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Teildisziplin der Psychologie Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Umweltpsychologie (auch: ökologische Psychologie) ist eine relativ junge Disziplin der Psychologie mit starken interdisziplinären und Forschungs- und Anwendungscharakteristika. Sie befasst sich mit Mensch-Umwelt-Wechselwirkungen, den Einflüssen der Umwelt auf den Menschen und dem Verhalten und den Handlungen des Menschen gegenüber der Umwelt. Die Umwelt wirkt sich auf das Erleben, Verhalten und die Gesundheit des Menschen aus, und der Mensch gestaltet und beeinflusst die Umwelt in Abhängigkeit von seinem Erleben und Verhalten.[1]
Dabei ist der Umweltbegriff breit gefasst von der natürlichen Umwelt bis zu soziokulturellen Umwelten wie Siedlungen und soziale Gruppen.[2] Verhältnismäßig neue Themen in diesem Bereich sind Globalisierung und Nachhaltige Entwicklung.
Neben der Erforschung der Mensch-Umwelt-Beziehung befasst sich die Umweltpsychologie auch speziell mit psychologischen Aspekten des Umweltschutzes. Außer dem Begriff Umweltpsychologie werden Ökologische Psychologie bzw. Ökopsychologie als Synonyme verwendet.[3]
So bildet die wissenschaftliche Untersuchung von Zusammenhängen (kausaler und korrelativer Art) zwischen Variablen der Umwelt und dem Erleben und Verhalten der in ihr lebenden Menschen den Mittelpunkt umweltpsychologischen Forschungsinteresses. Themen wie Umweltverschmutzung oder Umweltbewusstsein stellen anwendungsbezogene Teilbereiche, jedoch nicht das ausschließliche oder primäre Gebiet umweltpsychologischer Forschung dar. Eine wissenschaftlich betriebene Umweltpsychologie ist für die Weiterentwicklung theoretischer Modelle der Wirkungszusammenhänge von Mensch-Umwelt-Beziehungen zuständig, hat jedoch darüber hinaus auch etliche praxisnahe Probleme zu bewältigen – hier ergeben sich reiche Betätigungsmöglichkeiten für Psychologen und Absolventen anderer Studiengänge.
Der Umweltbegriff wurde von Jakob Johann von Uexküll in die Wissenschaft eingeführt. Umwelt umfasst sowohl die „Innenwelt“ als auch die „Außenwelt“ und deren wechselseitige planmäßige Anpassung aneinander. Für Uexküll ist Umwelt ein System, das aus den Beziehungen zwischen Subjekt und Umwelt gebildet wird.
Diesem eng gefassten Begriff steht die gegenwärtig geläufigere, weiter gefasste Definition von Umwelt gegenüber:
Auf dieser Grundlage entstand auch die Umweltwissenschaft. Die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt stellen ein komplexes System dar. Um ein Verständnis für die Umweltpsychologie zu erreichen, sind folgende Begriffe ebenfalls von Bedeutung:
Der Mensch ist einerseits ein Geschöpf der Natur, andererseits auch ein Produkt seiner selbst hervorgebrachten Kultur und Zivilisation. In diesem Brennpunkt hat der Mediziner und Psychologe Willy Hellpach bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts von den DREI UMWELTEN des Menschen gesprochen und hat die Formulierung Psychologie der Umwelt geprägt:
Im Mittelpunkt der Umweltpsychologie stehen also die Wechselwirkungen zwischen Menschen und der sie umgebenden physischen Umwelt. Diese zeigen sich darin, dass die Menschen in ihrem Handeln sowohl stark von ihrer Umwelt beeinflusst werden, aber auch auf diese zurückwirken, indem sie die Umwelt an ihre Bedürfnisse anpassen. Hinzu kommt, dass aus Sicht der Umweltpsychologie die Umwelt immer in Relation zu den Menschen gesehen werden muss, dass die beiden Aspekte nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können.
Das erste Handbuch zum Thema „Umweltpsychologie“ erschien 1987 im angloamerikanischen Sprachraum unter dem Namen Handbook of Enviromental Psychology von Altman und Stokols. Im deutschen Sprachraum konstituierte sich die Umweltpsychologie auf dem Salzburger Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie 1974. Das erste deutschprachige Handbuch zum Thema „Umweltpsychologie“ trägt noch den Namen „Ökologische Psychologie“ und erscheint im Jahr 1990 von Kruse, Graumann und Lantermann. Die erste Fachgruppe für Umweltpsychologie wurde 1994 von Gerhard Kaminski und Lenelis Kruse auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Hamburg angeregt. Das gilt als Beginn der Verständigung zwischen Architekten und Psychologen.[5]
Um den Aufgabenbereich der Umweltpsychologie zu verdeutlichen, seien ein paar Beispiele für Fragestellungen aufgeführt, wie sie sich in umweltpsychologischer Forschung finden:
Fragestellungen, die insbesondere im Bereich der amerikanischen „environmental psychology“ behandelt werden:
Die Theorie von Kaplan und Kaplan (1989) geht davon aus, dass Personen im Anschluss einer Tätigkeit, in der sie besonders ihre direkte Aufmerksamkeit gefordert haben, einen Zustand der „mentalen Erschöpfung“ erreichen. Darauf aufbauend wird die Fähigkeit von Umgebungen mit „softer“ Faszination postuliert, Menschen besser dabei unterstützen zu können sich von mentaler Erschöpfung zu erholen. Vor allem natürliche Umgebungen (z. B. Wälder, Wiesen oder Seenlandschaften) bieten eine Reihe von faszinierenden Reizen (z. B. Wolken oder Tiere) die beim Betrachter eine Faszination auslösen. Die Betrachtung dieser faszinierenden Reize bedarf dafür keine mentale Anstrengung, sondern es wird viel mehr die sogenannte indirekt Aufmerksamkeit verwendet. Dieser Tausch von der Verwendung von direkter Aufmerksamkeit hinzu indirekter Aufmerksamkeit fördert laut Kaplan und Kaplan die Erholung von mentaler Erschöpfung.[6]
Die Erregungstheorie bezieht sich auf die Motivation des Menschen und entstand im Bereich der Motivationsforschung. Sie legt nahe, dass Menschen versuchen, ein für sie optimales Erregungsniveau aufrechtzuerhalten, indem sie je nach Bedarf aktivierende oder beruhigende Handlungen ausführen. Menschen mit einem hohen Erregungsniveau suchen daher oft gezielt nach entspannenden Tätigkeiten.
In der Sozialpsychologie wird mit dieser Theorie der Zusammenhang zwischen der psychologischen Distanz zu einem Objekt und dem Grad der Abstraktion im Denken erklärt. Psychologische Distanz umfasst räumliche, zeitliche und soziale Entfernungen, während mentale Abstraktion eine Reduktion von Details bedeutet. Mit wachsender Distanz denken Menschen abstrakter über ein Objekt, während bei geringer Distanz konkrete Details betont werden.[7]
Das Adoptionsmodell von Helson (1964) beschreibt, dass Menschen ihre Umwelt basierend auf früheren Erfahrungen beurteilen. Diese Theorie lässt sich auch auf die Ansiedlung von Unternehmen übertragen: Bewohner, die wiederholt mit negativen Auswirkungen wie Lärm und erhöhtem Verkehrsaufkommen konfrontiert wurden, stehen einer neuen Ansiedlung möglicherweise skeptischer gegenüber. Positive Erfahrungen hingegen, wie der Ausbau von Infrastruktur, können die Einstellung verbessern.
Dieses Modell beschreibt vier mögliche Zustände, die aus dem Zusammenspiel von objektiven Lebensbedingungen und subjektivem Wohlbefinden entstehen. Well-Being kennzeichnet den günstigsten Zustand mit positiven Lebensbedingungen und Wohlbefinden. Deprivation beschreibt einen Zustand, in dem sowohl die objektiven Lebensbedingungen als auch das subjektive Wohlbefinden schlecht sind. Ein Dissonanzzustand, auch Unzufriedenheitsdilemma genannt, tritt auf, wenn gute Lebensbedingungen als unbefriedigend empfunden werden. Umgekehrt beschreibt die Adaption ein „Zufriedenheitsparadoxon“, bei dem das Wohlbefinden trotz schlechter Lebensbedingungen positiv ist. Bei einer Unternehmensansiedlung könnten Bewohner objektiv gute Lebensumstände haben, subjektiv aber dennoch eine Verschlechterung empfinden und dadurch in ein Unzufriedenheitsdilemma geraten.
Canter (1977) beschrieb, dass das menschliche Gehirn Informationen über Orte abspeichert: ihren Standort, die dort stattfindenden Ereignisse und die Menschen, die sich dort aufhalten. Orte werden so zu „Einheiten der Umwelterfahrung“. Die Theorie der Ortsidentifikation beschreibt das Gefühl der Verbundenheit mit einem Ort. Menschen entwickeln unterschiedliche Stufen der Bindung und Identifikation mit Orten, abhängig von ihren Erfahrungen und der Umgebung.
Nach Cohen (1978) besitzen Menschen eine begrenzte Fähigkeit, Umwelteinflüsse im zentralen Nervensystem zu verarbeiten. Sind sie vielen Reizen gleichzeitig ausgesetzt, kann es zu einer Überlastung kommen. Ein Beispiel ist das gleichzeitige Konsumieren von Medien bei gleichzeitigen Hintergrundgeräuschen und Umweltstressoren wie Hitze und Lärm. Diese Ansammlung von Belastungen kann zu einer mentalen Überlastung führen.
Die Umweltstresstheorie untersucht die individuellen Reaktionen auf negative Umweltstressoren wie Lärm, Luftverschmutzung oder unangenehme Gerüche, die körperliche und psychische Gesundheit, Verhalten und Stimmung beeinflussen. Menschen entwickeln Bewältigungsstrategien, um den Stress zu mindern. Dabei reagieren sie zunächst mit einer Alarmbereitschaft, bevor sie gezielt versuchen, den Stress abzubauen. Länger anhaltender Stress führt jedoch zur Erschöpfung, einer verringerten Stressbewältigungsfähigkeit und kann schließlich zu psychischen und physischen Beschwerden führen. Eine neue Betriebsansiedlung könnte ebenfalls solche Stressoren mit sich bringen.[8]
Umweltpsychologie zeichnet sich durch den Anspruch zur Interdisziplinarität aus, der sich aus der Erkenntnis ergibt, dass die menschliche Umwelt in ihrer hohen Komplexität einer vielschichtigen Herangehensweise bedarf. Es wird deshalb stets die Zusammenarbeit mit Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Ökonomen, Soziologen, Politologen und anderen Fachleuten gesucht.
Umweltpsychologie als Wissenschaft ist – größtenteils – problemorientiert und nicht theorieorientiert. Das heißt: Es existieren nur wenige umweltpsychologische Theorien, und zur Lösung konkreter Probleme greift die Umweltpsychologie auf Theorien und Erkenntnisse aller psychologischen Disziplinen zurück. Für eine Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes spielt beispielsweise Wissen aus der Kognitions-, Sozial-, Arbeits-, Organisations- und der Werbepsychologie eine Rolle. Die Ansätze beispielsweise von Hellpach über die Einflüsse von Wetter, Klima, Boden und Landschaft wurden bisher kaum aufgegriffen.
Dem Thema Umweltschutz im weitesten Sinne kommt innerhalb der Umweltpsychologie eine zentrale Rolle zu. Das Wissen von Psychologen als Fachleuten für menschliches Verhalten ist in Bezug auf den Umweltschutz immer dann gefragt, wenn es darum geht zu verstehen, warum Menschen wider besseres Wissen ihre Lebensgrundlage zerstören, den Zusammenhang zwischen Umweltbewusstsein und Umwelthandeln nachzuvollziehen, Menschen zu umweltgerechterem Verhalten zu bewegen und die Kommunikation zwischen Menschen zu verbessern. Als weitgehend eigener Bereich hat sich seit den 1970er Jahren die Umweltschutzpsychologie etabliert, die umweltverantwortliches Verhalten erforscht.[9]
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