Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung
landesgeschichtlicher Verein, der sich mit der Geschichte und der Naturkunde der Bodenseeregion befasst (1868–) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung (kurz Bodensee-Geschichtsverein) ist ein landesgeschichtlicher Verein, der sich mit der Geschichte und der Naturkunde der Bodenseeregion befasst.
Seine Besonderheit besteht darin, dass er seit seiner Gründung im Jahre 1868 international ausgerichtet ist und seinen Untersuchungsraum nicht entlang neuzeitlicher Staats- und Verwaltungsgrenzen definiert. Es bestehen Geschäftsstellen in Friedrichshafen (für Deutschland), St. Gallen (für die Schweiz und Liechtenstein) und Bregenz (für Österreich); die Aktivitäten und Publikationen des Vereins erstrecken sich auf diese vier Staaten.
Der Bodensee-Geschichtsverein hat gegenwärtig rund 850 Mitglieder.
Der Bodenseeraum bildet in historischer und naturkundlicher Hinsicht eine Einheit; er zählt zu den zentralen Kulturlandschaften Europas. Dagegen ist der neuzeitliche Bodensee ein Grenzgewässer; im 19. Jahrhundert stießen hier das Großherzogtum Baden, die Königreiche Württemberg und Bayern, die Österreichisch-Ungarische Monarchie und die Schweiz aufeinander. Der Tettnanger Amtsarzt Albert Moll gründete im Jahre 1868 gemeinsam mit Gleichgesinnten – unter ihnen Hans Freiherr von und zu Aufseß, der Gründer des Germanischen Nationalmuseums und Samuel Jenny, Unternehmer und Altertumsforscher – den Bodensee-Geschichtsverein mit dem Ziel, die Geschichte und die Natur des Bodensees und seiner Uferlandschaften über die modernen Staatsgrenzen hinweg systematisch zu erforschen.[2] Damit entsprachen sie einem Bedürfnis ihrer Zeit; daher erfuhr der Verein von Anbeginn öffentliches Interesse. Zu den frühen Förderern zählen König Karl von Württemberg, weshalb Friedrichshafen bis heute der juristische Sitz des Vereins ist, Kaiser Franz Joseph I. von Österreich-Ungarn und König Ludwig II. von Bayern.
Entsprechend ambitioniert waren die Vereinsaktivitäten, nämlich der Aufbau einer Sammlung und Bibliothek, die jährliche Abhaltung anspruchsvoller Hauptversammlungen, die Bündelung der historischen und naturkundlichen Forschung in den Vereinsschriften und die Forschungsförderung. So stand die erste präzise Vermessung des Bodensees durch die Anrainerstaaten unter der Leitung des Vereinspräsidenten Eberhard Graf Zeppelin; ihre Ergebnisse wurden als Bodensee-Forschungen zwischen 1893 und 1902 in den Vereinsschriften veröffentlicht.[3]
Im Zeitalter der beiden Weltkriege unterlagen die Vereinsaktivitäten erheblichen Beschränkungen. Der Erste Weltkrieg verunmöglichte den Austausch über die Staatsgrenzen hinweg; nach dem Krieg büßte die Geschichtsforschung ihren bis dahin hohen gesellschaftlichen Stellenwert ein. Die Inflation entwertete das Vereinsvermögen. Immerhin war es dem Verein möglich, die Ausgrabung der Pfahlbaustation Sipplingen durch Hans Reinerth zu initiieren und finanziell zu unterstützen; ihre Ergebnisse wurden 1932 in den Vereinsschriften veröffentlicht.[4] Der Zweite Weltkrieg markiert den tiefsten Einschnitt der Vereinsgeschichte: Die letzte Hauptversammlung fand 1941 in Meersburg statt; die letzten Vereinsschriften wurden 1943 ausgeliefert; 1944 verbrannte die Geschäftsstelle mit dem Archiv des Vereins bei einem Luftangriff auf Friedrichshafen. Dem Vereinsvorstand gelang es, den Kontakt über die Staatsgrenzen zu halten und die Vereinsaktivitäten nach Kriegsende rasch wieder aufzunehmen. Die Vereinsschriften erscheinen seit 1949, die Hauptversammlungen finden seit 1950 wieder regelmäßig statt. Die Mitgliederzahl verdoppelte sich in den Nachkriegsjahrzehnten (von 649 im Jahr 1950[5] auf 1300 im Jahr 2000[6]).
Wichtige Impulse für die Erforschung des Bodensees und die weitere Vereinsarbeit gehen von den Archiven, Museen und Bibliotheken des Bodenseeraumes aus, ferner vom Institut für Seenforschung in Langenargen (seit 1920) und der Universität Konstanz (seit 1965). Dort erarbeitete Forschungsergebnisse fließen regelmäßig in die Vereinsschriften ein. Seit 2007 vergibt der Verein einen Wissenschaftspreis „für herausragende wissenschaftliche Arbeiten, die sich thematisch mit der Erforschung von Natur, Kultur oder Geschichte des Bodenseeraumes befassen“[7].
Mit der Vereinsgründung begann der Aufbau einer öffentlich zugänglichen Sammlung von Altertümern aus dem Bodenseeraum sowie von Literatur über den Bodensee. 1912 erfolgte mit Unterstützung der Stadt Friedrichshafen und des Grafen Ferdinand von Zeppelin die Erneuerung und Wiedereröffnung als modernes „Bodensee-Museum“.[8] Der Erste Weltkrieg und seine Folgen machten eine Weiterentwicklung des Museums unmöglich; deshalb ging es zum 12. Januar 1927 in die Trägerschaft der Stadt Friedrichshafen über. Das Museum verbrannte bei der Zerstörung Friedrichshafens am 28. April 1944.[9] Die in den Palast Hohenems evakuierte Vereinsbibliothek wurde nach dem Krieg weitergeführt und 1971 der Stadt Friedrichshafen übergeben, die sie als Bodenseebibliothek (mit gegenwärtig rund 36000 Medien) unterhält.[10] Diese Medien können vor Ort eingesehen oder ferngeliehen werden. Der Zugriff darauf erfolgt über den Katalog des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes Baden-Württemberg, Saarland, Sachsen.[11]
Das Organ des Vereins sind die Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, die seit 1869 als Jahresbände erscheinen (mit einer längeren Unterbrechung von 1943 bis 1948). Sie enthalten Aufsätze zu allen Aspekten der Geschichte und der Naturkunde des Bodenseeraumes, dazu einen umfangreichen Rezensionsteil zur aktuellen wissenschaftlichen Bodenseeliteratur. Die älteren Bände sind als Digitalisate abrufbar (derzeit bis Band 137, 2019).[12] Zwischen 1937 und 1955 veröffentlichte der Verein die Heimatkundlichen Mitteilungen als „populäre“ Ergänzung der „wissenschaftlichen“ Schriften. Die vom Verein in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Konstanz herausgegebene Bodensee-Bibliographie erschien zwischen 1976 und 1999 in gedruckter Form und wird seither von der Universitätsbibliothek als Euregio-Bodensee-Datenbank weiter gepflegt.[13] In unregelmäßigen Abständen entstehen Sonderbände der Schriften, so zuletzt zum 150-jährigen Vereinsjubiläum 2018.[14]
Die Vereinstätigkeiten werden vom Präsidenten geleitet, der den Verein auch nach außen vertritt. Der Verein hatte bislang folgende Präsidenten:
Zum Ehrenmitglied kann ernannt werden, wer sich in besonderer Weise für den Verein oder seine Ziele eingesetzt hat; bislang wurden folgende 46 Personen geehrt:
1886: August Näf, Verwaltungsratspräsident, St. Gallen
1893: Karl von Bayer, Rittmeister a. D., Schriftsteller, Bregenz
2015: Hans-Ulrich Wepfer, Seminarlehrer und Museumsleiter, Kreuzlingen
2019: Oskar Keller, Geologe, Lüchingen-Altstätten
Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Band 1 (1869), zuletzt erschienen Band 141 (2023).
Die Bände 1 (1869) bis 137 (2019) sind als Digitalisate nutzbar.
Werner Allweiss (Bearb.): Bodenseebibliographie. Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, Universität Konstanz, Friedrichshafen 1976 (1977) – 1999 (2001).
Harald Derschka, Jürgen Klöckler (Hrsg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiven. Jubiläumsband des internationalen Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 1868–2018. Thorbecke, Ostfildern, ISBN 978-3-7995-1724-9.
Helmut Maurer, Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung (Hrsg.): Der Bodensee. Landschaft, Geschichte, Kultur (Bodensee-Bibliothek; 28). Thorbecke, Sigmaringen 1982, ISBN 3-7995-5029-1 (auch erschienen als: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 99/100 (1981/82). Digitalisat)
Harald Derschka: Der Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Ein Rückblick auf einhundertfünfzig Jahre Vereinsgeschichte 1868–2018. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 136, 2018, S. 1–302.
Claus Grimm: Hundert Jahre kulturelle Arbeit am Bodensee. Zur Gründung des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung am 19. Oktober 1868. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 86, 1968, S. 7–85. (Digitalisat)
Karl Wolfart: Fünfzig Jahre des Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 47, 1918, S. 3–15. Digitalisat
Claus Grimm: Hundert Jahre kulturelle Arbeit am Bodensee. Zur Gründung des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung am 19. Oktober 1868. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 86, 1968, S. 7–85. Digitalisat
Eberhard Graf von Zeppelin u. a.: Bodensee-Forschungen aus Anlass der Herstellung der neuen Bodenseekarte durch die hohen Regierungen der fünf Uferstaaten. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 22 (1893), Anhang S. 1–103, S. 1–77. Digitalisat
Hans Reinerth u. a.: Das Pfahldorf Sipplingen. Ergebnisse der Ausgrabungen des Bodenseegeschichtsvereins 1929/30. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 59, 1932, S. 1–156, 32 Taf. Digitalisat
Ernst Leisi: Tätigkeitsbericht für 1941–1950. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 70, 1951, S. 13–17, hier S. 15. Digitalisat
Jörg Heiligmann: Jahresbericht des Präsidenten für das Vereinsjahr 1999/2000. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 119 (2001), S. IX–XV, hier S. IX. Digitalisat
Jörg Heiligmann: Jahresbericht des Präsidenten über das Vereinsjahr 2006/2007. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 126 (2008), S. VII–XII, hier S. VIII–X. Digitalisat
Heinrich Schützinger: Vorbericht des Präsidenten. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 42 (1913), S. III–XV. Digitalisat
Claus Grimm: Hundert Jahre kulturelle Arbeit am Bodensee. Zur Gründung des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung am 19. Oktober 1868. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 86, 1968, S. 60. Digitalisat
http://www.ub.uni-konstanz.de/region/euregio-bodensee-datenbank/ Dazu: Oliver Trevisiol: Die Euregio-Bodensee-Datenbank. Ein Wegweiser durch die Literatur zum Bodensee. In: Harald Derschka, Jürgen Klöckler (Hrsg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiven. Jubiläumsband des internationalen Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 1868–2018. Thorbecke, Ostfildern 2018, ISBN 978-3-7995-1724-9, S. 304 f.
Harald Derschka, Jürgen Klöckler (Hrsg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiven. Jubiläumsband des internationalen Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 1868–2018. Thorbecke, Ostfildern 2018, ISBN 978-3-7995-1724-9.
Johannes Meyer: † Dr. Eberhard Graf v. Zeppelin. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 36 (1907), S. XI–XXII. Digitalisat
Alfons Semler: Victor Mezger, Ehrenpräsident des Vereins für Geschichte des Bodensees. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 63, 1936, S. 5–6. Digitalisat
Werner Schenkendorf, Ernst Leisi: Bruno Leiner †. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 73, 1955, S. 5–8. Digitalisat
Karl Heinz Burmeister: Dr. Meinrad Tiefenthaler †. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 105 (1987), S. IV–VIII. Digitalisat
Harald Derschka: Helmut Maurer (1936–2018). In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 137 (2019), S. XXXIV–XXXVIII. Digitalisat
Wolfgang Scheffknecht: Eberhard Tiefenthaler †. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 114, 1996, S. 1–4. Digitalisat
Andreas Schiendorfer: Markus Huber (1943–2014). In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 133 (2015), S. XIV–XV. Digitalisat