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Gemeinde im Landkreis Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen Deutschland Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Sittensen (plattdeutsch Zittens) ist eine Gemeinde und der Verwaltungssitz in der gleichnamigen Samtgemeinde Sittensen im Landkreis Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen.
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Koordinaten: | 53° 17′ N, 9° 30′ O | |
Bundesland: | Niedersachsen | |
Landkreis: | Rotenburg (Wümme) | |
Samtgemeinde: | Sittensen | |
Höhe: | 31 m ü. NHN | |
Fläche: | 18,53 km2 | |
Einwohner: | 6261 (31. Dez. 2023)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 338 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 27419 | |
Vorwahl: | 04282 | |
Kfz-Kennzeichen: | ROW, BRV | |
Gemeindeschlüssel: | 03 3 57 044 | |
LOCODE: | DE SIT | |
Adresse der Gemeindeverwaltung: |
Am Markt 11 27419 Sittensen | |
Website: | www.sittensen.de | |
Bürgermeister: | Diedrich Höyns (SPD) | |
Lage der Gemeinde Sittensen im Landkreis Rotenburg (Wümme) | ||
Sittensen liegt in der Zevener Geest im Süden der Samtgemeinde umgeben von den Gemeinden Klein und Groß Meckelsen, Lengenbostel, Tiste und Vierden. Südlich grenzt die Gemeinde Hamersen und die Samtgemeinde Fintel mit den Gemeinden Helvesiek und Stemmen an, im Norden die Gemeinden Wohnste und Vierden. Durch Sittensen verläuft der Fluss Oste, der in der früheren Ortsmitte eine Wassermühle angetrieben hatte. An dieser Stelle staut sich der Fluss auf und bildet den Mühlenteich, der von einem kleinen Park umgeben ist.
Bremervörde 40 km |
Stade 40 km |
Buxtehude 28 km |
Zeven 17 km |
Tostedt 16 km | |
Rotenburg (Wümme) 23 km |
Scheeßel 13 km |
Schneverdingen 32 km |
Die erste Erwähnung von Sittensen datiert auf das Jahr 1020. Es handelt sich um eine Urkunde des Bistums Verden, die den Ort als Chessinhusen benennt. Das Land muss jedoch schon viel früher besiedelt worden sein. Es wird angenommen, dass die ersten Siedlungen im frühen Mittelalter zwischen Sittensen und Klein Meckelsen entstanden sind,[2] genaue Daten sind jedoch nicht bekannt. Am Westrand des Ortes befindet sich der Königshof Sittensen, eine Wallburg des 9. Jahrhunderts.
Der historische Dorfkern Sittensens befindet sich im heute südlichen Teil des Ortes, wo sich der Marktplatz, die St.-Dionysius-Kirche sowie die alte Wassermühle befinden, die im 16. Jahrhundert erbaut wurde.[3] Seit jener Zeit hat sich der Ortsmittelpunkt vom ursprünglichen Kern wegentwickelt, zeigt sich dort jedoch noch in seinem historischen Bild.
Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er und im Verlauf der 1930er Jahre trieb viele Bauern und Handwerker in der Börde Sittensen in den Ruin. Die Landwirtschaft war bis zum Zweiten Weltkrieg der Hauptarbeitgeber der Handwerker und anderer Gewerbe in der Börde Sittensen. Fast alle Höfe waren verschuldet. Auch die Torfwerke Tiste mussten in den Inflationsjahren Konkurs anmelden. Damit wurden viele Tister und Kalber Einwohner arbeitslos. Auch die Unsicherheit nahm zu. Diebstähle zwangen zu Gegenmaßnahmen. Die Sittenser Kaufmannschaft schloss sich 1926 zu einer Wach- und Schließgesellschaft zusammen. Dies brachte den Nationalsozialisten Zulauf, weil sie Sicherheit, Arbeitsplätze, Festpreise und Importbeschränkungen versprachen. Bereits vor der Machtergreifung 1933 hatten die Nazis den Hannoverschen Landbund, die stärkste Interessenvertretung der Bauern, unterwandert.[4] Der stellvertretender NSDAP-Gauleiter für den Gau Ost-Hannover (1933), Georg Weidenhöfer, ab 1. April 1929 Mitglied der NSDAP, war bis 1933 auch Klostergutspächter in Burg Sittensen, sowie ab 1922 Vorsitzender des Kreislandbundes Zeven. Er tat sich als NS-Agrarpolitiker hervor.
Trotzdem stimmten bei der Reichstagswahl 1930 53,1 % für die Deutsch-Hannoversche Partei der Welfen und nur 3,0 % für die NSDAP. Deren Anteil wuchs jedoch rapide von 22,3 % bei den Reichstagswahlen vom 5. November 1932 und 49,3 % bei der Machtergreifung am 30. Januar 1933.[5]
Aus der Kochschule in Sittensen, deren Aufgaben ab 1933 die NS-Frauenschaft übernahm, wurde 1932 eine Jugendherberge. Durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden von 1930 bis 1932 die Ramme begradigt und deren Talaue eingeebnet, um bessere Wiesen zu erhalten. Mit den Notstandsarbeiten kamen auch Kommunisten aus den Städten und deren Gedankengut in die Börde Sittensen. Sie erhielten 1932 allerdings nur 3 % der Wählerstimmen. Am Abend der Machtergreifung zog erstmals eine aus den umliegenden Dörfern zusammengezogene SA-Einheit mit einem Fackelzug durch Sittensen. Die Schulchroniken von Kalbe und Klein Meckelsen zeigen, wie euphorisch Hitler als „Retter“ begrüßt wurde.[6]
Der Bau der Autobahn Hamburg-Bremen von 1934 bis 1937, bei denen viele Arbeitslose zu Niedrigstlöhnen eingesetzt wurden, war ein herausragendes Ereignis. Der Stundenlohn betrug 30 Pfennig. Die 1937 eröffnete Autobahn mit der Abfahrt Sittensen, inklusive Tankstelle und Raststätte, erwies sich als Glücksfalls für den Ort. Er begünstigte die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben.[7][8]
In der Zeit des Nationalsozialismus begann die Judenverfolgung. Bereits zum Herbstmarkt 1935 setzte die NSDAP im Gemeinderat durch, dass an den Ortseingängen Schilder „Juden zum Markt in Sittensen unerwünscht“ angebracht wurden. Allerdings gab es in der Börde Sittensen so gut wie keine Juden. Als Viehhändler und Geldleiher waren sie bis dahin gern gesehen. Dann wurden vom Hetzblatt „Der Stürmer“ „Judenfreunde“, wie angeblich der Landwirt August Wilkens aus Gr. Meckelsen, am Gemeindehaus öffentlich angeprangert.[9] Mit der Machtergreifung von 1933 begann auch in Sittensen die Verfolgung Andersdenkender. Ein Fall, der überregional Aufmerksamkeit erregte, war der des KPD-Mitglieds, Franz Berg (geb. 19. Oktober 1927) aus Kempen. Er wurde im Februar 1935, zusammen mit 25 weiteren KPD-Mitgliedern, wegen Hochverrats zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, und zu einem Außenkommando zum Torfabbau auf Burg Sittensen eingeteilt. Mit zwei anderen Häftlingen unternahm er einen Fluchtversuch, der jedoch nach zwei Tagen scheiterte.[10]
Ab 1937 wurde die Organisation des Luftschutzes auch in Sittensen besonders vorangetrieben. Auf dem Schulhof fanden Luftschutzübungen mit Brand- und Löschvorführungen statt.[11] Schon bald nach Beginn des Polenfeldzuges forderten die meisten Dörfer in der Börde 20 bis 30 polnische und ukrainische Kriegsgefangene für landwirtschaftliche Arbeiten und zum Torfgraben in Kl. Meckelsen an. Sie wurden in der Jugendherberge oder beim Bauern kriegsmäßig untergebracht. NS-Ortsgruppenleiter Wiebelitz hatte sie zu kontrollieren, ebenso wie später die Serben, Belgier und Franzosen. Das Hauptlager für die Kriegsgefangenen war das „Russen-Lager“, „Stammlager X B“, in Sandbostel. Da die Börde im Einflugbereich der britischen Bomber lag, richtete man in Kl. Meckelsen in der Feldmark „Osteau“ eine Flugbeobachtungsstation ein. Ab 1940 trafen auch in der Börde immer mehr Einberufungen und Vermißten- und Gefallenen-Meldungen ein. Bis Kriegsende gab es 362 Kriegstote aus der Börde Sittensen. In Königshof richteten NS-Organisationen einen „Ehrenhain“ für gefallene Soldaten aus der Börde ein.[12] Am 20. April 1945 besetzten britische Truppen Sittensen. In Wohnste kam es zu Racheakten von polnischen und russischen Zwangsarbeitern, denen ein SS-Angehöriger und ein NSDAP-Zellenleiter zum Opfer fielen. Auch in Ippensen wurde eine Bäuerin erschossen. Ein Bauer aus Gr. Wohnste nahm sich das Leben, nachdem sein Hof niedergebrannt worden war.[13]
Die Gemeinde Sittensen entstand 1960 per Gesetz als Zusammenschluss der Gemeinden Groß Sittensen und Klein Sittensen.
In der jüngeren Geschichte hat Sittensen insbesondere durch eher negative Medienpräsenz an Bekanntheit gewonnen. So gab es in den 1990er Jahren Schlagzeilen um eine erhöhte Rate von Leukämie-Erkrankungen bei Kindern in Sittensen. Ein ähnlicher Fall in der Gemeinde Tespe im Landkreis Harburg wurde auf eine erhöhte Strahlenbelastung durch das Kernkraftwerk Krümmel und das GKSS-Forschungszentrum Geesthacht zurückgeführt, was für Sittensen jedoch nicht zutreffen konnte. Gutachten, die von der Universität Bremen angefertigt wurden, begründeten die Fälle mit einem defekten Röntgengerät, waren letztlich aber nicht schlüssig.[14]
Ein weiterer Aufsehen erregender Vorfall ereignete sich in der Nacht zum 5. Februar 2007, als im China-Restaurant „Lin Yue“ sieben Menschen erschossen aufgefunden wurden.
Darüber hinaus fand im Jahr 2008 ein Brandanschlag auf einen muslimischen Gebetsraum statt. Die Täter, die am gleichen Abend über die Gründung eines NPD-Ortsvereines in Sittensen sprachen, gehörten zur rechtsextremen Szene.[15][16]
Im Jahr 2010 fand in Sittensen ein Überfall auf einen Rentner statt. Ein Täter wurde von dem Rentner erschossen. Die Angehörigen des erschossenen Täters verklagten daraufhin den Rentner. Lange Zeit sorgte der Überfall und die Anklage vor Gericht in zahlreichen überregionalen Medien immer wieder für Schlagzeilen.[17][18][19][20][21][22][23] Auf Betreiben der Familie des Räubers wurde der Rentner des Totschlags angeklagt. Am 23. April 2014 begann der Prozess vor dem Landgericht Stade,[24] am 27. Oktober 2014 wurde der Rentner wegen Totschlags zu einer Gefängnisstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung legten dagegen Revision ein.[25] Der Bundesgerichtshof wies die Revisionen jedoch zurück.[26]
In Sittensen besteht eine evangelisch-lutherische Gemeinde (St.-Dionysius-Kirche), der die meisten konfessionell gebundenen Bürger angehören, sowie eine Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Christuskirche) und eine freie evangelische Gemeinde; daneben noch eine geringe Anzahl von Zeugen Jehovas und von Gläubigen des Islam. Die römisch-katholischen Christen des Ortes gehören zur Herz-Jesu-Gemeinde in Tostedt.
Der Rat der Gemeinde Sittensen setzt sich aus 17 Mitgliedern zusammen. Die Ratsmitglieder werden durch eine Kommunalwahl für jeweils fünf Jahre gewählt.
Bei den vergangenen Gemeinderatswahlen ergaben sich folgende Sitzverteilungen:
Partei / Liste | 2021[27] | 2016[28] |
SPD | 7 | 8 |
CDU | 6 | 5 |
Grüne | 2 | 2 |
WFB* | 1 | 1 |
FDP | 1 | 1 |
Gesamt | 17 | 17 |
* Wählergemeinschaft Freier Bürger Sittensen
Bürgermeister ist Diedrich Höyns (SPD). Er wurde in der Ratssitzung am 4. November 2021[29] gewählt.
Das Wappen der Gemeinde ist längs zweigeteilt. Auf der nichtheraldisch linken Seite findet sich eine Heiligengestalt (der heilige Dionysius) auf rotem Grund, auf der nichtheraldisch rechten Seite die St.-Dionysius-Kirche des Ortes auf einer grünen Fläche und einem silbernen Flusslauf (die hier fließende Oste).
Das Hochmoor und Naturschutzgebiet Ekelmoor mit dem NSG Tister Bauernmoor und einem Aussichtsturm
Der Bahnhof Sittensen liegt an der Bahnstrecke Wilstedt–Tostedt, die jedoch nicht im SPNV befahren wird. Der nächste Bahnhof mit Personenverkehr befindet sich in Tostedt.
Durch die Gemeinde verläuft die Bundesautobahn 1 mit der Anschlussstelle 47 Sittensen, die Sittensen an das überregionale Verkehrsnetz anschließt.
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