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mit Machtmitteln versehene Kontrolle menschlicher Äußerungen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zensur (lateinisch censura) ist der Versuch der Kontrolle menschlicher Äußerungen. Sie führt bei Bedarf zu rechtskonformen oder außerrechtlichen Sanktionen, etwa zur Behinderung, Verfälschung oder Unterdrückung von Äußerungen vor oder nach ihrer Publizierung.[1] Durch restriktive Verfahren – ausgeübt u. a. durch staatliche Instanzen, religiöse oder private (etwa privatwirtschaftliche) Stellen[2] – soll die frei zugängliche Information durch Massenmedien oder durch persönlichen Informationsverkehr eingeschränkt oder unterbunden werden, um den Diskurs zu kontrollieren, den freien Wettbewerb von Ideen zu unterbinden und die Verbreitung unerwünschter oder gesetzeswidriger Inhalte zu unterdrücken oder zu verhindern.[3][4]
Der Begriff „Zensur“ ist abgeleitet vom lateinischen Wort censura, das eine strenge Prüfung bzw. Beurteilung und zugleich das Amt eines Sittenrichters (Censors) im römischen Staat bezeichnete.[5]
Mit dem Wort Zins ist der Begriff Zensur (mit der auch die Bewertung von Schülern bezeichnet wird) ebenfalls verwandt, und zwar über die gemeinsame lateinische Wurzel censere, die eigentlich „schätzen“ bedeutet. Zum Verb censere wurde das Substantiv censura gebildet, das „Prüfung, Begutachtung, Kritik“ bedeutet und im 15. oder 16. Jahrhundert ins Deutsche übernommen wurde.[6]
Vor allem Nachrichten, künstlerische Äußerungen und Meinungsäußerungen sind Gegenstände der Zensur. Die Zensur dient dem Ziel, das Geistesleben in religiöser, sittlicher oder politischer Hinsicht zu kontrollieren. Diese Kontrolle wird damit begründet, man wolle oder müsse schutzbedürftige Gesellschaftsgruppen vor der schädlichen Wirkung solcher Inhalte bewahren.
Von Seiten der von Zensur Betroffenen und auch in wissenschaftlichen Untersuchungen wurde und wird der Vorwurf erhoben, der wahre Beweggrund der Zensur seien der Schutz und der Machterhalt der sie ausübenden Eliten.[7]
Zur Kontrolle werden, je nach Staat und Gesetzeslage, folgende Maßnahmen angewendet:[8][9]
Die Pressezensur umfasst das Verbot der Verbreitung (Ausstrahlung, Vertrieb) oder die inhaltliche Veränderung bzw. Kürzung. Bei Filmen werden beispielsweise zensurwürdige Szenen herausgeschnitten, Objekte verdeckt oder Ausdrücke mit einem Piepston (engl. Bleep) überlagert, letzteres auch bei der Wiedergabe von Tonaufnahmen.
Häufig wird – wie etwa im Grundgesetz – unter Zensur die Kontrolle von Presseerzeugnissen vor ihrer Veröffentlichung verstanden. Zensur in diesem Sinne, die sogenannte Vorzensur, ist ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das in Art. 5 Abs. 2 GG festgelegt ist. Davon unterscheidet man die Nachzensur, bei der erst nach der Veröffentlichung in die freie Meinungsäußerung eingegriffen wird:[10]
Bei der Vorzensur müssen Medien (Filme, Bücher, Zeitschriften usw.) vor Veröffentlichung entsprechenden Institutionen zur Prüfung vorgelegt werden, die dann gegebenenfalls Abänderungen fordern oder das Werk indizieren, also in eine Schwarze Liste aufnehmen.
Die Nachzensur ist Bestandteil auch jener Rechtssysteme, in denen Vorzensur laut Verfassung verboten ist. Jeder darf seine Meinung zum Ausdruck bringen, kann aber nachträglich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er dabei gegen Gesetze verstößt. Die Konsequenzen können Einziehung und Indizierung des betreffenden Werkes oder Bestrafung der Person sein. Ein Beispiel aus der deutschen Nachkriegsgeschichte ist die Kontroverse um die sog. Lex Soraya.
Da Grundrechte traditionell als Abwehrrechte Privater gegenüber dem Staat zu verstehen sind (Art. 1 Abs. 3 GG), ist in Deutschland eine verbotene Zensur im Sinne von Art. 5 Abs. 1, S. 3 Grundgesetz nur die Zensur durch den Staat oder dem Staat zurechenbare Stellen.
Eine Vorauswahl privater Stellen, ob Beiträge veröffentlicht werden oder nicht (z. B. einer Zeitungsredaktion vor der Veröffentlichung von Leserbriefen oder eines Forenmoderators vor oder nach der Veröffentlichung von Beiträgen in Online-Foren), ist daher keine Zensur im Sinne des Grundgesetzes und verfassungsrechtlich unbedenklich. Im Zuge der sogenannten mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten kommt je nach Sachverhalt der Stellenwert von Art. 5 Grundgesetz zwischen Privaten indirekt zum Tragen. Dabei handelt es sich dann allerdings um ein Auslegungsinstrument für andere Gesetze, nicht um eine direkte Anwendung des Zensurverbotes aus dem Grundgesetz.[11]
Die bloß juristisch aus dem Grundgesetz hergeleitete Definition von Zensur bildet lediglich einen Teilausschnitt des umgangssprachlich als „Zensur“ verstandenen sozialen Vorgangs ab.[12]
Eine Verbindung juristischer Dogmatik mit umgangssprachlicher Verwendung wird durch Johanne Noltenius vorgeschlagen. Sie definiert Zensur im materiellen Sinne als „Beeinflussung der öffentlichen Meinung“ dahingehend, „dass ein möglicher Beitrag zum Prozess der Meinungsbildung der Öffentlichkeit durch eine intervenierende Instanz entzogen oder verändert zugänglich gemacht wird.“[13]
Zensur wird als Diskurskontrolle im Sinne der Ausübung semantischer Herrschaft verstanden und bedeute eine „faktische, strukturelle Zensur […], die auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Alltags stattfindet“.[14] Sie beruht auf dem Eigentum an Produktionsmitteln und wird durch staatliche Macht abgesichert. Wirtschaftlich und politisch wirksame Lobby-Gruppen bedienen sich des Staates, indem sie ihn zur Sanktion unwillkommener Ansichten auffordern. „Zensur ist ein Mittel sozialer Kontrolle zur Aufrechterhaltung bestehender Produktionsverhältnisse“, wie Kienzle und Mende ausführen. Der Staat belohne herrschaftskonformes Verhalten und werde vor allem dann tätig, wenn von gesellschaftlichen Akteuren sexualmoralische, kulturelle, soziale, religiöse oder politische Normen hinterfragt würden, die er zur Aufrechterhaltung seiner Legitimität benötige.[15] Soziale Zensur wird auch jenseits staatlicher Akteure von Pressure Groups ausgeübt, etwa im Rahmen von Cancel Culture oder der Maßnahmen zur kulturellen Aneignung.
Sozial wirksame Zensur führt dazu, dass ein großes Potential von Phantasie, Kreativität und gesellschaftlichen Bewusstseins brachliegt oder vernichtet wird. Wirksam wird das in Form von Wissenschaftszensur, Rundfunkzensur, Pressezensur, Filmzensur, Bibliothekszensur, Theaterzensur und Kirchenzensur.
Eine als klassisch geltende Stellungnahme gegen die Vorzensur ist die 1644 erschienene Rede Areopagitica von John Milton, ähnlich wie die 1859 von John Stuart Mill veröffentlichte Schrift On Liberty.[16] Die klassische soziologische Studie zur Zensur stammt aus dem Jahr 1911 und ist von Vilfredo Pareto: Le mythe vertuiste et la littérature immorale (dt. Der Tugendmythos und die unmoralische Literatur, 1968).
Zensur in einzelnen Ländern
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