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Schachvariante Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Schach960 oder Schach-960[1], englisch Chess960, ursprünglich auch Fischer-Random-Chess oder Fischerschach genannt, ist eine von Schachgroßmeister Bobby Fischer entwickelte Schachvariante mit 960 möglichen unterschiedlichen Ausgangsstellungen. Es ist eine Verallgemeinerung des Schachspiels durch eine fast beliebige Anordnung der Schachfiguren auf der Grundreihe jeder Partei.
Zum ersten Mal vorgestellt wurde diese Variante am 19. Juni 1996 in Buenos Aires.[2] Fischers Ziel war es, eine Schachvariante zu entwickeln, die mehr Gewicht auf die Kreativität und das Talent des Spielers legte, als auf das Auswendiglernen und Analysieren von Eröffnungen. Dies sollte durch zufällige Eröffnungsstellungen erreicht werden, die ein Auswendiglernen von Eröffnungszügen wenig hilfreich erscheinen lassen.
Die Regeln für Schach960 wurden 2009 vom Weltschachverband FIDE als Bestandteil der Schachregeln in ihr Regelwerk („Laws of Chess“, Anhang F) aufgenommen. Im Jahre 2019 fand erstmals eine offizielle Weltmeisterschaft statt. Weltmeister wurde Wesley So. Sein Nachfolger bei der zweiten Weltmeisterschaft 2022 wurde Hikaru Nakamura.
Bereits 1993 berichtete Der Spiegel über ein von Bobby Fischer erdachtes Losverfahren für die Grundlinienfiguren.[3] Das erste „Fischer-Random-Chess“-Turnier wurde 1996 in Jugoslawien gespielt und wurde von Péter Lékó gewonnen.
Im Jahre 2001 erwarb sich Lékó – durch einen Sieg gegen Michael Adams in einem Acht-Partien-Match im Rahmen der Mainzer Chess Classic – das Recht, 2003 um die Weltmeisterschaft zu spielen. Für dieses Match gab es keine Qualifikation (die es auch bei den ersten normalen Schachweltmeisterschaften nicht gab), aber beide Spieler waren zu dieser Zeit unter den besten fünf der normalen Schach-Weltrangliste. Lékó wurde ausgewählt, da er zum einen viele Neuerungen in die Schachtheorie eingebracht hatte und zum anderen Sieger des vorjährigen Turniers war. Dazu hatte er mit Fischer selbst Fischer-Random-Chess gespielt. Adams wurde gewählt, weil er die Weltrangliste im Blitzschach anführte und als extrem starker Spieler in ungewöhnlichen Situationen galt. Das Match endete mit 4,5:3,5.
Im Jahre 2002 veranstalteten bei den Chess Classic in Mainz die Chess Tigers ein Chess960 Open mit über 130 Teilnehmern und über 50 Titelträgern. Einer von ihnen war der russische Großmeister Peter Swidler. Er strauchelte zwar zu Beginn des Turniers, doch nach einer furiosen Aufholjagd hievte er sich noch auf Platz 1 und qualifizierte sich so für ein offizielles Match um die Weltmeisterkrone. Zudem wurde 2002 Fischer-Random-Chess/Chess960 auch von ChessVariants.com zur Recognized Variant of the Month für April 2002 gewählt und der jugoslawische Großmeister Svetozar Gligorić veröffentlichte sein Buch Shall We Play Fischerandom Chess?, das dieser Variante zu mehr Popularität verhalf.
Ein Jahr später wurde dann im Rahmen der Chess Classic die erste inoffizielle Schach960-Weltmeisterschaft zwischen Peter Swidler und Péter Lékó ausgetragen, welche der Russe mit 4,5:3,5 für sich entschied. Das parallel laufend Chess960-Open zog 179 Spieler an, darunter 50 Großmeister. Es wurde von Levon Aronian, dem in Deutschland lebenden Armenier und Juniorenweltmeister von 2002, gewonnen. Dieser erwarb sich so das Recht, den ersten offiziellen Schach960-Weltmeister der Geschichte im kommenden Jahr zu fordern.
In den folgenden Jahren wurden mehrere inoffizielle Weltmeisterschaftswettkämpfe ausgetragen. Neben Swidler konnten zeitweise auch Lewon Aronjan und Hikaru Nakamura den Titel erringen. Nach dem Sieg des Amerikaners im Jahr 2009 kam es längere Zeit zu keinen Weltmeisterschaftskämpfen mehr. Erst 2018 wurde Nakamura von Magnus Carlsen herausgefordert und besiegt.
Ein Jahr später fand dann die erste offizielle Weltmeisterschaft im Fischer-Random-Schach statt. Carlsen, der als inoffizieller Titelverteidiger fürs Halbfinale gesetzt war, verlor gegen Wesley So, der damit zum ersten von der FIDE anerkannte Weltmeister gekürt wurde.
Rybka siegte 2007 bei der Chess960-Computer-Weltmeisterschaft und verteidigte sowohl 2008 als auch 2009 seinen Chess960-Computer-Weltmeistertitel. 2009 fand die letzte Chess960-Computer-Weltmeisterschaft im Rahmen der Chess Classic in Mainz statt.
Hans-Walter Schmitt war auch Initiator zur Gründung eines 960-Weltverbandes: der World New Chess Association (WNCA) mit eigenem Ratingsystem.[4]
Diese Schachvariante ist unter verschiedenen Namen bekannt. Unter den ersten Namen, die ihr gegeben wurden, sind Fischer-Random-Chess und Fischerandom-Chess.
Hans-Walter Schmitt (Vorsitzender der Frankfurt Chess Tigers e. V.) ist ein Verfechter dieser Schachvariante, und er startete die Suche nach einem neuen Namen, der die folgenden Voraussetzungen erfüllen sollte:
Als Ergebnis dieser Suche wurde der neue Name Chess960 bzw. Schach960 gefunden, abgeleitet von der Zahl möglicher Eröffnungspositionen. Man findet auch die Schreibweise Schach 960 oder Schach-960.
Hans-Walter Schmitt meldete die Domain chess960.com an. Jedoch war es der US-amerikanische Milliardär Rex Sinquefield, der sich die Marke Chess960 sichern ließ.[4]
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Die Eröffnungsstellungen im Schach960 müssen die folgenden Regeln erfüllen:
Die Anzahl von 960 möglichen Startpositionen ergibt sich kombinatorisch: Für jeden Läufer gibt es vier mögliche Felder; nach deren Positionierung bleiben für die Dame noch sechs, dann für die beiden Springer fünf bzw. vier Möglichkeiten. Der Rest ist zwingend, da der König zwischen den beiden nicht unterscheidbaren Türmen steht. Bei Unterscheidbarkeit der Springer ergäben sich somit 4×4×6×5×4 = 1920 mögliche Eröffnungspositionen. Da aber auch die Springer nicht unterscheidbar sind, ist diese Zahl noch zu halbieren, was auf 960 Variationen führt.
Durch die asymmetrischen Rochaderegeln sind alle 960 Grundstellungen effektiv verschieden. Anderenfalls wäre die Zahl nochmals zu halbieren, da immer zwei verschiedene Stellungen zueinander links-rechts-symmetrisch sind.
Ist die Eröffnungsstellung gefunden, wird nach den üblichen Schachregeln gespielt, abgesehen von den verallgemeinerten Rochaderegeln.
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Auch im Schach960 gibt es die Möglichkeit der Rochade. Dabei ziehen König und Turm auf dieselben Felder wie beim klassischen Schach:
Die von den König und Turm zurückgelegten Wege können je nach Ausgangsposition sehr unterschiedlich sein, daher wären die Bezeichnungen „lange Rochade“ und „kurze Rochade“ unpassend; man spricht stattdessen von der c-Rochade und der g-Rochade. Wie im klassischen Schach wird die c-Rochade als „0–0–0“ notiert und die g-Rochade als „0–0“.
Die übrigen Rochaderegeln aus dem klassischen Schach gelten auch im Schach960:
Wenn die ausgeloste Position von König und Türmen dem klassischen Schach entspricht, sind dadurch die normalen Rochaderegeln gültig. Die c-Rochade wird dabei zur langen und die g-Rochade zur kurzen Rochade. Dadurch ist gewährleistet, dass das klassische Schach eine der 960 Varianten des Schach960 ist.
Im Schach960 können Konstellationen auftreten, die es im klassischen Schach nicht gibt:
Beim Spiel mit einem menschlichen Gegner an einem physischen Brett wird durch die FIDE empfohlen, dass der König bei der Rochade erst außerhalb des Bretts neben sein zukünftiges Feld gestellt wird, dann der Turm auf seine Endposition gesetzt und abschließend der König auf seine Endposition gesetzt wird. Diese Regel ist leicht zu befolgen und zeigt den geplanten Zug unmissverständlich an.
Gerade bei Spielern, die wenig Erfahrung mit Schach960 haben, kann angebracht sein, eine Rochade anzukündigen, um Missverständnissen vorzubeugen.
Bei Spielen am Computer gegen ein Programm oder auf einem Schachserver ist normalerweise ein gesonderter Menüeintrag oder eine Schaltfläche für die kurze und lange Rochade vorhanden. Auch erkennen gute Schachprogramme bei einigen Zügen des Königs, dass nur eine Rochade gemeint sein kann, und komplettieren den Zug von sich aus. Es existieren verschiedene Ansätze, einem Programm über seine GUI eine Rochade eindeutig zu signalisieren. Zum Beispiel zieht der König auf ein mindestens zwei Schritte weit entferntes Rochadezielfeld oder aber ansonsten auf den beteiligten Turm, um somit Verwechslungen mit möglichen einfachen Königszügen zu vermeiden. Bei einigen Programmoberflächen ist auch die textuelle Eingabe der Rochade als „0-0“ oder „0-0-0“ möglich.
Falls elektronische Schachbretter, die anhand von Sensoren die Positionen der Figuren erkennen, verwendet werden, sollte man erst König und Turm vom Brett nehmen und sie anschließend auf ihre neuen Positionen stellen.
Die Eröffnungen von Schach960 sind noch nicht gut untersucht, aber es gibt auch hier einige fundamentale Grundregeln, unter anderem:
Manche argumentieren, dass mit jeder Eröffnungsposition zwei Spiele mit Farbwechsel für die Spieler gemacht werden sollten, da einige Eröffnungspositionen für Weiß sehr vorteilhaft seien. Das Schachprogramm Stockfish beispielsweise bewertet die 960 Eröffnungsstellungen bei einer Suchtiefe von 39 Halbzügen mit Werten zwischen 0,00 und 0,57 Bauerneinheiten Vorteil für Weiß (Mittelwert 0,18), wobei die Eröffnungsposition des traditionellen Schachs mit 0,22 Bauerneinheiten Vorteil für Weiß gewertet wird.
Die Rochaderegeln von Schach960 bieten einige neue Möglichkeiten für die Schachkomposition. Der Konvention zufolge ist die Rochade in Schachproblemen dann zulässig, wenn man nicht beweisen kann, dass sie unzulässig ist (siehe Rochade in der Schachkomposition). Ein solcher Beweis besteht gewöhnlich darin, dass die Problemstellung aus der Parteiausgangsstellung nur erreicht werden konnte, wenn Turm oder König bereits gezogen haben.
Bei Schach960 sind jedoch 960 Ausgangsstellungen und viel mehr Rochaden einzubeziehen, da man einer Diagrammstellung nicht von selbst ansieht, aus welcher Ausgangsstellung sie entstanden sein könnte. Dennoch wird die genannte Konvention beibehalten. Thomas Brand hat einige Möglichkeiten in einem Artikel in Schach dargestellt.[5] Ein einfaches Beispiel daraus:
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Ohne die Bedingung Schach960 würde 1. Tf1 e2 2. Se7 trivial mattsetzen. Im Schach-960 hat Schwarz aber die g-Rochade zur Verfügung, deren Möglichkeit nicht durch Retroanalyse widerlegt werden kann. Damit kann er das Matt um einen Zug aufschieben und so die Erfüllung der Forderung verhindern:
1. Tf1? 0–0! (sKg8, sTf8) 2. Se7+ Kh8! und 3. Txf8 kommt zu spät.
Die Lösung ist die in der Diagrammstellung ebenfalls legale, da nicht widerlegbare g-Rochade des Weißen. Dazu müsste der zweite weiße Turm ursprünglich auf a1 gestanden haben, wogegen nichts spricht; dann war die Stellung zu erreichen, ohne dass König oder Turm h1 ziehen mussten.
1. 0–0! (wKg1, wTf1) In der nun entstandenen Stellung ist die schwarze g-Rochade nicht mehr legal, denn aus der weißen Rochade lässt sich ableiten, dass der schwarze König in der Ausgangsstellung auf b8 gestanden haben muss. Er musste also ziehen, um nach g8 zu kommen, was jede Rochade ausschließt. Also bleibt nur:
1. … e3–e2 2. Sc6–e7 matt.
Ein Beispiel für eine Rochadekomposition mit Schach-960-Bedingung, die nicht auf Retroanalyse basiert, wird unter Rochade in der Schachkomposition#Schach960 gezeigt. Weitere Schach-960-Kompositionen finden sich auf dem PDB-Server der Schwalbe.[7]
Da die Eröffnungsposition in der Regel eine andere ist als im traditionellen Schach, muss sie in der Notation mit vermerkt werden. Die Rochade wird, wie im normalen Schach, als 0–0 bzw. 0–0–0 notiert.
Spiele, die mit Portable Game Notation (PGN) gespeichert werden, können die Eröffnungsposition mit Hilfe der Forsyth-Edwards-Notation (FEN) als Wert des „FEN“-Tags, festhalten. Rochaderechte in der FEN betreffen gewöhnlich den äußerst stehenden Turm einer betroffenen Seite. FEN ist dazu in der Lage, alle möglichen Eröffnungspositionen von Schach960 zu erfassen. Aber sie schafft es nicht, alle jene Positionen einer Partie zutreffend zu kodieren, bei denen zwei Türme auf einer Seite des Königs stehen, und eine Rochade speziell mit dem inneren Turm zulässig ist (während der äußere Turm im Partieverlauf auf sein entsprechendes Feld gezogen ist). Es wurde eine Modifikation von FEN (X-FEN) entwickelt, um dieses Problem zu lösen, indem nur in genau solchen Fällen der Spaltenbuchstabe (groß bei Weiß) das zugehörige traditionelle Symbol („K“, „k“, „Q“ oder „q“) ersetzt. Diese abwärtskompatible Erweiterung führt dazu, dass die Darstellungen der 18 Startaufstellungen, bei denen König und Türme auf ihren traditionellen Positionen stehen, gleich bleiben.
Es gibt viele Methoden, die Eröffnungsstellung auszulosen. Bei großen Turnieren wird einfach mit einem Computer (oder Würfeln) eine Zufallszahl zwischen 1 und 960 ermittelt und daraus eine Stellung abgeleitet. Diese Startposition wird dann etwa für alle Teilnehmer sichtbar an eine Wand projiziert und damit bekanntgegeben.
Für einzelne Partien wurde auch bereits eine Schachuhr auf den Markt gebracht, die auf Knopfdruck eine zufällige Startposition für Schach960 anzeigt.
Auch mit einem gewöhnlichen Spielwürfel lassen sich die 960 Eröffnungsstellungen mit gleicher Wahrscheinlichkeit auslosen:
Die Eröffnungsposition muss nicht unbedingt zufällig sein. Es kann zum Beispiel für ein Turnier eine Aufstellung vorgegeben werden, oder die Spieler einigen sich auf eine Eröffnungsposition.
Edward Northam empfahl folgendes Vorgehen, um die Eröffnungsposition zufallsfrei zu erzeugen:
Mit diesem Verfahren wird der Aufbau der Figuren zu einem Teil der Partie. Ein Vorläufer davon ist das Freischach, das von Erich Brunner 1921 entwickelt wurde.
Das Schach960-Nummerierungs-Schema findet eine einfache Darstellung in Form zweier Tabellen, sodass eine direkte Ableitung von Startstellungen aus der jeweiligen Nummer von 1 bis 960 existiert.
Die beiden Tabellen dienen der raschen Zuordnung beliebiger Schach960-Startpositionen auf der Grundreihe von Weiß zu ausgelosten Zahlen zwischen 1 und 960 (bzw. 0 und 959)
Beispiel: Wir betrachten die Startposition 518 (die klassische Schachaufstellung):
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Zur Erklärung des Modus:
Rest | Linien | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
a | b | c | d | e | f | g | h | |
0 | L | L | – | – | – | – | – | – |
1 | L | – | – | L | – | – | – | – |
2 | L | – | – | – | – | L | – | – |
3 | L | – | – | – | – | – | – | L |
4 | – | L | L | – | – | – | – | – |
5 | – | – | L | L | – | – | – | – |
6 | – | – | L | – | – | L | – | – |
7 | – | – | L | – | – | – | – | L |
8 | – | L | – | – | L | – | – | – |
9 | – | – | – | L | L | – | – | – |
10 | – | – | – | – | L | L | – | – |
11 | – | – | – | – | L | – | – | L |
12 | – | L | – | – | – | – | L | – |
13 | – | – | – | L | – | – | L | – |
14 | – | – | – | – | – | L | L | – |
15 | – | – | – | – | – | – | L | L |
Die beiden Tabellen sind auch dazu geeignet, aus einer gegebenen Aufstellung die zugehörige Positionsnummer abzuleiten. Liegt beispielsweise die Sequenz „TLLKSSDT“ vor:
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