Durch die 1851 erfolgte Auswanderung von Hermann Christian Wittgenstein nach Wien wurde der dortige Familienzweig begründet. 1910 zählten 26 Familienmitglieder zu den 929 reichsten Wiener Personen.[1]
Die ältesten bisher bekannten Familienmitglieder waren der Gutsverwalter Ahron Moses Meier (gest. 1804) und seine Frau Sarah. Sie lebten in Laasphe im Wittgensteiner Land und standen in Diensten der Grafen von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Ihr Sohn Moses Meyer (geb. 1761 in Laasphe; gest. 3. Januar 1822 in Korbach) wurde zunächst ebenfalls Gutsverwalter der Grafen. Nachdem in Folge des Reichsdeputationshauptschlusses die Grafschaft Wittgenstein 1806 an Hessen-Darmstadt gefallen, Napoleon 1808 die rechtliche Gleichstellung der Juden eingeleitet hatte und die Juden binnen drei Monaten Nachnamen annehmen mussten, wählte Moses den Namen Meyer-Wittgenstein. Das führte zu einem Konflikt mit dem noch 1804 zum Reichsfürsten erhobenen und in preußischen Diensten stehenden Wilhelm zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. Moses verließ mit seiner Familie das Wittgensteiner Land und zog ins nahegelegene Fürstentum Waldeck, wo er in der ehemaligen HansestadtKorbach, in deren Umgebung es viele Schafe gab, ein erfolgreiches Geschäft als Wollgroßhändler aufbaute.
Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland wurde das Vermögen der österreichischen Familienmitglieder auch in jenen Teilen, die sich im Ausland befanden, von den Machthabern eingezogen bzw. als Gegenleistung dafür in Anspruch genommen, dass Mitglieder der Familie unbehelligt blieben. Das war durch eine der sehr seltenen Ausnahmeentscheidungen Adolf Hitlers möglich geworden. Die beiden Schwestern Hermine und Helene hatten sich trotz Drängens ihres Bruders Paul geweigert, Wien zu verlassen (Ludwig lebte bereits seit einigen Jahren in England), da sie zu sehr an ihrer Heimat hingen und nicht glaubten, dass sich eine so angesehene Familie in wirklicher Gefahr befand. Doch für die Nationalsozialisten und die Nürnberger Rassengesetze blieben sie Juden. Erst durch eine durch massiven Druck und Drohungen mit Verhaftungen erzwungene Zahlung von 1,8 Millionen Schweizer Franken wurden sie als „Mischlinge“ anerkannt und konnten damit weiterhin in Österreich leben. Nur für einen kleinen Teil der Vermögenswerte gelang es, diese ins Ausland zu schmuggeln (z. B. Originale von Partituren namhafter Komponisten) oder sie zu verstecken. Der Tauschhandel der Schwestern (der dem Regime nennenswerte Deviseneinnahmen brachte) wurde vom Rest der Familie abgelehnt, was zu einem lebenslangen Bruch führte.[2]
Moses Meyer-Wittgenstein (geb. 1761 in Laasphe; gest. 3. Januar 1822 in Korbach) ⚭ Bernhardine (Breindel) Simon (1768–1829)
Simson Moses Wittgenstein (geb. 8. Dezember 1788, gest. 22. März 1853) ⚭ am 4. Oktober 1813 in Rheda mit Rebecca Rosenberg (geb. 2. Mai 1783, gest. 15. April 1854 in Korbach)
Friedrike Wittgenstein (geb. ca. 1820) ⚭ am 6. August 1850 mit Isaac Koppel (geb. ca. 1815)
Marcus Wittgenstein (geb. ca. 1818 in Korbach, gest. 1828 in Korbach)
Jakob Wittgenstein (geb. 1. April 1819 in Korbach, gest. 3. Juni 1890 in Berlin durch Suizid), ⚭ Clara Lippert (am 22. Mai 1871 vom Stadtgericht Berlin geschieden), ab 1858 Immobilienkaufmann in Berlin, Begründer der „Simson und Rebecca Wittgenstein Stiftung“ (1884) und der „Jacob Wittgenstein`sche Altersversorgungsanstalt“ (1894)[3]
Julia Wittgenstein (geb. 1790 in Korbach) ⚭ Rosenberg
Richard Simon Wittgenstein (geb. 1796, gest. 13. Februar 1862) ⚭ mit Ida (geb. 1809 in Bielefeld, gest. 3. Juli 1880 in Geibsdorf)
Louise Johanne Henriette Wittgenstein, (geb. 1831), ⚭ Heinrich Hirsch (geb. 5. Mai 1840)
Emma Flora Caroline Wittgenstein (geb. 1833, gest. 1879)
Max Adolf Georg Carl Wittgenstein (geb. 1836)
Ernst Oscar Wittgenstein (geb. 1844) ⚭ mit Emma Vaerst
Anna Friederike Wittgenstein (* 31. Oktober 1840 in Gohlis bei Leipzig, † 22. September 1896 in Hietzing bei Wien), ⚭ Heinrich Emil Franz (* 9. Dezember 1839 in Wien, † 24. März 1884 ebenda), k. k. Landesgerichtsrat und k. k. Oberkirchenrat,
Marie Wittgenstein (1841–1931), ⚭ Moritz Christian Pott (1839–1902 Eisenhändler),
Paul Josef Gustav Wittgenstein (1842–1928), Jurist, ⚭ Justine Karoline Hochstetter (1858–1918)
Johanna Salzer geb. Wittgenstein (1877–1953)
Hermann Christian Wittgenstein (1879–1953)
Paul Karl Wittgenstein (1880–1948)
Paul Wittgenstein (* 13. September 1907 in Mitterndorf, Traunkirchen; † 13. November 1979 in Linz) Philosoph
Ottilie Ida Bertha Wittgenstein (1848–1908) Gutsbesitzerin, Käseproduzentin und Mäzenin in Pyhra, ⚭ Karl Kupelwieser (1841–1925)
Paula Franziska Johanna Kupelwieser (1875–1938) ⚭ Mathes
Ida Josepha Johanna Kupelwieser (1870–1927) ⚭ Lenz
Ernst Hermann Leopold Kupelwieser (1873–1892)
Johann Paul Kupelwieser (1879–1939) Dr. med.
Klara Wittgenstein (1850–1935)
Lydia Wittgenstein (1851–1920) ⚭ von Siebert
Emilie Wittgenstein (1853–1939) ⚭ Theodor von Brücke (1853–1918, Richter)
Klothilde Wittgenstein (1854–1937)
Georg Gaugusch: Die Familien Wittgenstein und Salzer und ihr genealogisches Umfeld. In: Adler, Zeitschrift für Genealogie und Heraldik. 21. (XXXV.) Band (2001–2002) S. 120–145 (2001).
Birgit Schwaner: Die Wittgensteins. Kunst und Kalkül. Metro Verlag, Wien 2008.
Lea Singer: Konzert für die linke Hand. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008.
Alexander Waugh: Das Haus Wittgenstein. Geschichte einer ungewöhnlichen Familie. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. ISBN 978-3-596-18228-2.
Nicole L. Immler: Das Familiengedächtnis der Wittgensteins. Zu verführerischen Lesarten von (auto-)biographischen Texten. Transcript, Bielefeld 2011.
Hermine Wittgenstein hrsg. von Ilse Somavilla: Familienerinnerungen (nach Aufzeichnungen 1944–1947) Haymon Verlag, Innsbruck/ Wien 2015, 544 S. ISBN 978-3-7099-7200-7.[4]
Ulrich Arnswald, Ilse Somavilla (Hg.): Ludwig Wittgenstein. Universalgenie, Genie oder Generalist? Ein Leben ruhelosen Denkens. innsbruck university press (iup), Innsbruck 2022, ISBN 978-3-99106-083-3.