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Nukleinsäure, die Bestandteil der Ribosomen in lebenden Zellen ist Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die ribosomale Ribonukleinsäure (rRNA) ist die Ribonukleinsäure, aus der zusammen mit Proteinen die Ribosomen aufgebaut sind.
Ribosomale RNA wird im Nucleolus durch Transkription anhand einer DNA-Vorlage erzeugt (der rDNA). Hierbei bewirkt zunächst eine RNA-Polymerase den Aufbau zahlreicher RNA-Stränge gleicher Zusammensetzung.[2] Im Nucleolus wird deren Nukleotidsequenz verändert, wobei manche Teile (ITS-Sequenzen) entfernt, über 200 Nukleinbasen enzymatisch modifiziert werden.[3] Die rRNA bindet anschließend an ribosomale Proteine (ca. 50 Proteine bei Prokaryoten, ca. 80 bei Eukaryoten), wodurch Ribosomen entstehen. Als RNA-bindende Proteine gehören diese Proteinkomplexe zu den Ribonukleoproteinen.
Das Ribosom ist der Ort der Proteinbiosynthese. Drei oder vier verschiedene rRNA-Moleküle sind am Aufbau eines Ribosoms beteiligt. Die ribosomale Ribonukleinsäure hat in diesem Verbund neben einer enzymatischen Funktion (als Ribozym) auch strukturelle und Erkennungsfunktionen. So wird z. B. die Peptidbindung aufeinanderfolgender Aminosäuren von der rRNA katalysiert, während enzymatische Aktivität in Lebewesen sonst meist von Proteinen ausgeübt wird. Um den hohen Bedarf der Zelle an rRNA decken zu können – die rRNA kann bis zu 90 % der Gesamt-RNA einer Zelle ausmachen – findet sich die rDNA-Vorlage mehrfach bis vielfach auf den Chromosomen.
Ribosomen von Prokaryoten enthalten drei unterschiedlich große rRNA-Moleküle,[4][5] die der Eukaryoten vier.[6][Anm. 1] Dabei organisiert sich die rRNA bei allen zellulären Organismen grundsätzlich in zwei ribosomalen Untereinheiten:
Die Größe der rRNAs wird herkömmlich nach ihrem Sedimentationsverhalten in Svedberg (S) angegeben. Diese variiert mit der Anzahl der Nukleinbasen bzw. Nukleotiden der betreffenden rRNA-Moleküle je nach Spezies. Die Angaben der Tabelle sind insofern Beispiele:
Ribosom | Untereinheit | rRNA | Nukleotide |
---|---|---|---|
80S | LSU: 60S | 28S | 4718 nt |
5,8S | 160 nt | ||
5S | 120 nt | ||
SSU: 40S | 18S | 1874 nt |
Die eukaryotische 5,8S- und 28S-rRNA entsprechen zusammen in Größe und Funktion in etwa der prokaryotischen 23S-rRNA, zuzüglich so genannter Expansionssegmente (en. expansion segment, ES, genauer ES39), die an der Oberfläche des Ribosoms lokalisiert sind und von denen ursprünglich annahm, dass sie nur in Eukaryoten vorkommen. Inzwischen hat man jedoch bei den Lokiarchaeota und Heimdallarchaeota (aus der Gruppe der Asgard-Archaeen, die als die nächsten archaealen Verwandten von Eukaryoten angesehen werden, siehe Eozyten-Hypothese) zwei große (supersized) ESs in ihren 23S-rRNAs gefunden.[7][8] Beim halophilen Archaeon Halococcus morrhuae (Haloarchaeen, Euryarchaeota) enthält die 5S-rRNA ebenfalls eine 108-Nukleotid-Insertion.[9][10]
Die eukaryotische SSU enthält in ihrer 18S-rRNA ebenfalls ESs. SSU-ESs sind aber im Allgemeinen kleiner als LSU-ESs.[11]
Die 16S-rRNA macht zusammen mit verschiedenen Proteinen ca. 2/3 der Masse der kleineren 30S-Untereinheit der prokaryotischen Ribosomen aus und hat eine wichtige Funktion in der Initiationsphase der Translation: Durch Basenpaarung bindet das 3'-Ende der 16S-rRNA an die Shine-Dalgarno-Sequenz der mRNA. Dadurch wird das Startcodon der mRNA in die richtige Position im Ribosom gebracht. Diese Position heißt P-Stelle.
Das bakterielle Gen für 16S-rRNA enthält neun hypervariable Regionen (V1-V9) mit einer Länge von etwa 30 bis 100 Basenpaaren, die an der Sekundärstruktur dieser SSU beteiligt sind.[12] In einer Studie von Chakravorty et al. aus dem Jahr 2007 charakterisierten die Autoren die Regionen V1-V8 einer Reihe von Krankheitserregern, um festzustellen, welche hypervariablen Regionen für krankheitsspezifische und breit angelegte Tests am nützlichsten sind. Unter anderem stellten sie fest, dass die V3-Region bei allen getesteten Erregern am besten zur Identifizierung der Gattung geeignet war und dass die V6-Region am genauesten zur Unterscheidung der Spezies aller getesteten und vom CDC überwachten Erreger (darunter Bacillus anthracis) geeignet ist.[13]
Die Regionen der Chromosomen, die die rDNA beherbergen, lagern sich im Zellkern während der Interphase des Zellzyklus zu einem oder mehreren Nucleoli, auch Kernkörperchen genannt, zusammen. Die rRNA wird dort von der RNA-Polymerase I synthetisiert, während prä-mRNA von RNA-Polymerase II synthetisiert wird. Dabei wird zunächst eine 45S-Prä-rRNA erzeugt, deren Prozessierung die 18S-, 5,8S- und 28S-rRNAs in gleicher Anzahl liefert. Lediglich die 5S-rRNA wird davon unabhängig an anderer Stelle und zwar durch die RNA-Polymerase III transkribiert. Diese und die ribosomalen Proteine (die im Cytosol synthetisiert wurden) werden zum Kernkörperchen gebracht, wo sich daraus die große und die kleine Untereinheit des Ribosoms bilden, um anschließend aus dem Kern ausgeschleust zu werden. Nackte, d. h. nicht von Proteinen bedeckte RNA würde zu schnell beschädigt werden. Ein spezieller Regulationsmechanismus sorgt dafür, dass die 5S-rRNA in der passenden Menge gebildet wird.
Die Sequenz der rRNA wird im Zuge phylogenomischer Untersuchungen zur Bestimmung von Verwandtschaftsgraden bestimmt (rRNA und ITS).[14][15][16] Dadurch kann ein phylogenetischer Baum erstellt werden. Andere Marker sind der Elongationsfaktor Tu (EfTu), das Gen der Untereinheit I der Cytochrom-c-Oxidase, das Gen des Cytochrom b der Cytochrom-c-Reduktase, die Gene für die ATP-Synthetase und die Gene von Hitzeschockproteinen.
Die Antibiotika-Klassen der Tetracycline und der Aminoglycoside binden an rRNA.[17][18]
Ribosomale RNA erlangte in den letzten Jahrzehnten enorme Bedeutung als Werkzeug zur Aufklärung der Stammesgeschichte, Evolution des Lebens und der Erforschung verwandtschaftlicher Beziehungen unter den Organismen. Die Analyse der rRNA ist heute eine anerkannte Methode zur Einordnung einer Art in den universellen Stammbaum des Lebens und zur Ermittlung der nächstverwandten Arten. So ist die erwähnte Ähnlichkeit der RNA aus Mitochondrien und Plastiden eine starke Stütze der Endosymbiontenhypothese für diese Organellen.
Ribosomale RNA war wahrscheinlich bereits Bestandteil der ersten lebenden Einheiten auf der Erde und damit der Vorfahren aller heute lebenden Organismen (Endosymbiontentheorie). Sie gehört zur Grundausstattung jeder heute lebenden Zelle. Gleichzeitig hat sie in allen Organismen die gleiche Funktion und die Gene der rRNA unterliegen wahrscheinlich nur selten einem horizontalen Gentransfer. Man geht deshalb davon aus, dass die rRNA-Moleküle in allen Organismen mit vergleichbarer Geschwindigkeit evolvieren und nicht nur die Entwicklungsgeschichte des jeweiligen rRNA-Genes, sondern die eines gesamten Organismus widerspiegeln. Sie gelten als ideale „molekulare Chronometer“, mit deren Hilfe sich verwandtschaftliche Beziehungen unter den Organismen rekonstruieren lassen.
RNA ist ein instabileres Molekül als DNA und ihre Analyse daher technisch aufwendiger. Deshalb arbeitet man in der Praxis fast immer mit den Genen der rRNA, also der rDNA und leitet hiervon die Sequenz der rRNA ab.
Die auf Basis der ribosomalen RNA entwickelten Stammbäume gelten inzwischen als zuverlässig und die meisten der hiermit errechneten Verwandtschaftsbeziehungen wurden auch mit anderen Methoden bestätigt. Dennoch kann die Anwendung der rRNA-Methode nicht allein für die korrekte Einordnung eines Organismus herangezogen werden. Die errechnete Position im Stammbaum muss stets mit anderen Methoden bestätigt werden. Hierzu zählen nach wie vor auch morphologische und physiologische Merkmale. So ist es beispielsweise nicht möglich, allein auf Basis einer rRNA-Analyse eine neue Art zu definieren.
Große Bedeutung hat die rRNA-basierte Phylogenetik bei Mikroorganismen, denn Einzeller sind anhand morphologischer und physiologischer Merkmale allein schwer einzuordnen. Hier bietet die Analyse der ribosomalen RNA eine schnelle und zuverlässige Ergänzung. Anhand empirischer Daten geht man heute davon aus, dass Bakterien, deren 16S-rRNA-Sequenzen zu 97–98 % übereinstimmen, einer Art zugerechnet werden können.
Man hat aus verschiedenen Umweltproben (zum Beispiel Wasser, Boden oder Klärschlamm) DNA isoliert und hieraus rRNA-Sequenzen bestimmt. In einem Gramm Waldboden fand man so zum Beispiel rRNA-Gene von etwa 13.000 (!) verschiedenen „Arten“. Vergleicht man diese Sequenzen mit denen von kultivierbaren und daher bekannten Mikroorganismen, kann man abschätzen, dass wir heute nur 1–5 % aller Mikroorganismen überhaupt kennen. Von der Existenz der übergroßen Mehrheit aller Bakterien und Archaeen weiß man nur durch ihre rRNA-Sequenzen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wovon sie leben und welche Rolle sie in der Natur spielen.
Alle bisher gültig beschriebenen (das heißt kultivierbaren) Bakterien werden – je nach Autor – derzeit in 26 Phyla oder Stämme eingeordnet. Jedoch verteilt sich die übergroße Mehrheit aller Bakterien auf nur wenige Stämme, zum Beispiel auf die Proteobacteria, Firmicutes und Actinobacteria. Die meisten Phyla werden hingegen nur durch einen oder wenige kultivierbare Vertreter repräsentiert (zum Beispiel Acidobacteria), obwohl man weiß, dass diese Gruppen viel mehr Vertreter umfassen müssen.
26 weitere Phyla werden nur mit Hilfe von aus Umweltproben isolierten rRNA-Sequenzen postuliert, ohne bisher einen Vertreter kultiviert und charakterisiert zu haben.
Die wichtigste Konsequenz aus der Anwendung der rRNA-basierten Phylogenetik war bisher aber die Einteilung aller Organismen in die drei Domänen der Bakterien, Archaeen und Eukaryoten. Aber auch die derzeit aktuelle Einteilung der Urmünder (Protostomia), der artenreichsten Tiergruppe, in Häutungstiere (Ecdysozoa, u. a. Insekten, Fadenwürmer) und Lophotrochozoen (Lophotrochozoa, u. a. Weichtiere, Ringelwürmer) ist vor allem anhand von Untersuchungen der 18-rRNA der Ribosomen entwickelt worden.
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