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Unternehmensform mit minimaler Leistungstiefe Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Eine virtuelle Fluggesellschaft ist ein in der Luftfahrt tätiges Verkehrsunternehmen, das nicht alle branchentypischen Geschäftsfelder selbst wahrnimmt und Aufgaben an externe Dienstleister ausgelagert hat.[1] Hierzu zählen Unternehmen, die kein Air Operator Certificate (AOC) besitzen, aber Flüge vermarkten und diese unter eigenem Markenauftritt durchführen lassen, indem sie Maschinen mitsamt Besatzungen von anderen Fluggesellschaften mieten.[2] Darüber hinaus fallen auch Fluggesellschaften unter diesen Begriff, die sich beispielsweise auf ACMI-Vermietungen spezialisiert haben und somit ihre Unternehmensstruktur ausdünnen konnten.[3] Entsprechende Fluggesellschaften besitzen zwar eine Betriebsgenehmigung, betreiben ihre Maschinen aber für andere Unternehmen und treten zumeist nicht unter eigener Marke in Erscheinung.
So bezeichnet sich zum Beispiel die Deutsche Post DHL Group, die selbst kein Betreiberzeugnis (AOC) besitzt, als virtuelle Fluggesellschaft, weil die konzerneigenen Frachtfluggesellschaften einheitlich unter ihrer Corporate Identity auftreten und ausschließlich für das Mutterunternehmen tätig sind.[4] Die verschiedenen DHL-Gesellschaften besitzen zwar eigene AOC, sind aber ebenfalls virtuell, da ihnen nur die Kernaufgabe des operativen Betriebs zufällt. Alle sonstigen Geschäftsbereiche neben dem „Fliegen“ – wie Marketing, Werbung, Akquise, Ticketverkauf, Streckennetzplanung und Festlegung von Frachtraten – entfallen bei den Töchtern oder werden vom Mutterkonzern übernommen.
Das Geschäftsmodell einer virtuellen Fluggesellschaft ohne Betriebsgenehmigung stellt eine Weiterentwicklung des klassischen Charterflugkonzepts dar. Wie dort beauftragt ein Vertriebsunternehmen, welches die Flugstrecke festlegt, die Tickets verkauft und das Serviceangebot an Bord vorgibt, eine Fluggesellschaft mit der Erfüllung der eigentlichen Transportleistung.[5] Bei virtuellen Fluggesellschaften erfolgen die Auftragsflüge, im Gegensatz zum Charterverkehr, nicht im Markenauftritt der Partnerfluggesellschaft, sondern in der Corporate Identity des Vertriebsunternehmens. Äußerlich ist damit nicht mehr erkennbar, dass die Flüge von einem anderen Unternehmen durchgeführt werden.[6] Für die Passagiere erscheint der „Ticketverkäufer“ als Fluggesellschaft, obwohl er dies luftfahrtrechtlich nicht ist. Zudem besitzt eine virtuelle Fluggesellschaft aufgrund des fehlenden Betreiberzeugnisses keinen ICAO-Code. Der Betrieb findet mit Flugnummern der Partnergesellschaft statt.
Eine virtuelle Fluggesellschaft ohne Betriebsgenehmigung ist zwingend auf die Zusammenarbeit mit einer oder mehreren Partnerfluggesellschaften angewiesen und begibt sich damit in eine Abhängigkeit. Dennoch bietet dieses Geschäftsmodell gegenüber der Gründung einer klassischen Fluggesellschaft einige Vorteile:[7]
Die ersten virtuellen Fluggesellschaften entstanden in den 1990er Jahren, allerdings nahm ihre Zahl erst nach der Jahrtausendwende deutlich zu.[7] Mittlerweile nutzen auch etablierte Fluggesellschaften beziehungsweise deren Holdings dieses Geschäftsmodell, insbesondere zur Gründung von Billigflugtöchtern. Die International Airlines Group besitzt zum Beispiel mit Level eine virtuelle Fluggesellschaft, deren Betrieb von ihrer Konzernschwester Iberia durchgeführt wird. Zum Teil erhalten die virtuellen Unternehmen nach der Betriebsaufnahme eigene Betreiberzeugnisse und werden dadurch, wie im Fall der italienischen Ernest Airlines, in traditionelle Fluggesellschaften umgewandelt.
Virtuelle Fluggesellschaften ohne AOC sind/waren unter anderem:
Entsprechende Unternehmen besitzen ein Betreiberzeugnis und sind somit luftfahrtrechtlich Fluggesellschaften. Ihre zusätzliche Einstufung als virtuelle Fluggesellschaft basiert daher ausschließlich auf der Unternehmensstruktur beziehungsweise auf der Auslagerung von solchen Geschäftsbereichen, die ein Lufttransportunternehmen traditionell selbst abdeckt.[3]
Nach dem Airline Deregulation Act bauten die größeren US-amerikanischen Linienfluggesellschaften ihre nationalen Streckennetze aus, indem sie Regionalfluggesellschaften aufkauften oder mit ihnen kooperierten. Die Luftfahrtkonzerne entwickelten in den 1980er Jahren Dachmarken wie American Eagle, Continental Connection, Delta Connection, Northwest Airlink, United Express und USAir Express, unter denen die zu einer Unternehmensgruppe gehörenden Regionalpartner den Betrieb fortsetzten. Gleichzeitig traten diese Unternehmen zahlreiche Geschäftsaufgaben, die sie bis dahin selbst leisten mussten, an die größeren Linienfluggesellschaften ab. So übernimmt beispielsweise United Airlines für alle Kooperationspartner, welche die Marke United Express im Franchising nutzen, das Marketing, den Ticketverkauf und die Streckenplanung. Zudem legt sie die Anzahl der Flugfrequenzen fest und gibt die Ticketpreise vor. Den Regionalfluggesellschaften verbleibt nur die Kernaufgabe des „Fliegens“, wobei ihr operativer Betrieb mit United-Airlines-Flugnummern stattfindet.[8] In Deutschland wurde ein ähnliches Modell im Jahr 1996 mit dem Team Lufthansa geschaffen.[9]
Eine vergleichbare Entwicklung setzte in den 1980er Jahren auch im Frachtflugverkehr ein, indem Logistikkonzerne wie DHL, Federal Express oder United Parcel Service eigene Fluggesellschaften gründeten beziehungsweise bestehende Unternehmen wie Flying Tigers aufkauften und umfirmierten. Die Deutsche Post DHL Group besitzt mit der DHL Aero Expreso, DHL Air UK, EAT Leipzig und SNAS/DHL mehrere Fluggesellschaften, die einheitlich in der Corporate Identity des Mutterkonzerns auftreten und daher nicht als individuelle Unternehmen erkennbar sind. Diese Tochtergesellschaften benötigen keine eigenen Vertriebsstrukturen, weil sie nur für den Logistikkonzern tätig sind und ihr Flugbetrieb durch DHL Aviation koordiniert wird.
Ende der 1970er Jahre entstanden Fluggesellschaften wie United Air Carriers, deren Kerngeschäft die Vermietung von Flugzeugen im Dry- und Wetlease war. Daneben führten diese Unternehmen zum Teil auch eigene Flüge durch. Das Geschäftsmodell wurde in modifizierter Form ab den frühen 1990er Jahren von Fluggesellschaften aufgegriffen, die sich ausschließlich auf ACMI-Vermietungen (Aircraft, Crew, Maintenance and Insurance) spezialisiert haben. Entsprechende Unternehmen wie Atlas Air betreiben ihre Flotten im Wetlease für andere Fluggesellschaften oder Logistikkonzerne und treten dabei Aufgaben, die ein Lufttransportunternehmen traditionell selbst leistet, an den Kunden ab. So ist der Mieter beispielsweise für die Einsatzplanung und Auslastung der Maschinen verantwortlich. Das ACMI-Unternehmen konzentriert sich lediglich auf eigentliche Betriebsdurchführung, die üblicherweise im Markenauftritt und unter den Flugnummern des Leasingnehmers erfolgt.[9] Handelt es sich bei dem Mieter um ein Unternehmen ohne AOC, so muss die ACMI-Gesellschaft luftfahrtrechtlich ihren ICAO-Code beziehungsweise eigene Flugnummern für die Auftragsflüge nutzen.
In der Regel führt eine Fluggesellschaft ihren operativen Betrieb selbst durch. Allerdings kommt es seltenen Fällen vor, dass diese Kernaufgabe vollständig an Fremdunternehmen auslagert wird und eine Fluggesellschaft nur die Vermarktung ihrer eigenen Flüge übernimmt. Sie greift damit das Geschäftsmodell auf, welches in identischer Weise von einer virtuellen Fluggesellschaft ohne AOC umgesetzt wird. Ein Unterschied liegt lediglich darin, dass eigene Flugnummern verwendet werden können. So besaß beispielsweise die Billigfluggesellschaft Hapag-Lloyd Express ein Betreiberzeugnis, war selbst aber nur als Vertriebsunternehmen tätig. Mit der Durchführung ihrer Flüge beauftragte sie die Konzernschwester Hapag-Lloyd Flug sowie Germania.[9] Auch die britische Peach Air hatte ihren Flugbetrieb komplett ausgelagert und setzte ausschließlich im Wetlease gemietete Maschinen ein.
Virtuelle Fluggesellschaften sind/waren aufgrund ihrer unternehmerischen Kernausrichtung unter anderem:
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