Seltens Vater war Jude, der mit einer Protestantin verheiratet war. Reinhard Selten galt deshalb in der Zeit des Dritten Reichs als Halbjude. Der Vater betrieb einen Lesezirkel, den er allerdings wegen seiner jüdischen Abstammung Mitte der 1930er Jahre aufgeben musste. Er starb 1942 nach einer schweren Krankheit. Mit 14 Jahren musste Selten das Gymnasium wegen seiner jüdischen Abstammung verlassen. Anfang 1945 flohen er und seine Familie vor der herannahenden Roten Armee aus Breslau. Über Sachsen und Österreich kamen sie schließlich nach Hessen. Dort besuchte er ab 1946 wieder eine höhere Schule und bestand 1951 sein Abitur am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Melsungen mit Auszeichnung.[3]
Selten studierte Mathematik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und erwarb dort 1957 das Diplom. Anschließend war er bis 1967 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Heinz Sauermann. 1961 promovierte er, ebenfalls in Frankfurt, in Mathematik mit einer Arbeit über die Bewertung von n-Personenspielen zum Dr. phil.[4]
Er war Gastprofessor in Berkeley und habilitierte sich danach in Frankfurt. Von 1969 bis 1972 lehrte er an der Freien Universität Berlin sowie von 1972 bis 1984 an der Universität Bielefeld. Am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) leitete er 1987/88 die Forschungsgruppe „Game Theory in the Behavioral Sciences“. Von 1982 bis 2015 war Selten Mitglied im Beirat des ZiF. 1984 nahm er einen Ruf an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn an. Dort baute er das BonnEconLab, ein Laboratorium für experimentelle Wirtschaftsforschung auf, an dem er auch nach seiner Emeritierung aktiv tätig war.
2010: Ehrenprofessur der Nanjing Audit University[10]
Der Verein für Socialpolitik vergibt den nach ihm benannten Reinhard-Selten-Preis. Die Gesellschaft für experimentelle Wirtschaftsforschung vergibt das Reinhard Selten-Stipendium an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.[11]
2019 wurde auf dem neuen Campus Poppelsdorf der Universität Bonn eine Straße nach Selten benannt.[12]
Als Autor
Bewertung von n-Personenspielen. Dissertation vom 24. Juli 1961, Universität Frankfurt, Naturwiss. Fakultät. Frankfurt, 1961.
Preispolitik der Mehrproduktenunternehmung in der statischen Theorie. Habilitationsschrift. FU Berlin. Springer, Berlin [u.a.] 1970. (Ökonometrie und Unternehmensforschung, Band 16)
Mit Otwin Becker:Experiences with the Management Game SINTO-Market. In: Heinz Sauermann (Hrsg.): Beiträge zur experimentellen Wirtschaftsforschung. Band2. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1970, S.136–150.
Mit Werner Güth: Macht Einigkeit stark? Spieltheoretische Analyse einer Verhandlungssituation. (= Working papers / Institute of Mathematical Economics. Nr. 58). Institut für Mathemat. Wirtschaftsforschung an der Univ. Bielefeld, Bielefeld 1977.
Mit Thomas Marschak:General Equilibrium with Price-Making Firms (=Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems. Band91). Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 1974, ISBN 978-3-540-06624-8.
Einführung in die Theorie der Spiele mit unvollständiger Information. In: Erich W. Streissler (Hrsg.): Information in der Wirtschaft – Verhandlungen auf der Arbeitstagung des Vereins für Socialpolitik in Graz 1981 (=Schriften des Vereins für Socialpolitik. Band126). Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 978-3-428-05194-6, S.81–147.
Mit Werner Güth:Original oder Fälschung - Gleichgewichtsauswahl in einem Verhandlungsspiel mit unvollständiger Information - (Zusammenfassung). In: Erich W. Streissler (Hrsg.): Information in der Wirtschaft – Verhandlungen auf der Arbeitstagung des Vereins für Socialpolitik in Graz 1981 (=Schriften des Vereins für Socialpolitik. Band126). Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 978-3-428-05194-6, S.153–154.
Mit Werner Güth: Original oder Fälschung – Gleichgewichtsauswahl in einem Verhandlungsspiel mit unvollständiger Information. (= Working papers. Nr. 113). Institut für Mathemat. Wirtschaftsforschung an der Univ. Bielefeld, Bielefeld 1982.
Mit Ulrike Leopold:Gleichgewichtsauswahl in einer Gehaltsverhandlungssituation mit unvollständiger Information. In: Erich W. Streissler (Hrsg.): Information in der Wirtschaft – Verhandlungen auf der Arbeitstagung des Vereins für Socialpolitik in Graz 1981 (=Schriften des Vereins für Socialpolitik. Band126). Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 978-3-428-05194-6, S.155–161.
Die konzeptionellen Grundlagen der Spieltheorie einst und jetzt. In: Karl-Dieter Grüske (Hrsg.): John von Neumanns und Oskar Morgensterns „Theory of Games and Economic Behavior“ – Vademecum zu dem Klassiker der Spieltheorie. Wirtschaft und Finanzen, Düsseldorf 2001, ISBN 3-87881-161-6.
Mit Otwin Becker, Tanja Feit, Vera Hofer, Susanne Lind-Braucher, Jörg Schütze, Ulrike Leopold-Wildburger:The Management Game SINTO-Market — Report on Some Recent Experiments. In: Operations Research Proceedings 2002. 2003, S.453–458.
Mit Jonathan Pool: Enkonduko en la teorion de lingvaj ludoj: Ĉu mi lernu Esperanton? = Einführung in die Theorie sprachlicher Spiele (= Grundlagenstudien aus Kybernetik und Geisteswissenschaft. Band 36, [Beih.]). Akad. Bücherdienst, Berlin 1995, ISBN 3-929853-03-5.
Mit Helmar G. Frank: Für Zweisprachigkeit in Europa/Por dulingveco en Eŭropo. IFB Verlag, Paderborn 2005.
Mit Otwin Becker, Tanja Feit, Vera Hofer, Jörg Schütze, Ulrike Leopold-Wildburger:Das Marketingspiel SINTO und seine Vorzüge als Unternehmensplanspiel. In: Sem|Radar: Zeitschrift für Systemdenken und Entscheidungsfindung im Management. Band4, Nr.1, 2005, S.3–18.
Mit Otwin Becker, Tanja Feit, Vera Hofer, Robin Pope, Ulrike Leopold-Wildburger:Männer schöpfen Märkte besser aus – Empirische Evidenz anhand des Unternehmensplanspiels SINTO-Markt. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Band7, Nr.4, 2006, S.445–458, doi:10.1111/1468-2516.00221.