Theologia crucis (lat. „Theologie des Kreuzes“) ist die von Martin Luther 1518 während des Ablassstreits[1] geprägte Bezeichnung[2] für eine Theologie, die das Kreuz Christi in den Mittelpunkt stellt und Lehre und Leben der Kirche daran misst. Luther knüpfte dabei unmittelbar an Kernaussagen des Apostels Paulus an.[3]
Die Theologia crucis wird innerhalb der reformatorischen Kirchen als Gegensatz zu einer scholastisch-spekulativen Theologia gloriae („Theologie der Herrlichkeit“) verstanden.[2][3] An dieser wird bemängelt, dass sie lebensfern über Gottes Sein spekuliere[3] und der Kirche einen sakramentalen Heilsbesitz zuerkenne, während die Theologia crucis auf dem Weg der Sündenerkenntnis zur Annahme der Erlösungsgnade Christi anleite[3] (Rechtfertigungslehre) und die Kirche lediglich als Geschöpf und Werkzeug der Botschaft vom Kreuz verstehe.
Im ökumenischen Dialog besteht heute weitgehende Übereinstimmung darin, dass Kreuz und Herrlichkeit im christlichen Glaubensvollzug untrennbar zusammengehören.
- Walther von Loewenich: Luthers Theologia Crucis. Luther-Verlag, 5. Auflage, Witten 1967.
- Theodor Nikolaou: Aspekte einer Kreuzestheologie aus orthodoxer Sicht. In: Orthodoxes Forum. Zeitschrift des Instituts für Orthodoxe Theologie der Universität München. Jahrgang 8, Heft 1 + 2, EOS Verlag Erzabtei St. Ottilien, Sankt Ottilien 1994, ISSN 0933-8586, Heft 2, S. 201–213 (PDF-Datei; 1,85 MB).
- Yong Joo Kim: Crux sola est nostra theologia: Das Kreuz Christi als Schlüsselbegriff der „Theologia crucis“ Luthers (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 23 / Theologie, 863). Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-631-57736-3.
G. Ebeling: Luther, Martin. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 3. Auflage. Band 4, Mohr-Siebeck, Tübingen 1960, Sp. 502.„Die theologia crucis (diese Bezeichnung prägte Luther 1518 während des Ablaßstreits in Antithese zur theologia scholastica als der theologia gloriae: 1, 354. 613 f.) war zum Protest herausgefordert gegen ein den Ablaß legitimierendes Buß- und Rechtfertigungsverständnis.“
Reinhold Bernhardt / David Willis-Watkins: Theologia crucis. In: EKL Evangelisches Kirchenlexikon. 3. Auflage. Band 4. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, ISBN 3-525-50141-2, S. 733: „Der Begriff theologia crucis findet sich zuerst bei Martin Luther (1483-1546), v.a. in drei Schriften aus dem Jahr 1518: in seiner Hebräerbriefvorlesung (WA 57, 79/20), in den Heidelberger Disputationsthesen (WA 1,354) und in der Erklärung zur 58. Ablaßthese (WA 1, 613/21-25; 614/17-27). Im Rückgriff auf den von Paulus hergestellten Sachzusammenhang von Kreuz und Weisheit (v.a. 1 Kor 1, 18-2, 8) wendet sich Luther in den Heidelberger Thesen 19-21 scharf gegen eine spekulativ rekonstruierende Lehre vom Kreuz, verkörpert im Typus des Scholastikers. Ein solcher »Theologus gloriae« ist ein »Feind des Kreuzes Christi« (Phil 3, 18), weil er im Vertrauen auf seine Vernunftbegabung Gottes unsichtbares Wesen »durch das Geschaffene« erkennen und in scholastischen Systemen theol. rationalisieren will (Natürliche Theologie). Nur der »Theologus crucis« ist »wert«, »ein Theologe zu heißen«, weil er »Gottes sichtbares und (dem Menschen) zugewandtes Wesen durch Leiden und Kreuz erblickt und erkennt.« Er weiß (vom Gesetz her) um die Sündenverderbtheit der menschlichen Natur, verzweifelt an sich und demütigt sich unter das Wort vom Kreuz Christi.“