Loading AI tools
Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Weltspiele der Nomaden (Дүйнөлүк көчмөндөр оюндары Düinölük kötschmöndör ojundary) werden seit 2014 im zweijährigen Turnus abgehalten. Dabei veranstaltet man traditionelle „Sportarten“ der zentralasiatischen Steppenvölker.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion waren die autokratisch regierten jungen zentralasiatischen Staaten daran interessiert, ein nationales Bewusstsein zu entwickeln. Dies geschah über die Rückbesinnung auf (vermeintliches) Kulturerbe, in Kirgisistan vor allem der Figur des Recken Manas. Die Kirgisen hatten von den zentralasiatischen Völkern am längsten eine stark nomadisierende Lebensweise beibehalten. Während die Usbeken schon unter den Khanen des 17. Jahrhunderts oft sesshaft waren, veränderten die Kirgisen ihre Lebensweise erst mit dem gesellschaftlichen Fortschritt des Sozialismus. Gerade die im Rahmen der Farbrevolution durch den Regierungswechsel in Kirgisistan 2010 an die Macht gekommenen Politiker, sahen die Notwendigkeit, ihren Anspruch durch nationalstaatliches Handeln zu festigen.[1] Dazu dienten, anders als in Usbekistan oder Tadschikistan, wo es historische Ahnherren als Fixpunkte gibt, nomadische erfundene Traditionen (so wie von Eric Hobsbawm definiert) als Anknüpfungspunkt.[2] Man schuf erfolgreich[3] – panem et circenses – anfangs als rein kirgisische Innovation, die Weltspiele der Nomaden mit einem eigenen „Kolosseum“ in der kirgisischen Kernregion am Yssyk-Köl. Die ersten drei in Tscholpon-Ata (englisch: Cholpon-Ata) abgehaltenen Spiele verfolgten den politischen Zweck Kirgistan in der Welt bekannt zu machen. Seit 2018 versuchen auch die ungarischen, türkischen und aserbaidschanischen Spitzenpolitiker aus ihrem Erscheinen bei den Spielen politisches Kapital zu schlagen.
Die Veranstaltungen haben immer eine starke kulturelle Komponente. In den entsprechenden Ethnodörfern wird vorindustrielle Produktions- und Lebensweise beschönigend als „im Einklang mit der Natur“ präsentiert. Die in den kriegerischen „Sportarten“ noch sehr präsente Lebenswirklichkeit eines mörderischen Umgangs der zentralasiatischen nomadisierenden Stämme untereinander blendet man aus.[4] Radikale Tierschützer und in westlichen akademischen Umfeld agierende Feministinnen haben die üblichen politisch-korrekten Kritikpunkte gegen die Spiele vorgebracht.[5]
Zur aktiven Entwicklung des Volkssports in Kirgisistan finden in den dortigen Regionen jährlich kleine Nomadenspiele statt.
Die UNESCO hat einige der praktizierten Spiele als Teil des immateriellen Welterbes anerkannt, dazu 2021 die Veranstaltung der Nomaden-Weltspiele in das ”Register of Good Safeguarding Practices” aufgenommen.[6]
Nr. | Jahr | Land | Austragungsort | Sportarten |
---|---|---|---|---|
1 | 9.–14.9.2014 | Kirgisistan | Tscholpon-Ata | 10 + 4 |
2 | 3.–9.9.2016 | Kirgisistan | Tscholpon-Ata | 23 |
3 | 2.–8.9.2018 | Kirgisistan | Tscholpon-Ata | 37 |
4 | 29.9.–2.10.2022 | Türkei | Iznik | 13 + 11 |
5 | 8.–14.9.2024 | Kasachstan | Astana | 20 |
6 | 2026 (geplant) | Usbekistan | Usbekistan | ??? |
Die ersten drei Weltspiele fanden in Tscholpon-Ata am Nordufer des Yssyk-Köl-Sees in Kirgisistan statt. Man baute hierfür sieben Kilometer östlich im Ortsteil Progress das Hippodrom, mit dem Gasprom Center (Спорткомплекс Газпром) nebenan. Ein weiterer Austragungsort war ein Tal, das zwischen den Dörfern Kodschojar und Semenowka (Семеновка) beginnt und nach 21 km im jetzigen „Ethnodorf“ Kyrtschyn (Кырчын Жайлоосу) auf 2010 Metern Höhe endet.
Bei der ersten Veranstaltung 2014 traten etwa 300 Teilnehmer aus 18 Nationen in elf Wettbewerben an. In Kyrtschyn hatte man zweihundert Jurten aufgebaut. In den zehn Sportarten wurden 166 Medaillen verteilt.
Im Jahre 2016 erhöhte man auf 23 verschiedene Wettkämpfe. Es kamen 1200 Athleten aus 40 Ländern. 17 Länder beteiligten sich an der kulturellen Präsentation. Dabei waren auch Österreich, Guatemala, Estland und Rhodesien vertreten. Zur Eröffnung trat Steven Seagal auf.
Man erweiterte 2018 die Definitionen der Sportarten nach denen der türkisch dominierten World Ethnosport Confederation, so dass dann bei 37 Wettbewerben 1976 Teilnehmer und 230 Pferde aus 82 Ländern kamen. Hiervon waren 771 im sportlichen Teil (583 Athleten, 188 Trainer; 74 Länder) aktiv, der Rest wirkte im Kulturprogramm mit, darunter auch einige Bayern in Lederhosen. Hierzu gehörten auch Mannschaften einzelner russischer Föderationssubjekte wie Baschkortostan und Tatarstan, aber auch Antigua and Barbuda, das nicht wegen seiner nomadischen Tradition bekannt ist, sondern ein Team zum Owarespielen schickte. Selbst die USA waren mit einem Kok-Boru-Team vertreten (wie auch 2022). Zu den neuen Sportarten gehörte das mongolische Ringen, das persische Pahlavani, Sambo und Armdrücken. Geplant, aber abgesagt wurde das osmanische Cirit, ein Mannschaftsreiterspiel mit Speeren. Ein paar Schotten in Röcken durften das Baumstammwerfen vorführen.
Insgesamt wurden 594 Medaillen vergeben, davon 174 Gold-, 173 Silber- und 247 Bronzemedaillen. Es wurden gut 340.000 Euro Preisgelder ausgeschüttet, was umgerechnet 26,6 Mio. Kirgisischer Som betrug. Das Siegerteam im Kok-Boru teilte sich 75.000 Euro, die Zweiten bekamen noch die Hälfte und die Drittplatzierten 12.500 Euro.
Der für 2020 geplante Wettbewerb in Baku wurde wegen der COVID-19-Pandemie verschoben, da viele Regierungen Ausgangssperren gegen ihre Bevölkerungen verhängten und Anreisen der Teilnehmer nicht möglich waren. Das auf drei Tage und 23 Sportarten, davon nur 13 mit Medaillen, abgespeckte Programm im türkischen İznik (dem früheren Nicäa) zeichnete sich dann 2022 durch schlechte Organisation, Unpünktlichkeit und übermäßige Sicherheitskontrollen aus.
Zur Eröffnung erschienen die Präsidenten der Türkei und Nordzyperns. Es wurde eine Choreographie mit den Themen „Kosmos, Universum,“ „Türken und das Pferd,“ „Nomadenspiele,“ „Berühmte Persönlichkeiten der türkischen Welt,“ „türkische Geschichte“ und „türkische Welt“ aufgeführt. Der Eintritt war frei.
In Astana nutzt man 2024 für die rund 3000–4000 Teilnehmer zum einen das Kazanat-Hippodrom, zum anderen die Astana Arena und den Eispalast Alau. Zur Unterbringung werden 500 Jurten aufgestellt. Die Ausrichter erwarten 100.000 Besucher und veranschlagen etwa 16,5 Millionen Euro Kosten.[8] Auch hier gibt es freien Eintritt.
Die bei der ersten Veranstaltung eingeführten Wettkämpfe sind unten mit ⓵ markiert. Das Programm wurde zunehmend ausgeweitet, hier sind Veranstaltungen zu den fünften Weltspielen aufgeführt. Inzwischen nehmen auch Amateur-Sumoringer teil. Das Programm während der fünften Spiele umfasst wieder die drei Themenfelder Sport, Kultur und Wissenschaft. Der wissenschaftliche Teil 2018 war die Konferenz “Folk Games and Related Customs in the Altai World.” 2024 kommt eine Tagung zur Geschichte und Kultur der Nomaden und ein kleines Filmfestival. Das kulturelle Programm deckte die Eröffnungsfeier im Hippodrom und ein „Ethno-Dorf“ während der Spiele ab.
Für die Athleten sind Medaillen zu gewinnen. Dazu kommen Preisgelder, 2016 z. B. insgesamt 28,4 Millionen Som (damals € 390.000).
Kusbegilik sind Jagden mit Greifvögeln: Burkit (= burkut) mit Adlern, Karshyga mit einem Habicht und Itelgi (Ителгі) mit einem Falken. Die Vögel müssen innerhalb von drei Minuten künstliche Beute, die an einer Schnur gezogen wird fangen (tschyrga) oder beim undek auf Kommando auf einer Strecke von 200 Metern greifen (bei Adlern 300 Meter).
Als Mannschaftssport mit fünf Falknern und einem Kapitän betreibt man Dalba oinotuu. Hierbei zählt wie viele Attrappen ein Vogel innerhalb einer bestimmten Zeit, meist drei Minuten, angreift.
Salburun (Салбурун) – ist auch eine Kombinationsjagd mit Pfeil und Bogen, Hunden und Greifvögeln.
Taigan scharysch ist eine Art Windhundrennen. Jedoch wird hier ein Fuchspelz in vollem Galopp über 350 Meter vor der 5-köpfigen Meute hergezogen.
Die wichtigsten und beeindruckendsten Wettbewerbe sind und waren die zu Pferde (Ат чабыш At tschabysch):
Zu den Leibesübungen gehören:
Für die dritten Spiele wurde die Anzahl der Ring-Wettbewerbe stark erhöht. Dabei handelt es sich um Varianten des Gürtelringens.[10]
Dabei müssen traditionelle Kleidungsstücke getragen werden.
Bogenschießen vom galoppierenden Pferd. Geritten wird auf einer 100 Meter langen, drei Meter breiten Bahn.
Geschicklichkeitsspiele sind:
Nicht als Wettkampf, sondern nur zur Demonstration zu sehen gab es 2014: Zorhana eine in Aserbaidschan und Iran übliche Art des Ringens, Cirit, das koreanische Tackkyon (Taekwondo) sowie türkisches Öl-Ringen (yağlı güreş).
Mehrere Sportarten, bei denen es bei den zweiten und dritten Spielen Wettkämpfe gegeben hatte, wurden 2022 bei den vierten nur vorgeführt, u. a.: Toguz Korgool, audaryspak, Tenge ilu, Patho, mongolischer und kirgisischer Ringkampf sowie Gules.
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.