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zerfallenes Bauwerk Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ruine (von lateinisch ruere für „stürzen“, Plural Ruinen) bezeichnet ein zerfallenes Bauwerk. Für den stehengebliebenen Überrest eines Gebäudes nach einem Brand oder einer Feuersbrunst gab es in der Frühneuhochdeutschen Sprache den heute nicht mehr geläufigen Begriff Brandstütze.[1]
Als Baudenkmäler oder Mahnmale sind Ruinen oft Kulturgut und werden als Teil des kulturellen Erbes betrachtet. Ein Teil der Ruinen zählt daher sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe (z. B. die Akropolis oder Machu Picchu), oder tragen entsprechende Kennzeichen des Blue Shield International.
Eine Ruine entsteht entweder durch natürlichen Zerfall, wenn Pflege und Erhalt von Bauwerken, Siedlungen oder Festungen aus wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Gründen unterbleiben, durch gewaltsame Einwirkung wie Krieg oder auch durch Naturkatastrophen wie z. B. den Ausbruch eines Vulkans (vgl. hierzu Pompeji).
Man kann Ruinen dem Zerfall überlassen, ihre Reste in die Konstruktion eines neuen Bauwerks am selben Ort einbeziehen oder durch Abtragung sekundär weiterverwenden. Die nur teilweise Wiederverwendung der Materialien eines Gebäudes kann dabei auch eine Ruine entstehen lassen, wenn etwa die Dacheindeckung zur Wiederverwendung entfernt wird und das restliche Gebäude durch fehlenden Wetterschutz zerfällt.
Ruinen können auch dadurch entstehen, wenn ein Bauprojekt vor der Fertigstellung beendet und halbfertig aufgegeben wird. Man spricht dann von einer Bau- oder einer Investitionsruine.
Ruinen können aber auch geplant errichtet werden. So entstanden z. B. im 19. Jahrhundert Burgen und Staffagebauten in Schlossparks in Form von künstlichen Ruinen, unter anderem die Burg Schwarzenstein bei Geisenheim, die Magdalenenklause im Schlosspark Nymphenburg in München, die Grotte der Egeria im Wörlitzer Park (UNESCO-Welterbe) oder die Löwenburg im Bergpark Kassel.
Während der Antike und im Mittelalter wurden die Ruinen zerstörter Gebäude häufig als Steinbruch für Baumaterial genutzt, wobei ihr Material meist rein praktisch, manchmal aber auch bewusst als Spolien und deutlich sichtbar wiederverwendet wurde. Letzteres geschah dann, wenn es sich um besonders kostbares Material handelte oder man bewusst an die Tradition anknüpfen wollte.
Antike Ruinen (z. B. Pompeji) sind mit der Renaissance (16. Jh.) in das Interesse von Kunst und Kultur getreten. Am Vorabend der Französischen Revolution wurden die antiken Ruinen durch Constantin François Volney zu Symbolen der politischen Gleichheit.
Mit der Aufklärung und der Romantik gewannen auch mittelalterliche Ruinen an Wertschätzung, denn sie wurden als sichtbares Zeugnis vergangener Zeiten mit historischer Bedeutung entdeckt. Ihr Anblick bot zudem ein emotionales Festhalten an einer idealisierten Vergangenheit angesichts der als bedrohlich empfundenen fortschreitenden industriellen Revolution. Die Huldigung an die Ästhetik des Zerfalls kommt auch in der englischen Gartenkunst des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck, wo Parkanlagen als Landschaftsinszenierungen angelegt und mit künstlichen Ruinen ausgestattet wurden.
Zahlreiche Ruinen von Burgen, Schlössern oder Klöstern gewannen im 19. Jahrhundert eine hohe, teilweise symbolische Bedeutung. Künstler der Romantik wie Caspar David Friedrich schufen sich mit der Darstellung vergänglicher Ruinen (Kloster Eldena) unvergänglichen Ruhm.
Klosterruinen entstanden meist nach den Säkularisationen im Zuge der Reformation im 16. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Vor allem seit der Romantik sind sie ein beliebtes Sujet in Malerei und Zeichnung. Sie versinnbildlichen Vergänglichkeit und rufen nostalgische Gefühle hervor. Die Ruinen wurden in den Jahrhunderten seit ihrer Aufgabe durch die Kirche verschieden genutzt. Diese Zweckentfremdungen, der Dreißigjährige Krieg sowie die Nutzung der Bausubstanz als bequemer Steinbruch brachten eine weitgehende Zerstörung vieler dieser Klöster mit sich. Erst in der Romantik des frühen 19. Jahrhunderts besann man sich der Bauwerke und begann, erhaltende Maßnahmen durchzuführen. Heute sind Klosterruinen gern besuchte touristische Ziele.
Auf philosophischer Ebene ist Georg Simmels Text „Die Ruine“ von 1907 der erste Versuch, das, was die Ruine evoziert, zu erklären. Simmel schreibt: „Die Ruine schafft die gegenwärtige Form eines vergangenen Lebens, nicht nach seinen Inhalten oder Resten, sondern nach seiner Vergangenheit als solcher.“[2]
Mittlerweile gibt es öffentliche Debatten, ob bestimmte Ruinen in ihrem derzeitigen Zustand belassen oder wieder aufgebaut werden sollen. So wurde die Frauenkirche in Dresden, deren Ruine ursprünglich als Mahnmal gegen den Krieg erhalten werden sollte, zwischen 1996 und 2005 wieder aufgebaut. Andere Ruinen wurden bewusst als Mahnmale konserviert, wie die Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche oder die ehemalige Handelskammer in Hiroshima, die beim Atombombenabwurf am 6. August 1945 zerstört wurde.
Beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wird zwischen Rekonstruktion und Anastylose unterschieden. Gemäß der Charta von Venedig (1964) ist die Anastylose die denkmalpflegerisch zu bevorzugende Form des Wiederaufbaus.
Die Symbolhaftigkeit von Ruinen zeigt sich auch am Titel der Nationalhymne der Deutschen Demokratischen Republik Auferstanden aus Ruinen. Neue Ruinen entstehen auch heute durch Kriege, Anschläge, Naturkatastrophen und durch Zerfall von Gebäuden aufgrund von wirtschaftlichen Veränderungen (z. B. durch Abwanderung).
Auch für den Tourismus sind Geisterstädte (z. B. Prypjat in der Sperrzone von Tschernobyl[3]) und sogenannte Lost Places (einschließlich Geisterbahnhöfe) von zunehmender Bedeutung.
Auf ihrer Liste schützenswerter Ruinen mit Bedeutung für das Welterbe hat die UNESCO unter anderem folgende Bauwerke gelistet:
Die Nachnutzung von Industrieruinen als Filmkulisse oder Teil eines Museums ist mittlerweile vielfach üblich. Oft bilden sich vor Ort Bürgerinitiativen, die sich darum bemühen neue Nutzungskonzepte für verlassenen Industriegebäude umzusetzen.
Außerdem sind das Fotografieren (siehe hierzu: Ruinen-Fotografie) und Erkunden zugänglicher Industrieruinen als Lost Place insbesondere für Menschen, die gern Urban Exploration betreiben, attraktiv. Da in einem Teil der Gebäude Einsturzgefahr herrscht, sollte man sich allerdings vorab informieren, zumal ein unbefugtes Betreten auch rechtliche Konsequenzen haben kann.
Wenn keine Bedenken hinsichtlich der Giftigkeit von Baumaterialien (z. B. eine Asbestbelastung) bestehen, werden Industrieruinen auch in Naturschutzgebieten oder Landschaftsschutzgebieten oft nicht entfernt, da sie als Rückzugsort, Nistplatz oder Winterquartier von zahlreiche Tiere wie Greifvögeln oder Fledermäusen genutzt werden.[4]
Entbehrlich gewordene Türme aus Stahl werden im Regelfall demontiert, da die Konstruktion abgebaut und andernorts wiederaufgebaut wird bzw. wenn der Bauzustand keine direkte Verwertung mehr zulässt, das Metall der Konstruktion aber als Schrott noch wirtschaftlich verwertet werden kann. Allerdings bleiben hierbei gelegentlich die Betonfundamente im Boden zurück, da deren Entfernung oft recht aufwendig ist. Man findet zum Beispiel in Herzberg (Elster) noch heute das Fundament des Sendemastes des einstigen Deutschlandsenders III.
Auch von einigen ehemaligen großen Holztürmen sind noch die schwer zu entfernenden Fundamente vorhanden. So existieren heute noch die Fundamente des einstigen Holzturms der Sendeanlage Ismaning.
In einigen Regionen führt Bevölkerungsrückgang zu mehr Leerstand und schrumpfenden Einwohnerzahlen. Wenn Landstriche veröden, ist der Abriss bzw. Rückbau von einem Teil der ungenutzten Gebäude von der verbliebenen Bevölkerung oft erwünscht. Verschwindet, wie z. B. die Memeler Straße in Altena ein ganzer Straßenzug, so werden auch die Infrastruktur einschließlich Straßenbeleuchtung und Versorgungsleitungen zurückgebaut.[5]
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