Österreichisches Museum für Volkskunde
Museum in Österreich Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Das Österreichische Museum für Volkskunde (Volkskundemuseum Wien) ist das größte volkskundliche Museum Österreichs und befindet sich in der Laudongasse 15–19, im 8. Bezirk, im Gartenpalais Schönborn.
Das Museum wurde 1895 von Michael Haberlandt und Wilhelm Hein, beides Beamte an der Prähistorisch-Ethnograhischen Abteilung des k.k. naturhistorischen Hofmuseums (heute Naturhistorisches Museums Wien) und führende Mitglieder der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, gegründet. Rechtsträger ist der von Haberlandt und Hein 1894 gegründete Verein für Volkskunde. Die Sammlungsbestände lagerten zunächst in Wohnungen und Magazinen, ehe das Museum 1898 seine erste Unterkunft im großen Saal der Wiener Börse fand. 1917 übersiedelte es in das barocke Gartenpalais Schönborn, die Eröffnung erfolgte 1920.[1]
Die Sammlungen waren für das Gesamtgebiet der cisleithanischen Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie gedacht, es sollten sämtliche Völker, die unter der österreichischen Krone vereint waren, repräsentiert werden. Im Einklang mit einer (vielvölker)-staatserhaltenden Leitlinie griff man auf weitere europäische Regionen aus und folgte der Richtung einer „vergleichenden“ Volkskunde.[2]
In der Zwischenkriegszeit intensivierten sich die Wechselbeziehungen zwischen Museum und Stadt. Eine neue Generation von VolkskundlerInnen sah ihr Fach zunehmend als „politische“ Wissenschaft, die ein nationales, regionales und/oder völkisches Selbstverständnis fördern sollte. Deutsch-Österreich stand nun im Fokus der Sammlungs- und Ausstellungsarbeit.[3]
Mit der Etablierung des austrofaschistischen „Ständestaates“ 1933/34 wurden Volkskultur und Volkskunst in den Dienst „ständestaatlicher“ Kulturpolitik gestellt. Volkskundliche AkteurInnen signalisierten ihren Willen an dieser Politik mitzuwirken und profitierten von den Zugriffsmöglichkeiten des Regimes. Das Volkskundemuseum erhielt vermehrt finanzielle Zuwendungen und wurde zur Anlauf- und Auskunftsstelle für kulturpolitische Interessen.[4]
Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich bedeutete für das Museum eine weitere reibungslose Transformation gemäß den Wünschen und Vorgaben der neuen Machthaber. Der NSDAP-Anwärter Arthur Haberlandt positionierte das Museum für Volkskunde als „Haus des deutschen Volkstums im Südosten“ und wollte so die neue Stellung Wiens im Deutschen Reich für sich und sein Museum nutzen. Volkskunde wurde zum Zwecke einer ideologischen Festigung des „germanisch-deutschen Erbes“ instrumentalisiert. Die Verantwortlichen des Museums stellten sich für die Vorhaben des Regimes bereitwillig zur Verfügung, mit Aussicht auf besonders günstige Bedingungen für das Sammeln und Forschen. Vor allem in den ersten Jahren der NS-Herrschaft erhielt das Volkskundemuseum vermehrte Aufmerksamkeit und finanzielle Zuwendungen.[5]
Nach 1945 folgte die Wiederaufstellung der Sammlungen und neue Ausrichtung auf die Zweite Republik, im Fokus stand nun wieder das Österreichische.[6] Arthur Haberlandt arbeitete trotz seiner NSDAP-Mitgliedschaft zunächst weiter. Er beantragte bei den Behörden eine Titeländerung in „Österreichisches Museum für Volkskunde“ und wollte so sein Bekenntnis zu Österreich Ausdruck geben. Er wurde schließlich vom Dienst enthoben und musste per 20. Oktober 1945 die Leitung übergeben.[7]
Nach umfangreichen Baumaßnahmen am Museumsgebäude in den Jahren 1956 bis 1959 erfolgte unter dem Direktor Leopold Schmidt eine Neuorientierung und somit Konsolidierung des Museums.[6] Die durchgängige Gliederung nach Landschafts- und Sachgruppenräumen im Sinne einer regionalen Struktur diente der Formierung einer identitätsstiftenden österreichischen Volkskultur und der Begegnung mit vornehmlich österreichischer Volkskunst zum Zwecke der „Gesundung“ des österreichischen Volkes.
1972 wurde das Ethnographische Museum in Kittsee gegründet, mit einer Schausammlung zur Volkskunde Ost- und Südosteuropas.[8] 2008 musste diese Außenstelle wegen mangelnder Finanzierung geschlossen werden.[9]
Unter Klaus Beitl wurde die Dauerausstellung neu konzipiert und 1994 nach etwa zehnjährigen Erneuerungsarbeiten eröffnet.[10] Die Ausstellungen integrieren wieder vermehrt die Sammlungen aus Europa, die ständige Schausammlung ist ebenfalls überregional ausgerichtet.
In der Ära Franz Grieshofer (Direktor von 1995 bis 2005) wurde die Ausstellungstätigkeit intensiviert, das Museum erfuhr eine fachliche Öffnung und internationale Ausrichtung. Bis zum Jahr 2001 wurde das Museum analog zu den Bundesmuseen im Kulturbericht des zuständigen Ministeriums geführt.
Von 2006 bis 2012 leitete Margot Schindler das Museum. In diese Zeit fiel die Debatte um eine Fusion mit dem Wiener Völkerkundemuseum (heute Weltmuseum Wien), die von 2010 bis 2012 andauerte. Der Verein für Volkskunde entschied damals, aus diesem Projekt auszusteigen, da seitens des Kunsthistorischen Museums und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur nicht die notwendigen Rahmenbedingungen für das Entstehen eines der größten Ethnologischen Museen Europas geschaffen wurden.[11]
Seit 2013 leitet Matthias Beitl das Österreichische Museum für Volkskunde. Heute beschäftigt sich das Museum mit historischer Volkskunst und Volkskultur sowie deren aktuellen Erscheinungsformen, vorwiegend im europäischen Raum.
Das Museum wird seit seiner Gründung 1895 vom ein Jahr zuvor ins Leben gerufenen Verein für Volkskunde getragen. Der Verein gibt halbjährlich die Österreichische Zeitschrift für Volkskunde heraus und ist Mitglied beim Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs. Die Museumsaktivitäten und ein Großteil der Personalstellen werden über staatliche Gelder des österreichischen Bundeskanzleramts finanziert. 2021 wurde bekannt, dass die längst fällige Gebäudesanierung budgetiert ist.[12] Vom Herbst 2024 bis Mitte 2027 soll das Gebäude saniert werden.[13]
Der Grundstock der Sammlungen stammt aus der Zeit der Habsburgermonarchie, zum Inventar gehören aber auch Objekte zahlreicher anderer europäischer Länder (z. B. Sammlung Eugenie Goldstern). Der Bestand umfasst heute über 150.000 dreidimensionale Objekte und mehr als 200.000 Fotografien und Grafiken.
Das Museum beherbergt eine umfangreiche Fachbibliothek für Volkskunde/Europäische Ethnologie und verwandten Fächern. Diese umfasst in etwa 100.000 Bände.
Im Museum wird eine ständige Schausammlung im Erdgeschoß präsentiert. Ebenfalls im Erdgeschoß im Eingangsbereich gibt es seit einiger Zeit das Format „In der Passage“ in der kleinere Ausstellungen mit eher skurrilen Objekten aus den Sammlungen in kleinen Vitrinen gezeigt werden (z. B. Glücksbringer, Ostereier, Schlüssel, Tassen, Liebesgaben etc.) Im ersten Stock finden die Sonderausstellungen und Veranstaltungen statt.
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