung eines Militäreinsatz an zwei Fronten – der Weg wie die Streitkräfte frei zum Sowjetischen Einmarsch in Polen ab 17. September 1939.[3]
Der Ausgang der Kämpfe war durch das asymmetrische Kräfteverhältnis vorbestimmt. Noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstandes war eine japanische Division vernichtet. Die Rote Armee hatte sehr hohe Verluste an gepanzerten Fahrzeugen und Panzern. Die Japaner waren im Abwehrkampf sehr stark und psychologisch gut vorbereitet. Die sowjetische Armeeführung erkannte, dass das Vorrücken mit Panzerverbänden und gepanzerter Technik ohne gleichzeitige Artillerie- und Infanterieunterstützung sehr hohe Verluste nach sich ziehen kann.[4]
Auf Seite der japanischen Armee waren 30.000 Soldaten an dem Konflikt beteiligt, von denen nach japanischen Angaben 8.440 starben und 8.766 verwundet wurden. Die Rote Armee hatte 57.000 Infanteristen, 498 Panzer und 346 gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt und gab an, 9.284 Mann seien verwundet oder getötet worden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurden jedoch Dokumente veröffentlicht, die eine weitaus größere Zahl berichteten: 9.703 Getötete und Vermisste (6.472 Getötete und Tote an Wunden während der Evakuierung, 1.152 Tote an Wunden in Krankenhäusern, 8 Tote an Krankheiten, 2.028 Vermisste, 43 Nichtkampftote), 15.251 Verwundete und weitere 701 bis 2.225 Kranke, insgesamt zwischen 25.655 und 27.179 Opfer.[5][6][7]
Als Folge des Konfliktes versuchten die Japaner, weiter im Süden ihre Gebiete zu erweitern, und führten den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg massiv weiter, bis es zum Pazifikkrieg kam. Außerdem sorgte der Ausgang der Schlacht am Chalchin Gol dafür, dass Japan nicht die Sowjetunion angriff, um das verbündete Deutsche Reich zu unterstützen, so wie es Adolf Hitler nach dem Dreimächtepakt eigentlich erwartet hatte. Am 13. April 1941 unterzeichneten Japan und die Sowjetunion einen Neutralitätspakt.[8] Trotzdem war die Situation bei Angriffsbeginn des Ostfeldzuges am 22. Juni 1941 besser für Hitler, da viele Truppen der Roten Armee in diesem Gebiet gebunden blieben, da man eventuell weitere Angriffe befürchtete. Erst durch Funksprüche des Agenten Richard Sorge im August 1941 erfuhr die sowjetische Führung, dass der erwartete japanische Angriff ausbleiben würde und konnte daher große Teile der für den Winterkrieg gut ausgerüsteten Fernostarmee abziehen und auf dem europäischen Kriegsschauplatz einsetzen. Nach dem Angriff auf Pearl Harbor konnte die Rote Armee noch mehr Soldaten freibekommen und sie in der Schlacht um Moskau einsetzen.
Am 8. August 1945 kam es zu erneuten Kampfhandlungen. In der Konferenz von Jalta war vereinbart worden, dass die Sowjetunion 90 Tage nach dem Kriegsende in Europa Japan und dessen Verbündete angreifen sollte. Diese Vereinbarung hielt die Rote Armee auf den Tag genau ein und begann gleichzeitig mit dem Atombombenabwurf auf Nagasaki mit über einer Million Soldaten die Sowjetische Invasion der Mandschurei.[9]
Gemäß den in der Kairoer Erklärung formulierten alliierten Kriegszielen wurde das besetzte Gebiet 1946 von der Sowjetunion an die Republik China zurückgegeben.
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