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US-amerikanischer Politologe, Professor an der University of Michigan Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ronald F. Inglehart (* 5. September 1934 in Milwaukee, Wisconsin, USA; † 8. Mai 2021 in Ann Arbor, Michigan[1]) war ein US-amerikanischer Politologe und ab 1978 bis 2010 Professor an der University of Michigan.
Bis 1956 studierte Inglehart an der Northwestern University und schloss dort sein Studium mit einem Bachelor ab. Anschließend studierte er bis 1962 im Master-Studiengang an der University of Chicago. In den Jahren 1963/64 absolvierte er schließlich ein Fulbright-Stipendium an der Universität Leiden (Niederlande). 1967 promovierte Inglehart an der University of Chicago. Ab 1978 war er Professor der Politikwissenschaft an der University of Michigan. Zudem war er ab 1985 Programmdirektor des Center for Political Studies der University of Michigan.
Weiterhin war Inglehart Gastprofessor an zahlreichen Universitäten: Universität Mannheim; University of Kyoto (Japan); Dōshisha-Universität, Kyoto (Japan); Freie Universität Berlin; Universität Leiden (Niederlande); Academia Sinica, Taipei (Taiwan); Berlin Science Center for Social Research; Universität Rom (Italien). Seit 2008 war Inglehart jeweils drei Monate im Jahr „Wisdom-Professor“ an der Jacobs University Bremen und Mitglied der Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS).
Sonstige Tätigkeiten: Mitarbeit beim Euro-Barometer, den World Values Surveys, Herausgebertätigkeit bei mehreren wissenschaftlichen Zeitschriften, wissenschaftlicher Beirat des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung etc.
Ab 2009 war er Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.
2011 erhielt Inglehart gemeinsam mit Pippa Norris den Johan-Skytte-Preis der Universität Uppsala, die international höchste Auszeichnung für Politologen.
Bekannt wurde Inglehart in den 1970er Jahren durch seine Theorie des Wertewandels. Die Theorie beruht auf der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow. Nach diesem Modell bilden die menschlichen Bedürfnisse die „Stufen“ einer Pyramide und bauen dieser eindimensionalen Theorie gemäß aufeinander auf. Der Mensch versucht demnach, zuerst die Bedürfnisse der niedrigen Stufen zu befriedigen, bevor die nächsten Stufen Bedeutung erlangen. Wer zum Beispiel in seinem Bedürfnis nach Selbsterhaltung oder Sicherheit frustriert wurde, der wird zuerst diese Bedürfnisse erfüllen wollen. Erst dann wird er nach „höheren Bedürfnissen“ wie zum Beispiel sozialer Anerkennung oder Selbstverwirklichung streben. Nach Inglehart entwickeln Menschen während ihrer Jugend eine materialistische/postmaterialistische Einstellung. Je größer die formative Sicherheit (d. h. je größer der Wohlstand, den eine Person während ihrer Kindheit erlebt), desto wahrscheinlicher ist es, dass diese Person eine postmaterialistische Einstellung entwickelt. Erlebt eine Person hingegen Armut, wird sie eher eine materialistische Einstellung entwickeln.
Seine Theorie besagt, dass bei steigendem Wohlstand einer Gesellschaft das Bestreben nach materialistischen Werten (z. B. Neigung zu Sicherheit und Absicherung der Grundversorgung) abnimmt, während das Bestreben nach postmaterialistischen Werten (z. B. Neigung zu politischer Freiheit, Umweltschutz) zunimmt. Inglehart ist der Meinung, dass Materialisten eher konservativen Werten zuneigen, Postmaterialisten eher Werten der Selbstentfaltung. So stehen Materialisten zum Beispiel der Homosexualität negativ gegenüber und missbilligen Abtreibungen. Sie sind patriotischer und religiöser als Postmaterialisten. Das führt Inglehart darauf zurück, dass ein Individuum, das wenig formative Sicherheit erlebt, Halt in der Religion sucht. Dagegen sind Postmaterialisten in den sogenannten „neuen politischen Bewegungen“, wie zum Beispiel der Friedensbewegung oder der Umweltschutzbewegung, stark überrepräsentiert. Sie neigen stark dazu Parteien der „neuen Politik“, wie etwa die Grünen, zu wählen. Überhaupt wird das Aufkommen der Grünen in starkem Umfang auf den Wertewandel zurückgeführt.
Zur statistischen Überprüfung der Theorie hat Inglehart den sogenannten Inglehart- oder Postmaterialismus-Index konstruiert, der Materialisten über eine Ranking-Skala von Postmaterialisten unterscheidet.
Dazu sollen die Befragten aus den vier Items:
zwei auswählen, die sie für am erstrebenswertesten halten. Daraus ergeben sich sechs mögliche Kombinationen, die Inglehart den Gruppen Materialisten, Post-Materialisten sowie gemischte Typen zuordnet.[2]
Der Index ist bei Sozialwissenschaftlern methodologisch umstritten. Zudem scheinen empirische Studien die eindimensionale Entwicklung, die Inglehart vorhersagte (z. B. Klein 1995), zum Teil zu widerlegen.
In seinen letzten Werken beschäftigte sich Inglehart verstärkt mit der Rolle der Religion und religiöser Kulturen für die Entwicklung von Demokratie und Politik. Dabei sah er einen starken Zusammenhang zwischen Prozessen der Säkularisierung und der Demokratisierung, die über die Modernisierung miteinander verbunden sind. Allerdings führen die unterschiedlichen religiösen Kulturen zu Pfadabhängigkeiten der Modernisierung.
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