Loading AI tools
gepanzerte Kriechtiere aus der Ordnung der Sauropsida Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Schildkröten (Testudinata, bzw. Testudines, wenn die Kronengruppe gemeint ist; ehemals auch Chelonia von altgr. χελώνιον „Schildkröte“) sind eine Ordnung der Sauropsida und erschienen erstmals vor mehr als 220 Millionen Jahren im Karnium (Obertrias). In der klassischen Systematik werden sie zu den Kriechtieren bzw. Reptilien gezählt; diese Bezeichnungen stehen für ein in seinem traditionellen Umfang paraphyletisches Taxon und stellen daher nur mehr informelle Sammelbegriffe dar.
Schildkröten | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis), | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Testudinata | ||||||||||||
Linnaeus, 1758 | ||||||||||||
Unterordnungen | ||||||||||||
|
Man unterscheidet 360 Arten mit über 200 Unterarten.[1] Die Schildkröten haben sich den unterschiedlichsten Biotopen und ökologischen Nischen angepasst. Die Spanne reicht dabei von mediterranen Landschildkrötenarten, Gopher- oder Wüstenschildkröten und den besonders zahlreichen, kleineren Wasserschildkrötenarten in Nordamerika und Südostasien über groß werdende Fluss-Schildkröten in Südamerika, Riesenschildkröten auf einigen Inselgruppen, Weichschildkröten in Asien und Schlangenhalsschildkröten in Australien bis hin zu den größten, den Lederschildkröten, die neben den Meeresschildkröten eine eigene Familie bilden.
Schildkröten sind wechselwarme, eierlegende Kriechtiere. Phylogenetisch stehen sie basalen Diapsiden wie Odontochelys semitestacea und Sinosaurosphargis yunguiensis nahe.[2]
Die Anpassungsfähigkeit der Schildkröten hat ihr Fortbestehen bis in die heutige Zeit sichern können. Durch menschliche Einflüsse sind aber viele Arten akut gefährdet.
Mit Ausnahme der Polargebiete und Hochgebirge besiedeln Schildkröten alle Kontinente und Ozeane. Sie kommen in verschiedenen Naturräumen vor, in tropischen Wäldern und Sümpfen, in Wüsten und Halbwüsten, Seen, Tümpeln, Flüssen, in Brackwassergebieten und in Meeren, in gemäßigten, tropischen und subtropischen Klimazonen.
In Europa gibt es neben den Meeresschildkröten nur neun autochthone Arten, vier Land- und fünf Wasserschildkrötenarten. Deutschland, Österreich und die Schweiz beherbergen nur eine einzige einheimische Schildkrötenart, die Nominatform der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis orbicularis).
Für Schildkröten stellt der Panzer, welcher bereits ca. 30 % des Gewichtes ausmacht, zweifellos das anatomisch entscheidende Charakteristikum dar. Kein anderes Wirbeltier zeigt eine vergleichbare Anatomie. Ähnlich wie das Exoskelett der Insekten umschließt der Panzer der Schildkröten, der sich aus dem Rückenpanzer (Carapax) und Bauchpanzer (Plastron) zusammensetzt, außer dem Kopf alle wichtigen Körperregionen und Organe.[3]
Der Knochenpanzer besteht aus massiven Knochenplatten, die einen Rippenkorb bilden, der entwicklungsgeschichtlich aus den Wirbelbögen und Rippen des Endoskeletts der Wirbeltiere hervorgegangen ist.[2][4] Dabei hat sich der Schulterknochen (lat. Scapula), im Gegensatz zu allen übrigen Wirbeltieren mit Schultergürtel, unter die Rippen geschoben.[5] Dieser weitgehend starre Knochenpanzer erfordert eine Anpassung der Atmung, die durch eine Bewegung der Extremitäten mit Hilfe von kräftigen Muskelpaketen unterstützt werden muss.
Über dem Knochenpanzer befindet sich je nach Art eine lederartige Hautschicht (so z. B. bei den Weichschildkröten) oder aber die typische Schicht aus Hornschilden (Scuta), welche ihrerseits aus Keratin bestehen. Die Färbung der Hornschilde hängt vor allem vom Habitat der Schildkröte ab, denn die meisten Arten sind farblich an ihren Lebensraum angepasst.
Bei Zier-, Buchstaben-Schmuck-, Echten Schmuck- und Höckerschildkröten erneuern sich die Hornschilde regelmäßig, indem sich die älteren äußeren Hornschilde lösen und darunter die neugebildeten Hornschilde zum Vorschein kommen. Bei anderen Schildkröten entstehen Wachstumsringe und die äußeren Hornschilde nutzen nur durch Abrieb von außen etwas ab.
Diese Hornschilde lassen sich in folgende Gruppierungen einteilen, wobei artbedingte Abweichungen in Anzahl und Vorhandensein anzutreffen sind:
Hornschilde des Rückenpanzers (Carapax)
(von cranial nach caudal bzw. von vorne nach hinten)
Hornschilde des Bauchpanzers (Plastron)
(von cranial nach caudal bzw. von vorne nach hinten)
Die Naht- und Verzahnungsstellen von Horn- und Knochenpanzer liegen nicht übereinander, sondern sind gegeneinander verschoben. Dadurch erhöht sich die Festigkeit des Panzers noch weiter. Das Aussehen des gesamten Panzers unterscheidet sich je nach Spezies stark. So weist der Rückenpanzer bei vielen Arten, insbesondere im Jugendalter, einen oder drei Längskiele auf. Bei den Höckerschildkröten und den Chinesischen Dreikielschildkröten (Mauremys) sind diese kräftig ausgeprägten Höcker und Kiele sogar namensgebend. Verschiedene Gattungen (beispielsweise die Dosenschildkröten und die Scharnierschildkröten) können ihren Bauchpanzer mit Hilfe eines Scharniers hochklappen und so den gesamten Panzer verschließen. Die Klappschildkröten haben zwei Scharniere und können so die vordere und hintere Öffnung unabhängig voneinander schließen. Eine ähnliche Funktion bietet das Scharnier im Carapax der Gelenkschildkröten.
Die Entwicklung des Schildkrötenpanzers wird teilweise als Anpassung an den Lebensraum Wasser interpretiert. Der starre Körper ermöglichte demnach ein schnelleres Vorankommen unter Wasser, insbesondere im Gegensatz zu den schlängelnden Bewegungen anderer Reptilien. Allerdings zeigen bereits die ältesten bekannten Schildkrötenfossilien einen hoch entwickelten Panzer, so dass über seine Ursprünge und seine Entwicklung nur spekuliert werden kann.[6]
Schildkröten sehen sehr gut. Sie können Farben besser differenzieren als Menschen, da ihre Augen wie bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln vier Farbrezeptoren aufweisen (Tetrachromaten). Sie sind dadurch in der Lage, auch Teile der nahen Infrarot- und Ultraviolett-Strahlung wahrzunehmen. Grautöne hingegen scheinen sie weniger zu differenzieren.
Die Linse der Wasserschildkröten ist so gestaltet, dass sie den Brechungswinkel von Wasser ausgleicht. Dadurch können die Tiere Feinde und Nahrung auch im Wasser klar erkennen. Jagende Schildkrötenarten können durch Veränderung ihrer Augenstellung sowohl räumlich als auch im Panorama sehen. Die Geschwindigkeit von visuell wahrgenommenen Bewegungen hat Einfluss auf die Fluchtreaktion. Nähert man sich einer Schildkröte sehr langsam, flüchtet sie später als bei schneller Annäherung.
Der Geruchssinn ist bei Schildkröten besonders gut ausgeprägt. Wasserschildkröten bewegen die Aromastoffe durch kauend-pumpende Bewegungen des Unterkiefers und Halses an ihre Geruchsrezeptoren im Rachenraum. Durch den Geruch erkennen sie geeignete Nahrung oder Erde, in der sie ihre Eier vergraben können. Außerdem werden Geschlechtspartner am Geruch erkannt (bei aquatilen Arten auch unter Wasser), wahrscheinlich sogar über größere Distanzen.
Schildkröten haben ein voll ausgebildetes Innen- und Mittelohr, aber kein Außenohr. Sie hören Töne deshalb nicht im gleichen Umfang wie Menschen. Sie nehmen Schallwellen von etwa 100 Hz bis 1000 Hz wahr, also vor allem tiefe Vibrationen (Trittschall) aus ihrer Umgebung, möglicherweise auch Fressgeräusche von Artgenossen.
Schildkröten können sich in ihren kognitiven Fähigkeiten mit allen anderen Reptilien messen. So merken sie sich Futterquellen und Fluchtwege. Ihr Orientierungssinn ist ebenfalls hervorragend ausgeprägt und scheint sich mit zunehmendem Lebensalter noch zu verstärken.
Weitere gut entwickelte Sinnesleistungen sind Schmerzempfindung, Temperatursinn und Gleichgewichtssinn.
Schildkröten sind meist stumm. Ausnahmen stellen jedoch Schreckreaktionen dar. Dabei stoßen diese Tiere durch schnelles Zurückziehen des Kopfes Luft aus, was einen fauchenden Zischlaut erzeugt. Bei Wasserschildkröten sind gelegentlich auch fauchende Drohlaute zu hören. Männchen vieler Landschildkrötenarten geben bei der Paarung piepsende oder keuchende Laute von sich, ähnlich wie auch Weibchen beim gelegentlichen Kampf mit anderen Weibchen um die besten Eiablageplätze. Landschildkröten können nach hastigem Fressen von Früchten oder kleinen Schnecken kurzfristig eine Art Schluckauf bekommen, der ein entsprechendes Geräusch erzeugt.
Mit tiefen Tönen findet eine akustische Kommunikation zwischen Individuen statt. Muttertiere kommunizieren mit frisch Geschlüpften. Embryonen tauschen sich – vor dem Schlüpfen – untereinander akustisch aus, um möglicherweise das Schlüpfen zu synchronisieren.[7][8]
Schildkröten bewegen sich sowohl an Land als auch im Wasser mit für Reptilien typischen schlängelnden Bewegungen fort, wobei der Panzer an Land über dem Boden getragen wird. Diese Art der Fortbewegung senkt den Energiebedarf bei der Bewegung im Wasser, wirkt aber an Land zuweilen unbeholfen. Lediglich Meeresschildkröten haben eine für Reptilien einmalige Methode der Fortbewegung entwickelt. Sie schlagen die vorderen Gliedmaßen, die sich zu Flossen geformt haben, auf und ab. Auf diese Weise erreichen sie bei optimiertem Energiebedarf hohe Geschwindigkeiten unter Wasser, was ihnen das Zurücklegen auch längerer Strecken ermöglicht. Auch die Gliedmaßen von Landschildkröten bzw. Süß- und Brackwasserschildkröten sind an den jeweiligen Lebensraum angepasst. So lässt sich in den meisten Fällen die Bindung an das Wasser am Vorhandensein und der Ausprägung von Schwimmhäuten vor allem an den hinteren Extremitäten feststellen. Die Beine von Schildkröten, welche heiße Steppengebiete bewohnen, sind dagegen säulenförmig und ringsherum gegen Verletzung und Austrocknung durch starke Hornschuppen geschützt.
Bei 220 Millionen bzw. 160 Millionen Jahre alten fossilen Schildkröten entdeckte man noch Zähne,[9][10] die sich im Laufe der Evolution jedoch rückgebildet haben. Rezente Schildkröten besitzen keine Zähne, sondern zu kräftigen Schneidewerkzeugen umgewandelte Kieferleisten aus Hornsubstanz, die in ihrer Gesamtheit den Schnabel bilden.[11] Wie alle Reptilien kauen Schildkröten ihre Nahrung nicht, sondern verschlingen sie entweder unzerkleinert, oder sie reißen mit dem Maul Stücke ab, wobei sie die vorderen Gliedmaßen zu Hilfe nehmen.
Schildkröten sind größtenteils Allesfresser (omnivor). Je nach Art überwiegt allerdings meist entweder die pflanzliche (herbivore) oder die fleischliche (carnivore) Kost. Manche Arten, insbesondere die im Wasser lebenden, wechseln von eiweißreicher Ernährung mit Wasserinsekten als Jungtiere zu energieärmerer, dafür aber leicht zu erlangender Pflanzenkost, wenn sie herangewachsen sind. Für das vergleichsweise große Knochenskelett und teilweise für die Ausbildung von hartschaligen Eiern brauchen Schildkröten calciumreiche Nahrung. Meist ist die Nahrung sehr abwechslungsreich, denn die Tiere sind bei der Suche nach Fressbarem wenig wählerisch. Ihr Nahrungsspektrum reicht je nach Art von Wiesenkräutern, Blüten, Früchten, Wasserpflanzen und Algen über Insekten, Würmer, Schnecken, Fische, Seesterne, Krabben und Quallen bis hin zu Aas und Ausscheidungsprodukten von Säugetieren.
Einige Arten sind jedoch ausgesprochene Nahrungsspezialisten, wie z. B. die Lederschildkröte, die auf Quallen spezialisiert ist oder die Malaysische Sumpfschildkröte, deren englischer Name snail eating turtle, und kräftige Kiefer die Vorliebe für das Knacken von Gehäuseschnecken verraten. Einige weitere Schildkrötenarten haben ihren Körperbau ebenfalls an spezielle Jagdmethoden angepasst, z. B. die Geierschildkröte, die ruhig mit geöffnetem Maul abwartet, bis sich ein Fisch für den Köder, einen wurmförmigen Zipfel auf ihrer Zunge, interessiert. Eine weitere ungewöhnliche Fangmethode praktiziert die Fransenschildkröte (Mata-Mata), die im Schlamm mit algenbewachsenem Panzer getarnt lauert und ihre Beute durch plötzliches Aufreißen ihres riesigen Schlundes einsaugt.
Im direkten Vergleich zwischen geschlechtsreifen Männchen und Weibchen stellt man fest, dass sich die Ausscheidungsöffnung in der Schwanzwurzel des Weibchens, die Kloake, näher am Panzerrand befindet, die des Männchens dagegen eher zum Schwanzende hin liegt. Der Schwanz ist beim Männchen meist auch deutlich länger und am Ansatz breiter, da er den Penis beherbergt, der nur zur Begattung ausgestülpt wird. Weitere häufige Geschlechtsunterschiede sind geringere Körpergröße und ein stärker nach innen gewölbter Bauchpanzer bei den Männchen, was die Kopulation erleichtert. Darüber hinaus gibt es sekundäre Geschlechtsmerkmale, die auf einzelne Gattungen, Arten oder gar Unterarten beschränkt sind, wie zum Beispiel verlängerte Vorderkrallen des Männchens bei den Schmuckschildkröten oder eine unterschiedliche Färbung der Iris bei manchen Dosenschildkröten und einigen Unterarten der Europäischen Sumpfschildkröte. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind beim Schlüpfling noch nicht zu erkennen, sondern werden erst im Vorfeld der Geschlechtsreife ausgebildet.
Zur Paarungszeit suchen die Männchen, die bei manchen Arten andere ökologische Nischen besiedeln, die Weibchen gezielt auf. Sie werden dabei vermutlich durch Geruchshormone (Pheromone) geleitet. Dem eigentlichen Paarungsakt geht bei den meisten Arten eine Balz voraus, die auf den Menschen eher grob wirkt. Je nach Art kommt es zur Verfolgung und Umkreisung des Weibchens mit teilweise heftigen Bissen in ihre Extremitäten und Rammstößen gegen den Panzer. Bei der Kopulation reiten die Männchen auf und klammern sich teilweise am Panzer des Weibchens fest. Aufgrund der Möglichkeit zur Samenspeicherung bleibt das Weibchen nach einer erfolgreichen Kopulation über mehrere Jahre befruchtungsfähig, ohne erneut kopulieren zu müssen, was den Erfolg der Schildkröten bei der Besiedlung neuer Lebensräume, z. B. den Galapagosinseln, erklären könnte.
Die Paarungszeit liegt bei Arten aus der gemäßigten Klimazone überwiegend im Herbst und Frühjahr, wogegen sich tropische Arten eher nach Regenzeiten und Luftfeuchtigkeit richten. Die Eiablage (Oviposition) erfolgt einige Wochen nach der Befruchtung und findet bei allen Arten an Land statt. Im Einklang mit den Jahreszeiten sucht das trächtige Weibchen eine geeignete Stelle auf, wofür es häufig lange, gefährliche Wanderungen in Kauf nimmt. Es achtet dabei auf die Sonnenlage des Platzes, dessen Bodenbeschaffenheit, Überschwemmungssicherheit und vermutlich noch auf weitere Faktoren. Einmal ausgewählt, wird diese Eiablagestelle meist über viele Jahre beibehalten. Das Weibchen gräbt mit den Hinterbeinen eine tiefe, häufig birnenförmige Grube, legt die Eier vorsichtig hinein und scharrt die Grube wieder sorgfältig zu, so dass keine Nesträuber angelockt werden. Das Ausbrüten der Eier überlassen die allermeisten Schildkrötenweibchen der Sonnenwärme. Wenige Schildkrötenarten betreiben eine Art Brutpflege durch Bewachen der Niststelle. Dazu zählt die Braune Landschildkröte aus der Gattung der Hinterindischen Landschildkröten. Weibchen dieser Art scharren mit ihren Vorderbeinen einen Nisthaufen aus Laub, Sand und Gras zusammen, der einen Durchmesser von 1 bis 2,50 Meter hat und zwischen 20 und 50 Zentimeter hoch ist.[12] In der Haufenmitte gräbt das Weibchen mit dem Kopf die Nistgrube. Anschließend bewacht sie das Gelege für eine Zeitdauer von 2 bis 20 Tagen. Dabei legt sie sich mitunter direkt auf die Nistgrube. Sie verteidigt ihre Nistgrube gegenüber Fressfeinden jedoch auch durch Bisse oder den Versuch, den Fressfeind von der Nistgrube wegzuschieben.[13]
Die Eier unterscheiden sich in Form, Größe und Beschaffenheit bei den verschiedenen Arten sehr. Bei Schlangenhalsschildkröten, Schlammschildkröten, Weichschildkröten, den meisten Landschildkröten mit Ausnahme der Gattung Manouria und bei vielen Altwelt-Sumpfschildkröten, z. B. bei Scharnierschildkröten und Amerikanischen Erdschildkröten, sind sie wie bei Vögeln von einer harten Kalkschale umgeben. Meeresschildkröten, Lederschildkröten und Alligatorschildkröten umhüllen ihre Eier aber nur mit einer lederartigen Haut und einer schützenden Schleimschicht, das gilt auch für die meisten Pelomedusenschildkröten.[14] Bei den Neuwelt-Sumpfschildkröten legen alle Vertreter der Deirochelyinae weichschalige Eier, bei den Emydinae haben die Vertreter der Gattungen Actinemys, Emydoidea und Emys hartschalige und die übrigen Gattungen weichschalige Eier.[15] Anders als bei Vögeln besitzen die Eier aber keine Hagelschnüre, an der der Dotter drehbar aufgehängt ist. Deshalb dürfen Schildkröteneier nach begonnener Embryonalentwicklung nicht mehr gedreht werden, sonst stirbt der Keimling ab. Die Anzahl von Eiern und Gelegen pro Saison variiert stark, von einem einzigen Ei, z. B. bei der kleinsten Landschildkrötenart (Homopus signatus), bis zu 200 Eiern bei den Meeresschildkröten.
Bei einigen Arten wird das Geschlecht nicht genetisch bereits bei der Befruchtung festgelegt, sondern erst durch die Bruttemperatur bestimmt (z. B. bei Europäischen Wasser- und Landschildkrötenarten). In bestimmten Temperaturbereichen schlüpfen überwiegend oder sogar ausschließlich Weibchen bzw. Männchen. Dieser Umstand hat sich als Vorteil bei Zuchtprojekten zum Schutz des Artenbestandes erwiesen. Die Inkubation erfolgt je nach Art in etwa 50 bis 250 Tagen. Am Ende der Entwicklungszeit füllt die kleine Schildkröte das Ei vollständig aus. Bei hartschaligen Eiern ritzt sie die Schale oft mit der Eischwiele am Oberkiefer an und öffnet ein erstes Fenster. In einigen Fällen wird die Schale auch mit einem Bein geöffnet. Danach beginnt sich der gefaltete Bauchpanzer zu strecken und sprengt die Schale vollkommen auf. Nach dem Schlupf bleiben die kleinen Schildkröten oft bis zur vollständigen Resorption des Dottersacks in der Nisthöhle, bis sie sich in gemeinsamer Anstrengung zur Oberfläche graben. In Trockengebieten geschieht das meist nach einem spätsommerlichen Regen, der den Boden aufweicht und für Pflanzenfresser auch üppige Nahrung verspricht. An der nördlichen Grenze ihres Verbreitungsgebiets überwintern Schildkrötenschlüpflinge häufig noch in der Nistgrube und kommen erst im folgenden Frühjahr an die Oberfläche. Das Muttertier leistet in keinem Fall Schutz oder Aufzuchthilfe, die Jungen sind auf sich alleine gestellt und teilweise sogar eine willkommene Beute für erwachsene Artgenossen.
Bis zur Geschlechtsreife vergehen mehrere Jahre. Sie ist hierbei nicht nur vom Alter, sondern auch von der Ernährungslage des Tieres abhängig.
Schildkröten können ein sehr hohes Alter erreichen. Das Geburtsjahr der Galápagos-Riesenschildkröte (Geochelone nigra) Harriet, die im Australia Zoo lebte und am 23. Juni 2006 verstarb, wird auf 1830 geschätzt, womit sie mindestens 176 Jahre alt geworden ist. Amerikanische Dosenschildkröten (Terrapene) sollen weit über 100 Jahre alt werden können und Meeresschildkröten (Cheloniidae) leben wahrscheinlich 75 Jahre oder mehr. Bei guter Pflege werden als Haustier gehaltene Schmuckschildkröten 40 Jahre und älter.
Zu den ältesten Individuen gehörte auch Timothy, eine weibliche Maurische Landschildkröte (Testudo graeca). Das ehemalige Maskottchen der britischen Marine wurde 160 Jahre alt, obwohl sie die ersten 40 Jahre ihres Lebens an Bord eines Kriegsschiffes vermutlich nicht artgerecht gehalten wurde.
Im Gegensatz zum potenziellen Höchstalter steht die durchschnittliche Lebenserwartung der meisten Schildkrötenarten unter natürlichen Bedingungen, die meist deutlich niedriger ausfällt. Für die Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni) beträgt sie in der Natur nur etwa 10 Jahre ab der Geschlechtsreife (Hailey 1990/2000).
Beispiele für besonders alte Schildkröten (laut traditionellen, meist nicht ganz sicheren Angaben) waren:
Neben vielen Arten, die nur 10 bis 50 Zentimeter groß werden, wie z. B. Vertreter der Gattungen Testudo, Emys und Mauremys, finden sich auch die Riesenschildkröten auf den Galápagos-Inseln (Geochelone nigra) bzw. den Seychellen (Dipsochelys dussumieri), die eine Panzerlänge von über einem Meter erreichen. Noch wesentlich größere Panzerlängen erreichen Meeresschildkröten sowie die beinahe ausgestorbene Hoan-Kiem-See-Riesenweichschildkröte. Als größte Art gilt die Lederschildkröte Dermochelys coriacea mit bis zu 250 cm Panzerlänge und 900 kg Gewicht.
Die kleinsten Schildkröten sind die Männchen der Gesägten Flachschildkröte Homopus signatus aus Südafrika mit einer Rückenpanzerlänge von durchschnittlich ca. 7,5 cm und einem Gewicht von ca. 70 g.
Größenangaben bei Schildkröten beziehen sich im Normalfall auf die Rückenpanzerlänge ohne Kopf, Beine und Schwanz. Gemessen wird im Stockmaß, also gerade entlang der Längsachse mit Hilfe einer Schiebelehre und nicht mit dem Bandmaß über dem Panzerbogen.
Die korrekte systematische Stellung der Schildkröten innerhalb der Reptilien wird kontrovers diskutiert. Da die Schildkröten keine Schädelfenster haben, werden sie traditionell zusammen mit einigen ausgestorbenen Reptilientaxa in die Anapsida gestellt. Demnach wären sie die Schwestergruppe der Pareiasauria oder aus diesen hervorgegangen. Dagegen vertreten einige Wissenschaftler die Ansicht, dass die Schildkröten die Schädelfenster sekundär wieder verloren haben und somit zu den Diapsida gehören. Die Vertreter dieser Hypothese sind sich aber uneinig, ob die Schildkröten näher mit den Archosauria (dazu gehören die Krokodile, Dinosaurier und Vögel) oder mit den Lepidosauria (Echsen und Schlangen) verwandt sind. Nach der Archosauria-Hypothese gehören die Schildkröten zu den Archosauromorpha und wären wahrscheinlich die Schwestergruppe der Rhynchosauria. Die Anhänger der Lepidosauria-Theorie vermuten einen marinen Ursprung der Schildkröten und sehen sie als Schwestergruppe der Sauropterygia, eine Gruppe großer mariner Reptilien aus dem Mesozoikum, die zusammen mit den Lepidosauria das Taxon Lepidosauromorpha bilden.[16]
2008 wurde Odontochelys semitestacea wissenschaftlich beschrieben, die älteste bis dahin bekannte Schildkröte. Die fossilen Überreste dieses im Meer lebenden, etwa 40 Zentimeter langen Tieres wurden in der Provinz Guizhou in der Volksrepublik China gefunden. Odontochelys besaß Zähne in Ober- und Unterkiefer und hatte keinen Rücken-, sondern nur einen Bauchpanzer.[9] Durch die im Juni 2015 veröffentlichte Beschreibung von Pappochelys, einem ursprünglichen Verwandten aus der Stammgruppe der Schildkröten, wird die Theorie, dass die Schildkröten zu den Diapsida gehören, weiter untermauert. Pappochelys hatte einen vollkommen diapsiden Schädelbau (oberes und unteres Schläfenfenster) und belegt, dass der Schildkrötenpanzer weitgehend aus bereits vorher existierenden Skelettelementen entstanden ist: der Rückenpanzer aus verbreiterten Rippen, der Bauchpanzer aus verschmolzenen Gastralia („Bauchrippen“).[17]
Im Folgenden wird die Systematik der Schildkröten nach der Reptile Database wiedergegeben:
Die Halsberger-Schildkröten, die sich während des Jura vor 180 Mio. Jahren zu entwickeln begannen, können ihren Kopf in den Panzer zurückziehen. Die Halswirbel dieser Tiere sind zu diesem Zweck speziell geformt, damit sich das Rückgrat S-förmig krümmen kann. Sie sind mit elf Familien vertreten.
Bei den Halswender-Schildkröten, die mit drei Familien existieren,[18][19] handelt es sich um die entwicklungsgeschichtlich jüngere Unterordnung, da sie erst in der Kreide erschien. Sie können ihren Kopf nicht wie die Cryptodira einziehen, sondern legen ihn durch eine horizontale S-förmige Bewegung seitlich unter den Panzer.
Unter Systematik der Schildkröten werden alle rezenten Arten dargestellt sowie die ausgestorbenen Gattungen, die in der deutschsprachigen Wikipedia beschrieben werden. Hier folgen zwei Kladogramme, die nach morphologischen bzw. molekularbiologischen Gesichtspunkten erstellt wurden und sich noch stark unterscheiden. Naturgemäß sind im mit molekularbiologischen Methoden erstellten Kladogramm keine fossilen Gruppen vertreten.
Innere Systematik nach morphologischen Gesichtspunkten nach Sterli, Pol & Laurin, 2013[20]
| ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Innere Systematik nach molekularbiologischen Gesichtspunkten nach Crawford u. a. (2014)[21] und Thomson, Spinks und Shaffer (2021).[22]
Testudines |
| ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Fressfeinde variieren sehr nach Art und Alter der Schildkröte. Während Gelege und Schlüpflinge selbst Krabben und Vögeln zum Opfer fallen, haben ausgewachsene Tiere nur noch wenige natürliche Feinde. Im besonders artenreichen Süden der USA sind das z. B. Alligatoren, aber auch viele andere Panzerechsen erbeuten regelmäßig Schildkröten, da sie mit ihren kräftigen Kiefern problemlos die Panzer aufbrechen können. Zu den Fressfeinden von Eiern und erwachsenen Schildkröten zählt aber auch der Mensch. In vielen Teilen der Welt wurden und werden Wasser-, Land- und Meeresschildkröten verzehrt und auch deren Nester ausgenommen. Wie schnell der Mensch die Schildkrötenbestände dezimieren kann, lässt sich am Beispiel der Europäischen Sumpfschildkröte zeigen. Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein im deutschsprachigen Raum durchaus häufig anzutreffen, wurde sie hier als Fastenspeise fast bis zum völligen Verschwinden abgefischt. Inzwischen ist sie in Deutschland und Österreich so selten geworden, dass sie nicht nur aus den heimischen Gewässern, sondern auch aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein als ursprünglich einheimische Tierart zu verschwinden droht. Die heutige Verbauung der Flusslandschaften trägt ebenfalls zur Gefährdung dieser Schildkrötenart bei.[23]
Ebenfalls durch intensive menschliche Nachstellung ausgerottet oder nahezu ausgerottet wurden die Riesenschildkröten auf den Inselgruppen im Indischen und Pazifischen Ozean. Einem Seefahrerbericht zufolge konnte man um 1700 auf Rodriguez Island (Mauritius) noch Gruppen von 2000 bis 3000 Tieren finden. Sie lagen so eng zusammen, dass man „100 Schritte über ihre Panzer laufen konnte, ohne den Fuß auf den Boden zu setzen“ (Legaut 1691). Das Fleisch sei wohlschmeckend und bekömmlich und das Fett schmecke besser als die beste Butter in Europa. Es eigne sich auch hervorragend als Medizin gegen Verdauungsbeschwerden und Krämpfe. Anderthalb Jahrhunderte später fand eine wissenschaftliche Expedition nur noch ein paar wenige in der Sonne brüchig gewordene Panzerreste auf dieser Insel, aber keine lebenden Tiere mehr. Die Schiffsbesatzungen deckten ihren Bedarf dann auf den Galapagosinseln, oft 500–800 Tiere pro Schiffsladung. Aber auch viele andere Schildkrötenarten gelten als Delikatesse und werden vom Menschen intensiv bejagt. Da es sich hierbei zu einem Großteil um Wildfänge handelt und sich die Populationen aufgrund der späten Geschlechtsreife nur langsam reproduzieren, stehen viele Arten vor der Ausrottung in freier Natur, zum Beispiel einige Arten der Gattung Cuora. In den letzten Jahren richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Lebensmittelmärkte in Südostasien, auf denen seit je her Schildkröten in großer Zahl angeboten werden. So werden jährlich etwa 10 Millionen Tiere in den Süden Chinas importiert (van Dijk u. a. 2001). Häufig sind es Arten, die inzwischen so stark bedroht sind, dass sie durch das Washingtoner Artenschutzabkommens eigentlich streng geschützt wären. Die riesigen Vermehrungsfarmen in den USA mit teilweise über 1 Million Schlüpflingen pro Jahr und Farm (Herrera 1998), wie auch die in den 1990er Jahren neu entstandenen Schildkröten-Farmen in China können bislang noch nicht in ausreichendem Maße den Bedarf decken. Zudem haben diese Farmen ein neues Problem geschaffen. Da exotisch aussehende Schildkröten auf den Märkten einen höheren Preis erzielen, versucht man gezielt, Hybride zu züchten. Das läuft auf der einen Seite der Artenreinerhaltung zuwider. Auf der anderen Seite steht seit Bekanntwerden dieser Tatsache die Systematik der südostasiatischen Schildkröten in Frage. Denn bei vielen Arten, die erst in den letzten Jahren anhand auf Märkten gefundener Tiere wissenschaftlich beschrieben wurden und deren genaues Herkunftsgebiet unbekannt ist, stellt sich nun die Frage nach der Gültigkeit dieses Taxons. Für einige Holotypen konnte inzwischen nachgewiesen werden, dass es sich um Hybride der Gattungen Chinemys und Cuora handelt.
Haustierhaltung ist die zweite, ebenfalls jahrtausendealte Nutzung von Schildkröten durch den Menschen. In fast allen Kulturen gelten Schildkröten, anders als andere Reptilien, als Sympathieträger und werden als Heimtiere (Spieltiere) gehalten. Gelegentlich gelten sie als heilige Tiere, so z. B. in Babylon 1100 v. Chr. und auch im alten Ägypten. Eine zweieinhalbtausend Jahre alte griechische Vase, Museumsstück im Britischen Museum in London, zeigt dagegen ein Mädchen im für unsere Begriffe grausamen Spiel mit einer Landschildkröte.
Ähnlich dürfte allerdings das Schicksal der vielen im 20. Jahrhundert in den USA gehaltenen Schmuckschildkrötenbabys und der nach Mittel- und Nordeuropa importierten Europäischen Landschildkröten gewesen sein. So erlitten vor Einführung des Washingtoner Artenschutzabkommen die Wildpopulationen der europäischen Landschildkrötenarten einen erheblichen Rückgang aufgrund der Nachfrage europäischer und amerikanischer Tierhalter. Für Großbritannien sind z. B. folgende Import-Zahlen bekannt: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden jährlich bis zu 250.000 Landschildkröten überwiegend aus einem einzigen Land, Marokko, nach England eingeführt (Lambert 1981). Davon starben 80 % bereits auf dem Transport oder im Laufe des darauf folgenden Jahres. Für die übrigen europäischen Länder, Export- wie Importländer, dürfte ähnliches gelten, auch wenn deren Aus- bzw. Einfuhren zahlenmäßig nicht genau erfasst sind. Touristen bringen erhebliche Mengen an Schildkrötenjungtieren aus den Mittelmeerländern als Urlaubssouvenirs mit. Für die stark zurückgegangene Schildkrötenpopulationen stellt das, neben der Lebensraumzerstörung, eine weitere erhebliche Belastung dar.
Aus dem ehemaligen Kinderspielzeug ist im deutschsprachigen Raum inzwischen aber ein ernsthaftes Hobby geworden, mit zahlreichen Clubs, Vereinen und Stammtischen. Allein im größten herpetologischen Verein Deutschlands, der DGHT und seiner Untergruppierung, der AG Schildkröten, gibt es fast 3000 Schildkröteninteressierte, die im Jahre 2004 über 6000 kleine Schildkröten in über 70 Arten nachzüchteten, davon etwa 4000 Individuen der Gattung Testudo. Insgesamt wird die jährliche Nachzucht an Europäischen Landschildkröten inzwischen auf etwa 10.000 allein in Deutschland geschätzt (Schilde, 2005).
Der „Rohstoff“ Schildkrötenpanzer ist eine weitere uralte Nutzungsanwendung. Die kleineren Schildkrötenpanzer wurden hauptsächlich als Schmuck- und Gebrauchsgegenstände im Ganzen verwendet. So wurden bereits im alten Griechenland Leiern mit einem Korpus aus einem Schildkrötenpanzer hergestellt. Hierzu gehört die häufig auf Tongefäßen abgebildete Lyra. Einige afrikanische Saiteninstrumente besitzen Resonanzkörper aus Schildkrötenpanzern, die mit einer Tierhaut bespannt sind, beispielsweise Leiern und Fiedeln in Ostafrika. Auf nordafrikanischen Basaren gibt es Blasebalge aus Schildkrötenpanzern zu kaufen.[24] Von den großen Meeresschildkröten, vor allem von der kleinsten Art, der Echten Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata) wurden dagegen nur die oberen Hornschichten verwendet, die man unter Hitzeanwendung vom Knochenpanzer ablöste, häufig vom lebenden Tier. Dieses durchscheinende, stark gemusterte Schildpatt diente seit der Antike als Werkstoff für Schmuck, Toilettenartikel (Kämme) und Intarsienarbeiten an Möbeln. Laut UNEP liegt der Wert von Schildpatt auf dem Weltmarkt bei ca. 5000 Euro pro kg, weswegen es trotz weltweiten Verbotes noch immer zur weiteren Bedrohung der Tiere beiträgt.
Aber auch der Lebensraum vieler Schildkrötenarten ist durch Menschen oder Klimawandel bedroht. Landschildkröten werden von Landwirten in den Herkunftsgebieten als Schädling betrachtet und getötet. Insektizide und Herbizide vergiften die Tiere oder vernichten die Nahrungsgrundlage. Straßen durchschneiden die Habitate und führen zu hohen Opferzahlen, wobei häufig gerade trächtige Weibchen auf der Suche nach einem geeigneten Nistplatz betroffen sind. Sumpf- und Feuchtgebiete werden für landwirtschaftliche Zwecke trockengelegt und die Industrie leitet Abwasser in die von Wasserschildkröten bewohnten Gewässer ein. Die Wasserschildkröten verlieren dadurch geeignete Biotope und durch die Umweltverschmutzung ihre Nahrungsgrundlage. Flussbegradigungen und Kanalisierungen resultieren in einem Verlust an Plätzen zum Nisten und Sonnen. Meeresschildkröten wird die Fortpflanzung durch die touristische Erschließung von zum Nisten geeigneten Stränden erschwert. Gelege werden zertrampelt, Schlüpflinge, die sich nachts zur Oberfläche graben, orientieren sich am Licht, um das relativ sichere Wasser zu finden. Künstliche Lichtquellen führen zu einem Verlust der Orientierung. Meeresschildkröten verfangen sich in Treibnetzen oder schlucken Kunststoffteile in der Annahme, es handele sich um Quallen. Eine weitere Gefahr stellt der Schiffsverkehr dar. An einem der Hauptbrutgebiete, dem indischen Strand Orissa, fanden in einer einzigen Brutsaison schätzungsweise 20.000 durch Schiffsschrauben verstümmelte Tiere den Tod. Innerhalb von nur 30 Jahren haben es die Menschen fast geschafft, diese Meeresreptilien auszurotten (UNEP 2004).
Ein wichtiger Schritt zum Schildkrötenschutz, wie auch der anderer bedrohter Arten, war 1975 das Inkrafttreten des Washingtoner Artenschutzabkommens CITES, dem inzwischen weltweit fast alle Staaten beigetreten sind. Seitdem wird der Im- und Export, aber auch der innerstaatliche Handel mit immer mehr Tierarten und Produkten daraus, je nach Bedrohungsstufe zum Teil streng überwacht. Bedrohte und daher geschützte Tierarten benötigen beim Verkauf Vermarktungsgenehmigungen mit Individualerkennung des Tieres entweder durch Implantieren von Mikrochips oder durch Fotos von Rücken- und Bauchpanzern. Außerdem ist jeder private Halter verpflichtet den Kauf, Verkauf, Nachzucht oder Tod seiner Tiere mit Anzahl und Art den Behörden zu melden, so z. B. bei der besonders häufig gehaltenen Griechischen Landschildkröte. Bei Verstößen gegen diese Gesetze drohen hohe Bußgelder, kostenpflichtige Beschlagnahmung der Tiere und sogar Haftstrafen.
Der langen Liste an Bedrohungen versuchen Wissenschaftler und engagierte Laien in allen Teilen der Welt aber auch aktive Artenschutzprojekte entgegenzusetzen. Der Schutz und die Wiederansiedlung der heimischen Sumpfschildkröte in Deutschland wird zum Beispiel besonders gezielt an der Naturschutzstation Rhinluch in Brandenburg betrieben. Unter Mitwirkung von NABU und einiger weiterer Spendenorganisationen wird hier Feldforschung betrieben, Restpopulationen bzw. deren Biotope geschützt, Jungtiere nachgezogen und ausgewildert und auch ganz allgemein Aufklärung der Bevölkerung geleistet.
Eine weitere Hoffnung ist der Turtle Conservation Fund, in dem sich amerikanische, australische und europäische Partner zusammengetan haben, um auf die so genannte Schildkrötenkrise in Südostasien zu reagieren. Innerhalb dieses Verbandes koordiniert u. a. der Allwetterzoo Münster ein viel beachtetes Nachzuchtprojekt von 15 hoch bedrohten Schildkrötenarten, z. B. verschiedene Cuora-Arten.
Die Naturschutzorganisation Paso Pacifico hat in Costa Rica mit 3D-Druck Schildkröteneier nachgebaut und diese mit Tracking-Sendern versehen. Ein Viertel dieser Köder wurde von Dieben als vermeintliche Eier gestohlen, manche wurden erkannt und wieder zurück an den Strand gelegt, einige ermöglichten das Verfolgen von Dieben, Händlern und Konsumenten, durchwegs in der Region.[25]
Knochenbrüche des Panzers treten durch Beutegreifer oder andere Traumata auf. Bei der Legenot steckt ein Ei im Legedarm oder der Kloake fest. Die Hexamitiasis ist eine durch Flagellaten ausgelöste Erkrankung des Verdauungstrakts.
In den alten Kosmogonien vieler asiatischer Völker treibt die Erde als runde Fläche auf dem Urmeer. Um nicht zu versinken und ruhig in Position zu bleiben, braucht es einen Träger, der die Erde stützt. Dieser ist in jedem Fall ein Tier und sehr häufig eine Schildkröte. Den Ausgangspunkt für viele asiatische Ursprungsmythen bildet die indische Vorstellung des Gottes Vishnu, der auf der Weltenschlange Ananta-Shesha auf dem Grund des Ozeans liegt und die Schöpfung bewacht. Er selbst verwandelt sich in seiner zweiten Inkarnation in die Schildkröte Kurma, die als Basis für die vom Berg Mandara gebildete Weltenachse dient. Beim Quirlen des Milchozeans setzen Götter und Dämonen im Kampf gegeneinander auf dem Rücken der Schildkröte einen Quirlstab in Drehung und erschaffen so eine Reihe göttlicher Wesen und kostbarer Gegenstände.
Mit der Ausbreitung des Buddhismus gelangte der Mythos der kosmischen Schildkröte in das Hochland von Tibet, hielt Einzug in die Chinesische Kultur und verbreitete sich weiter ins nördliche Zentralasien. Bei den Mongolen trägt eine goldene Schildkröte den zentralen Weltenberg. Zum buddhistischen Sagenkreis Zentralasiens gehören der Schöpfergott Otschirvani (Er entspricht dem Bodhisattva Vajrapani) und sein Diener Tsagan-Schukuty. Als beide vom Himmel herabkamen, sahen sie eine Schildkröte im Wasser tauchen. Der Diener fing die Schildkröte und ließ sie mit dem Bauch nach oben auf dem Wasser treiben. Otschirvani legte sich auf ihren Bauch und wies seinen Begleiter an, vom Meeresgrund Erde heraufzuholen. Diese Erde streuten sie auf die Schildkröte und schliefen schließlich ein. Wenig später – die neue Erde war noch sehr klein – kam der Teufel vorbei und wollte die Erde mitsamt den Schlafenden ins Meer reißen. Alsbald wuchs die Erde so schnell, dass der fliehende Teufel kaum Zeit hatte, um sich zu retten. Die Schildkröte liegt seither unsichtbar unter dem Wasserspiegel.
Bei den ebenfalls buddhistischen Kalmücken verwandelt sich der Bodhisattva Manjushri in eine große Schildkröte, die auf dem Rücken liegend die Erde über der Wasseroberfläche hält. Wenn die Schildkröte eine Zehe bewegt, gibt es ein Erdbeben. Wenn die Erde bei den Burjaten und Tungusen bebt, zittert das Tier vor Müdigkeit. Die burjatische Schildkröte blickte anfangs bewegungslos aufs Wasser, bis der Schöpfergott sie umdrehte und auf ihrem Bauch die Erde errichtete.
Vergleichbare Ursprungsmythen kennen auch einige nordamerikanische Indianer. So erzählen die Sioux von einer Schildkröte mit Schlamm im Maul und einem Wasservogel mit Gras im Schnabel, die gemeinsam auf dem Urmeer schwammen. Beides vermengten sie, brachten es auf den Rücken der Schildkröte und schufen so die Erde. In der Wyandot-Schöpfung tauchte aus dem Wasser eine Schildkröte auf, die der Reihe nach einige Tiere auf den Meeresgrund schickte, um Schlamm zu holen, bis dies endlich dem Fisch gelang. Auf dem Rücken der Schildkröte wurde aus dem Schlamm die Erde.[30]
Auf zahlreichen polynesischen Inseln zeigen Petroglyphen Schildkröten einzeln oder in Gruppen. Bei der Interpretation der Abbildungen ist häufig unklar, ob sie aus religiösen, gesellschaftlichen oder ästhetischen Gründen angefertigt wurden. Möglicherweise wurde eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen. Schildkröten besaßen in Polynesien große Bedeutung bei traditionellen Bestattungszeremonien, so kam ihnen auf den Marquesas eine Rolle beim Übergang des Verstorbenen in die jenseitige Welt zu. Weil Seeschildkröten in der Lage sind, aus großen Meerestiefen aufzusteigen und an Land ihre Eier zu legen, scheinen sie – in den Mythos übertragen – geeignet, eine Verbindung zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt herzustellen.[31] Australische Aborigines kennen die mythische Erzählung Emu und Schildkröte.
In Afrika gelten Schildkröten als besonders kluge Tiere. In Märchen verschaffen sie sich meist durch eine List Vorteile und gewinnen bei Geschwindigkeitswettbewerben gegen Tiere, die deutlich größer oder schneller sind.
Die chinesische Schöpfergöttin Nüwa schuf die Erde, indem sie einer Schildkröte ihre Füße abschnitt und daraus die vier Himmelssäulen in den vier Himmelsrichtungen formte. In China ist die mythische Schildkröte Ao ein Symbol des Universums. Als heilige Tiere schwimmen Schildkröten in Wasserbecken auf dem Gelände vieler buddhistischer Tempel und werden von den Besuchern gefüttert, damit sie für Glück und langes Leben sorgen mögen. Durch ihr langes Leben haben sie den Ruf, für die Wahrsagerei geeignet zu sein.[32]
Selten fanden Schildkröten auch Eingang in den islamischen Volksglauben. In der marokkanischen Kleinstadt Lalla Takerkoust wurden wunscherfüllende Schildkröten früher in einem Becken neben einem Heiligengrab von muslimischen und jüdischen Pilgern verehrt.[33]
In der Mythologie der griechischen Antike war Chelone eine Jungfrau, die in eine Schildkröte verwandelt wurde. Die griechische Göttin Urania wurde gelegentlich mit einem Fuß auf einer Schildkröte stehend dargestellt, womit sich ihre Verbindung zu Aphrodite zeigt, deren Attribut unter anderem die Schildkröte ist. Zusammen mit Apollon galt Hermes für die Griechen als der mythische Erfinder der Leier. Hermes höhlte die Schildkröte aus, befestigte zwei Schilfrohre und eine Querstange daran, zog sieben Saiten aus Schafsdarm über die Konstruktion und begann mit dem göttlichen Musizieren.[34]
Der Fantasy-Schriftsteller Terry Pratchett greift den indischen Mythos in seinem Scheibenwelt-Zyklus auf: Die Scheibenwelt wird von vier Elefanten getragen, die auf dem Rücken der Sternen-Schildkröte Groß-A'Tuin (im Original Great A'Tuin) stehen, welche durch das Universum schwimmt.
Bekannt ist auch das Gedicht von Christian Morgenstern Die Schildkröte.[35]
Allgemeine Literatur und Feldstudien:
Ratgeber Heimtierhaltung:
Schildkröten-Zeitschriften:
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.