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Museum in Deutschland Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum (DBSM) in Leipzig ist das älteste Fachmuseum seiner Art und wurde 1884 als Deutsches Buchgewerbe-Museum gegründet. Heute ein Teil der Deutschen Nationalbibliothek, wird es seit 2007 von Stephanie Jacobs geleitet.[1]
Das Museum sammelt, bewahrt und erschließt wertvolle Zeugnisse der Buch-, Schrift-, Druck- und Papierkultur. Die Bereitstellung einmaliger Studiensammlungen (etwa 1 Million Bestandseinheiten) und der zugehörigen Fachliteratur für wissenschaftliche Zwecke, insbesondere für die Buch- und Papiergeschichtsforschung, ist ein wesentliches Anliegen der musealen Arbeit. Neben einer Dauerausstellung bringt das Museum wechselnde thematische Ausstellungen an die Öffentlichkeit.
Hauptinitiator der Museumssammlungen war der Buchhändler Carl Berendt Lorck. Den Grundstock des Bestands bildet die 1886 auf Beschluss des Sächsischen Landtags aufgekaufte Sammlung des Verlegers Heinrich Klemm, die dem Deutschen Buchgewerbeverein zur Ausstellung in seinem Buchmuseum überlassen wurde.[2] Sie umfasst heute rund 67.000 Titel, darunter befinden sich rund 23.000 museale Drucke von der Inkunabelzeit bis zum 21. Jahrhundert, ferner auch Orientalia und Handschriften (hier insbes. die Elisabeth-Handschrift von 1481[3]). Innerhalb der Musealen Buchsammlungen kommen die Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (u. a. Fachadressbücher, Schriftmuster, Schreibmeisterbücher, Messkataloge) sowie 45.000 Objekte der Sammlung Künstlerische Drucke hinzu. Letztere dokumentiert die Buchgestaltung vom 20. Jahrhundert an und wurde ursprünglich durch die Deutsche Bücherei angelegt. Sie bis heute beständig erweitert durch Künstlerbücher, Pressendrucke und prämierte Bücher (so durch die Stiftung Buchkunst, bspw. aus dem Wettbewerb Schönste Bücher aus aller Welt).[4]
Das Museum verfügt über rund 150.000 Archivalien zur Geschichte des Buchhandels, bspw. Briefe (so etwa die Sammlung des goethezeitlichen Verlegers Georg Joachim Göschen), über 1.000 Porträts, etwa 18.000 Druckermarken und Verlagssignets, etwa 25.000 Geschäftsrundschreiben, 60 lfd. m Verlagskataloge und Prospekte, bis hin zu ganzen Verlagsarchiven (z. B. Gustav Fischer Verlag, Verlag Langewiesche) und buchhändlerischen und buchwissenschaftlichen Nachlässen (z. B. Paul Gotthelf Kummer, Herbert Grundmann, Gerhard Menz). Den Grundstock bildet das Archiv des Leipziger Börsenvereins, gegründet 1844, jedoch mit etlichen älteren Beständen. Allein das Foto- und Medienarchiv des Börsenblatts umfasst etwa 90.000 Objekte. Die Nachkriegszeit der Branche wird seit 2012 durch die Bestände des Frankfurter Börsenvereins wesentlich ergänzt.[5]
Die Papierhistorischen Sammlungen umfassen mit 400.000 Exemplaren die weltweit größte erschlossene Sammlung von Wasserzeichen – eine essentielle Hilfe bei Echtheitsprüfungen und der Herkunfts- und Altersbestimmung von Papieren. Hinzu kommt eine der bedeutendsten Buntpapiersammlungen weltweit, ursprünglich zusammengetragen von Franz Bartsch und Ernst Seegers.[6] Sammlungen der selten erhaltenen Riesaufdrucke (Etiketten für 1 Ries, d. h. 500 Bogen Druckpapier), Papierproben aus über 600 in- und ausländischen Papierfabriken sowie Archivalien zur Papiergeschichte runden die Bestände ab.[7]
Die Grafische Sammlung dokumentiert gestalterische, künstlerische und drucktechnische Aspekte des Buch- und Schriftwesens, z. B. durch Arbeiten einzelner Akteure, Musterbeispielen bestimmter Drucktechniken, Kalligrafisches und Typografisches, Gebrauchsgrafik, Klein- und Akzidenzdrucke usw. Nach schweren Verlusten im Zweiten Weltkrieg beläuft sich die Sammlung auf mehr als 43.000 Einzelblätter und Blattfolgen, u. a. 2.900 Exlibris, zahlreiche Bilderbögen und die Erzeugnisse der Reichsdruckerei zu nennen. Eine Sonderrolle spielen die noch kaum beforschten grob geschätzt 50.000 politischen Plakate, die den Ersten Weltkrieg und die folgenden Revolutionsjahre sowie die NS- und die DDR-Zeit abdecken.[8][9]
Technische Zeugnisse der Buch- und Schriftgeschichte stehen im Mittelpunkt der Kulturhistorischen Sammlung, zu deren etwa 9.000 Objekten Geräte und Materialien zur Handschrift, zum Schriftsatz und Schriftgießen, zum Druck in verschiedensten Formen (bis hin zum modernen 3D-Druck), zur Papierherstellung und -verarbeitung, zur Buchbinderei, sowie weiterhin zur Werbung und Vermittlung von Buch und Schrift gehören. Nach Zugängen aus dem Deutschen Papiermuseum Greiz (1964) wurde die Sammlung in den 1990ern insbesondere durch Zeugnisse der polygrafischen Industrie der ehemaligen DDR bereichert (u. a. C. G. Röder, Brockhaus, Gebr. Brehmer, Offizin Andersen Nexö). Die Freiberger Papierfabrik zu Weißenborn GmbH überließ 1994 nach der Übernahme durch Felix Schoeller den überwiegenden Teil seiner Egoutteure. Großzügige Schenkungen des südkoreanischen Early Printing Museum zu frühen ostasiatischen Drucktechniken erweitern die Perspektive.[10]
Hinzu kommen über 60 Nachlässe oder sonstige heterogene Spezialsammlungen. Vertreten sind hier die deutsche (besonders auch ostdeutsche) Buch- und Schriftgestaltung des mittleren und späten 20. Jahrhunderts, allen voran der „Jahrhunderttypograf“[11] Jan Tschichold, weiterhin Grafiker und Buchgestalter wie Erich Gruner, Walter Tiemann, Egbert Herfurth, Hans Ticha, Karl Stratil, Horst Hussel, Günter Horlbeck und Irmgard Horlbeck-Kappler, andererseits Schriftgestalter wie Herbert Post, Albert Kapr, Hans Peter Willberg, Axel Bertram, Walter Schiller, Gert Wunderlich und Hildegard Korger, ferner Papierhistoriker wie der ehemalige Museumsdirektor Hans H. Bockwitz.[12][13] Thematisch enger eingegrenzt sind bspw. die Comic-Sammlung Armin Abmeier, die Sammlung Hartung zu Pop-up-Büchern und ähnlichen beweglichen Buchformen[14], die von Gerhard Hartmann gestifteten buchkünstlerischen Objekte[15] und die Buchtüten-Sammlung Lehmstedt[16].
Am 29. Oktober 1884 erfolgte die Gründung als Deutsches Buchgewerbe-Museum, es handelt sich damit um das älteste Buchmuseum der Welt. Es hatte seinen Sitz zunächst in der Buchhändlerbörse in der Ritterstraße, ab 1888 im Buchhändlerhaus in der Hospitalstraße und ab 1900 im Buchgewerbehaus in der Dolzstraße. 1914 übernahm das Museum bedeutende Ausstellungsstücke von der Bugra, der Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, auf der sich Leipzig auf dem Höhepunkt seines Einflusses auf diesen Gebieten zeigte.
In der Inflationszeit zu Beginn der 1920er Jahre geriet das Museum in große Existenznot und konnte weder Gehälter, noch Miete und Heizung bezahlen. Rettung bot eine Künstlerspende, an der sich u. a. Lovis Corinth, Paul Klee, Käthe Kollwitz und Oskar Kokoschka beteiligten.[17]
1939 zog das Museum in einen 1936 bis 1938 errichteten Erweiterungsbau des Deutschen Buchgewerbehauses am Gutenbergplatz und eröffnete am 22. Juni 1940 (Johannistag) in einer Feierstunde aus Anlass der Fünfhundert-Jahrfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johannes Gutenberg[18] eine neue Schausammlung.[19] Die Präsentation erstreckte sich auf 22 Räume.[20] Im Zweiten Weltkrieg wurde das Museum durch einen schweren Luftangriff in der Nacht zum 4. Dezember 1943 so sehr beschädigt, dass drei Viertel des Buchbestandes zerstört wurden.[21] Einige der wertvollsten Stücke, darunter eine Gutenberg-Bibel und die Becher'sche Sammlung historischer Einbände, waren zuvor nach Schloss Rauenstein ins Erzgebirge ausgelagert worden. Dort wurden sie im September 1945 von einer Trophäenkommission[22] der Roten Armee beschlagnahmt und nach Moskau gebracht, wo sie sich bis heute in der Russischen Staatsbibliothek befinden.[23] Die 1901 bzw. 1911 erworbenen Buntpapiersammlungen von Ernst Seegers bzw. Franz Bartsch hatten den Luftangriff in Leipzig überstanden.[24] In all diesen kritischen Jahren spielte die Bibliothekarin Martha Debes, die für das Museum von 1926 bis 1979 tätig war, eine herausragende Rolle.[25]
Seit 1950 gehört das Museum als eine Abteilung zur damaligen Deutschen Bücherei Leipzig und ab 2006 zur Deutschen Nationalbibliothek. 1954 wurde die Sammlung der unter dem Direktor Heinrich Uhlendahl begründeten und von Julius Rodenberg geleiteten Abteilung für kostbare Drucke in das Museum integriert, die u. a. eine Auswahl aus Buchkunstwettbewerben wie den Schönsten deutschen Büchern (seit 1927) dokumentiert.[26] Als die Deutsche Bücherei 1962 das Jubiläum ihres fünfzigjährigen Bestehens feierte, wurde vom Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig jener Teil der ehemaligen Bibliothek übergeben, der die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs überstanden hatte.[27] Das Deutsche Papiermuseum, das 1897 als Privatinitiative von Karl Theodor Weiß gegründet worden war und von 1957 bis 1964 in Greiz als staatliche Einrichtung unter der Leitung von Wisso Weiß bestanden hatte, wurde 1964 als Sachgebiet in das Museum übernommen.
Eine Expertenkommission unter der Leitung von Bernhard Fabian legte 1994 eine Denkschrift vor, die sich mit der Weiterentwicklung des Museums als Ausstellung und Arbeitsstätte für die Buchforschung befasste.[28] Am 24. September 2009 wurde im Rahmen einer öffentlichen Festveranstaltung der 125-jährige Geburtstag des Museums gefeiert. „Der »Blick zurück nach vorn« war […] Gegenstand einer Podiumsdiskussion zum Thema »Buch-Orte gestern und morgen«, die im Mittelpunkt der Geburtstagsfeier stand.“[29]
2007 war der Baubeginn für einen auf einem Entwurf der Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler basierenden Erweiterungsbau, der im Mai 2011 eröffnet wurde.[30] Die neue Dauerausstellung „Zeichen Bücher Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode“ wurde am 13. März 2012 eröffnet.[31][32] Unter dem gleichen Titel wurde am 18. Mai 2014 die erste virtuelle Ausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums veröffentlicht. Sie ist zweisprachig, frei zugänglich und bietet in elf Themenmodulen – darunter Handschriftenkultur, Buchdruck, Zensur und Lesewelten – vielfältige Einblicke in die Geschichte der Medien.[33]
Seitens der Deutschen Nationalbibliothek sind dem Museum mehrere historische Sammlungen des Hauses zugeordnet worden. Die Bibliothek der deutschen Reichsversammlung (Reichsbibliothek) aus den Jahren 1848/49 war der Deutschen Bücherei in Leipzig 1938 vom Germanischen Nationalmuseum übergeben worden – und wurde ausdrücklich zur historischen Vorläuferin stilisiert.[34] Die 1970 neu gegründeten Sammlung Sozialistica geht in ihrem Grundstock auf ein Geschenk des Verlegers Johann Heinrich Wilhelm Dietz zurück, der 1916 seine sozialdemokratische Privatbibliothek der Deutschen Bücherei in Leipzig vermacht hatte.[35] Ein beispielhafter Ausschnitt des ehemaligen Sperrbestandes der Nationalbibliothek gibt Einblick in die bis in die 1990er übliche Praxis der Separierung zahlreicher Titel aus moralischen oder politischen Gründen.[36]
Direktorinnen und Direktoren
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