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Die Geschichte des Gebiets der heutigen Schweiz im Mittelalter beginnt mit dem Ende der römischen Herrschaft 401 n. Chr. Ein Ende dieser Zeitepoche festzulegen ist schwierig, da in der Schweiz regional der Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit zu unterschiedlichen Zeiten erfolgte. Aus historischer Sicht ist der Übergang für das ganze Gebiet der heutigen Schweiz mit der Reformation im 16. Jahrhundert anzusetzen. Trotzdem wird hier das Ende des Mittelalters mit der Gründung der Alten Eidgenossenschaft 1291/1315 angesetzt.
Im Jahr 401 wurde durch den Abzug der römischen Legionen vom Rheinlimes eine grosse politische, gesellschaftliche und kulturelle Wende eingeleitet. Überdauert hat im Raum der heutigen Schweiz das antike Strassennetz, das die geopolitische Einheit der heutigen Eidgenossenschaft massgeblich mitprägte, sowie die alten römischen Raumeinteilungen, die in der kirchlichen Organisation der Schweiz überdauerten.
Im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. zählten die Alamannen zu den gefürchtetsten Gegnern der Römer. Deshalb zogen sich viele Romanen der antiken Schweiz vor dieser Gefahr zurück. Etwa drei Viertel der römischen Gutshöfe (villae) im Schweizer Mittelland wurden aufgegeben. Die Abwanderung der Romanen erfolgte in die Alpentäler oder direkt in den italienischen Raum. Im Schweizer Mittelland verblieben bis ins 7. Jahrhundert nur wenige romanische Sprachinseln im Bereich der ehemaligen römischen Kastelle. Politisch wurde das Land in der Zeit der Völkerwanderung und danach durch die germanischen Stämme der Burgunden, der Alamannen, der Franken und im Süden der Langobarden bestimmt.
Die Burgunden waren gegen Ende des 4. Jahrhunderts bis an den Mittelrhein vorgedrungen. Als Feinde der Alamannen wurden sie von den Römern als Foederaten im Römischen Reich angesiedelt. Im Jahr 436 wurde das Burgundische Reich zwischen dem römischen Statthalter Aetius und den Hunnen aufgerieben. Die überlebenden Burgunden wurden danach um Genf und am Nordufer des Genfersees bis nach Lausanne angesiedelt und vermischten sich mit der ansässigen Bevölkerung. Als Minderheit wurden die Burgunden rasch durch die kelto-romanische Bevölkerung assimiliert. Im 5. Jahrhundert bildete sich ein neues Reich der Burgunden, das sich bis 470 entlang der Rhone über Lyon bis zur Durance in der Provence ausdehnte. Diese Politik entsprach dem gallorömischen Adel des Burgundenreichs. Zwischen den Jahren 507 und 516 erstreckte sich dieses Reich unter Gundobad vorübergehend auch auf fast die gesamte heutige Deutschschweiz (einschliesslich der Ostschweiz); aus dieser Zeit stammen z. B. die nicht wenigen Ortsnamen mit Endung -ach.[1][2] Nach dem Aufstieg der Reiche der Franken und der Ostgoten konnten sich die Burgunden jedoch nicht länger halten und ihr Reich wurde im Jahr 534 ins fränkische Merowingerreich eingegliedert.
Waren die Alamannen im 3. und 4. Jahrhundert noch wegen ihrer Beutezüge gefürchtet, zogen sie nach Auflösung des Weströmischen Reiches allmählich und in mehreren Siedlungschüben ins aufgegebene römische Kulturland im ehemaligen Limesgebiet ("Dekumatenland") und im schweizerischen Mittelland. Die Alamannen waren kein ursprünglicher germanischer Volksstamm, sondern ein ab dem 2. Jahrhundert in Süddeutschland entstandener germanischer Stammesverband. Gegen die Burgunden im Südwesten, die Bajuwaren im Osten und die Rheinfranken im Nordwesten konnten sie sich nicht behaupten, weshalb ihnen nur die Expansion in den helvetischen Raum offenstand. Da die kelto-romanische Bevölkerung weniger zahlreich war und die römischen Strukturen geschwächt waren, wurden die Kelto-Romanen durch die Alamannen assimiliert. Ab 537 gerieten die Alamannen ebenfalls unter fränkische Oberhoheit.
Im 4. Jahrhundert diente der nördliche Alpenrand für die gallorömische Bevölkerung, die vor dem Vorrücken der Alamannen zurückweichen musste, als Fluchtraum. Im späten 6. Jahrhundert drangen in die südalpinen Täler Langobarden ein, die in der Folge aber romanisiert wurden. Im 7. Jahrhundert begann die alamannische Landnahme südlich des Rheins und in den Zentralalpen. Ende des 8. Jahrhunderts erreichte das Alamannische den Bielersee und das Saanetal. Im 11. Jahrhundert begann die Germanisierung in Rätien. Die alamannische Besiedlung erreichte in der Trockenzone des Wallis Höhenlagen von bis zu 1500 Metern.
Ursprünglich gab es viele Überschneidungen der romanischen und germanischen Siedlungsräume in der heutigen Schweiz – ein Miteinander und Nebeneinander der Kulturen – und nur ganz allmählich bildeten sich die Sprachgrenzen klarer aus. Die Ortsnamen mit der Endung -ingen in Form von -ens oder -ence reichen bis an das Nordufer des Genfersees. Das Waadtland war also für lange Zeit eine gemischtsprachige Siedlungszone. Erst ab dem 8. Jahrhundert finden Sprachgrenzen erkennbar ihren Ausdruck in der Häufung von Walen-Namen. Diese deutsche Ortsbezeichnung zeigt an, wo damals "Walchen"/"Welsche", also Romanen, wohnten, z. B. Walensee, Walenstadt.
Im Gegensatz zur westlichen Sprachgrenze hin zum Französischen ist die Bewegung der Sprachgrenze im Süden in den Kantonen Graubünden, Tessin bzw. Wallis bis heute nicht abgeschlossen. In den Alpenregionen der heutigen Schweiz hielt sich das Romanische viel dominanter als im Schweizer Mittelland. Das Rätoromanische war noch im 10. Jahrhundert in der Gegend um Einsiedeln, im Rheintal, in Uri und im heutigen Kanton Glarus vorherrschende Sprache. Der eigentliche Landesausbau der alamannischen Siedler im Oberen Wallis erfolgte erst im 11. Jahrhundert. Erst im Spätmittelalter setzte sich durch die Wanderungen der Walser in den Alpen da und dort die deutsche Sprache durch – vorwiegend in Gegenden, die wenig Verbindungen zum Mittelmeerraum pflegten. In Churrätien überdauerten die römischen Strukturen am längsten aufgrund kirchenpolitischer Bedingungen. Die dortige Bevölkerung entwickelte ihre Sprache weiter zum modernen Rätoromanischen. Bis in die Neuzeit wurde und wird diese Sprache jedoch vom Schweizerdeutschen immer weiter verdrängt.
Die Bischofssitze aus der Spätantike blieben bis auf wenige Ausnahmen im Frühmittelalter erhalten. Die ungefährdetste Kontinuität der Bischofssitze erlebte die Christenheit in den romanischen Gebieten der heutigen Schweiz – vor allem in Curia Raetorum (Chur) im Kanton Graubünden, aber auch in Genf. Alle anderen Bistümer erlebten in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts eine Neustrukturierung. Beispielsweise wurde der Bischofssitz von Martigny im Wallis nach Sitten verlegt, als 574 die Langobarden über den Grossen St. Bernhard hereinbrachen. Die Verlegungen der Bischofssitze von Avenches nach Lausanne und von Augst ins Rheinknie nach Basel stehen in Bezug zur Landnahme der Alamannen. Um 600 wurde von einem alamannischen Herzog unter fränkischer Mitwirkung erstmals ein Bistum neu gegründet, das auf keinen spätrömischen Grundlagen beruhte: Konstanz am Bodensee. Während der Christianisierung der alamannischen Landbevölkerung ergaben sich die Zuständigkeitsbereiche der Bistümer Basel, Konstanz und Chur. Sie folgten weitgehend den alten römischen Provinzgrenzen. Die Zugehörigkeit der Bistümer zu den übergeordneten Erzbistümern bzw. Kirchenprovinzen entschieden die Machthaber im Frühmittelalter, aber auch hier kam es zu fast keinen Abweichungen gegenüber den römischen Raumeinteilungen. Die im burgundischen Machtbereich gelegenen Bischofssitze Basel, Lausanne, Genf und Sitten wurden den Erzbistümern Besançon, Vienne und Tarentaise unterstellt, das alamannische «Nationalbistum» Konstanz gehörte zum Erzbistum Mainz, dem später auch das Bistum Chur unterstellt wurde, das unter ostgotischem Einfluss noch Mailand unterstanden hatte. Die italienischsprachigen Teile der heutigen Schweiz waren im Einflussbereich der lombardischen Bischofssitze Mailand und Como geblieben, wobei ersterer selber den Rang eines Erzbistums besass, letzterer zum Patriarchats Aquileia gehörte.
Die breite Christianisierung des Landes erfolgte erst unter Einfluss der Franken. 534 wurde die burgundische Westschweiz, 536 Alamannien ein Teil des Frankenreiches. Besonders das irische Mönchtum hat in dieser Zeit die Mission vorangetrieben. Im 7. Jahrhundert kam es im Jura zu mehreren Klostergründungen, wie in Moutier-Grandval, Saint-Imier, Romainmôtier und möglicherweise auch in Saint-Ursanne. Im alamannischen Teil der Schweiz führten weniger die Missionsversuche Columbans oder Gallus’ zum Ziel als die Förderung durch die fränkische Oberschicht und das Bistum Chur.
Bei der Teilung des Frankenreiches im Vertrag von Verdun (843) kam das Gebiet der Westschweiz zu Lotharingien, die Ostschweiz zum Ostfrankenreich. Die Königspfalz Zürich wurde von den Karolingern häufiger besucht. Ludwig der Deutsche gründete dort für seine Töchter das Kloster Fraumünster, das zu einem der reichsten Grundbesitzer in der Zentral- und Ostschweiz wurde.
Nach 888 bildete sich in der Westschweiz das unabhängige Königreich Hochburgund, das seine Zentren in Payerne und Saint-Maurice hatte. Alamannien blieb hingegen als Stammesherzogtum Schwaben im späteren Heiligen Römischen Reich deutscher Nation integriert.
Um 926 fielen die Ungarn in die Ostschweiz ein und zerstörten unter anderem das Kloster St. Gallen. Die Ungarngefahr wurde erst 955 durch den deutschen König Otto auf dem Lechfeld gebannt. Praktisch zur gleichen Zeit tauchten in den 920er Jahren die aus dem südfranzösischen Fraxinetum (Provence) vorstossenden Sarazenen, ein ursprünglich im Nordwesten der arabischen Halbinsel siedelnder Volksstamm, auf und plünderten und zerstörten in den folgenden Jahren das Wallis und Teile Graubündens. Höhepunkt ihrer Aktivität waren die Plünderungen des Klosters Saint-Maurice und – möglicherweise im selben Jahr – der Überfall auf den Bischofssitz in Chur. Zeitweise standen gewisse Alpenübergänge, u. a. der Grosse St. Bernhard, unter ihrer Kontrolle. Ihre Vertreibung aus Fraxinetum und aus ihren alpinen Rückzugsgebieten erfolgte 972/973. Siedlungsspuren der Araber in den Schweizer Alpen sind bis heute nicht nachgewiesen.[3][4]
Während des Hochmittelalters wurde die gesamte heutige Schweiz ins Heilige Römische Reich deutscher Nation integriert. 951 kam das Königreich Italien, 1033 das Königreich Burgund zum Reich der ostfränkisch-deutschen Kaiserdynastie der Ottonen und später der Salier. Die schweizerischen Alpenpässe waren von grosser strategischer Bedeutung für die Kaiser, da ihre Kriegszüge nach Italien fast zwangsläufig durch die Schweiz führten. Entlang der wichtigen Handelswege besassen die Kaiser deshalb Grundbesitz, sogenanntes Reichsgut, oder sie gründeten Klöster und Pfalzen, um die Wege zu sichern, z. B. in Zürich.
Verschiedene Adelsgeschlechter übten als Lehensträger des Reiches das Grafenamt in der Schweiz aus. Am bekanntesten sind die Geschlechter der Zähringer, der Kyburger und der Lenzburger, die im Aargau, im Zürichgau und im Thurgau begütert waren. Sie kämpften um Ämter, Grundbesitz und Einfluss im ganzen süddeutschen Raum. Zur Besiedlung ihres Grundbesitzes und zur militärischen Sicherung gründeten die lokalen Adelsgeschlechter ab dem 12. Jahrhundert im ganzen Mittelland zahlreiche Städte, die sich allerdings nicht alle erfolgreich entwickelten. Dies hing wesentlich von der Lage der Stadt aber auch vom Einfluss des Stadtgründers ab. Die zähringischen Städte Bern und Freiburg entwickelten sich beispielsweise prächtig, während das von den Regensbergern gegründete Glanzenberg bei Zürich zur Wüstung wurde.
Durch das Aussterben einiger lokaler Grafengeschlechter im 13. Jahrhundert konzentrierte sich der Grundbesitz des Hochadels stark. Am meisten profitiert haben die Habsburger. Ihr Stammschloss, die Habsburg, liegt in der Nähe des aargauischen Städtchens Brugg. Die ursprünglich nur im Elsass und im Aargau begüterten Grafen von Habsburg erbten durch geschickte Heiratspolitik ausgedehnte Ländereien der Zähringer, Lenzburger und Kyburger in der Zentral-, West- und Ostschweiz. Daneben stiegen neue Adelsgeschlechter in den Grafenstand auf, etwa die Toggenburger in der Ostschweiz und die Saxer in Graubünden. Neben dem Adel war weiterhin die Kirche der grösste Grundherr der Schweiz. Insbesondere die Klöster St. Gallen, Einsiedeln, Pfäfers und Disentis konnten regelrechte Klosterstaaten ausbilden. Die Bischöfe von Sitten, Lausanne, Genf, Basel, Konstanz und Chur besassen seit dem Frühmittelalter landesherrliche Rechte in ihren Diözesen und bauten diese im Hochmittelalter ebenfalls zu mehr oder weniger eigenständigen «Fürstbistümern» aus.
Das Verschwinden starker Adelsgeschlechter sowie die Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst begünstigten im 13. Jahrhundert die Verselbständigung der wichtigeren Städte und Talschaften der Schweiz. 1218 wurden Zürich, Bern, Freiburg und Schaffhausen nach dem Aussterben der Zähringer zu «Reichsstädten»; Uri (1231) und Schwyz (1240) erhielten ebenfalls das Privileg der Reichsunmittelbarkeit. Das heisst, diese Städte und Landschaften standen unmittelbar unter dem Kaiser bzw. dem König und waren von der Herrschaftsgewalt der lokalen Grafen ausgenommen. Damit sicherte Kaiser Friedrich II. den Weg über den Gotthard, während er im Krieg mit den lombardischen Städten war, und sicherte sich die Loyalität der Städte im Kampf mit Papst Innozenz IV. Nachdem Friedrich II. 1245 vom Papst gebannt und für abgesetzt erklärt worden war, hielten denn auch Bern, Basel und Zürich zum Kaiser. Das Ende der Dynastie der Staufer und der Beginn des Interregnums im Reich markiert auch für das Gebiet der heutigen Schweiz den Übergang zum Spätmittelalter (→Entstehung und Wachstum der Alten Eidgenossenschaft).
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