Kontinentales Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland
geowissenschaftliches Großforschungsprojekt Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Das Kontinentale Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland (KTB) war ein in den Jahren 1987 bis 1995 durchgeführtes geowissenschaftliches Großprojekt zur Erforschung der mitteleuropäischen Erdkruste mithilfe von Tiefbohrungen. Das damalige Bundesministerium für Forschung und Technologie finanzierte das Projekt mit 528 Millionen DM (270 Millionen Euro), Projektträger war das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung. Das Bohrloch der Hauptbohrung ist mit 9101 Metern Tiefe das tiefste in Deutschland und eines der tiefsten weltweit. Die umfangreichen neuen Erkenntnisse, die im Rahmen des Tiefbohrprogramms gewonnen wurden, widersprachen teilweise anerkannten Hypothesen. Nachfolgeprogramm ist das International Continental Scientific Drilling Program (ICDP).
Von 1996 bis 2001 betrieb das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) in der Anlage ein Tiefenobservatorium, das die weitere wissenschaftliche Nutzung der beiden Bohrungen im Rahmen des ICDP betreute. Seither befinden sich Grundstück und Gebäude im Eigentum der Stiftung GEO-Zentrum an der KTB, die seit 1998 mit dem GEO-Zentrum eine öffentliche Informations- und Bildungsstätte betreibt. Besucher können die immer noch weltweit größte Landbohranlage besichtigen und werden bei Veranstaltungen und Sonderausstellungen über aktuelle geowissenschaftliche und geotechnische Themen informiert. Die wissenschaftliche Nutzung der beiden Bohrlöcher ist ebenfalls weiter möglich.
Ziel des kontinentalen Tiefbohrprogramms, das viele wissenschaftliche Einzelprojekte umfasste, war vor allem die genaue Erforschung der Erdkruste. Dazu musste auch spezielle Bohr- und Überwachungstechnik entwickelt und erprobt werden. Das KTB war das erste deutsche Großprojekt der geowissenschaftlichen Grundlagenforschung.
Geplant wurde eine Bohrung bis zu einer Tiefe, in der eine Temperatur von 300 °C herrscht, da die elektronischen Messgeräte (Magnetfeld, Temperatur etc.) nur bis zu dieser Temperatur funktionieren würden. Mindestens sollten 8000 Meter Tiefe und 250 °C erreicht werden. Entscheidend für die Wahl des Standortes in der Oberpfalz gegenüber einem Standort im Schwarzwald, der aus Sicht des möglichen geologischen Erkenntnisgewinns bis zum Schluss als gleichwertig galt, war, dass die kritische Temperatur von 300 °C in der Oberpfalz erst in ca. zwölf Kilometern Tiefe erwartet wurde, fünf Kilometer tiefer als im Schwarzwald.
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Geologische Karte mit Schwerpunkt auf den Rumpfgebirgen bzw. Aufbrüchen der mitteleuropäischen Varisziden. Die Zone von Erbendorf-Vohenstrauß (rot markiert) befindet sich am Westrand des Tepla-Barrandium genannten Krustenabschnittes der Moldanubischen Zone. |
Der Standort Windischeschenbach (nahe Weiden in der Oberpfalz) liegt in der sogenannten Zone von Erbendorf-Vohenstrauß (ZEV). Im Norden endet diese tektonische Einheit an der Erbendorflinie, im Westen an der Fränkischen Linie und im Süden an der Luhe-Linie. Die Erbendorf- und die Luhe-Linie entstanden als Folge der Entstehung der variskischen Gebirge, deren Rümpfe hier und in den anderen deutschen Mittelgebirgen aufgeschlossen sind, bei der Konvergenz der Kontinente Laurussia und Gondwana. Die Erbendorf-Linie, in der nebenstehenden Graphik gestrichelt gezeichnet, ist die Grenze zwischen den beiden zur Kontaktzone der ehemaligen Kontinentalplatten gehörenden, parallel dazu verlaufenden großen Schollen Saxothuringikum und Moldanubikum.[1] Die eigentlich angebohrte Einheit, die ZEV, besteht aus einer Wechsellagerung von Metabasiten und Paragneisen, wahrscheinlich wurden diese Einheiten an einem Kontinentalhang abgelagert, die ehemalige Zugehörigkeit zu Saxothuringikum, Bohemikum (Teplá-Barrandium) oder Moldanubikum i. e. S. ist umstritten.[2] Die Erdkruste weist aufgrund ihrer Geschichte hier einen stark strukturierten Aufbau auf, außerdem sind mehrere geophysikalische Anomalien nachgewiesen, so der an dieser Stelle circa elf Kilometer tief liegende Erbendorfkörper mit erhöhter seismischer Reflektivität und Geschwindigkeit. Darüber liegen mehrere stark magnetisierte Bereiche, die zum Teil erbohrt, zum Teil durch ihre Fernwirkung entdeckt wurden.
1987 befürchteten Einwohner der Gemeinde Windischeschenbach, an der nahe gelegenen Bohrstelle könnten gesundheitsschädliche Gase austreten. Nach Information der Wissenschaftler war die Angst unbegründet, da nur kleinste Mengen an Wasserstoff, Methan und Helium-3 freigesetzt wurden.
Zwischen September 1987 und April 1989 wurde eine vollständig als Kernbohrung ausgeführte Vorbohrung auf 4.000 Meter niedergebracht. Die Erkenntnisse der Vorbohrung bestimmten das technische Konzept der Hauptbohrung. So zeigte sich auch ein deutlich höherer Temperaturgradient als erwartet. Mit der bis dahin genutzten Technik konnte die Bohrung auch nicht hinreichend vertikal gebohrt werden.
Die ab 8. September 1990 in 200 Meter Entfernung folgende Hauptbohrung sollte daher nur wenig über 10.000 Meter erreichen. Hier wurden erst unterhalb von 4.000 Metern insgesamt 35 vereinzelte Kernproben entnommen, jedoch das Bohrklein kontinuierlich untersucht. Um die Reibung des Bohrstranges so zu begrenzen, dass die geplante Tiefe überhaupt zuverlässig erreicht werden konnte, wurde bis 7.500 Meter ein selbstständig steuernder Vertikalbohrkopf eingesetzt, mit dem die seitliche Abweichung auf 12 Meter begrenzt werden konnte. Wegen des erwarteten temperaturbedingten Versagens der Elektronik musste unterhalb dieser Tiefe konventionell weitergebohrt werden. Das Gestein befand sich ab dieser Tiefe im spröd-duktilen Übergangsbereich, so dass sich das Bohrloch durch unterschiedlich gerichtete horizontale Spannungen teilweise verformte. Der Bohrer blieb mehrfach stecken und musste nach stückweisem Verfüllen des Bohrloches neu angesetzt werden. Diese Operationen nahmen ungefähr ein Jahr in Anspruch. Budget- und damit verbundene Zeitbeschränkungen waren schließlich für die Beendigung der Bohrung ausschlaggebend.
Die Hauptbohrung des Kontinentalen Tiefbohrprogramms wurde am 12. Oktober 1994 nach 1468 Tagen bei einer Tiefe von 9.101 Metern, ca. 300 Metern seitlicher Abweichung und einer Temperatur von 265 °C beendet.
Bis zum 31. Dezember 1994 wurden die drei geplanten Großversuche durchgeführt und damit der Hauptteil des Tiefbohrprogramms abgeschlossen. Danach wurde die Anlage teilweise außer Betrieb genommen und weitere kleinere Versuche durchgeführt.
Das Programm insgesamt endete am 31. Dezember 1995.
Die Ergebnisse führten zu einer breiten Anerkennung des Zonenbaus bzw. der darauf basierend postulierten Paläoplattenkonfiguration im mitteleuropäischen Teil des variszischen Grundgebirges (die Tiefbohrung liegt im Nahtbereich mehrerer ehemals separater Lithosphärenplatten). Die raschere Zunahme der Temperatur mit steigender Tiefe passt gut zu der aus diesem Bild erkennbaren starken Strukturierung des geologischen Gesamtsystems. Durch die Temperaturbegrenzung auf ≈ 300 °C wurde zugleich die ursprünglich erhoffte Tiefe von 12 km nur zu 75 % erreicht.[3]
Einzelne Ergebnisse sind zum Beispiel die Erkenntnis, dass das Gestein bis in große Tiefen Klüfte aufweist und so Tiefenwässer deutlich mobiler sind als zunächst vermutet. Dies sollte etwa bei der Planung von Tieflagern für radioaktive Abfälle berücksichtigt werden. Bereits in der Vorbohrung zeigte sich ein anomal starker Anstieg des Magnetfeldes, der als Folge eines tiefliegenden, zuvor nicht vermuteten magnetisierten Bereiches interpretiert und in der Hauptbohrung dann auch erbohrt wurde. Große Fortschritte machte auch die gemeinsame Interpretation verschiedener Bohrlochmessverfahren, deren Ergebnisse anhand von Bohrkernen und Cuttings kontrolliert werden konnten. Die gemeinsame Interpretation von Oberflächen- und Bohrlochmessungen lieferte verbesserte Methoden, z. B. im Bereich von Seismik, Geoelektrik, Magnetotellurik, Magnetik und bei der Erdbebenbeobachtung.
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