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Gattung der Wimpertierchen der Familie Strombidiidae Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Strombidium (ursprünglich Strombidion[4]) ist eine Gattung fast ausschließlich mariner planktonischer Wimpertierchen (Ciliaten) in der Ordnung Oligotrichida, die etwa 30 Arten (Spezies) umfasst. Wie andere Ciliaten sind sie einzellige Eukaryoten (Protisten), die sich mit Hilfe von Flimmerhärchen fortbewegen. Bei Strombidium sind wie bei den anderen Oligotrichida diese Flimmerhärchen am Zellkörper jedoch entweder stark reduziert (zu „Borsten“, englisch bristles) oder ganz verloren gegangen. Nur die Flimmerhärchen um die Mundöffnung bilden große und auffällige Strukturen, die Membranellen genannt werden und ebenfalls der Fortbewegung dienen.[5]
Strombidium | ||||||||||||
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LM-Aufnahme von Strombidium | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Strombidium | ||||||||||||
Nach WoRMS gibt es außer den marinen Art auch eine im Brackwasser lebende (Strombidium inclinatum); die als Süßwasserarten ausgewiesenen Spezies (Strombidium mirabile und Strombidium viride) sind nach dortigen Angaben aber anderen Gattungen zuzuordnen (Pelagostrombidium respektive Limnostrombidium).[6]
Viele Arten der Gattung Strombidium können funktionale Chloroplasten von einer Vielzahl von erbeuteten Algen erwerben und gelten daher als generalistische, nicht-konstitutive Mixotrophe eingestuft (en. General Non-Constitutive Mixotroph, GNCM).[7][3] Strombidium gehört zu einer großen Gruppe von Wimpertierchen (Ciliaten), zu der im Taxon Choreotrichia Small & Lynn, 1985 die Unterordnungen Tintinnina Kofoid & Campbell, 1929 (syn. Tintinnida)[8]; Strobilidiina[9] und Strombidinopsina[10] und im Taxon Oligotrichia die Familien Tontoniidae (mit der Gattung Laboea) und eben die Familie Strombidiidae mit der Gattung Strombidium gehören. Diese zeichnen sich durch einen m. o. w. konischen Körper aus sowie ein Büschel von Zirren (den namensgebenden Wimpern) und hochkomplexen Membranellen, zwischen denen sich ihr Cytostom („Mund“) öffnet.[11]
Die genaue Ausprägung der Mixotrophie kann von Art zu Art unterschiedlich sein. Ein Beispiel für die räuberische Lebensweise von Strombidium-Arten ist die „Vertilgung“ (Indigestion) von Cyanobakterien, etwa der Gattung Crocosphaera.[12]
Verschiedene Strombidium-Arten, darunter S. capitatum, S. conicum, S. acutum und S. chlorophilum fingen in einem Experiment isolierte Chloroplasten mikroplanktonischer Algen (oder gar die intakten Algenzellen selbst) ein, benutzten diese dann aber zur deutlichen Steigerung ihrer Photosyntheserate. S. chlorophilum war die am stärksten photosynthetisch aktive der vier Arten, etwa fünfeinhalb mal so stark wie bei S. capitatum mit der geringsten Aktivität. Die Beobachtung wird erklärt durch Endosymbiose (genauer: Endocytobiose) beziehungsweise Kleptoplastidie, je nachdem, ob die aufgenommenen Algenzellen intakt bleiben, oder nur ihre Chloroplasten. Solche Oligotrichia, die aufgenommene Chloroplasten behalten, sind dadurch mixotroph.[13]
In marinen Systemen dominiert das Vorhandensein von Kleptoplastiden neben einer Reihe von intrazellulären Dinoflagellaten (siehe Zooxanthellen) und Kryptophyten. Kleptoplastiden können einen Zwischenschritt beim Erwerb von funktionellen Plastiden oder anderen phototrophen Symbionten darstellen. Die intakten Chloroplasten in den marinen Wimpertierchen Strombidium und Prorodon, die sich nicht in Vakuolen befinden und vom Wirt nicht verdaut werden, sind hier ein Beispiel. In der Ostsee wurde in Strombidium-Arten wie auch in Laboea strobila oft endosymbiotische Algen gefunden. Ob diese funktionellen Endosymbionten oder Kleptochloroplasten den Hauptanteil darstellen, muss im Einzelfall untersucht werden.[15]
Bei der Art Strombidium rassoulzadegani wurde „Zystenbildung“ beobachtet.
Im Lauf der Forschungsgeschichte gab es zahlreiche Veränderungen bzgl. des Umfangs der zur Gattung zugehörigen Arten (Spezies); dieser Prozess ist sicher auch noch nicht abgeschlossen. Die hier wiedergegebene Artenliste basiert auf der in der AlgaeBase angegebenen, vergleichsweise restriktiven Liste (Stand 9. August 2021).[16] Wegen der Namensähnlichkeit von Strombidium zu Strobilidium und etlicher Verschiebungen zwischen beiden Gattungen werden hier Abkürzungen für Gattungsnamen („S.“) vermieden.
Weitere Quellen sind wie angegeben:
GenBank-Zugriffsnummern (englisch Accession number) sind u. a. bei NCBI und Silva verfügbar.
Gattung: Strombidium Claparède & Lachmann, 1859
Die Spezies Strombidium wulffi (Wulff, 1919) Kahl, 1932 wird beim National Institute for Environmental Studies (NIES), Japan, als ein Synonym für Strombidium striatum Wulff, 1919 gelistet; siehe Strombidium auf Zeile 129.[24] Diese ist aber nach WoRMS verschoben zu Strobilidium striatum.
Die Spezies Strombidium gryrans A.Stokes 1885 ist bei AlgaeBase zwar als bestätigt gelistet, lässt sich aber anderweitig nicht verifizieren. Vermutlich handelt es sich um eine Verschreibung für Strombidium gyrans Stokes, 1887, wie beim NIES, Japan, angegeben; siehe Strombidium auf Zeile 51.[24]
Der Name Strombidium caudatum Calkins, 1901[28] gilt als Synonym für Strombidium minor Kahl, 1932/1935 bzw. (Kahl, 1935) Maeda & Carey, 1985 (nach WoRMS[27] und NIES Strombidium Zeile 16 und 68[24]). Dagegen sieht NIES den Namen Strombidium caudatum Fromentel, 1874 als ein Synonym für Strobilidium gyrans (NIES Strombidium Zeile 17[24] und NIES Strobilidium Zeile 15[30]) Auf die Problematik mit dem doppelt vergebenen Namen wird auch bei Petz und Foissner (1992) hingewiesen (S. 160)[4]
Die Situation ist bei Strombidium velox (NIES Strombidium Zeile 123.[24]) sehr ähnlich. Das in der Erstbeschreibung von Arthur E. Beardsley (1902) auf S. 58f Tafel XI Fig. 5a–c wiedergegebene Wimpertierchen bildet in b einen Faden, mit dem es sich am Substrat festhält und um dem es sich dreht.[26] Nach Beurteilung von Petz und Foissner (1992, S. 160) zeigt a mit dem abgerundeten Ende eindeutig einen Vertreter von Strombidium. Offenbar seien hier auch zwei unterschiedliche Spezies durcheinandergebracht. Eine Nachzeichnung dieser Abbildung ist auch als Fig. 128 Strombidium velox ganz oben, zweite Abb. von links, zu finden bei P. Eigner (2001)[31] und M. A.-L. Sauvadet (2010).[29] Für die andere Spezies schlugen diese Autoren den Namen Strobilidium kahli vor, der heute laut WoRMS als Synonym von Rimostrombidium caudatum (Kahl, 1932) Agatha & Riedel-Lorjé, 1998 gilt.[26][4][32] Eine weitere Synonymisierung in diesem Zusammenhang ist Strombidium velox Fauré-Fremiet, 1924, aktuell: Rimostrombidium velox (Faure-Fremiet, 1924) Jankowski, 1978,[33] webenso wie Strobilidium velox Faure-Fremiet, 1924 (nach WoRMS[34] und NIES Strobilidium, Zeile 42[30]).
Legende
Strombidium lagenula wurde 1924 von Emmanuel Fauré-Fremiet beschrieben[21] und ist kugel- oder glockenförmig, etwa 60 µm lang und unterscheidet sich von den anderen Strombidium-Arten durch einen erhabenen Gürtel (englisch girdle) aus Trichozysten nahe dem hinteren (posterioren) Ende der Zelle.[5]
Die Zellen von Strombidium sulcatum haben einen ausgeprägtem vorderen Vorsprung, die Mundhöhle (Cytostom) ist kurz. Eine Kontraktile Vakuole befindet sich in der Körpermitte auf der linken Seite. Der äquatoriale Ring (englisch kinety)[35] befindet sich unterhalb von der Körpermitte, bestehend aus Dikinetiden.[Anm. 1] Es gibt etwa 12 vordere und 7-8 ventrale Membranellen im Adoralbereich (Bereich um die Mundöffnung; lateinisch ad ‚um‘ und oral). Die Einzeller führen mäßig schnelle, ruckartige Bewegung aus. Ihre Größe liegt bei 30-60 × 25-30 µm.[23][36] Zahlreiche Populationen, die vor 1990 als Strombidium sulcatum identifiziert wurden, gehören tatsächlich zu anderen Arten.[23][36]
Wegen seiner konischen Form könnte die Spezies Strombidium conicum auch spanisch zanahoria de mar ‚Seemöhre‘, ‚Seekarotte‘ genannte werden, heißt es in der Encyclopedia of Life (EOL), in Anlehnung an die Wortbildungen Seepferdchen, Seesterne oder Seegurken.[11] Diese Mikrobe bewegt sich in ihrer marinen Umgebung durch Wellenbewegungen ihrer sternförmigen Flimmerhärchen sehr schnell und schwimmt in Spiralen oder in kleinen Sprüngen in schnellen Vor- und Rückwärtsbewegungen auf der Suche nach Nahrung. Diese besteht aus Mikroalgen (insbesondere Kieselalgen), Bakterien und anderen Mikroben. Aufgrund seines Chloroplasten kann Strombidium conicum wie die anderen Vertreter dieser Gattung Photosynthese betreiben und von den Produkten dieser Assimilation leben, die es im Sonnenlicht produziert.[11]
Strombidium conicum hat eine ausgeprägt konische Form, ähnlich wie eine Eistüte, wenn auch mit einer abgerundeten Spitze. Im Inneren befindet sich ein großer, einzelner, zentral positionierter Makronukleus. Der hintere Teil weist dünne Längsstreifen von Trichozysten auf. Diese Bänder haben möglicherweise eine Verteidigungsfunktion, denn aus diesen Strukturen können in bestimmten Stress- oder Gefahrensituationen eine Art schleimiger Pfeile abgefeuert werden.[11]
Strombidium intermedium ist eine eiförmige, freischwimmende Mikrobe, mit einer kurzen posterioren (hinteren) Verlängerung, fast spitz zulaufend. Die Farbe ist weißlich, dabei sind eingeschlossene Körnchen sichtbar. Die Einzeller sind etwa eineinhalbmal so lang wie breit bei einer Länge von ca. 38,5 µm. Der vordere Rand ist abgerundet, hinterer Vorsprung (englisch prolongation, projection) fast spitz zulaufend. Auf dem vorderen Teil befindet sich ein Ring langer, feiner Flimmerhärchen (Zilien), die in der Aufsicht spiralförmig angeordnet erscheinen. Einzelne kontraktile Vakoulen („Vesikel“) befinden sich nahe dem hinteren Fortsatz. Der Zellkern ist länglich-oval und ist schräg unter dem Zilienring angeordnet. Außer in diesem Ring gibt es sonst keine Flimmerhärchen. Die Zellen führen sehr schnelle, ruckartige Bewegung aus, weshalb sie unter dem Lichtmikroskop schwer zu verfolgen sind.[25]
Strombidium purpureum Kahl ist ein anaerobes Wimpertierchen mit endosymbiotischen phototrophen Purpur-Nichtschwefelbakterien. Wie andere anaerobe Wimpertierchen reagiert auch S. purpureum auf O2-Druck. Im Licht meiden die Individuen selbst geringe Spuren von O2 von weniger als 1 % der atmosphärischen Sättigung. Im Dunkeln hingegen sie sich an in Wasser mit einem O2-Druck von 1-4 % der atmosphärischer Sättigung. Experimente zeigen diese Ciliaten, nachdem sie sich im Dunkeln angesammelt haben, bei Beleuchtung in sauerstoffärmere Regionen zu entkommen suchen.[37] Die Bakterien besitzen photosynthetische Membranen und Zellwände und enthalten Bakteriochlorophyll a sowie das Carotinoid Spirilloxanthin. Zum Überleben und Wachstum benötigen die Wimpertierchen unter anaeroben Bedingungen Licht. Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Theorien über den endosymbiotischen Ursprung der Mitochondrien.[38][39] S. purpureum hat Hydrogenosomen ohne Cristae (englisch acristate hydrogenosomes); bis heute (Stand Juni 2021) sind praktisch alle bekannten Photosymbiosen von eukaryotischer Mikroben entweder mit Cyanobakterien (primäre Endosymbiose) oder mit eukaryotischen Algen (sekundäre und höhere Endosymbiosen) verbunden, die aber alle aerobe Photosynthese betreiben – mit Ausnahme von Strombidium purpureum.[40]
Das marine Wimpertierchen Strombidium rassoulzadegani ernährt sich von der Grünalge Tetraselmis chui PLY 429 (Chlorodendrales). Auch in diesem Fall behält das Wimpertierchen die Chloroplasten aus seiner Nahrung und nutzt sie, um aus ihrer Photosynthese eine Nahrungsergänzung zu erhalten, betreibt also offenbar Kleptoplastidie.[14][41]
Auch Strombidium capitatum (Leegaard, 1915) Kahl, 1932 behält funktionelle Chloroplasten, die von aufgenommenen Algenzellen stammen. Das Phänomen wurde beobachtet bei Algenzellen von Isochrysis galbana (Prymnesiophyceae), Pyrenomonas salina (Cryptophyceae) und Pyramimonas sp. (Prasinophytae). 15 Minuten nach dem Kontakt wurden die Algenzellen von Strombidium capitatum aufgenommen, anfangs befanden sich deren Chloroplasten noch in den Vakuolen des Wimpertierchens, aber nach 2 Stunden waren die meisten fei in deren Zytoplasma. Zwar wurden die Chloroplasten der anderen Algen gegenüber denen der Kryptophyten bevorzugt, aber bei Nahrungsmangel blieben die Chloroplasten der Kryptophyten länger erhalten als die der anderen Algen. Wurden die Wimpertierchen nicht mit Algen versorgt, nahmen sie an Größe und Anzahl ab. Wurden sie gar nur mit Chloroplasten-freier Beute versorgt, stellten sie das Wachstum ganz ein.[42]
Ein besonderer Fall von Augenfleck (Stigma) findet sich bei Strombidium oculatum Gruber, 1884 (nach WoRMS ein Synonym für Strombidium tintinnodes Entz, 1884). Dieses Wimpertierchen benutzt Grünalgen der Unterordnung Chlamydomonadina[43] (Ordnung Chlamydomonadales) als Endosymbionten. Diese vermehren sich üblicherweise schneller als ihr Wirt, so dass die überschüssigen Endosymbionten abgebaut werden – bis auf deren Stigmata, die sich im vorderen Teil (‚apikal‘) des Strombidium-Wirts ansammeln und einen ‚Augenfleck‘ bilden. Da diese geraubten Stigmata aus der Plastiden-Verwandtschaft stammen, sind sie eine Form von Kleptoplastiden.[44][45]
Die Wimpertierchen dieser Spezies rauben auch der vielzelligen Alge Ulva die Chloroplasten für ihre mixotrophe Lebensweise.[46]
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