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deutscher Politikwissenschaftler Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wilfried Röhrich (* 24. Dezember 1936 in Darmstadt; † 3. Oktober 2024 in Kiel[1]) war ein deutscher Politikwissenschaftler und Professor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).
Röhrich studierte ab 1957 Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, ein Studiensemester verbrachte er am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin.[2] Am OSI lernte er Otto Heinrich von der Gablentz kennen. Sein akademischer Lehrer und späterer Doktorvater in Frankfurt war Carlo Schmid. Im Nebenfach studierte er bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Während des Studiums war er von 1962 bis 1964 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Politikwissenschaftlers Thomas Ellwein und des Verfassungsrichters Erwin Stein. 1964 verbrachte Röhrich mit einem Forschungsauftrag des Instituts für Sozialforschung vier Monate in den Vereinigten Staaten, wo er an der University of Chicago Gespräche mit Leo Strauss über Baruch de Spinoza führte, was ihn zum Thema seiner Dissertationsschrift inspirierte. Die Promotion erfolgte 1964 in Frankfurt, Titel der Dissertationsschrift war: Zur politischen Philosophie Spinozas. Eine überarbeitete Fassung davon erschien 1969 als Der Staat der Freiheit. Zur politischen Philosophie Spinozas.
Nach der Promotion wechselte Röhrich 1964 auf eine Assistentenstelle zum Professor für Wissenschaft und Geschichte der Politik, Michael Freund, an die CAU in Kiel. Seit 1966 betrieb er bei Freund, unterstützt durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, seine Habilitation, die 1970 an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät erfolgte. Seine Habilitationsschrift trägt den Titel Robert Michels. Vom sozialistisch-syndikalistischen zum faschistischen Credo, eine gekürzte Fassung davon kam 1972 als Buch heraus. Mit Abschluss der Habilitation wurde Röhrich Privatdozent an der CAU und 1973 außerplanmäßiger Professor. Nach bürokratischen Verzögerungen des Berufungsverfahrens im schleswig-holsteinischen Kultusministerium wurde er auf Entscheid des Oberlandesgerichts Schleswig zum planmäßigen Professor auf einer neugeschaffenen C3-Stelle ernannt.[3] Seither war er, im Wechsel mit seinem Fachkollegen Werner Kaltefleiter, Direktor des Instituts für Politikwissenschaft. 2001 wurde er emeritiert.
Röhrich starb im Alter von 87 Jahren und ist auf dem Alten Friedhof in Darmstadt begraben.[4]
Während Röhrich Privatdozent an der CAU war, wurde Werner Kaltefleiter 1971 als Nachfolger Michael Freunds als Ordinarius für Politikwissenschaft berufen. Spätestens mit der Ernennung Röhrichs zum planmäßigen Professor 1979 endete die alleinige Führungsrolle Kaltefleiters am Institut, ein fast zwanzigjähriger Konflikt zwischen den beiden Professoren begann.[5]
Kaltefleiter, in der Tradition der Kölner Schule der Politikwissenschaft stehend, unterschied sich von Röhrich in den methodischen, theoretischen und auch politischen Positionen erheblich. Bis 1974 war er neben seiner Kieler Lehrtätigkeit Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Konrad-Adenauer-Stiftung und arbeitete dort insbesondere zur angewandten Wahl- und Medienforschung, wozu auch die Beratung des CDU-Bundesvorstandes gehörte. 1980 kandierte er für ein Bundestagsdirektmandat im Kreis Rendsburg-Eckernförde, unterlag jedoch Heide Simonis (SPD).
Die zwei Hochschullehrer kooperierten in der Lehre nicht, sondern deckten mit ihren Veranstaltungen jeweils alle Teilbereiche der Politikwissenschaft ab. Kaltefleiter sorgte dafür, dass seine Lehrveranstaltungen im Vorlesungsverzeichnis unter der Überschrift Empirisch-strukturelle Richtung angekündigt wurden und die Röhrichs unter Historisch-dialektische Richtung. Im Wintersemester 1993/94 eskalierte der Konflikt, als Kaltefleiter über Aushänge bekannt machte, dass er für Examensprüfungen die Leistungsnachweise (Scheine) Röhrichs nicht mehr anerkennen würde. Der AStA der CAU riet daraufhin vom Politologie-Studium in Kiel ab.[6] Der Vorgang erregte bundesweite Aufmerksamkeit und wurde in einem Zeit-Kommentar von Susanne Gaschke ironisch als Hahnenkampf bezeichnet.[7] Nach Protesten des Dekans ließ Kaltefleiter den Aushang nach erheblichen Verzögerungen entfernen, gab aber bekannt, dass er Studierende, die Röhrich-Veranstaltungen besucht hätten, bei ihrer Stellensuche kaum unterstützen werde.
Der Konflikt endete erst mit dem frühen Tod Kaltefleiters im März 1998.
Laut Michael Take, Herausgeber einer Festschrift für Röhrich, war der ein Wissenschaftler, „der eine fachliche Spezialisierung zu vermeiden verstand, indem er sich immer wieder neuen Problemfeldern der Politikwissenschaft zuwandte“.[8] Insgesamt könne Röhrich auf eine ungewöhnlich vielseitige Publikationstätigkeit zurückblicken. 2000 sei mit Herrschaft und Emanzipation. Prolegomena einer kritischen Politikwissenschaft eine „Art Summa“ seines in vielen Jahren erarbeiteten Verständnisses der Politikwissenschaft erschienen.[9] Neben der Themenbreite, so Carsten Schlüter-Knauer, ebenfalls Herausgeber einer Festschrift, habe Röhrich besonders zu den Denkern der Politik, politischen Bewegungen wie dem revolutionären Syndikalismus, dem italienischen Nationalismus und Faschismus, der Politik und Ökonomie der Weltgesellschaft sowie (später) der Weltinnenpolitik geforscht.[10] In den 1990er-Jahren wandte er sich verstärkt der Friedensforschung zu.[11]
Ab 1980 gehörte Röhrich dem Ständigen Ausschuss für Lehre und Studienreform beim Vorstand der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) an. Dort wurden Empfehlungen für die künftige Studienstruktur und die Aufteilung des Faches in die Teilbereiche Politische Theorie und Ideenlehre, Regierungs- bzw. Systemlehre, Internationale Beziehungen und Vergleichende Regierungslehre erarbeitet.[12]
Von 1980 bis 1990 amtierte Röhrich als Vizepräsident der Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft (FTG)[13] und gab seit 1982 deren Schriftenreihe Beiträge zur Sozialforschung heraus.[14]
1989 war er Mitbegründer der Pax-Professoren-Gruppe linksliberaler Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, die sich unter dem Motto Pax optima rerum (Frieden ist das höchste Gut), dem Sinnspruch im Siegel der CAU, versammelten. Röhrich organisierte, teilweise in Zusammenarbeit mit Dieter S. Lutz vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg Ringvorlesungen mit Friedensforschern und Politikern. Dazu gehörten Carl Friedrich von Weizsäcker, Johan Galtung und Egon Bahr. Außerdem führte er von 1991 bis 1994 ein von der DFG gefördertes Forschungsprojekt zur Weltinnenpolitik durch und richtete 1992 an der CAU in Zusammenarbeit mit Lutz eine gleichnamige Forschungsstelle am Institut ein.[11]
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