Die archimedischen Körper sind eine Klasse von regelmäßigen geometrischen Körpern. Sie sind konvexe Polyeder (Vielflächner) mit folgenden Eigenschaften:

  1. ihre Seitenflächen sind regelmäßige Polygone (Vielecke),
  2. alle Ecken des Körpers verhalten sich zueinander völlig gleich (Uniformität der Ecken), und
  3. sie sind weder platonische Körper noch Prismen oder Antiprismen.
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Beispiel eines archimedischen Körpers: der Hexaederstumpf

Je nach Zählweise gibt es 13 oder 15 solcher Körper. Sie sind nach dem griechischen Mathematiker Archimedes benannt, der sie alle vermutlich bereits im dritten Jahrhundert vor Christus entdeckte. Die Schrift des Archimedes ist nicht erhalten, es ist nur eine Zusammenfassung des alexandrinischen Mathematikers Pappos (4. Jahrhundert nach Christus) überliefert.[1]

Definition

Die exakte Definition der Uniformität der Ecken bereitet einige Mühe und ist nicht immer einheitlich.[2]

Zunächst betrachtet man alle konvexen Polyeder, deren Seitenflächen regelmäßige Polygone sind und die die globale Uniformität der Ecken erfüllen:

Die Symmetriegruppe des Polyeders operiert transitiv auf seinen Ecken.

Das bedeutet anschaulich:

Zu jedem Paar von Ecken des Polyeders ist es möglich, das Polyeder so zu drehen und zu spiegeln, dass die Ecke dort zu liegen kommt, wo zuvor die Ecke war, und die beiden Positionen des Polyeders vor und nach der Drehung nicht zu unterscheiden sind.

Es gibt mehrere einfache Klassen von konvexen Polyedern, die alle diese Eigenschaften erfüllen:

  • Die fünf platonischen Körper.
  • Alle Prismen, die aus genau zwei kongruenten regelmäßigen n-Ecken und n Quadraten bestehen. Zu jeder natürlichen Zahl existiert ein solches Prisma. An einer Ecke treffen stets ein n-Eck und zwei Quadrate zusammen. Im Fall ergibt sich ein Würfel, also ein platonischer Körper.
  • Alle Antiprismen, die aus genau zwei kongruenten n-Ecken und 2n gleichseitigen Dreiecken bestehen. Zu jeder natürlichen Zahl existiert ein solches Antiprisma. An einer Ecke treffen stets ein n-Eck und drei Dreiecke zusammen. Im Fall ergibt sich ein Oktaeder, also ein platonischer Körper.

Die archimedischen Körper sind nun definiert als alle konvexen Polyeder mit regelmäßigen Seitenflächen, die die globale Uniformität der Ecken erfüllen und nicht in eine dieser drei genannten Klassen fallen.

Eigenschaften

  • Unterscheidet man nicht zwischen ähnlichen Körpern, so existieren genau 13 archimedische Körper. Von zweien dieser Körper – dem abgeschrägten Hexaeder und dem Abgeschrägten Dodekaeder – existieren je zwei spiegelbildlich entgegengesetzte Varianten, welche nicht durch Drehung ineinander übergeführt werden können. Diese werden gelegentlich doppelt gezählt, so dass sich nach dieser Zählweise dann insgesamt 15 archimedische Körper ergeben.
  • Weil die Seitenflächen regelmäßige Polygone sind, gilt: Alle Kanten eines archimedischen Körpers haben die gleiche Länge.
  • Aus der globalen Uniformität der Ecken folgt die lokale Uniformität der Ecken:
An jeder Ecke treffen im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn abgelesen dieselben Typen von Polygonen zusammen.
  • Aus der lokalen Uniformität der Ecken folgt jedoch im Allgemeinen nicht die globale Uniformität. Ein Gegenbeispiel liefert das Pseudo-Rhombenkuboktaeder.
  • Die Flächenfolge an einer Ecke charakterisiert jeden archimedischen (sowie auch platonischen) Körper eindeutig.
  • Die zu den archimedischen Körpern dualen Polyeder sind die catalanischen Körper. Die charakteristische Eigenschaft dieser Körper ist die Uniformität der Flächen, welche sich aus der Uniformität der Ecken der archimedischen Körper ergibt.
  • Jeder archimedische Körper kann durch Abstumpfen aus einem platonischen Körper erzeugt werden. Bei vielen archimedischen Körpern deutet auch der Name darauf hin. Mit Abstumpfen eines Körpers ist hier gemeint, dass dem Körper beliebige Stücke weggeschnitten werden, dabei aber die Flächen des Körpers – in aller Regel verkleinert – als Flächen des abgestumpften Körpers erhalten bleiben.
  • Wenn ein archimedischer Körper durch Abstumpfen aus einem platonischen Körper erzeugt werden kann, dann kann er auch aus dem dazu dualen platonischen Körper durch Abstumpfen erzeugt werden.

Ableitungen aus den platonischen Körpern

Die meisten archimedischen Körper lassen sich auf anschauliche Weise aus den platonischen Körpern ableiten. Die einfachste Operation ist das Abstumpfen, die Rektifikation, das Doppelabstumpfen und die Doppelrektifikation. Dabei handelt es sich um verschieden starke Varianten des Abstumpfens. Die Abstumpfungsebenen (Schnittebenen) werden dabei konzentrisch so weit in Richtung Mittelpunkt des vorliegenden platonischen Körpers geschoben, bis sich Seitenflächen des platonischen Körpers oder diese Schnittebenen in einem Punkt treffen oder Schnittkanten dieser Seitenflächen oder Schnittebenen dieselbe Länge haben wie die verbleibenden Restkanten des ursprünglichen platonischen Körpers. Etwas anspruchsvoller sind die Kantellation, das Abschrägen und die Kantitrunkation. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die entstehenden Körper:

Im Fall des Tetraeders sind nicht alle entstehenden Polyeder archimedische Körper. Durch Doppelabstumpfen entsteht das Oktaeder und durch Abschrägen entsteht das Ikosaeder.

Die einzelnen archimedischen Körper

Weitere Informationen Name, Bilder ...
NameBilderFlächenKantenEckenFlächenfolge
an den Ecken
Symmetrie-
gruppe
Dualer Körper
Tetraederstumpf Thumb Thumb 8 4 Dreiecke
4 Sechsecke
18 12 3, 6, 6
Thumb
Td Triakistetraeder
Kuboktaeder Thumb Thumb 14 8 Dreiecke
6 Quadrate
24 12 3, 4, 3, 4
Thumb
Oh Rhombendodekaeder
Hexaederstumpf Thumb Thumb 14 8 Dreiecke
6 Achtecke
36 24 3, 8, 8
Thumb
Oh Triakisoktaeder
Oktaederstumpf Thumb Thumb 14 6 Quadrate
8 Sechsecke
36 24 4, 6, 6
Thumb
Oh Tetrakishexaeder
Rhombenkuboktaeder Thumb Thumb 26 8 Dreiecke
18 Quadrate
48 24 3, 4, 4, 4
Thumb
Oh Deltoidalikositetraeder
Großes Rhombenkuboktaeder
oder Kuboktaederstumpf
Thumb Thumb 26 12 Quadrate
8 Sechsecke
6 Achtecke
72 48 4, 6, 8
Thumb
Oh Hexakisoktaeder
Abgeschrägtes Hexaeder
oder Cubus simus
Thumb Thumb 38 32 Dreiecke
6 Quadrate
60 24 3, 3, 3, 3, 4
Thumb
O Pentagonikositetraeder
Ikosidodekaeder Thumb Thumb 32 20 Dreiecke
12 Fünfecke
60 30 3, 5, 3, 5
Thumb
Ih Rhombentriakontaeder
Dodekaederstumpf Thumb Thumb 32 20 Dreiecke
12 Zehnecke
90 60 3, 10, 10
Thumb
Ih Triakisikosaeder
Ikosaederstumpf
oder Fußballkörper
Thumb Thumb 32 12 Fünfecke
20 Sechsecke
90 60 5, 6, 6
Thumb
Ih Pentakisdodekaeder
Rhombenikosidodekaeder Thumb Thumb 62 20 Dreiecke
30 Quadrate
12 Fünfecke
120 60 3, 4, 5, 4
Thumb
Ih Deltoidalhexakontaeder
Großes Rhombenikosidodekaeder
oder Ikosidodekaederstumpf
Thumb Thumb 62 30 Quadrate
20 Sechsecke
12 Zehnecke
180 120 4, 6, 10
Thumb
Ih Hexakisikosaeder
Abgeschrägtes Dodekaeder
oder Dodecaedron simum
Thumb Thumb 92 80 Dreiecke
12 Fünfecke
150 60 3, 3, 3, 3, 5
Thumb
I Pentagonhexakontaeder
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Raumfüllungen mit archimedischen Körpern

Der dreidimensionale euklidische Raum kann lückenlos mit platonischen Körpern oder archimedischen Körpern gleicher Kantenlänge ausgefüllt werden. Solche dreidimensionalen Parkettierungen werden Raumfüllung genannt. Die folgenden Raumfüllungen enthalten archimedischen Körper:

Der dreidimensionale euklidische Raum kann mit Oktaederstümpfen lückenlos parkettiert werden kann. Das ist der einzige archimedischen Körper, mit dem das möglich ist.

Das Pseudo-Rhombenkuboktaeder

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Pseudo-Rhombenkuboktaeder
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Drahtgittermodell eines Pseudo-Rhombenkuboktaeders

Lange Zeit benutzte man für die Definition der archimedischen Körper nicht die globale, sondern die anschaulichere lokale Uniformität der Ecken. Erst im Jahr 1930 stellte der britische Mathematiker J. C. P. Miller fest, dass ein konvexes Polyeder mit regelmäßigen Seitenflächen existiert, welches die lokale Uniformität der Ecken erfüllt, aber bisher nicht als archimedischer Körper erkannt worden war. Dieses Polyeder entsteht, wenn man beim Rhombenkuboktaeder eine Kappe um 45 Grad verdreht. Es wird als Pseudo-Rhombenkuboktaeder, als Miller’s solid oder als Johnson-Körper bezeichnet.

In jeder Ecke dieses Körpers stoßen wie beim Rhombenkuboktaeder drei Quadrate und ein Dreieck zusammen, die lokale Uniformität der Ecken ist also gegeben. Im Gegensatz zu den klassischen archimedischen Körpern können trotzdem zwei verschiedene Typen von Ecken unterschieden werden. Dazu ist es aber notwendig, nicht nur die direkten Nachbarflächen der Ecke zu betrachten, sondern zur Unterscheidung auch die weiter entfernten Nachbarflächen der Ecke mit einzubeziehen.

Gelegentlich klassifiziert man das Pseudo-Rhombenkuboktaeder als 14. archimedischen Körper. In der Regel herrscht aber die Meinung vor, dass es aufgrund der unterschiedlichen Typen von Ecken nicht als archimedischer Körper angesehen werden sollte. Die Forderung der starken Uniformität der Ecken sorgt dann dafür, dass das Pseudo-Rhombenkuboktaeder aus der Definition ausgeschlossen wird.

Man kann spekulieren, dass möglicherweise bereits Kepler das Pseudo-Rhombenkuboktaeder kannte, denn einmal spricht er von vierzehn archimedischen Körpern.[3]

Siehe auch

Literatur

  • Paul Adam, Arnold Wyss: Platonische und Archimedische Körper, ihre Sternformen und polaren Gebilde. Verlag Freies Geistesleben u. a., Stuttgart 1984, ISBN 3-7725-0965-7 (2. Auflage. Haupt u. a., Bern 1994).
  • Peter Cromwell: Polyhedra. Cambridge UP 1997
  • H. S. M. Coxeter: Regular Polytopes, London 1948, 2. Auflage 1963, 3. Auflage Dover 1983
  • László Fejes Tóth: Reguläre Figuren. Verlag der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest 1965 (Englisch: Regular Figures, Springer 1964)

Einzelnachweise

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