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Rechtsbegriff Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Sicherstellung ist ein Rechtsbegriff für verschiedene Maßnahmen in verschiedenen Rechtsarten mit unterschiedlichen Zielsetzungen (s. u.). Ziel aller Sicherstellungen ist der Übergang der Sachherrschaft in hoheitlichen Gewahrsam. Gemein ist ihnen auch der Geltungsbereich im Eingriffsrecht. Es ist unerheblich, ob der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache der Eigentümer ist oder nicht. Es wird in das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) eingegriffen.
Die Sicherstellung ist die Begründung bzw. Herbeiführung öffentlich-rechtlichen Gewahrsams an einer Sache. Dies kann entweder durch Inverwahrunggabe bzw. -nahme oder Dienstsiegelanlegung geschehen.
Eine Sicherstellung kann eine einfache Sicherstellung oder eine Beschlagnahme darstellen. Sie kann repressiven (Verfolgung von Straftaten und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten) oder präventiven Charakter haben wie die präventive Gewinnabschöpfung.
Auch bei freiwilliger Herausgabe von Sachen kommt mitunter eine Beschlagnahme in Betracht, da nur durch die Sicherstellung durch Beschlagnahme auch der strafrechtliche Schutz des § 136 StGB (Verstrickungsbruch, Siegelbruch) begründet wird.
Die Beschlagnahme darf nur durch den Richter und bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (z. B. Polizeibeamte) angeordnet werden, § 94 Abs. 1 S. 1 StPO. Sie muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Wird sie nicht richterlich angeordnet und erhebt der Beschuldigte Widerspruch, muss binnen drei Tagen eine gerichtliche Bestätigung beantragt werden. Daraufhin entscheidet ein Richter über die Maßnahme, § 94 Abs. 2 S. 1 StPO. Auch nachträglich kann der Betroffene jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen, § 94 Abs. 2 S. 2 StPO.
Die Sicherstellung/Beschlagnahme ist in der Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung angesiedelt und aufgeteilt in:
Mit der Sicherstellung der Sache wird die Sache, behördlich Asservat genannt, in ein hoheitliches Verwahrungsverhältnis überführt und damit „verstrickt“. Verletzungen dieser Verstrickung können als Verstrickungsbruch (§ 136 StGB) oder ggf. als Verwahrungsbruch (§ 133 StGB) geahndet werden.
Sicherstellungen können unter bestimmten Voraussetzungen mittels Anwendung von Verwaltungszwang oder mittels Anwendung von unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Leichen gelten als Sache. Tiere werden rechtlich als Sachen behandelt. Das Äquivalent für ähnliche Maßnahmen bei Personen ist die Verhaftung, Festnahme und der Gewahrsam.
Wer einen Gegenstand der vorbezeichneten Art in seinem Gewahrsam hat, ist verpflichtet, ihn auf Erfordern vorzulegen und auszuliefern (§ 95 Abs. 1 StPO). Sicherstellungen und Beschlagnahmen können sich auch auf unbewegliche Gegenstände beziehen. Diese werden durch Versiegelung oder Einfriedung als beschlagnahmt gekennzeichnet; Beispiele: Fabrikhalle, Wohnung, Baustelle.
Für bestimmte Gegenstände bestehen Beschlagnahmeverbote (z. B. in Bezug auf Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht besitzen) gem. § 97 StPO oder in Fällen des § 96 StPO (vorliegende Sperrerklärung einer Behörde in Bezug auf Akten).
An bestimmte Beschlagnahmen werden zusätzliche Voraussetzungen geknüpft:
Beweismittel, die für die Untersuchung nicht mehr von Belang sind, sind an den Eigentümer zurückzugeben. Gegenstände, die zur Gefahrenabwehr sichergestellt worden sind, sollen zurückgegeben werden, wenn der Grund entfallen ist.
Über die sichergestellten Gegenstände ist ein Verzeichnis zu fertigen und ein Abdruck an den letzten Gewahrsamsinhaber auszuhändigen (§ 107 StPO). Ab dem Gewahrsamsübergang ist der Gegenstand ein Asservat. Die unerlaubte Rückabwicklung ist in Deutschland strafbar; wenn der Gegenstand als Beweismittel gilt, kommt Verstrickungsbruch in Betracht.
Sicherstellungen zur Gefahrenabwehr und einfache Sicherstellungen zur Straf-/Ordnungswidrigkeitenverfolgung gem. § 94 StPO (§ 46 OWiG) ist nur durch zuständige und befugte Amtsträger möglich (z. B. Vollzugsbeamte).
Sonstige Sicherstellungen dürfen grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden (Richtervorbehalt). Bei Gefahr im Verzug dürfen auch Staatsanwälte und die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft die Anordnung hierzu erteilen bzw. diese ausführen (§ 98 Abs. 1 S. 1 StPO), außer in den Fällen des § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO – dann ist die Anordnung generell durch den Richter möglich (§ 98 Abs. 1 Satz 2 StPO).
In Fällen, in denen ein Befugnisträger eine Sicherstellung/Beschlagnahme nicht selbst durchführen kann, ist auch eine Delegierung der Durchführung (mit dem Status als Durchsuchungshelfer) denkbar, z. B. aggressiver herrenloser Bienenschwarm wird durch die Feuerwehr im Auftrag sichergestellt oder eine Tür wird durch einen Schlüsseldienst geöffnet.
Von der repressiven strafprozessualen Sicherstellung ist die präventive Sicherstellung zu unterscheiden. Diese dient der Gefahrenabwehr. Sie ist im Gesetz über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz – BPolG) und den Sicherheits- und Ordnungsgesetzen der Länder geregelt. Welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, hängt davon ab, welche Behörde gehandelt hat (Bundespolizei, Landespolizei oder Verwaltungs-/Ordnungsbehörden).
Die gefahrenabwehrrechtliche Sicherstellung dient
Landesrechtlich ist eine Sicherstellung auch möglich, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass die Sache zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebraucht oder verwertet werden soll (in Hessen z. B. nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 HSOG).
Die Sicherstellung erfolgt im Allgemeinen durch Verwaltungsakt (Sicherstellungsanordnung), kann aber – wenn der Inhaber der Sache nicht erreichbar ist – auch im Wege des Sofortvollzugs erfolgen.[1]
Sichergestellte Sachen werden behördlich verwahrt (§ 48 BPolG; in Hessen § 41 HSOG), ggf. auch verwertet (§ 49 BPolG; in Hessen § 42 HSOG), wenn wegen Verderblichkeit ein Verlust droht (z. B. bei Lebensmitteln) oder eine behördliche Verwahrung nur erschwert möglich ist (z. B. bei Tieren). Die Verwertung erfolgt durch öffentliche Versteigerung (§ 49 Abs. 3 BPolG; in Hessen § 42 Abs. 3 HSOG). In Einzelfällen können sichergestellte Sachen auch vernichtet werden (§ 49 Abs. 4 BPolG; in Hessen § 42 Abs. 4 HSOG).
Sind die Voraussetzungen für eine Sicherstellung entfallen, ist die Sache an den früheren Inhaber herauszugeben (§ 50 Abs. 1 BPolG; in Hessen § 43 Abs. 1 HSOG). Wurde die Sache verwertet, ist der Erlös aus der Verwertung an den Berechtigten auszukehren (§ 50 Abs. 2 BPolG; in Hessen § 43 Abs. 2 HSOG).
Beispiele für gefahrenabwehrbehördliche Sicherstellungen sind die Ingewahrsamnahme von verwahrlosten Tieren (§ 16a TierSchG) oder die Wegnahme von neuen psychoaktiven Stoffen (§ 3 NpSG).
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