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psychologisches Verhaltensmuster zur Vermeidung von Unangnehmem oder Gefährlichem Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Vermeidungsverhalten wird das grundsätzliche Vermeiden bestimmter Situationen oder Handlungen, durch die Unannehmlichkeiten oder Bedrohungen für den Körper, die Seele oder die soziale Stellung erwartet werden, bezeichnet. Während Flucht, Erstarren (Bewegungslosigkeit), Auseinandersetzung (Kampf) oder andere Bewältigungsstrategien mögliche Reaktionen auf eine unmittelbare Bedrohung darstellen, ist die Vermeidung eine Reaktion auf innere oder äußere Hinweise, die eine Gefahr ankündigen können. Einige Autoren unterscheiden Vermeidungsverhalten von Sicherheitsverhalten.[1][2] Sicherheitsverhalten soll gefürchtete Konsequenzen abwenden oder verringern und damit die Bedrohlichkeit einer Situation reduzieren, wenn man bereits in der Situation ist, die man normalerweise vermeidet.[1][3] Die vorauseilende oder imaginäre Komponente des Vermeidungsverhaltens ist einerseits schützend, andererseits verhindert sie neue Erfahrungen und kann das Leben erheblich einschränken. Da Vermeidung die Erfahrung verhindert, die Situation bewältigen zu können, ist Vermeidungsverhalten extrem stabil. Vermeidungsverhalten ist bei verschiedenen psychischen Störungen von Bedeutung, beispielsweise bei der selbstunsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung, der passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung und der sozialen Phobie.
Das SPIN, die LSAS und die BSPS sind Verfahren zur Erfassung von Vermeidungsverhalten bei sozialer Phobie.[1]
Nach der Zwei-Prozess-Theorie von Mowrer und Miller[4] erfolgt das Erlernen des Vermeidungsverhaltens durch eine Kombination klassischer und operanter Konditionierung. Mit einer schlechten Erfahrung werden Elemente des Geschehens als Hinweise auf eine mögliche Gefahr erlernt (klassische Furcht-Konditionierung), die dann eine Bedrohung ankündigen können. Tritt dann einer dieser Hinweisreize auf, löst er alle emotionalen und motivationalen Aspekte der Furchtreaktion aus. In einer Art zeitlichen Vorverlagerung der Flucht kommt es zum Vermeidungsverhalten. Nach erfolgreicher Vermeidung nimmt die Angst ab und der Betroffene beruhigt sich wieder, was ganz unmittelbar das Vermeidungsverhalten „belohnt“ (sogenannte negative Verstärkung).
Diese Selbstverstärkung des Vermeidungsverhaltens ist eine Erklärung der Pathologisierung von Angst in der Lerntheorie (siehe Verhaltenstherapie).
Der imaginäre Anteil dominiert also über die Erfahrung. Die Therapie stellt in diesem Sinne eine Rückkehr zur Welterfahrung dar.
Neue Dinge und Situationen lösen meist Neugier aus und regen damit Erkundungsverhalten (Exploration) an. Zugleich stellen neue Situationen, insbesondere wenn sie plötzlich auftreten, mit die wichtigsten Angstauslöser dar und damit ein Flucht- oder Vermeidungsmotiv. Sowohl im Tierverhalten als auch im menschlichen Empfinden und Verhalten stellt dies einen äußerlich gut beobachtbaren innerseelischen Konflikt dar. Diese widersprüchliche Motivlage beschrieb bereits William McDougall in seiner ‚Sozialpsychologie’.[5] Genauer untersuchte Kurt Lewin diesen Annäherungs-Vermeidens-Konflikt: Oft stellt die Annäherung aus der Ferne erst einmal kein großes Problem dar; je näher man dem ‚Unbekannten’ aber kommt, umso mehr steigen die Vermeidenstendenzen. In den etwas steifen früheren Konzeptversuchen nahm man Annäherungs- und Vermeidungsgradienten an, die sich an einem Punkt kurz vor dem ‚Unbekannten’ schnitten, an dem Antrieb und Hemmung sich gegenseitig aufhoben in einem Verharren zwischen Neugier und Furcht. Verselbstständigt mag dies eine Grundlage von ‚Angstlust’ sein.
Entscheidungen enthalten immer die Abwägung von Handlungsalternativen, die verschiedene Vor- und Nachteile aufweisen können. Dabei können innerpsychische Konflikte aufgrund widersprüchlicher Erwartungen und Motive entstehen, die erhebliche emotionale Spannungen erzeugen können. Insofern hat Lewin 1931 die Komponenten des Aufsuchen-Meiden-Konflikts (auch Appetenz-Aversions-Konflikt, Ambivalenzkonflikt) auf vier verschiedene Entscheidungssituationen[6] verallgemeinert:
Tritt neben die Kosten-Nutzen-Abwägung der innerpsychischen Konflikte noch die Abschätzung der unmittelbaren und der zeitverzögerten Handlungsfolgen, so sind wesentliche Aspekte der Selbstkontrolle betroffen. Weil die kurzfristigen Konsequenzen nach den Lerntheorien bedeutend mächtiger wirken als die langfristigen, stellt die Selbstkontrolle eine besonders schwierige Lernaufgabe dar.
Zwei Selbstkontroll-Aufgaben stellen sich typischerweise:
Hieran knüpft die Begründung für viele rechtliche Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit in unserer Gesellschaft an: von der Schulpflicht, dem Erziehungsauftrag der Eltern und dem Jugendschutz bis zu dem Eingriff in die individuelle Entscheidungsfreiheit beim Verbot von Drogen. Auch die sozialen und die ökologischen Schutzrechte, die gegenüber kurzfristigen Zielen Aspekte von menschlicher Gesundheit und Nachhaltigkeit des Wirtschaftens hochhalten, bauen auf der Erkenntnis auf, dass die reinen Marktgesetze meist nur kurzfristige Optimierungen ins Kalkül einbeziehen (‚Nach uns die Sintflut’).
Grundannahmen verschiedener Sozialwissenschaften beruhen auf einer Psychologie des Vermeidungsverhaltens.
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